Aber dann frage ich Sie: Warum liest sich die Teilnehmerliste solcher Veranstaltungen wie das „Who is who“ der SPD? Warum weiß der zuständige Landrat nichts davon? Warum laden Sie zu entsprechenden Veranstaltungen nicht einmal die Facharbeitsgremien ein? Ist das Ihre Art, mit den Versäumnissen der Vergangenheit umzugehen?
Dazu möchte ich eines klarstellen: Zum Ersten hat nicht die Landtagsfraktion oder der Landesvorstand ein solches Forum einberufen. Es war auch nicht in Bitterfeld, es war in Zerbst. Die Einladungsliste hat sehr wohl alle Landräte umfasst, denn es gab einen Verteiler für alle Landräte des Landes. Von daher verstehe ich Ihre Aufregung nicht und verstehe auch den Bezug zu der Broschüre der FDP nicht. Tut mir Leid.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als wir vor einem Jahr an dieser Stelle die letzte Landtagssitzung vor der Sommerpause abhielten, ahnte sicherlich noch niemand von uns, was sich einige Wochen später in unserem Bundesland abspielen würde. Die Nachhaltigkeit des Erlebnisses dieses Hochwassers scheint jedoch nicht sehr stark zu sein, wenn man die augenblickliche Anwesenheit im Saal betrachtet.
Vor einem Jahr konnten wir uns noch nicht vorstellen, welche Dimensionen ein Hochwasser annehmen kann. Wir hatten keine praktischen Erfahrungswerte mehr vom Katastrophenalarm, davon, wie es ist, evakuiert zu werden und Sandsäcke besorgen zu müssen. Wer wusste noch genau, wie diese sachgerecht zu stapeln sind?
Viele der Menschen in unserem Land, darunter auch einige der anwesenden Abgeordneten, haben mit der Flut ihre ganz persönlichen Erfahrungen gemacht. Wohnungen und Betriebsstätten wurden überflutet, kommunale Einrichtungen genauso wie Straßen und landwirtschaftliche Flächen.
Wenn man das alles als Einheit bewertet, ist von allen Beteiligten Großes geleistet worden, denke ich. In Erinnerung bleiben einerseits die Angst, die Verzweiflung und die Ohnmachtsgefühle beim Anblick der heranströmenden Wassermassen, andererseits aber auch die ungeheure Hilfsbereitschaft Tausender freiwilliger Helfer
Die Bundeswehr, das Technische Hilfswerk und die vielen Freiwilligen Feuerwehren sowie die Polizei, die Mitarbeiter der Katastrophenschutzstäbe und die vielen freiwilligen Helfer vor Ort waren rund um die Uhr im Einsatz und konnten mit diesem Einsatz noch Schlimmeres verhindern.
Trotzt dieser ohne Zweifel vorhandenen Verdienste aller Beteiligten wurden nach der Flutkatastrophe vielerorts Zweifel an der Richtigkeit von Entscheidungen geäußert, Entscheidungsträger und Entscheidungen kritisiert. Um sich mit den Ursachen des Hochwassers, den Geschehnissen und Abläufen vor Ort während der Katastrophe und den Folgen der Flut auseinander zu setzen, richtete dieser Landtag im Oktober 2002 den zeitweiligen Ausschuss Hochwasser ein.
Meine Damen und Herren! Die Erfahrungsberichte, die der Ausschuss im Rahmen der Anhörungen entgegennahm, zeigten, dass sehr viele Entscheidungen gut und richtig waren und Menschen und Dinge vor schlimmerem Schaden bewahrt haben. Die Erfahrungsberichte zeigten aber auch, dass es in der Vergangenheit Versäumnisse gegeben hat und dass bestimmte Strukturen verändert bzw. angepasst werden müssen.
Niemand von uns hat zum damaligen Zeitpunkt eine solche Katastrophe ernsthaft erwartet. Niemand hat mit diesem Ausmaß gerechnet. Doch jetzt, wo das Ausmaß der Flutkatastrophe und ihre direkten wie indirekten Auswirkungen bekannt sind, gilt es, die vorgelegten Informationen auszuwerten, die Mängel eindeutig zu benennen und sinnvolle Konsequenzen zu ziehen.
Wir haben uns im Ausschuss darauf verständigt, heute noch weitgehend von endgültigen Bewertungen und Schlussfolgerungen Abstand zu nehmen. Ich bedauere es ein wenig, Frau Fischer, dass Sie die Sachlichkeit, die im Ausschuss ständig vorgeherrscht hat, heute schon wieder ein Stück weit haben vermissen lassen.
(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und von Minister Herrn Dr. Daehre - Zuruf von Frau Fi- scher, Naumburg, SPD)
Auch die FDP-Fraktion hat - darauf wurde bereits Bezug genommen - eigene Expertengespräche zur Flutkatastrophe durchgeführt. Die Erfahrungen und Erkenntnisse aus unseren Expertengesprächen wurden durch die Anzuhörenden im zeitweiligen Ausschuss Hochwasser in vielerlei Hinsicht bestätigt.
So zeigten sich - darauf haben Frau Ministerin Wernicke und Frau Fischer bereits hingewiesen - insbesondere bei der Kommunikation der Stäbe und der Helfer untereinander Probleme. Das analoge Funknetz, mit welchem die zivilen Hilfsorganisationen arbeiteten, stieß schnell an seine Grenzen. Aus diesem Grund musste auf private Handys zurückgegriffen werden. Lediglich der Bundeswehr stand, wenn auch eingeschränkt, ein digitales Funknetz zur Verfügung. Problematisch war jedoch, dass aufgrund der inkompatiblen Funknetze ein Funkkontakt zwischen den zivilen Hilfskräften und der Bundeswehr nicht möglich war.
Ein weiteres erkennbares gravierendes Problem in den Gemeinden ergab sich daraus, dass topografisches Material fehlte. Es fehlten insbesondere aktuelle Karten, in die die Höhenlinien eingezeichnet sind bzw. mit deren Hilfe man einen Höhenbezug zu den Pegelständen hätte herstellen können. Dies machte es beinahe unmöglich, wichtige Vorkehrungen zu treffen.
Als Bürgermeister der ebenfalls betroffenen Gemeinde Wahlitz konnte ich mich glücklicherweise eines ortsansässigen Vermessungsingenieurs bedienen, der durch eigene Messungen verlässliche Angaben beibrachte. Doch dieses Glück hatte offensichtlich nicht jeder Bürgermeister einer kleineren Gemeinde.
Neben den genannten Beispielen für technische und organisatorische Probleme stellten Mängel bei der Aus- und Fortbildung der freiwilligen Helfer und der Katastrophenschutzstäbe ein Problem dar. Da in einigen Landkreisen seit 1990 keine Katastrophenschutzübungen mehr durchgeführt worden sind, wurden die zum Teil personell unübersichtlichen Katastrophenschutzstäbe und die Vielzahl der freiwilligen Helfer vor Probleme gestellt, die sie aufgrund ihrer mangelhaften Ausbildung und Übung nicht vollständig bewältigen konnten.
Die teilweise nur lückenhafte Kenntnis der gesetzlichen Grundlagen führte zu einer Verwirrung im Hinblick auf die Zuständigkeiten, insbesondere wenn mehr als ein Landkreis betroffen war.
Darüber hinaus gab es erhebliche Defizite bei der Weitergabe von Lageinformationen und Unkenntnis hinsichtlich der Meldeketten. Die Problematik hinsichtlich der Meldeketten und der Meldewege kann ich zumindest für die ersten fünf Tage bestätigen.
Erhebliche Defizite gibt es auch in Bezug auf den Bestand und die Ausbildung der örtlichen Wasserwehren. Die Frau Ministerin wies bereits darauf hin. Es ist problematisch, dass eine Ausbildung der freiwilligen Helfer der Wasserwehren an der Brand- und Katastrophenschutzschule in Heyrothsberge im Augenblick mangels Zuständigkeit eigentlich nicht möglich ist. Selbst nach einer Veränderung der Rechtsgrundlage wäre dies personell - wie wir in der Schule selbst hörten - schwer zu realisieren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch im vorsorgenden Hochwasserschutz gibt es nach wie vor Probleme. Wir wissen, dass nicht jeder Deich in unserem Land den höchsten Anforderungen entsprach. Wir wissen auch, dass die Optimierung der Deiche aufgrund des großen Nachholbedarfs nach 1990, der immens hohen Kosten und der nur begrenzt zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel nicht in jedem Fall möglich war.
Seit der Flutkatastrophe im vergangenen Jahr ist der Landesbetrieb für Hochwasserschutz pausenlos mit den Reparaturen der beschädigten Deiche und mit der fortlaufenden Deichsanierung beschäftigt. Die Sanierung und Ertüchtigung aller Deiche im Land wird noch längere Zeit und finanzielle Mittel in erheblichem Umfang in Anspruch nehmen.
Doch die besten DIN-gerechten Deiche nützen nichts, wenn man dem Wasser keinen Raum gibt. Deshalb muss überlegt werden, an welchen Stellen in SachsenAnhalt Polder und Überflutungsflächen sinnvoll angelegt werden können. Sinnvoll ist die Ausweisung solcher Flächen jedoch nur im Flussgebietszusammenhang und wenn sie in Zusammenarbeit mit allen beteiligten Bundesländern erfolgt. Hierbei wird sicherlich noch eine umfangreiche Überzeugungsarbeit zu leisten sein, insbesondere bei denen, die zugunsten flussabwärts gelegener Ortschaften eine Nutzungsänderung von Flächen hinnehmen sollen.
Im Bereich des Hochwasserschutzes gilt es noch einige offene Fragen zu klären, zum Beispiel in Bezug auf die Bautätigkeit in Überschwemmungsgebieten, in Bezug auf das ausgewogene Verhältnis zwischen Hochwasserschutz und Naturschutz sowie in Bezug auf das Verhältnis zwischen Hochwasserschutz und Denkmalpflege.
Zur Behebung der Mängel und zur Beantwortung der offenen Fragen hat die FDP-Fraktion im Rahmen ihrer Expertengespräche bereits einige Vorschläge im Hinblick auf den Katastrophenschutz, die Kommunikation und den vorsorgenden Hochwasserschutz unterbreitet. Die Erfahrungsberichte aus dem vorgelegten Zwischenbericht enthalten wichtige Denkanstöße und sollten uns als Grundlage dienen, notwendige Änderungen in der Gesetzgebung, in der Vorsorge, aber auch im Bewusstsein der Menschen herbeizuführen.
Dabei möchte ich es für heute belassen, jedoch nicht ohne auf die Eigenverantwortung jedes Einzelnen hinzuweisen und nicht ohne anzumahnen, dass wir uns der fortwährenden Gefahr eines Hochwassers bewusst sein müssen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke, Herr Abgeordneter Rauls. - Für die PDS-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Gärtner das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Hochwasserkatastrophe, die unser Land im letzten Jahr schwer erschüttert hat, die viele Menschen in unserem Land in eine überaus komplizierte Lebenssituation gebracht hat, liegt nunmehr fast ein Jahr zurück; doch noch immer haben die Menschen in den betroffenen Gebieten mit den Folgen dieser Jahrhundertflut schwer zu kämpfen.
Vor diesem Hintergrund ist es gut und richtig, dass sich auch das Parlament in Form eines zeitweiligen Ausschusses mit den Folgen auseinander setzt. Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren, aber auch ganz deutlich: Dieser Ausschuss und die Probleme, mit denen er sich beschäftigt, dürfen nicht zum parteipolitischen Spielball werden. Wir sind in der Verantwortung, im Interesse der Bürgerinnen und Bürger gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Diese Aufgabe ist zu sensibel, als dass wir in diesem Zusammenhang parteipolitisch einseitige Wertungen vornehmen sollten,
In den letzten Monaten hat sich der zeitweilige Ausschuss Hochwasser vor Ort über die Geschehnisse umfangreich in Kenntnis gesetzt. Sehr schnell ist im Ausschuss festgestellt worden, dass der vom Landtag vorgegebene Zeitrahmen nicht zu halten ist und wir mehr Zeit brauchen, um den Abschlussbericht zu erstellen, der die notwendigen Schlussfolgerungen für künftige Katastrophen dieses Umfangs enthalten muss.
Um es vorab zu sagen: Meine Fraktion begrüßt die ausgesprochen sachliche Arbeitsatmosphäre in diesem Ausschuss, die sehr viel Problemschärfe zum Ausdruck gebracht hat. Der vorliegende Zwischenbericht ist außerordentlich detailliert und konkret. Dies ist insbesondere
dem engagierten Wirken des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes zu verdanken, dem ich hiermit ausdrücklich meinen Dank aussprechen möchte.
Nun zu einigen Einzelpunkten, die im Abschlussbericht einer Bewertung bedürfen. Drei Themenkomplexe möchte ich unter die Lupe nehmen: erstens das Krisenmanagement, zweitens die Frage der finanziellen Entschädigung und drittens die Hochwasserschutzkonzeption der Landesregierung.
Erstens. Zum Krisenmanagement und zum Abschlussbericht der Arbeitsgruppe des Innenministeriums. Was man in diesem Abschlussbericht auf 150 Seiten lesen kann, ist in der Konsequenz sehr ernüchternd, wenn nicht zum Teil sogar enttäuschend. Statt eine detaillierte Untersuchung und eine klare Bewertung einzelner Vorgänge, verbunden mit deutlichen Aussagen, vorzunehmen sowie praktische und gesetzgeberische Konsequenzen zu ziehen, stellt dieser Bericht eher die Abfolge der Hochwasserkatastrophe dar, wobei versucht wird, möglichst keiner der handelnden Seiten weh zu tun.
Die Inkonsequenz des Berichts spiegelt sich beispielhaft in der Auswertung der Ereignisse um den Dammbruch von Seegrehna im Landkreis Wittenberg wider, die uns im Ausschuss noch beschäftigen wird. Im Bericht wird dazu auf Seite 93 zusammenfassend festgestellt:
„Insgesamt kann dieses Einsatzgeschehen nicht mehr ohne weiteres nachträglich in die Kategorien richtig oder falsch eingeordnet werden.“
Absurd wird es an der Stelle, an der das Innenministerium das eigene Handeln während der Katastrophe untersucht. Fast ein Drittel des Textes beschäftigt sich damit, wie künftig die Pressearbeit optimiert werden soll. Angesichts der Diskussion über die künftige Kompetenzverteilung, von wem das Vorgehen bei einer solchen Hochwasserkatastrophe bestimmt werden soll, ist das, was im Bericht zu lesen ist, einfach zu wenig.
Insofern wäre eine unabhängige Kommission ähnlich wie in Sachsen aus unserer Sicht an dieser Stelle sinnvoller gewesen. Dies ist nun nicht mehr zu ändern. Es bleibt zu hoffen, dass aufgrund der Anhörung zum Deichbruch Seegrehna und seinen Umständen im August seitens des Ausschusses nunmehr klare Positionen ausgemacht werden können, die auch in den Endbericht einfließen.