Protokoll der Sitzung vom 13.06.2003

(Frau Feußner, CDU: Der Antrag gibt das aber nicht her; wir müssen direkt abstimmen lassen!)

- Ich muss erst einmal über die Überweisung des Antrages abstimmen lassen.

Ich bitte diejenigen, die einer Überweisung in den Bildungsausschuss zustimmen, ihre Stimmkarte zu zeigen. Ich bitte die Schriftführer, die Stimmen zu zählen. - Gegenstimmen? - Meine Damen und Herren! Es hat sich erledigt, weiter auszuzählen. Sie haben es selbst gemerkt. Bei 33 Ja- und 46 Neinstimmen ist die Überweisung in den Bildungsausschuss abgelehnt worden.

Wir stimmen damit über den Antrag selbst ab. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Zustimmung bei CDU und FDP. Gegenstimmen? - Bei SPD und PDS. Damit ist der Antrag mehrheitlich angenommen worden.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf:

Beratung

Himmelsscheibe von Nebra

Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 4/798

Einbringerin des Antrages ist die Abgeordnete Frau Rotzsch. Bitte sehr, Frau Rotzsch.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für das Land Sachsen-Anhalt mit seinen reichen Kulturlandschaften wird der Tourismus ein immer wichtigerer Wirtschaftsfaktor. Die durch den Tourismus in Sachsen-Anhalt resultierenden Arbeitsplatzeffekte können sich durchaus sehen lassen. Cirka 45 000 Arbeitsplätze sind im Tourismus direkt gebunden. Bei Hinzuziehung indirekter Effekte sind ca. 60 000 Arbeitsplätze vom Tourismus abhängig. Die Tourismuswirtschaft erhält somit eine hohe wirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Bedeutung in Sachsen-Anhalt.

Abwechslungsreiche Landschaften, Gewässer und Wälder, historische Kuranlagen sowie sehenswerte Städte und Dörfer mit einzigartigen Bau- und Kulturdenkmalen und herausragenden historischen Geschichten zieren unser Land und machen es zu dem, was es ist: ein Kulturland mit erheblichen Wachstumspotenzialen. Kultur, Natur und Erlebnis sind die Reiseindikatoren der Zukunft. In diesem Zusammenhang gewinnen auch archäologische Funde und Fundstätten zunehmend an Bedeutung.

Das Ansinnen des Antrages der Koalitionsfraktionen besteht darin, die Landesregierung möge in den Ausschüssen für Wirtschaft und Arbeit sowie für Kultur und Medien aufzeigen, wie besonders herausragende archäologische Funde in Sachsen-Anhalt von überregionaler Bedeutung wissenschaftlich aufgearbeitet und touristisch vermarktet werden sollen.

(Herr Kühn, SPD: Das ist gut!)

Der Fund der Himmelsscheibe von Nebra und deren Fundstätte, die in den letzten Monaten für weltweite Aufmerksamkeit sorgten, nehmen dabei eine entscheidende Rolle ein.

Die aus der Bronzezeit stammende Himmelsscheibe ist mit ihren rund 3 600 Jahren wohl die älteste bekannte konkrete Himmelsdarstellung der Menschheitsgeschichte. Auf den ersten Blick sind auf ihr Sonne, Mond und Sterne erkennbar. Von den auf ihr dargestellten 32 Sternen stellen sieben das Siebengestirn, die Plejaden, dar. Man geht davon aus, dass sie genutzt wurde, um Aussaat und Ernte zeitlich zu bestimmen.

Hesiod, ein griechischer Dichter aus dem 8./7. Jahrhundert vor Christus, wies in „Werke und Tage“ auf die Bedeutung der Plejaden für die Landwirtschaft hin, indem er schrieb:

„Wenn das Gestirn der Plejaden, der Atlastöchter, emporsteigt, dann beginne die Ernte, doch pflüge, wenn sie hinabgehen; sie sind 40 Nächte und 40 Tage beisammen, doch wenn sie wieder im kreisenden Jahre leuchtend erscheinen, erst dann beginne die Sichel zu wetzen.“

Der Fundort der Himmelsscheibe liegt in einer ringförmigen Wallanlage auf dem Mittelberg im Ziegelrodaer Forst, auf der Gemarkung Ziegelroda im Landkreis Merseburg/Querfurt. Die Anlage gilt als das älteste vorgeschichtliche Observatorium.

Um sich die Bedeutung dieser Himmelsscheibe und deren Fundstätte vor Augen zu führen, sei erwähnt, dass man in der Wissenschaft davon ausgeht, dass sie genauso bedeutend sind wie die Steinkreisanlage von Stonehenge und die Pyramiden in Ägypten.

Angesichts dieses einmaligen Fundes von weltgeschichtlicher Bedeutung ist es jetzt wichtig, dass man durch die Bündelung der Kräfte und der eigenen Kapazitäten die Vermarktung der Region rund um den Ziegelrodaer Forst ungeachtet der Landkreisgrenzen zur naturnahen und touristischen Aufwertung ins Auge fasst. Die Himmelsscheibe von Nebra und ihr Fundort sollten sich - gemeinsam mit weiteren archäologischen Besonderheiten früherer Epochen, die diese südliche Region in einer einzigartigen Dichte aufweist - zu einem für Fachleute und Touristen gleichermaßen wichtigen und weiteren interessanten touristischen Anziehungspunkt in Sachsen-Anhalt herauskristallisieren und somit zur Schaffung von Arbeitsplätzen beitragen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Aus diesem Fund sollten das Land Sachsen-Anhalt und eine gesamte Region Nutzen ziehen. Die Himmelsscheibe ist geeignet, durch eine entsprechende touristische Verwertung zu einem nutzbaren Aspekt für die regionale Wirtschaft zu werden. Sie muss zu einem Symbol für Sachsen-Anhalt werden. Ein Alleinstellungsmerkmal eines Bundeslandes, in dem im wahrsten Sinne des Wortes ein bedeutender Teil deutscher Geschichte geschrieben worden ist.

Sie bietet die besten Voraussetzungen, die archäologischen Potenziale dieser kulturträchtigen Landschaft zu erschließen und für eine breite Öffentlichkeit interessant und zugänglich zu machen. Ziel muss es sein, die Bedeutung Sachsen-Anhalts als Kulturland stärker zu profilieren und die archäologischen Besonderheiten für eine wirtschaftliche Regionalförderung in dieser strukturschwachen Region bestmöglich auszuschöpfen.

Archäologische Denkmale und Funde erlauben uns einen Einblick in die Vergangenheit und geben Aufschluss über die Lebensweise, über Glaubensvorstellungen und die Gestaltung der Umwelt unserer Vorfahren. Entscheidend haben sie die Entwicklung der Region geprägt. Sie sind aber den meisten von uns nicht oder nur unzulänglich bekannt, schlummern im Verborgenen und liegen abseits des öffentlichen Interesses. Ihr Wert wurde bislang verkannt und zu wenig genutzt. Erst mit dem Fund der Himmelsscheibe im Ziegelrodaer Forst kommt der Archäologie in dieser südlichen Region ein besonderer Stellenwert zu und eröffnet zukünftige Entwicklungschancen.

Da die wissenschaftlichen Erkenntnisse von bedeutsamen Funden aber meist durch Ausstellungen sowie Publikationen veröffentlicht werden, könnte die Fundregion selbst ins Abseits des öffentlichen Interesses rücken. Mit der geplanten Landesausstellung Ende des Jahres 2004 in Halle können der Fund sowie die Fundstätte zwar wirkungsvoll vorgestellt und im öffentlichen Bewusstsein weiter verankert werden, jedoch ist es wichtig, erlebbaren und greifbaren Tourismus in dieser Region zu schaffen. Erlebnisorientierung ist der zentrale Trend im Tourismus. Kultur und Natur zusammen erleben ist eine beliebte Urlaubsform mit zunehmender Bedeutung.

Meine Damen und Herren! Momentan wird viel gesprochen, geschrieben und in den Medien gezeigt. Aber was passiert vor Ort, in dieser Region? - Uns allen sollte klar sein, dass die Himmelsscheibe von Nebra im Landesamt für Archäologie schlummern wird oder um die Welt reist. Auf dem Mittelberg wird aufgrund der laufenden Ausgrabungen lange Zeit nur ein Loch zu sehen sein.

Umso wichtiger ist es, mögliche Wege und Vorstellungen, in denen sich kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen zur touristischen Entwicklung und Aufwertung des Areals rund um den Fundort der Himmelsscheibe wiederfinden und wissenschaftlich vom Landesamt für Archäologie in Halle begleitet werden, aufzuzeigen. Vor allem sollten die erarbeiteten regionalen Konzepte als einzelne Bausteine in diese konzeptionellen Vorstellungen integriert werden.

Verweisen möchte ich beispielsweise auf das Konzept des Forstamtes Ziegelroda, auf die Tourismuskonzeption Nebra, auf das Konzept des Archäologieparks Querfurt sowie auf den vom Naturpark Saale-Unstrut-Triasland e. V. erarbeiteten Maßnahmenplan zur touristischen Erschließung der Region, in dem 47 Projekte bzw. Vorhaben verschiedenster Interessengruppen nach Prioritäten und Jahrestranchen aufgelistet worden sind.

Die einzelnen Akteure vor Ort bieten interessante Konzepte und leisten mit viel Eigeninitiative und persönlichem Engagement ihren Beitrag zur Vermarktung der Himmelsscheibe, so zum Beispiel der Archäologiepark Querfurt, der das Ziel verfolgt, archäologische Denkmale zu bündeln bzw. zu vernetzen, da sie einzeln als touristische Anziehungspunkte zu schwach sind. Mit der Bündelung der einzelnen archäologischen Denkmale will man einen gesamten Landstrich zum Museum werden lassen, was für das Land Sachsen-Anhalt als Kulturland eine beachtliche Wirkung erzielen dürfte.

Die Himmelsscheibe wird dabei als Aufhänger im Konzept genutzt. Nur mit einer Fokussierung auf die Himmelsscheibe und den Fundort selbst würde man nicht die gewünschten Effekte erzielen; denn sie allein soll und kann die Region nicht repräsentieren. Dazu gibt es zu viele andere Sehenswürdigkeiten, die diese Region prägen.

Das Konzept bietet der strukturschwachen Region viele Vorteile für eine positive wirtschaftliche Belebung. Durch die Bündelung der einzelnen Attraktionen wird das Angebot für Touristen deutlich erweitert. Gäste werden animiert, länger in der Region zu verweilen.

Wichtig ist deshalb, dass vonseiten des Landes kein Zentralismus entsteht. Die einzelnen Konzepte vor Ort sollten vom Land begleitet und unterstützt werden. Eine Koordinierung und Lenkung könnte im Interesse des Landes und der Region erfolgen.

Nur gemeinsam, über Landkreisgrenzen hinaus, kann man voneinander profitieren und damit die erwarteten wirtschaftlichen Effekte erzielen. Wenn jeder dieser einzelnen Bausteine die Himmelsscheibe von Nebra als so genanntes i-Tüpfelchen nutzt bzw. präsentiert und diese Bausteine miteinander harmonieren, kann das für Sachsen-Anhalt und die gesamte südliche Region innerhalb und vor allem außerhalb der Landesgrenzen von Nutzen sein.

In diesem Sinne bitte ich im Namen der CDU-Fraktion, dem Antrag zuzustimmen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Rotzsch. - Es gibt eine Frage von der Kollegin Kachel. Bitte sehr, Frau Abgeordnete Kachel.

Frau Rotzsch, ich begrüße natürlich die Vermarktung der Himmelsscheibe, keine Frage, und ich freue mich, wenn das über die Landesgrenzen hinausgetragen wird. Aber das, was Sie heute erzählt haben, hört sich nach Kleinklein an.

(Oh! bei der CDU)

Ich denke, das ist nicht unser Ansinnen. So wird das auch der Wirtschaftsminister sehen. Meine Frage lautet: Sie haben von einem Konzept von Nebra gesprochen. Wie ist der zuständige Regionalverband darin eingebunden? Welche Initiativen gibt es in der Landesmarketinggesellschaft und welche Aktionen laufen sonst noch? Gibt es einen Projektantrag dazu?

Ich hatte zwar noch nicht gesagt, dass ich eine Frage beantworte. Aber ich denke, Herr Dr. Rehberger wird hinter meiner Meinung oder hinter der Meinung der Fraktionen von CDU und FDP stehen. Das Anliegen unseres Antrages habe ich ausführlich dargestellt. Ich denke, detaillierter können wir dann im Ausschuss darüber sprechen.

(Beifall bei der CDU - Herr Gürth, CDU: Richtig!)

Vielen Dank, Frau Rotzsch. - Meine Damen und Herren! Begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne Mitglieder des Kollegiums des Käthe-Kollwitz-Gymnasiums Halberstadt.

(Beifall im ganzen Hause)

Bevor wir in die Fünfminutendebatte eintreten, hat für die Landesregierung Minister Herr Dr. Rehberger um das Wort gebeten. Bitte sehr, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der Himmelsscheibe von Nebra handelt es sich - Frau Kollegin Rotzsch hat darauf aufmerksam gemacht - weltweit um eine der wichtigsten archäologischen Entdeckungen des 20. Jahrhunderts. Sie stellt, wie die Reaktionen aus der Wissenschaft, aus den Medien, aber auch aus der Bevölkerung zeigen, ein erhebliches Potenzial für die Außenwirkung unseres Landes Sachsen-Anhalt dar. Das Landesamt für Archäologie und das Landesmuseum für Vorgeschichte haben deshalb in enger Abstimmung Aktivitäten entfaltet, die der Bedeutung der Himmelsscheibe Rechnung tragen.

Aber, meine Damen und Herren, es ist klar, SachsenAnhalt erhofft sich von diesem spektakulären Fund auch ein wachsendes Interesse von Touristen aus aller Welt. Am 4. Februar 2003 wurde deshalb unter der Leitung von Herrn Staatssekretär Böhm eine Koordinierungsgruppe zur Entwicklung und zur touristischen Vermarktung des Fundortes der Himmelsscheibe von Nebra gegründet.

Der Koordinierungsgruppe gehören Vertreter des Kultusministeriums, des Wirtschaftsministeriums, des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt, des Regierungspräsidiums Halle, des Landesforstamtes, des Naturparks Saale-Unstrut-Tal, des Fördervereins Himmelsscheibe, der Verwaltungsgemeinschaft Mittleres Unstruttal, der

Landesmarketinggesellschaft, des Saale-Unstrut-Tourismusverbandes, die Landräte der Kreise MerseburgQuerfurt und des Burgenlandkreises sowie der Bürgermeister der Gemeinde Nebra an. - Sie sehen, es ist hoffentlich an alle gedacht worden.

Wir werden uns in den nächsten Wochen in einer Sitzung in meinem Haus - diese ist für den 9. Juli 2003 anberaumt worden - über das Konzept - dazu ist schon viel auf den Tisch gelegt worden - und vor allem über dessen konsequente Umsetzung unterhalten und werden dann ganz konsequent im Rahmen dessen, was an Mitteln zur Verfügung steht, auch das, was an guten Ideen entwickelt worden ist, in die Tat umsetzen.

Durch diese enge Vernetzung, meine Damen und Herren, vor allem auch mit dem Naturpark Saale-UnstrutTal, dem Kultusministerium, dem Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt, dem Landesforstbetrieb und meinem Ministerium, ist sichergestellt, dass es zu einer naturnahen und touristischen Aufwertung des Areals um den Fundort der Himmelsscheibe unter Einbeziehung von regionalen Konzepten kommen wird. Der Ziegelrodaer Forst und die weitere Umgebung verfügen über zahlreiche weitere archäologische Denkmäler, die für eine touristischen Nutzung in Form von Rad- und Wanderwegen durchaus offen sind und entsprechend erschlossen werden können. Dabei soll der Fokus beim Fundort der Himmelsscheibe selbst liegen.

Meine Damen und Herren! Es ist davon auszugehen, dass durch die neue Fassette der touristischen Nutzung des archäologischen Fundortes in Verknüpfung mit der nahe gelegenen Straße der Romanik, den landestouristischen Projekten „Blaues Band“ und „Gartenträume“ sowie dem Naturpark wesentlich mehr Touristen zum längeren Verweilen in der Region animiert werden können.