Protokoll der Sitzung vom 15.05.2003

In der vergangenen Woche hat nun die Landesregierung offen erklärt, dass für den Fall, dass ein Tarifabschluss nicht zustande käme, Kündigungen nicht ausgeschlossen seien. Den pädagogischen Bedarf kennen wir bislang nicht.

Es geht dabei vor allem um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Grundschulen mit verlässlichen Öffnungszeiten, um pädagogische Mitarbeiterinnen an Sonderschulen, um einige wenige Horterzieherinnen und um

pädagogische Mitarbeiterinnen an Schulen mit besonderem pädagogischen Profil.

Es ist die Rede davon, dass die wöchentliche Arbeitszeit um etwa fünf Stunden gekürzt werden soll. Ich will einmal die Tatsache beiseite lassen, dass es sich fast ausschließlich um Frauenarbeitsplätze handelt, die zum Teil offensichtlich dauerhaft zu Teilzeitjobs degradiert werden sollen und damit mit einem geringen Einkommen verbunden sein werden.

Mir geht es mit diesem Antrag vor allem um den pädagogischen Aspekt. Pädagogische Mitarbeiterinnen sind eine mögliche Antwort auf die neuen Herausforderungen an die Schule, über die wir im letzten Jahr mehrfach gesprochen haben. Sie können im Unterricht begleiten. Sie können intensivere Übungsphasen ermöglichen. Sie können die Arbeit in kleinen Lerngruppen befördern und zusätzliche Angebote unterbreiten. Wer die Arbeitszeit dieser Mitarbeiterinnen weiter absenkt, hat aus meiner Sicht die Zeichen der Zeit nicht erkannt.

(Zustimmung bei der PDS)

Frau Feußner, ich erinnere mich noch gut daran, dass Sie mich im Zusammenhang mit der von mir geäußerten Befürchtung, dass man infolge der Grundschule mit verlässlichen Öffnungszeiten über die Länge der Arbeitszeit der pädagogischen Mitarbeiterinnen neu nachdenken und sie weiter absenken würde, der Lüge bezichtigt haben. Jetzt geht es eben um etwa fünf Stunden. Das finde ich schon recht beachtlich.

(Frau Feußner, CDU: Was ist mit der demogra- fischen Entwicklung?)

- An den Grundschulen stabilisieren sich zurzeit die Schülerzahlen. Mit dramatischen Absenkungen ist in den nächsten Jahren nicht zu rechnen, zumindest nicht im Landesdurchschnitt. Diese Zahlen kann man genau dieser demografischen Entwicklung entnehmen.

(Frau Feußner, CDU: Es gibt nicht nur an Grund- schulen pädagogische Mitarbeiterinnen!)

- Das ist aber die Mehrheit, Frau Feußner.

Ich will auch noch darauf hinweisen, dass mit dem Programm zur Einrichtung von Ganztagsschulen eine weitere Möglichkeit geschaffen wird. Nicht zuletzt die CDUregierten Bundesländer haben beklagt, dass die Bundesregierung das Geld für pädagogisches Personal dabei nicht zur Verfügung stellt. Diese Klage kann ich durchaus teilen.

Es ist aber auch eine Mogelpackung, wenn man das in diesem Lande vorhandene Potenzial gar nicht nutzt, um einen solchen Ausgleich zu schaffen. Ganztagsschulen ohne pädagogische Mitarbeiter, ohne zusätzliches Personal sind eben nur eine halbe Sache, möglicherweise nur eine verlängerte Öffnungszeit. Ich weiß nicht, wie Sie das hinkriegen wollen, wahrscheinlich gar nicht.

Insofern ist es natürlich auch bedenklich, wenn der Kultusminister erklärt, dass man sich vor allem auf die vorhandenen Angebote stützen will. Das ist dann eine echte Mogelpackung. Dazu hätte es des Programms nicht bedurft. Das sage ich, auch wenn ich dafür bin, dass man solche Gelder dafür nutzt, die anstehenden Sanierungsaufgaben im Schulbereich zu unterstützen.

Der Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP - -

(Frau Feußner, CDU: Alternativ!)

- Entschuldigung, Sie haben Recht, Alternativantrag. Das macht es eigentlich noch schlimmer. Mit einem Änderungsantrag hätte man vielleicht leben können. - Der Alternativantrag ist nicht nur überflüssig, sondern auch platt. Wir wissen alle, dass die Tarifverhandlungen bevorstehen, das heißt, sie beginnen.

(Frau Feußner, CDU: Die Verhandlungen laufen bereits!)

- Oder sie laufen schon. - Angesichts dessen braucht man die Landesregierung nicht mehr zu beauftragen. Eine Berichterstattung kann im Ausschuss erfolgen.

Meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP, einen solchen platten Antrag hätten wir weiß Gott nicht gestellt.

(Zustimmung bei der PDS)

Allerdings ist deutlich, was Sie damit wollen. Das hat tatsächlich Tradition in Ihrer Regierungszeit: Erst abschneiden und dann nachmessen und schauen, was man damit noch tun kann.

(Zuruf von Frau Feußner, CDU)

Wieder einmal sollen die finanzpolitischen oder die vermeintlichen finanzpolitischen Erfordernisse die pädagogische Arbeit dominieren. Es ist die schlechte Tradition der Bildungspolitik der Landesregierung des letzten Jahres, die nun fortgesetzt wird.

Rings um uns in den anderen Ländern, in Deutschland und von den Erziehungswissenschaftlern sowie im pädagogischen Bereich überhaupt wird immer wieder erklärt, dass wir in die Schule mehr investieren müssen, auch an Personal. Es bedarf anderer Lehrformen und Arbeitsformen. Dafür braucht man auch Personal.

Rings um uns in Europa wird, anders als in Deutschland, zusätzliches Personal begleitend eingesetzt. Das kann man sich ansehen. Aus den schwierigeren Umständen, unter denen die Jugendlichen ihre Kindheit und Jugendzeit verleben, lernen offensichtlich alle - nur wir nicht. Wir behaupten, es geht immer so fort, wie es bisher gegangen ist.

Ich glaube - wenn ich den Staatssekretär ernst nehme in seiner Aussage, die wir neulich von ihm hörten -, dass sich der Kultusminister offensichtlich gegen den eigenen Finanzminister nicht durchsetzen kann. Dabei hätte er an dieser Stelle ausnahmsweise einmal unsere Unterstützung.

Unser Antrag lautet: Erst den Bedarf bestimmen und diesen diskutieren und dann darüber reden, inwiefern sich das in Arbeitszeitveränderungen und in tariflichen Festlegungen niederschlagen muss.

Ich bitte um die Annahme unseres Antrages. Dass wir dem CDU-Antrag nicht zustimmen können, liegt wohl auf der Hand. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)

Danke, Frau Dr. Hein, für die Einbringung. - Wir treten jetzt ein in die Debatte. Als erster Debattenredner hat für die Landesregierung der Kultusminister Professor Dr. Olbertz um das Wort gebeten. Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Mit dem vorliegenden Antrag wird die Landesregierung aufgefordert, die Ausschüsse für Bildung und Wissenschaft sowie für Gleichstellung, Familie, Kinder, Jugend und Sport über die Entwicklung des Bedarfs an pädagogischen Mitarbeiterinnen in den Grundschulen mit verlässlichen Öffnungszeiten, in den Sonderschulen und in den Schulen mit besonderem sozialpädagogischen Profil zu informieren. Als Termin für die Berichterstattung ist der Juni 2003 vorgesehen.

Die pädagogischen Mitarbeiterinnen arbeiten ja in einem klassischen Teilzeitfeld, in dem auch die zu erledigenden oder zu lösenden Aufgaben Wandlungen und Veränderungen unterliegen. So werden sich die pädagogischen Mitarbeiterinnen in den Grundschulen infolge der Ausweitung der Stundentafel für den Englischunterricht ab Klasse 3 verstärkt mit den Schülerinnen und Schülern der Jahrgänge 1 und 2 auseinander setzen und beschäftigen.

Dadurch soll auch erreicht werden, dass die teilweise sehr unterschiedlichen Lernvoraussetzungen am Beginn der Grundschulzeit nicht zu frühzeitigen Misserfolgserlebnissen führen. Gezielte Sprachentwicklung und Entwicklung der sozialen Kompetenz sind dabei wichtige Arbeitsschwerpunkte, ebenso die Betreuungszeiten vor dem Unterricht, in der kreativen Entspannungsphase der Grundschule mit verlässlichen Öffnungszeiten und in der Anschlussförderung.

Aber nicht nur der Personalüberhang, sondern auch das Tätigkeitsprofil der pädagogischen Mitarbeiterinnen an den genannten Schulformen verlangt bzw. rechtfertigt im Regelfall nicht eine Vollbeschäftigung.

Die aufgrund des Schülerrückgangs entstandenen Personalüberhänge sollen nun beschäftigungssichernd in einem Tarifvertrag geregelt werden. Heute übrigens, genau heute werden die Tarifverhandlungen eröffnet. Ich hoffe sehr und ich hoffe eindringlich, dass sich die Tarifpartner ihrer gemeinsamen Verantwortung bewusst werden und eine für beide Seiten tragfähige Lösung finden.

Ich habe leidenschaftlich dafür plädiert, diesen Weg zu gehen, auch eingedenk der Tatsache, Frau Hein, dass in der Tat die pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Schulen eine wichtige Aufgabe übernehmen. Es ist aber letzten Endes wiederum ein Problem des Geldes, mit zu vielen Arbeitskräften in diesem Sektor konfrontiert zu sein, die ich schon bezahlen würde, wenn ich das Geld hätte.

Diese Frage wird immer nicht beantwortet, und das ist auch der Grund, weshalb ich von der PDS am Ende niemals Zustimmung bekommen werde; denn das Geld haben wir nicht. Insofern müssen wir auch in diesem Sektor für effiziente Strukturen eintreten, die einerseits arbeitsplatzsichernd sind, auf der anderen Seite aber auch bezahlbar bleiben. Drittens geht es darum - was eigentlich das Entscheidende ist, und dafür trete ich mit Nachdruck ein -, an den Schulen das Arbeitsfeld der pädagogischen Mitarbeiterinnen auch ernst zu nehmen und konzeptionell einzubauen. Das ist sehr wichtig.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Minister Herrn Dr. Daehre)

Die Landesregierung wird den in der Beschlussvorlage geforderten Bericht bis Ende Juni vorlegen. Das ist kein Problem. Sollten bis zu diesem Zeitpunkt die Tarifverhandlungen für die pädagogischen Mitarbeiterinnen aber noch nicht abgeschlossen sein, schlägt die Landesregierung vor, die Berichterstattung nach Abschluss der Tarifverhandlungen vorzunehmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke, Herr Minister. Würden Sie noch eine Frage von Frau Dr. Hein beantworten?

Ja, ich mache das.

Herr Minister, mich würde interessieren, wie Sie denn das Arbeitsfeld der pädagogischen Mitarbeiterinnen an den Grundschulen bestimmen.

Ich habe doch in meiner kurzen Rede beschrieben, was die pädagogischen Mitarbeiterinnen in den Grundschulen mit verlässlichen Öffnungszeiten machen sollen.

(Frau Dr. Hein, PDS: Sie haben gesagt, dass Sie es bestimmen wollen, nicht wie!)

Sie sind für die Betreuung der Kinder vor dem Unterricht in der Frühphase da, in der ja auch nicht nur einfach Beaufsichtigung erfolgen soll, sondern etwas, das mit dem durchaus anstrengenden Unterrichtsalltag in der Schule zusammenhängt. Sie sind für die kreativen Entspannungsphasen in den Jahrgängen 1 und 2, in denen das innerhalb der fünfeinhalb Stunden sinnvoll möglich ist, da und natürlich auch für die nachunterrichtliche Betreuung.

Sie sind drittens dafür da, individuell zu fördern an den Stellen, an denen Kinder aufgrund von Rückständen, Schwierigkeiten oder schwierigen Lernumfeldern sozusagen langsamer lernen, sodass sie mitgenommen werden und nicht im Klassenverband ins Hintertreffen geraten. Dort setzt dann individuelle Begleitung und Förderung ein.

Für diese Aufgaben haben wir einen beachtlichen Bestand an pädagogischen Mitarbeitern. Aber vor dem Hintergrund der demografischen Situation - dem kann ich mich nicht verschließen, dem möchte ich mich auch nicht verschließen - sind es schlicht zu viele.

Das Tätigkeitsfeld ist durch die Stundenauslastung dieser Kolleginnen und Kollegen tatsächlich schon funktional oder strukturell, wie Sie wollen, auf ein Teilzeitfeld angelegt. Es lässt sich vollzeittechnisch im Grunde in die normale Regelschule überhaupt nicht einbinden. Das mag anders sein in manch einer Sonderschule.

Das ist also ungefähr das Tätigkeitsprofil. Deswegen plädiere ich ja mit Nachdruck dafür, dass man zu einer vernünftigen Tarifvereinbarung kommt, die diese Ausgangssituationen sozusagen berücksichtigt und damit die pädagogischen Mitarbeiter weiterhin sinnvoll in die Schulen einbindet. Anders kann ich hier nicht vorgehen; denn ich halte den Berufsstand für wichtig. Aber wir müssen ihn bezahlen können auch in Relation zu den Schülerzahlen, und da sind wir im Moment an einer kri