Protokoll der Sitzung vom 15.05.2003

Zweitens. Die fünf Regionen Altmark, Magdeburg, Anhalt, Harz und Halle sind im Landesplanungsgesetz als kommunale Zweckverbände gesetzlich fixiert. Das heißt, sie betreiben neben der förmlichen Planung noch die in

formelle Planung unter Obhut des Ministeriums für Bau und Verkehr. Es sind Planungsregionen und keine Wirtschaftsregionen. Hinsichtlich dieses Missverständnisses muss einfach einmal Klarheit geschaffen werden.

In diesen Planungsregionen haben sich nach dem Freiwilligkeitsprinzip - dabei hat nicht die Landesregierung das Sagen - Gremien und Arbeitsgruppen etabliert, die insbesondere die Planungen und die Strukturen in den Regionen miteinander zu koordinieren und aufeinander abzustimmen versuchen, was natürlich vom Land verfolgt und gutgeheißen wird.

Es handelt sich, nochmals gesagt, um Planungsregionen und nicht um Wirtschaftsregionen. Wirtschaftsregionen - das ist jetzt meine Ansicht, Herr Metke - werden nicht durch Politik und Verwaltung festgelegt, sondern durch die Wirtschaft selbst, und das ist auch gut so.

Die Länder übergreifende Zusammenarbeit im Großraum Halle/Leipzig/Dessau bis nach Jena und Gera, bis nach Thüringen hinein, wird seit dem Jahr 1996 betrieben und nicht erst seit jüngster Zeit. Die Träger sind die wichtigen Institutionen vor Ort, insbesondere im Moment das Regionalmarketing, also eine Wirtschaftsinstitution, die sich selbst organisiert hat mit strukturbedeutsamen Wirtschaftsunternehmen. Die Träger sind dabei nicht die Landesregierungen. Diese wollen aber sehr wohl die erfolgreiche Arbeit weiterhin unterstützen und begleiten.

Mit unserem Änderungsantrag mit der darin enthaltenen Klarstellung zwischen den verschiedenen Themen, die ich eben erläutert habe, bitten wir die Landesregierung, zusammen mit uns im Ausschuss über die Themen zu diskutieren, die Sie angesprochen haben, und zwar unter dem Aspekt der regionalen Wirtschaftspolitik. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen und freue mich auf die Diskussion.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Herr Dr. Schrader, Sind Sie bereit, noch zwei Fragen zu beantworten?

Aber selbstverständlich.

Herr Abgeordneter Metke und dann Herr Abgeordneter Reck.

Herr Dr. Schrader, es ist ja schön, dass Sie mir die Welt erklären. Aber ich will Sie schon einmal fragen, ob Ihnen bekannt ist, dass diese fünf Regionen in der Tat aufgrund eines Regionalprozesses entstanden sind, dass es jeweils Beschlüsse der Kreistage gegeben hat und sich somit daraus sozusagen eine freiwillige Selbstfindung der Regionen ergeben hat.

Ist Ihnen auch bekannt, dass es in der Tat in der ersten Phase der Diskussion darum ging, die Regionen auch wirtschaftspolitisch zu bilden? Das heißt Strukturpolitik und Regionalpolitik im Sinne von Wirtschaftspolitik und im Sinne der Entwicklung von wirtschaftspolitischen Strukturen. Dass jetzt dieser Prozess durch die Planungs

regionen formalisiert worden ist, setzt sozusagen aber diesen Prozess nicht außer Kraft.

Was wir unter regionalisierter Strukturpolitik verstehen - vielleicht müssen wir uns in der Tat ein bisschen ausführlicher darüber unterhalten -, ist die Möglichkeit, auch regionale Akteure mit einzubeziehen, diejenigen, die wissen, was vor Ort an Schwächen und Stärken vorhanden ist, sie mit einzubeziehen in einen Prozess, in dem sich in der Tat regionale Profile entwickeln, die nicht verordnet sind, sondern im Grunde genommen in den Regionen selbst entstehen. Das war zumindest der Ansatz, der seit 1995 verfolgt worden ist.

Ich denke, wir sollten, wenn wir das Land in der Tat wirtschaftspolitisch voranbringen wollen, nicht dazu übergehen, diesen Prozess der Verwaltung allein zu überlassen. Das wäre nämlich der Tod der regionalisierten Strukturpolitik - um das einmal ganz deutlich zu sagen.

Die Frage lautet: Ist Ihnen dieser Werdegang oder dieser Prozess in der Tat bekannt? Ich hatte bei Ihrer Rede ein bisschen den Eindruck, dass Sie diesen Prozess nicht richtig verfolgen konnten.

Herr Metke, ich danke Ihnen für die Belehrung. Ich muss Sie korrigieren: Ich habe den Weg genauestens verfolgt, uns zwar als einer der Akteure, die dies in der Kommune gemacht haben. Deshalb wollte ich Ihnen erläutern, wie das aus kommunaler Sicht aussieht. Ich habe auch viele Jahre lang in der RIS und in der RAHM mitgearbeitet. Ich weiß, wovon ich rede. Danke für die Aufmerksamkeit, die Sie mir entgegenbringen; denn über eben diese Themen müssen wir uns unterhalten, weil wir vielleicht das Gleiche meinen. Aber dann müssen wir auch die gleichen Begrifflichkeiten verwenden.

Noch ein Satz sei mir gestattet. Der Staat kann mit den zusammengefügten Kreisen über das Landesplanungsgesetz nicht festlegen: Ihr seid jetzt eine einzige Wirtschaftsregion. Denn die Wirtschaft wird von der Wirtschaft selbst gemacht. Der Kreis, der nebenan ist oder der, bis hinein nach Niedersachsen, den gleichen Branchenschwerpunkt hat, ist dann abgeschnitten. Das heißt, man muss auch die entsprechenden Strukturen darüber hinaus beachten und dem auch im Zuge der Selbstorganisation - Sie haben es selbst gesagt - seinen Lauf lassen und das unterstützen.

Das Entscheidende ist: Der Staat muss sich um die Rahmenbedingungen kümmern, insbesondere um die Rahmenbedingungen gesetzgeberischer, arbeitsmarktpolitischer und förderpolitischer Art. Das ist die Aufgabe des Staates. Der Staat ist nicht dazu da, die Wirtschaft selbst zu machen. Das macht die Wirtschaft.

Danke. - Herr Abgeordneter Reck.

(Herr Dr. Schrader, FDP: Jetzt kommt die Alt- mark!)

Herr Schrader, ich schätze Sie als ausgesprochenen Fachmann und als Kollegen, und ich weiß, dass Sie mit der Frage und mit der Antwort, die Sie mir geben werden, sorgfältig umgehen werden, dass Sie mich nicht so abbügeln werden, wie es der Minister Rehberger an dieser Stelle getan hat.

Sie formulieren in Ihrem Änderungsantrag, dass bei der Berichterstattung insbesondere auf den Schwerpunkt der Zusammenarbeit im Großraum Dessau, Halle/Leipzig, Jena und Gera eingegangen werden soll. Meine Frage - das mag jetzt penetrant klingen -: Welche Chancen räumen Sie dann der Altmark bei der Initiative Mitteldeutschland ein, einer Region, die doch etwas entfernt ist von den Städten, die hier aufgezählt worden sind?

(Herr Gürth, CDU: Das können Sie beim Kaffee- trinken in der Kantine klären! - Zuruf von Frau Budde, SPD)

Herr Reck, ich gehe sehr sorgfältig mit der Frage um und kann sagen, der Minister hat das überhaupt nicht polemisch beantwortet. Er hat nämlich den Finger in die Wunde gelegt.

Wir alle werden bald gemeinsam Gelegenheit dazu haben, bestimmte Ideen, Möglichkeiten und Chancen für die Altmark umzusetzen, sofern wir alle zusammenstehen und nicht querschießen.

(Herr Poser, CDU: Genau, nicht querschießen!)

Ich denke, die Altmark hat berechtigte Chancen, wenn man es genau analysiert, wenn man die Chancen auch nutzt. Es nützt nichts - das ist eine allgemeine Aussage; das habe ich als in bestimmten Branchen Tätiger jahrelang verfolgt -, bestimmten Themen hinterherzulaufen, mit denen man an anderen Stellen schon zehn Jahre weiter ist. Das bringt nichts.

Jede Region hat ihre Chance. Diese Chance besteht darin, dass sie die Besonderheiten, die sie hat, nutzt. In der Altmark sind das die dünne Besiedlung, die Verkehrsanbindung, die wir jetzt auf die Reihe bringen, und die topfebene Landschaft, mit der wir ganz spezifische Dienstleistungen, Wirtschaftsfaktoren und Infrastrukturen dorthin bringen können. Darum bitte ich Sie herzlich, dann, wenn die Themen kommen, konstruktiv mitzuarbeiten.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Danke, Herr Abgeordneter Dr. Schrader. - Für die SPDFraktion erteile ich der Abgeordneten Frau Budde das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister, das war nicht nur nichts, das war gar nichts.

(Zustimmung bei der SPD - Herr Gürth, CDU: Tätä, tätä, tätä!)

Ich bin froh, dass die Redebeiträge hinterher dann ein bisschen an Substanz zugenommen haben.

(Oh! bei der CDU)

Wenn Sie das Gleiche im Ausschuss erzählen wollen, dann brauchen wir wirklich nicht darüber zu reden.

Herr Poser, manchmal sollte man seinen eigenen Vorstellungen folgen. Genau das, was Sie zum Schluss gesagt haben, was Ihnen inhaltlich eigentlich vorgeschwebt hätte, haben wir inhaltlich gemeint.

(Herr Gürth, CDU: Aber nicht in den Antrag hin- eingeschrieben!)

Herr Dr. Schrader, es geht eben nicht um unterschiedliche Begrifflichkeiten, sondern wir meinen in der Tat etwas Unterschiedliches. Wir meinen wirklich Wirtschaftsregionen. Diese fünf Wirtschaftsregionen, die dann später sozusagen verfestigt worden sind, auch raumordnerisch in den Planungsregionen, die sind - ich weiß nicht, ob es nur bis 1993 war oder bis Anfang 1994; auf jeden Fall war es vor dem ersten Regierungswechsel - von der ersten Landesregierung vorgestellt worden.

Wir alle haben in den vergangenen Jahren immer weiter daran gearbeitet, die wirtschaftliche Entwicklung dort vernünftig zu begleiten. Das, was Sie mit Ihrem Antrag machen, ist eine Beerdigung dritter Güte.

(Herr Gürth, CDU: Überhaupt nicht!)

Wir wollen nicht über die verwaltungstechnische Seite der Planungsregionen reden. Wir wollen auch nicht über die raumordnerische Begleitung reden. Wir wollen auch nicht über die regionalen Entwicklungskonzepte als Verwaltungsakt reden. Wir wollen in der Tat inhaltlich darüber reden,

(Herr Gürth, CDU: Na ja, können wir doch!)

wie man eine wirtschaftliche Ausprägung, die in den Regionen vorhanden ist, begleiten kann.

(Zustimmung bei der SPD - Zuruf von Herrn Dr. Schrader, FDP)

Damit meinen wir solche Initiativen wie „Wernigerode übermorgen“ - das kommt Ihren Vorstellungen sehr entgegen - und andere, die in den Regionen entstanden sind.

Herr Minister Rehberger, Sie wären gut beraten gewesen, wenn Sie nach einer ernsthaften Antwort gesucht hätten und auch das Parlament als Diskussionspartner akzeptiert hätten. Ihre 30 000 bis 35 000 Existenzgründungen, die wir brauchen, die Sie gestern in diesem „MZ“-Artikel avisiert haben

(Zuruf von Frau Fischer, Merseburg, CDU)

mit dem Hinweis darauf, dass in Nordrhein-Westfalen jede dritte Neugründung von den Universitäten kommt - das ist ein Ansatz. In diesem Zusammenhang frage ich mich aber natürlich: Wo ist gerade dort Ihr Einsatz für die Regionalpolitik, für die Strukturpolitik?

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS)

Denn diese Landesregierung baut gerade Fachhochschulen ab, die als Kristallisationskeime in den Regionen vorhanden sind, die das tragen müssen. Sie beschneidet die Universitäten, obwohl Sie doch mehr Existenzgründungen aus den Universitäten heraus haben wollen.