Am 19. Juli 2002 hat der Landtag in einer Aktuellen Debatte die Ergebnisse der Pisa-E-Studie diskutiert. Ich möchte zu Beginn einen Satz wiederholen, mit dem ich meine damalige Rede abschloss:
„Die ganze Gesellschaft verspielt ihre Zukunft, wenn Bildung gering geschätzt oder vernachlässigt wird. Die Verantwortung dafür liegt bei uns, so wie wir hier sitzen, und ich hoffe, dass wir sie weitgehend gemeinsam wahrnehmen werden.“
Mit der jetzt vorliegenden Beschlussempfehlung, die von allen Fraktionen getragen wird, wird ein wichtiger Schritt zur Qualitätsentwicklung an unseren Schulen unternommen.
Während wir hier über Schritte im Ergebnis der PisaStudie diskutieren, hat in unserem Land die Erhebung zu Pisa 2003 begonnen. Von den 60 Schulen unseres Landes, die in die internationale - das sind zehn Schulen - bzw. die nationale - das sind die übrigen - Wertung eingehen, haben bis zum heutigen Tag 21 Schulen den Pisa-Test absolviert.
Wenn auch unsere gemeinsame Neugier auf die Ergebnisse und die Hoffnung auf ein besseres Abschneiden gegenüber Pisa 2000 auf eine lange Geduldsprobe gestellt werden, so kann ich aber jetzt schon sagen, dass zur Vorbereitung auf Pisa 2003 auf verschiedenen Ebenen alles unternommen wurde, um die Schulen sinnvoll und effektiv auf das Testereignis einzustimmen und vorzubereiten. Hier wurde bei der letzten Erhebung einiges vernachlässigt, was dazu geführt hat, dass möglicherweise nicht alle einbezogenen Schulen und auch Schülerinnen bzw. Schüler der Erhebung den nötigen Ernst entgegengebracht haben.
Unter Verantwortung des Lisa ist zunächst eine Sammlung von Aufgaben aus vergleichbaren internationalen Leistungserhebungen zusammengestellt worden, die in eine neue Aufgabenkultur einmünden sollen. Alle Sekundarschulen und Gymnasien unseres Landes - also natürlich nicht nur die in die neue Pisa-Untersuchung einbezogenen - wurden ab September 2002 mit diesem Material versorgt.
Nach dem Bekanntwerden der aktuellen Pisa-Testschulen Mitte Dezember 2002 sind diesen Schulen darüber hinaus Klassensätze der Aufgaben zur Verfügung gestellt worden, um im Unterricht besser auf Anforderungen der Aufgabenstellungen solcher Tests vorbereiten zu können.
Im Januar 2003 wurden dann in jeweils eintägigen Fortbildungen die Fachmoderatoren und Fachbetreuer Deutsch, Mathematik und Naturwissenschaften am Landesinstitut in ihre unterstützende Funktion an den PisaSchulen eingewiesen. Regionale und schulinterne Fortbildungen unterstützen diese Aktivitäten in der Fläche.
Allen Kolleginnen und Kollegen, die engagiert an der organisatorischen Vorbereitung der Pisa-Erhebungen 2003 mitgearbeitet haben, möchte ich auch von dieser Stelle aus sehr herzlich danken.
Auch wenn kürzlich Iglu, die Internationale GrundschulLese-Untersuchung, die am 8. April 2003 vorgestellt wurde, den deutschen Grundschülerinnen und Grundschülern ein besseres Leistungsniveau bescheinigt, so sollten wir auch hier die Ergebnisse nüchtern betrachten. Wir befinden uns hier in der Gruppe von Ländern, die gemeinsam - also mit statistisch nicht signifikanten Abständen voneinander - nach Schweden, den Niederlanden und England einen vierten Rang einnehmen.
Innerhalb dieser Gruppe von 13 Ländern gibt es, wie gesagt, keine statistisch sicheren Unterschiede. Insofern ist es auch falsch zu sagen, wir befänden uns insgesamt nur auf Rang 12. Aus Sachsen-Anhalt haben allerdings nur vier Grundschulen mit jeweils 2 Klassen teilgenommen.
In ihrer Stellungnahme zu den Ergebnissen von Iglu hebt die Kultusministerkonferenz hervor, dass die Verbesserung der Sprachkompetenz im Elementarbereich, die bessere Verzahnung vorschulischer Einrichtungen mit der Grundschule und die generelle Verbesserung der Grundschulbildung ihre Bedeutung behalten.
Welche Schlussfolgerungen - zunächst für die Grundschulen - hat die Landesregierung aus den Pisa-Ergebnissen bisher gezogen?
Ab 1. August 2003 tritt in der Grundschule eine neue Stundentafel in Kraft. In den Fächern Deutsch und Mathematik wurde das Stundenvolumen um insgesamt neun Stunden erhöht. Diese für Deutsch und Mathematik zusätzlich zur Verfügung stehenden Unterrichtsstunden sollen insbesondere zur Vertiefung und Festigung des erworbenen Wissens und zur Entwicklung wichtiger Kompetenzen genutzt werden.
Planmäßig wird die Arbeit an der Entwicklung neuer Lehrpläne fortgesetzt. Zugleich laufen intensive Vorbereitungen zur Einführung des Englischunterrichts ab Klasse 3. Es ist beabsichtigt, die Qualifizierung der Lehrkräfte für den Fremdsprachenunterricht in der Grundschule im Schuljahr 2003/2004 so zu intensivieren, dass zum Schuljahr 2004/2005 auf der Grundlage eines vorläufigen Lehrplanes in allen 3. Klassen mit dem Englischunterricht begonnen werden kann.
Daneben bereiten wir neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhäusern vor und treffen gerade die letzten Vorbereitungen für einen neuen Leistungsbewertungserlass, der auch für die Grundschulen eine Reihe von pädagogisch begründeten Veränderungen beinhalten wird.
Die vorliegende Beschlussempfehlung fordert nun die Landesregierung auf, bis September 2003 und dann in regelmäßigen Abständen über die Modalitäten und Möglichkeiten der Umsetzung sowie über mögliche Folgekosten zu folgenden Schwerpunkten zu berichten:
Auf der 298. KMK im Mai 2002 einigten sich die Kultusminister der Länder auf die Erarbeitung verbindlicher bundesweiter Bildungsstandards und die regelmäßige Überprüfung dieser Standards durch landesweite Leistungstests. Der Sinn der Bildungsstandards besteht darin, „Maßstäbe zu vereinheitlichen und Wege zu vervielfältigen“. Ich sehe in einem solchen Ansatz auch einen wichtigen Pfad der Modernisierung der Länderhoheit im Bildungsbereich.
Zur Erarbeitung von Bildungsstandards auf KMK-Ebene gibt es Fachkommissionen, in denen auch sechs Vertreter aus Sachsen-Anhalt mitarbeiten. Ich gehe davon aus, dass die Entwürfe für den mittleren Schulabschluss dem Schulausschuss, der am 26./27. Juni tagt, vorgelegt werden.
Zweitens. Entwicklung geeigneter Instrumentarien zur Evaluation schulischer Arbeit - Qualitätssicherung durch Überprüfung der Standards.
Zur Qualitätsverbesserung und Qualitätssicherung in der Schule ist vor allem die Evaluation des Unterrichts ein wichtiger Weg. Zur Unterstützung der Evaluationsvorhaben werden auch externe Verfahren wie landesweite Vergleichsarbeiten, zentrale Leistungsfeststellungen (zen- trale Klassenarbeiten, schriftliche Abschlussprüfungen, schriftliche Abiturprüfungen) eingesetzt und nationale oder internationale Studien genutzt.
Im laufenden Schuljahr sind von erfahrenen Schulpraktikern und Mitarbeiterinnen der beiden Universitäten landesweite Vergleichsarbeiten für das Fach Mathematik im 3., 5., 7. und 9. Schuljahrgang, für das Fach Deutsch in den Jahrgängen 3 und 9 sowie in den Naturwissenschaften in der 9. Klasse erarbeitet worden. Die Rückmeldungen aus den Schulen waren sehr ermutigend. Allein von den Vergleichsarbeiten in Klasse 3 (Deutsch, Mathematik) und 5 (Mathematik) haben wir von über 60 % der Klassen eine Rückmeldung erhalten.
Neben den Vergleichsarbeiten gibt es in Sachsen-Anhalt gemäß Schulgesetz auch zentrale Klassenarbeiten für die Schuljahrgänge 4 (Deutsch, Mathematik) und 6 (Deutsch, Mathematik, Englisch).
Bei alledem allerdings sollte man eines nicht vergessen: Tests ersetzen systematisches Lernen nicht, sondern setzen es voraus. Deshalb wird insbesondere über eine Modernisierung und Qualifizierung der Unterrichtsmethoden nachgedacht.
Auch zu den Punkten 3, 4 und 5 der Beschlussempfehlung laufen im Kultusministerium verschiedene Aktivitäten. So arbeitet zum Beispiel unter Leitung von Staatssekretär Willems eine Arbeitsgruppe, die Vorschläge zur Erhöhung der Selbständigkeit der Einzelschule vorlegen soll.
Die Schulen können sich nur zu pädagogischen Kompetenzzentren entwickeln und die besten Erfahrungen im Rahmen eines „Benchmarkings“ austauschen, wenn sie ausreichend große institutionelle Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume haben. Erst dann kann das Kompetenz- und Erfahrungspotenzial der Lehrerinnen und Lehrer wirklich zur Geltung kommen, das heute nicht selten noch von überflüssiger Bürokratie und zu vielen Detailvorgaben in seiner Entfaltung für die Schule limitiert wird. Eine Modernisierung der Schulaufsicht und
Ich bin sicher, dass mit der Beschlussempfehlung wichtige Grundlagen für greifbare Reformfortschritte im Schulbereich gelegt werden. Für den Fortgang der Dinge würde ich es begrüßen, wenn wir zu den einzelnen Punkten der Vorlage dem Ausschuss zu unterschiedlichen Zeitpunkten, also praktisch schwerpunktweise, berichten könnten. Bei guter Abstimmung wäre es dann möglich, auch jeweils Ergebnisse der Umsetzung vorzustellen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Vorsitzende hat darauf hingewiesen: Es ist uns als Bildungsausschuss gelungen, Ihnen heute eine gemeinsame Beschlussempfehlung vorzulegen, die einen Kompromiss aller drei Anträge darstellt, die im Juli letzten des Jahres von den verschiedenen Fraktionen eingebracht worden waren.
Ich möchte, wenn Sie es mir nicht verübeln, an dieser Stelle einmal den ersten Satz meiner ersten Rede in diesem Hause zitieren, die ich in der gleichen Sitzung in der Aktuellen Debatte zu den Pisa-E-Ergebnissen hielt.
„Frau Feußner, ich bin immer für einen Konsens und für einen Kompromiss zu haben. Aber spätestens nach der Rede von Frau Pieper würde ich sagen: Das wird nicht klappen.“
Nun könnte ich frech sein und mir einen Satz ausdenken, der beginnt mit: „Frau Pieper geht...“ Das lasse ich aber lieber; ich will ja den Konsens mit den Kollegen der FDP nicht gefährden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir dennoch, etwas mehr zu der Frage des Kompromisses zu sagen. Wir haben in der Bundesrepublik, auch hier in Sachsen-Anhalt, wenn ich es vereinfache, zwei große bildungspolitische Blöcke, die sich scheinbar unversöhnlich gegenüberstehen. Jeder behauptet vom anderen, dass mit dessen Konzept keine gute Bildungspolitik zu machen sei.
Wenn man sich die Beschlussempfehlung anschaut, könnte man sagen: Das sind im Groben erst einmal nur
Arbeitsaufträge an die Landesregierung, und es ist völlig offen, wie die einzelnen Fraktionen mit den dann vorgelegten Konzepten umgehen werden. - Das mag sein. Ich halte es dennoch für einen großen Fortschritt, dass wir uns einig sind bei den Problemstellungen und Handlungsfeldern, die gemeistert werden sollen und müssen.
Ich halte es auch für einen Qualitätssprung, dass wir uns endlich gemeinsam in eine Debatte über das Innere von Schule begeben, statt uns ständig über die äußeren Strukturen zu entzweien. Ich hoffe, dass das auch noch eine Weile so bleibt. Schließlich werden wir nur im Konsens dauerhaft tragfähige Konzepte hinbekommen, die nicht nach jeder Landtagswahl infrage gestellt werden. Schule braucht Kontinuität, sonst wird es nicht gelingen, die Qualität zu steigern und zu sichern.
Reform der Lehrerfort- und -weiterbildung, Erarbeitung nationaler Bildungsstandards, Evaluation schulischer Arbeit, bessere individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler, Verbesserung der Zusammenarbeit von Elternhaus und Schule - das sind einige der Probleme, die wir offensichtlich gemeinsam angehen wollen. Auf drei Dinge will ich gesondert eingehen.
Erstens. Ich danke nochmals dafür, dass es im Ausschuss noch gelungen ist, die Frage der Leistungsheterogenität in die Lehrerfortbildung nachträglich aufzunehmen. Wir wissen alle, dass dieses Problem akut ist und in Zukunft wohl nicht kleiner werden wird. Nach den Zahlen, die uns das Kultusministerium zu den aktuellen Übergängen von der Grundschule zum Gymnasium vorgelegt hat, wird die Heterogenität innerhalb der Lerngruppen bereits im nächsten Schuljahr zunehmen.
Wenn wir verhindern wollen, dass massenhaft Kinder in den Klassen 5 und 6 scheitern und zurückverwiesen werden, müssen wir Lehrerinnen und Lehrer in stärkerem Maße als bisher befähigen, Heterogenität produktiv zu nutzen, anstatt sie zu scheuen. Dies ist eine Form der Integration innerhalb unseres bestehenden Schulsystems, die unbedingt erbracht werden muss, wenn wir das Gymnasium für Kinder aus den unterschiedlichsten Elternhäusern halbwegs offen halten wollen.
Zweitens. Der gefundene Kompromiss beinhaltet auch Aussagen zur Fortentwicklung des Schuleintritts und der Grundschule. Im neuen KiFöG ist der Bildungsauftrag der Kitas ausdrücklich benannt. Wir alle wissen um die Bedeutung der vorschulischen Bildung - so weit, so gut. Leider sind die im KiFöG gesetzten Rahmenbedingungen wenig geeignet, diesen Bildungsauftrag zu erfüllen.