Protokoll der Sitzung vom 13.06.2003

(Herr Tullner, CDU: Weil das Ihre Pläne waren!)

Wieso kommen Sie darauf? Die lagen aus gutem Grund in der Schublade. Wir haben Sie eben nicht herausgeholt.

(Ach! bei der CDU - Herr Tullner, CDU: Warum?)

- Fragen Sie einmal Ihren Vater. Vielleicht kann der Ihnen ein wenig Sachkunde beibringen.

(Oh! bei der CDU)

Wenn es um die regionalen Verflechtungen geht, weise ich darauf hin, Herr Rehberger: Wenn Sie es in einer Branche genau wissen wollen, dann fragen Sie Herrn Schrader, der hat ja in den Jahren der Regierungszeit der SPD durchaus in einer Branche sehr gut die Technologieentwicklung mit vorangetrieben. Wir haben aufgebaut und wir haben qualifiziert. Das haben wir in der Zeit getan.

Mit Zurückhaltung kann ich Ihnen leider nicht dienen. Da muss ich Sie enttäuschen. Ich lasse mir weder von Ihnen noch von einem Ihrer Kollegen einen Maulkorb verpassen. Wenn Sie sich wundern, möchte ich das gern aufklären. Das Thema ist deshalb dreimal auf der Tagesordnung, weil wir ihm erstens eine richtig hohe Priorität zumessen - es ist ein extrem wichtiges Thema; das merkt man bei Ihnen nicht -,

(Minister Herr Dr. Daehre: Das ist doch! Frau Budde!)

weil wir zweitens die Differenziertheit des Themas sehen und das Thema der wirtschaftlichen Entwicklung in diesem Zusammenhang als ein ganz besonderes anerkennen und weil wir drittens Ihre platten Antworten kennen und die Hoffnung hatten, wenn wir das Thema dreimal auf die Tagesordnung setzen, dann entlocken wir Ihnen vielleicht hier und dort doch noch etwas Inhaltliches.

(Unruhe bei der CDU - Herr Gürth, CDU: Sie sind ohne Konzepte! - Herr Dr. Sobetzko, CDU: Ich bin des Zuhörens müde!)

Das Thema muss solide ausdiskutiert werden. Das ist richtig. Ich habe wenig Hoffnung, dass das noch geschehen wird. Aber die Frage kommt eben - das zeigen mir Ihre Debattenbeiträge - nicht zur Unzeit, sondern sie kommt gerade zur richtigen Zeit; denn das, was ich bisher gehört habe, ist kein Inhalt gewesen, sondern nur ein Drumherumreden.

Sie können das natürlich in Ihren Fraktionen - wie Frau Wybrands immer so schön sagt: wir haben das schon in unserem CDU-Arbeitskreis vorberaten - auch so tun. Das wird aber einer Demokratie mit parlamentarischer Gestaltung nicht gerecht. Machen Sie es weiter so! Wir müssten es nach gut einem Jahr gewöhnt sein. Zumindest war es bisher gute Tradition in diesem Parlament, dass die Ausschüsse Anhörungen zu bestimmten Themen durchgeführt haben. Wenn Sie auch das infrage stellen wollen, dann werden wir damit leben müssen. Der Sache wird es aber nicht gerecht. Wir werden sehen, was am Ende dabei herauskommt.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Vielen Dank, Frau Budde. - Meine Damen und Herren! Wir treten jetzt in das Abstimmungsverfahren zu den

Drs. 4/794 und 4/833 ein. Eine Überweisung des Antrages ist nicht beantragt worden und würde auch wenig Sinn machen, sodass wir über den Antrag selbst abstimmen können.

Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag in der Drs. 4/833 ab. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Ich sehe Zustimmung bei der CDU und bei der FDP. Gegenstimmen? - Bei der PDS- und bei der SPD-Fraktion. Damit ist dieser Änderungsantrag mehrheitlich angenommen worden.

Wir stimmen nun über den Antrag in der Drs. 4/794 in der geänderten Fassung ab. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Ich sehe Zustimmung bei den Fraktionen der CDU und der FDP. Gegenstimmen? - Bei den Fraktionen der PDS und der SPD. Damit ist der Antrag in der geänderten Fassung mehrheitlich angenommen worden. - Herzlichen Dank.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind einschließlich der gestern nicht abgearbeiteten Tagesordnungspunkte 17 und 18 zwei Stunden im Verzug. Ich frage Sie deshalb, möchten Sie eine Mittagspause machen?

(Zurufe und Unruhe)

Ich bitte Sie, Ihre Stimmkarte bereitzuhalten.

(Heiterkeit)

Wer dafür ist, dass wir von 12.15 Uhr bis 13 Uhr eine Mittagspause machen, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Gegenstimmen? - Das ist eindeutig die Mehrheit. Damit verzichten wir auf eine Mittagspause.

(Anhaltende Unruhe)

- Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bitte akzeptieren Sie die Mehrheitsentscheidung.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 17 auf:

Beratung

Garantien für umweltverträgliche Binnenschifffahrt auf der Elbe

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 4/791

Änderungsantrag der Fraktionen der FDP und der CDUFraktion - Drs. 4/829

Einbringer des Antrages der PDS-Fraktion ist der Abgeordnete Herr Dr. Köck. Bitte sehr, Herr Dr. Köck.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht war es doch nicht so glücklich, auf die Mittagspause zu verzichten; denn auf nüchternen Magen verträgt man manche Kost möglicherweise weniger gut.

(Zurufe von der CDU: Doch!)

Die öffentliche Diskussion der letzten Jahre über den Umgang mit Elbe und Saale war in der Regel dadurch geprägt, dass entweder die ökologischen oder die wirtschaftlichen Aspekte dominierten. Ein ganzheitliches Herangehen und differenzierte Problemsichten gehörten zu den Seltenheiten.

Wir als PDS haben uns in Sachsen-Anhalt nachweislich intensiv und umfassend mit der Situation der Binnenschifffahrt auf Elbe und Saale befasst und haben uns auch wiederholt dazu bekannt, die der Binnenschifffahrt innewohnenden Potenziale bei Respektierung der von den Flussökosystemen vorgegebenen natürlichen Grenzen optimal nutzen zu wollen. Wir haben schließlich eigene konzeptionelle Vorstellungen für eine zukunftsfähige Binnenschifffahrt entwickelt und haben darüber auch mit den Betroffenen, mit den in Sachsen-Anhalt ansässigen Partikulieren und Schiffseignern, gesprochen.

Die Lage der Binnenschiffer selbst spielte in den bisherigen Diskussionen erstaunlicherweise kaum eine Rolle. Durch die Liberalisierung der europäischen Verkehrsgütermärkte haben sich aber gerade für sie die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dramatisch verändert. Der Trend geht zum 2 000-t-Schiff bei gleichzeitiger Überalterung der Flotte.

Binnen kurzer Zeit sind die Transportmargen beim Schiffstransport um bis zu 50 % gefallen, sodass gerade die Einzelfahrer sehr schnell betriebswirtschaftlich in Not geraten. Ihnen hilft häufig nur der Umstand der Langlebigkeit ihrer Pötte.

Die PDS Sachsen-Anhalt sieht die Politik dahin gehend gefordert, der Binnenschifffahrt auf Elbe und Saale weitergehende Unterstützung zu geben. Sie ist in einer vergleichbaren Situation wie die Landwirte, die im Grenzertragsbereich wirtschaften. Wir haben dazu Vorschläge unterbreitet, wie so ein Nachteilsausgleich erfolgen könnte. Dieser steht aber heute nicht zur Debatte.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Binnenschifffahrt läuft seit dem Auftauchen ihrer Konkurrenten Dampflok und Lkw ihren verloren gegangenen Marktanteilen hinterher, und die systembedingten Nachteile gegenüber der Straße haben sich permanent vergrößert.

Nüchtern betrachtet geht es dem Binnenschiff wie dem Hasen beim Wettlauf mit dem Igel: Wenn ihm nichts Innovativeres einfällt, als nur die Furche zu verbreitern oder einfach die Geschwindigkeit noch etwas zu erhöhen, fällt er wie im Märchen tot um. So geschehen bereits vor etwa 50 Jahren auf der Unstrut und der Saale oberhalb Halles. Auf der Elbe liegt eine Transportkapazität von über 8 Millionen Tonnen pro Jahr nachweislich brach. Parallel dazu ist beim fast ebenso umweltfreundlichen Verkehrsträger Schiene Verkehrsinfrastruktur in Größenordnungen vernichtet worden.

Es grenzt daher fast an Zynismus, wenn plötzlich die Umweltfreundlichkeit des Binnenschiffs propagiert wird und zum Beweis dafür Pyramiden substituierter Bahnwaggons und Lastkraftwagen aufgetürmt werden. Dabei wissen Sie - oder wissen Sie es vielleicht nicht? -, dass die Gleichung 1 000-t-Schiff gleich 20 Eisenbahnwaggons gleich 40 Lkw mathematisch nur für die leeren Gefährte gilt.

Denn der Verlader entscheidet, was für ihn der optimale Weg ist, unter anderem auch nach dem Preis, der ganzjährigen Zuverlässigkeit und nach der Transportzeit, so der Geschäftsführer der Planco GmbH auf der Präsentation der Kosten-Nutzen-Analysen für die Verkehrsprojekte 2003 vor dem Bundestag. Weder solche Attribute wie „umweltschonendster“ oder „energetisch günstigster Verkehrsträger“ sind entscheidungserheblich für die Wahl des Transportsmittels - es sei denn, einige der Kunden wünschen ausdrücklich den Wasserweg, wie es beim SKW Piesteritz der Fall ist.

Das gilt übrigens auch für die Mengen, die vom Verein zur Hebung der Saaleschifffahrt avisiert werden, Soda, Düngemittel, Baustoffe oder Getreide. Die sind noch lange nicht auf dem Wasserweg via Saale-Seitenkanal unterwegs.

Nachdrücklich sei in diesem Zusammenhang auf die Stellungnahme des Deutschen Industrie- und Handelstages verwiesen, nach der - ich zitiere - „aufwendige Ausbauten von Bahnstrecken und Wasserstraßen kein Garant für nennenswerte Mehrverkehre“ sind und „die Vorstellung vieler Politiker, man müsse nur genügend Mittel in das Schienen- und Wasserstraßennetz investieren und dann werde die Verlagerung schon irgendwann funktionieren,... sich nicht selten als teure Fehleinschätzung“ erweist.

Auch wenn es mit dem Saale-Seitenkanal wahrscheinlich möglich sein wird, die durchgehende Schiffbarkeit für das 1 350-t-Euroschiff auf vergleichsweise umweltverträgliche Weise herzustellen, und im Raum Bernburg klassische schiffsaffine Güter langfristig in einer Größenordnung wie kaum an einer zweiten Stelle in Deutschland in unmittelbarer Nähe einer Binnenwasserstraße zum Transport anstehen, geben folgende wirtschaftliche und verkehrspolitische Rahmenbedingungen Anlass zu der Befürchtung, dass ein teurer Kanal gebaut werden könnte, den trotzdem niemand nutzt.

Es bestehen feste Absichten seitens der Verlader, mit der Alternative Binnenschiff Druck auf die Gütertarife der Bahn auszuüben. Diese wiederum soll bereits zu verstehen gegeben haben, für die seit kurzem mit Ganzzügen bediente Relation Hamburger Hafen wolle sie das Binnenschiff unterbieten.

Die nächste Rahmenbedingung: Für den Hauptkonkurrenten Lkw wird unmittelbar parallel zur Elbe die Nordverlängerung der Bundesautobahn A 14 geschaffen. Doch nicht genug damit: Diese wird ausdrücklich damit begründet, die Verbesserung der Hinterlandanbindung der Nord- und Ostseehäfen sicherstellen zu wollen.

Meine Damen und Herren! Die Wasserstände der Elbe erzwingen auch Minderabladungen der Saaleschiffe. Ich habe es einmal ausgerechnet: Für die Jahre 1999 bis 2001 wären davon rund 35 % des Transportvolumens und bei einer durchgängig sicherzustellenden Fahrrinnentiefe von 1,60 m immer noch 20 % des Ladevolumens betroffen.

Viertens. Auf der Relation Mittellandkanal - Rheinschiene - Rotterdam können demnächst Schiffseinheiten von über 2 000 t verkehren. Die Firmen in Bernburg werden sehr schnell ausrechnen, ob für Fernziele der gebrochene Transport - 70 km über die A 14 nach Haldensleben, von dort weiter mit einem 2 000-t-Gütermotorschiff - günstiger ist als zwei Saaleschiffe à 1 000 t auf dem zudem noch 60 km längeren Wasserweg.

Die PDS Sachsen-Anhalt erachtet es beim Saale-Seitenkanal für unbedingt erforderlich, zur Absicherung des Eintretens des volkswirtschaftlichen Effekts von 80 Millionen Steuer-Euro von der begünstigten Wirtschaft Garantien über die Nutzung der Saale als Wasserweg zu verlangen. Dies könnte über jährlich zu verschiffende Mindesttransportmengen erfolgen, zum Beispiel 50 % der jetzt als Prognose angegebenen Mengen. Analog ist es bei Verträgen zu Abfallbehandlungsanlagen oder - schauen wir ins Städtebaurecht - bei allen städtebaulichen Verträgen. Auf jeden Fall sind die Garantien vertraglich und einklagbar zu fixieren.

Ansonsten, meine Damen und Herren, ist es doch nur eine Frage der Länge der Schamfrist, wann mit den gleichen wirtschaftlichen Begründungen wie heute der Ausbau der Elbe mit Staustufen offiziell auf die politische Agenda gesetzt wird. Entgegen allen Beteuerungen hat die Wirtschaft die Staustufen nie abschließend zu den Akten gelegt.

Die beiden Koalitionsfraktionen offenbar auch nicht, denn in ihrem Änderungsantrag winden sie sich wie ein Aal um jede klare Aussage. Der Punkt 1 Ihres Änderungsantrages wäre allenfalls mit folgender Änderung tragbar: Im letzten Halbsatz müssten nach „SachsenAnhalt“ die Wörter eingefügt werden: „unter den Bedingungen einer durchgängig nicht staugeregelten Elbe“.