Protokoll der Sitzung vom 04.07.2003

(Beifall bei der CDU - Frau Budde, SPD: Eben!)

Da muss man aufpassen, aber dafür gibt es Gemeinderäte.

Herr Dr. Köck, bitte Ihre Frage.

Herr Minister, was spricht eigentlich dagegen, den § 116 GO völlig zu streichen? Das wäre ein echter Beitrag zur Liberalisierung.

(Beifall bei der PDS - Herr Gürth, CDU: Das wäre ein Weg in den Sozialismus! Das ist Staatswirt- schaft!)

Ich würde sagen, im Augenblick habe ich sowieso meine Bedenken, ob die Kommunen Geld haben, um sich wirtschaftlich zu betätigen. Ich halte das für sehr gefährlich. Je begehrlicher - - Schauen Sie, als ich vor zwölf Jahren Naumburg übernommen habe,

(Herr Reck, SPD: Übernommen? - Weitere Zuru- fe von der SPD)

war Naumburg ein Wirtschaftsbetrieb. Auch in Halle war es so. Es war in Bernburg so, es war in Stendal so, überall war es so.

(Unruhe bei der SPD - Zuruf von Herrn Reck, SPD)

- Herr Reck, ganz ruhig. - Man hat doch in der DDR, weil es keine Handwerksbetriebe gab, die Gemeinden veranlasst, Handwerksbetriebe vorzuhalten. Ich sage Ihnen eines: Wenn ich in den Gemeinden unterwegs bin, habe ich manchmal das Gefühl, dass dieses Denken - jetzt komme ich dazu, was Herr Köck gesagt hat, ob man nicht auf den § 116 GO verzichten könne -, dass man alles machen könnte und alles machen sollte, weil man ein Ganzheitsprinzip der Versorgung in den Gemeinden haben müsse, immer noch vorhanden ist. Da dieser Denkansatz noch tief verwurzelt ist, erscheint mir der § 116 wichtiger denn je.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustim- mung von der Regierungsbank)

Herr Abgeordneter Tögel kann jetzt seine Frage stellen, danach der Abgeordnete Herr Stahlknecht. Dann, denke ich einmal, schließen wir die Fragerunde.

Herr Becker, ich schließe an Ihre vorletzte Antwort an. Sie werden doch, nehme ich an - wie in anderen Stadtwerken auch -, als Naumburger Oberbürgermeister die Stadtwerke für die Dinge genutzt haben, die Sie aus kommunalen Kassen nicht finanzieren können: im Sponsoringbereich, für Feste usw. usf. Jetzt ist es doch so, dass die Gewinne bei der zukünftigen Politik, die Sie hier vorschlagen, vermutlich nicht bei den Stadtwerken landen werden.

(Herr Gürth, CDU: Was hat denn das mit dem Gesetz zu tun?)

Sie werden von Privaten ja kaum die Unterstützung bekommen, dass ein Kinderfest gesponsert wird oder Sonderverträge geschlossen werden können, damit Sie eine Ansiedlung hinbekommen. Sehen Sie denn die Gefahr, dass die Kommunen erstens weniger Möglichkeiten haben, zu gestalten, und dass Sie zweitens den Verlust eines Hauptsponsors in vielen Bereichen in den Kommunen befürchten müssen?

Also, Herr Kollege Tögel, wer als Kommune Wirtschaftsbetriebe aufbaut, um Sponsoring zu erhalten, der liegt falsch. Das entspricht einfach unserer Vorstellung nicht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustim- mung von der Regierungsbank)

Ich will Ihnen aber am Beispiel der Stadt Naumburg sagen: Diese hat heute noch ihre Konzessionsabgabe und dazu einen ganz erträglichen Gewinnanteil, den sie jährlich in den Haushalt einstellt.

(Herr Tögel, SPD: Nicht mehr lange! Der wird wegfallen!)

- Warum denn? Die machen doch nichts anderes als Strom verteilen. Wenn sie ihn nicht erzeugen, machen sie doch nichts anderes als Envia oder früher die MEAG oder wer das so ist. Warum soll denn dies wegfallen?

Im Übrigen gibt es auch noch das sehr einträgliche Wassergeschäft. Das bringt auch Geld. Der Gasbereich ist nicht so günstig, bringt aber hin und wieder auch etwas. Im Augenblick kann doch, wer gut wirtschaftet, Gewinne erzielen. Das muss deutlich gesagt werden.

(Zustimmung bei der CDU - Herr Gürth, CDU: Es ändert sich überhaupt nichts!)

Herr Stahlknecht, bitte sehr.

Frau Präsidentin! Herr Minister, ich wollte nicht die Frage stellen: Herr Minister, sind Sie mit mir darin einig, dass die Opposition das überhaupt noch nicht verstanden hat? Weil ich Ihre Antwort wüsste, will ich eine - -

(Lachen bei und Zurufe von der SPD und von der PDS)

- Frau Budde, ich habe manchmal etwas Sorge um Ihre Gesundheit, wenn Sie da vorn immer so aus sich herausgehen.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der CDU)

Aber ehrlich gesagt, wenn ich meine Kurzintervention machen dürfte, wäre das nett. Ich habe so ein Stück weit das Gefühl, dass die Opposition an einem oder zwei Paragrafen versucht, die Reformfähigkeit dieses Landes kaputt zu reden.

(Zustimmung bei der CDU - Frau Budde, SPD, lacht)

Es gibt das Recht der Kurzintervention - ich mache das jetzt. Wenn Sie den § 153 nehmen - bevor wir über ihn reden, sollten wir ihn erst einmal verstehen -: Es steht doch fest, meine Damen und Herren, dass Stadtwerke und Unternehmen, die derzeit am Markt tätig sind, Bestandsschutz haben und weiter am Markt sein können. Das, worauf Sie hinaus wollen, das, was die Stadtwerke interessiert, ist die Frage, ob sie sich weiterhin Geschäftsfelder erschließen können, um am Markt wettbewerbsfähig zu bleiben. Das ist doch die Frage. Diese Diskussion kann ich doch unaufgeregt führen.

Ich sage Ihnen in dieser Kurzintervention, der § 153 lässt es so zu, weil er bewusst diesbezüglich weit gefasst ist. Wenn wir uns das verinnerlichen, dann legt sich auch ein Stück weit die Aufregung.

Wenn ich in der Zeitung lese - das erlaube ich mir, abschließend zu sagen -, dass Sie davon reden, dass dieses Zweite Investitionserleichterungsgesetz „weiße Salbe“ sei, dann habe ich das Gefühl - das ist der Schluss -, durch acht Jahre rot-rot ist bei Ihnen diesbezüglich etwas Überstrahlung eingetreten, eine Farbenblindheit.

(Zustimmung bei der CDU und von Herrn Luko- witz, FDP)

Herr Minister, möchten Sie auf die Intervention noch einmal reagieren?

Er hat mich gefragt, ob der Opposition das Verständnis fehle. - Herr Stahlknecht, ich bin nicht Ihrer Auffassung, dass der Opposition das Verständnis fehlt. Sie will es nur verstecken, sie hat es, sie hat es.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Danke, Herr Minister. - Wir treten jetzt ein in die Zehnminutendebatte. Als erster Debattenredner wird der Abgeordnete Herr Dr. Thiel für die PDS-Fraktion sprechen. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Minister Becker, Sie haben eben eine fulminante Rede gehalten. Aber ich denke, mit viel Emotion wird das Gesetz, das wir heute beraten, auch nicht besser.

(Beifall bei der PDS und bei der SPD)

Denn wir sind der Auffassung, dass mit diesem vorgelegten Gesetzentwurf in Sachsen-Anhalt, was die wirtschaftliche Entwicklung betrifft, in positivem Sinne wenig passieren wird. Im Gegenteil: Es wird der Kampf um einen funktionierenden Markt im Wettbewerb durch die Politik eröffnet. Deshalb schließen wir uns auch der Meinung des Präsidenten des Landkreistages an, dass

damit die substanzielle Gefährdung der kommunalen Selbstverwaltung und die Infragestellung der öffentlichen Daseinsvorsorge eingeleitet werden.

(Herr Gürth, CDU: Quatsch!)

Bis heute wurde in der parlamentarischen Debatte auch keine Auswertung vorgelegt, was eigentlich das Erste Investitionserleichterungsgesetz gebracht hat. So wird das zweite Gesetz das gleiche Schicksal erleiden: Es muss wie sein Vorgänger durch entsprechende Runderlasse nachgebessert und korrigiert werden.

Wir begrüßen durchaus, was Herr Minister Rehberger mit dem Runderlass zum Thema öffentliches Auftragswesen gemacht hat, dass nämlich wichtige abgeschaffte Regelungen wieder eingeführt worden sind. Das betrifft die Prüfung der Kalkulation des billigsten Angebotes und die Regelungen zur Einhaltung der gesetzlichen Zahlungsverpflichtungen sowie gegen illegale Beschäftigung. Wir begrüßen diese Korrekturen, denn damit wird auch ein fairer Wettbewerb der beteiligten Bauunternehmen im Land wieder möglich und die illegale Beschäftigung wirksamer eingeschränkt.

Ob aber beispielsweise die Abschaffung der Frauenförderklausel, die Änderung in der Bauordnung, für Stellplätze keine Ausgleichszahlungen mehr zu erheben, oder die Veränderungen bei der Bildungsfreistellung nun die Investoren nach Sachsen-Anhalt oder in die Innenstädte ziehen, das bleibt fraglich.

Ich möchte zu vier Schwerpunkten unsere Position verdeutlichen.

Erstens. Mit dem Zweiten Investitionserleichterungsgesetz startet die Landesregierung ihre Privatisierungskampagne gegen kommunale Unternehmen. Die vorgesehenen Einschränkungen auf dem Gebiet kommunaler Wirtschaftstätigkeit werden zulasten von bestehenden Unternehmen und gewachsenen regionalen Wirtschaftsstrukturen zur Anwendung gebracht und es werden bestehende Arbeitsplätze gefährdet.

Um auf das Thema noch einmal zurückzukommen: Gerade die Stadtwerke in unserem Land beweisen, dass sie bei gleichen Wettbewerbsvoraussetzungen in der Lage sind, die Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge wirtschaftlich und leistungsfähig zu lösen. Im Verbund mit den regional ansässigen privaten Unternehmen fördern die Stadtwerke in nicht unerheblicher Weise das örtliche Handwerk sowie die Klein- und Mittelbetriebe. Dabei sind die Stadtwerke an die Vergabeordnung und das Örtlichkeitsprinzip gebunden. Rund 70 bis 80 % der Aufträge bleiben somit in der Region.

Eine Privatisierung der Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge führt zu einer Bevorteilung überregionaler Unternehmen, welche nicht an die Vergabeordnung gebunden wären und keine Rücksicht auf regionale Betriebe nehmen müssten. Damit würde nach unserer Auffassung die Existenz örtlicher Handwerksbetriebe erheblich beeinträchtigt werden. Der Nachweis aber für kommunale Unternehmen, wie Sie es fordern, besser als jedes private Unternehmen zu agieren, steigert den bürokratischen Aufwand.

Unter dem Motto „Öffnung der Daseinsvorsorge für Privatisierungen“ wird das bestehende kommunale Wirtschaftsrecht erheblich beschnitten. Während die privaten Unternehmen stets die Argumente einer angeblichen Wettbewerbsungleichheit bemühen, wird den kommu

nalen Betrieben der freie Zugang zum Wettbewerb erschwert.