Herr Kollege Metke, wie bewerten Sie den Umstand, dass bis vor eineinhalb Minuten, als Herr Paqué in den Saal kam, ausschließlich der Minister für Wirtschaft und Arbeit bei diesem elementar wichtigen Thema anwesend war? Die anderen Minister glänzen durch Abwesenheit; Staatssekretäre sehe ich auch nicht. Dazu hätte ich gern eine Wertung gehört.
Es scheint so zu sein, dass sowohl die Frage der Ausbildungsplätze als auch die Frage der Zukunftsfähigkeit nicht auf das umfassende Interesse des Kabinetts stößt. Ich bin froh, dass zumindest der Wirtschaftsminister anwesend ist. - Schönen Dank.
Danke, Herr Metke. - Der Minister für Wirtschaft und Arbeit Herr Dr. Rehberger hat um das Wort gebeten.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf zunächst feststellen, dass das Anliegen, für die junge ausbildungswillige Generation genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, ein Anliegen aller Mitglieder dieses Hauses ist.
Es wäre allerdings fatal, wenn die Dinge, die Kollege Metke vorgetragen hat, erst jetzt in die Tat umgesetzt würden; denn dann wäre wertvolle Zeit verloren gegangen. Doch so ist es nicht. Die Landesregierung hat gemeinsam mit den Kammern, mit den Wirtschaftsverbänden und mit den Gewerkschaften ihre Aufgabe, die sie in diesem Zusammenhang hat, sehr ernst genommen. Ich glaube, sie ist dieser Aufgabe alles im allem gerecht geworden. Ich möchte das anhand von vier Punkten kurz erläutern.
Seit Anfang dieses Jahres haben wir gemeinsam mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften alle von uns zu schaffenden Voraussetzungen geschaffen, damit möglichst viele Ausbildungsplätze entstehen können. Das ist mit beachtlichem Erfolg geschehen. Während bundesweit die Zahl der betrieblichen Ausbildungsplätze um 46 700 bzw. im Durchschnitt 9 % zurückgegangen ist, belief sich der Rückgang in Sachsen-Anhalt im August dieses Jahres auf gerade einmal 209 Ausbildungsplätze. Das entspricht 2 %.
Im Einzelnen war es so, dass wir im industriellen Bereich sogar einen Aufwuchs der Zahl der Ausbildungsplätze zu verzeichnen haben. Einen Einbruch hat es beim Handwerk gegeben. In Sachsen-Anhalt ist ein Minus von ca. 6 % zu verzeichnen.
Aber, meine Damen und Herren, ganz überraschend ist das nicht. Es hat zwei Ursachen. Zum einen liegt die Ursache darin, dass die wirtschaftliche Entwicklung in
Deutschland und damit in Sachsen-Anhalt nicht so läuft, wie wir es uns erhoffen. Das hängt sicherlich mit Dingen zusammen, die ihre Ursache in Berlin haben. Zum anderen ist es so: Wer so leichtfertig an der Handwerksordnung herumbastelt, wie es die Bundesregierung tut, der braucht sich nicht zu wundern, wenn das Handwerk entsprechend sauer reagiert.
Das Gleiche gilt für die freien Berufe, bei denen wir einen Rückgang um 25 % feststellen müssen. Wer auf die verrückte Idee kommt, jetzt auch noch die freien Berufe in die Gewerbesteuer einzubeziehen, der braucht sich nicht zu wundern, dass diese entsprechend reagieren.
Fast konstant geblieben ist die Zahl der Ausbildungsplätze im öffentlichen Dienst und in der Landwirtschaft.
Meine Damen und Herren! Wenn wir im Bundesvergleich einen sehr geringen, sogar den geringsten Rückgang aller Bundesländer zu verzeichnen haben, dann ist das nicht zuletzt das Ergebnis eines Förderprogramms, das wir in diesem Jahr erstmals aufgelegt haben, nämlich eines Programms für die erstmalige Ausbildung nach drei Jahren der Nichtausbildung.
Herr Minister, da Sie gerade bei dem Punkt sind: Welchen Einfluss hat Ihrer Meinung nach die veränderte Förderpolitik auf die Ausbildungsbereitschaft, zum Beispiel im Handwerk?
Die Ausbildungsfrage und die Förderpolitik, die wir im Moment betreiben, haben deswegen gar nichts miteinander zu tun, weil - das wissen Sie vielleicht nicht, ich darf es Ihnen aber bei der Gelegenheit sagen - von unserer Förderung im Wesentlichen das verarbeitende Gewerbe erfasst wird und weil im Bereich des Handwerks fast kein Betrieb die Größenordnung hat, die ihn in die Lage versetzt, seine Produkte überregional abzusetzen. Insofern ist es also kein Thema der Förderpolitik, sondern ein Thema der Rahmenbedingungen, die von Berlin falsch gesetzt worden sind.
Lassen Sie mich eines festhalten: Das Förderprogramm für die erstmalige Ausbildung hat immerhin 1 800 zusätzliche Ausbildungsplätze geschaffen. Wir hatten eine Obergrenze von 2 000 Ausbildungsplätzen gesetzt. Das Programm ist also im Wesentlichen angenommen worden.
Allerdings habe ich sehr viele unfreundliche Briefe in Bezug auf dieses Programm aus dem Handwerk bekommen. - Ich glaube aber, dies geschah zu Unrecht, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Diejenigen, die mich angeschrieben haben, die möglicherweise bereits seit zwölf oder 13 Jahren kontinuierlich ausbilden, sind jahrelang in hohem Maße gefördert worden. Das bisschen Geld, das wir in diesem Zusammenhang zur Verfügung haben, mussten wir so einsetzen, dass die höchste Effizienz erreicht werden konnte. Das bedeutete, dass wir zusätzliche Anreize setzen mussten für diejenigen, die noch nie ausgebildet haben.
Ich muss sagen, wenn wir den geringsten Rückgang im Bereich der Ausbildungsplätze verzeichnen, weil 1 800 zusätzliche Ausbildungsplätze bereitgestellt worden sind, dann zeigt das, dass der Weg, den wir gegangen sind, richtig war.
Zweitens. Die Landesregierung hat - Herr Metke, Sie sind offenbar über die jüngsten Beschlüsse der Regierung nicht informiert gewesen - ihre Aufgabe durchaus erfüllt; denn wir haben zu den betriebsbedingten und notwendigen Ausbildungsplätzen in der Größenordnung von 494 zusätzlich 63 Ausbildungsplätze bereitgestellt und damit ein Zeichen gesetzt, dass auch die Landesregierung bei enorm schwierigen Rahmenbedingungen versucht, durch ein gutes Beispiel andere zu ermuntern, ebenfalls zusätzliche Ausbildungsplätze über den eigenen Bedarf hinaus bereitzustellen.
Drittens. Wir fördern wie in den Vorjahren selbstverständlich Ausbildungsplatzverbünde. In diesem Jahr stehen 2,2 Millionen € Landes- und ESF-Mittel für diese Zwecke zur Verfügung. Damit können jetzt noch zusätzlich 500 bis 600 Ausbildungsplätze geschaffen werden. Ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen, um gerade die mittelständische Wirtschaft und den Bereich, in dem ein einzelner Betrieb überfordert ist, aufzurufen, von diesem Angebot noch Gebrauch zu machen.
Viertens. Für die außerbetriebliche Ausbildung stehen ab dem 1. September 2003 mehr als 7 100 Ausbildungsplätze zur Verfügung. Das bedeutet, dass wir bis Ende des Monats im Wesentlichen diejenigen, die noch keinen Ausbildungsplatz in einem Betrieb gefunden haben, über diese zusätzlichen Maßnahmen des Bundes und des Landes werden unterbringen können.
Deswegen erlaube ich mir auch die Prognose, ohne zu optimistisch sein zu wollen, dass wir das - wie es im Jahr 2002 der Fall war, als wir das erste ostdeutsche Land waren, das eine weitgehende Versorgung der Ausbildungsplatzsuchenden erreicht hat - auch im Jahr 2003 erreichen werden. Wie gesagt: Unsere Zahlen sind erfreulicherweise deutlich besser als in sämtlichen anderen Bundesländern.
Ich weise allerdings auch darauf hin, dass ein ganz besonderes Problem darin besteht, dass mehr als 10 % der Bewerber nicht einmal über einen Hauptschulabschluss verfügen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir in diesem Bereich zunächst Qualifizierungsmaßnahmen einschalten müssen. Denn eines ist doch ganz klar: Wenn ein Bewerber kommt, der noch nicht einmal den Hauptschulabschluss geschafft hat - welcher Handwerksmeister oder welcher Kaufmann wird den dann gern einstellen wollen? Das ist ein Problem, das wir bundesweit haben, aber speziell auch in SachsenAnhalt. Deswegen gehe ich davon aus, dass wir in die
Auch wenn wir im Jahr 2003 wie im vergangenen Jahr die Nachfrage insbesondere durch die außerbetrieblichen Ausbildungsplätze im Wesentlichen werden befriedigen können, besteht ohne jeden Zweifel immer noch eine sehr bedenkliche Schieflage; denn das System funktioniert eigentlich nur dann richtig, wenn genügend betriebliche Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen.
Deswegen möchte ich mich dem Appell der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau anschließen, die gestern die Kammerbetriebe noch einmal aufgerufen hat, zusätzliche Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, obwohl - Herr Metke, das sollte man immerhin anerkennen - im Jahr 2003 im Bereich der Kammerbetriebe mehr Ausbildungsplätze bereitgestellt worden sind als im Vorjahr. Das heißt, der Appell ist angekommen und es ist das Bewusstsein entstanden, dass es um die eigenen Interessen geht, wenn man ausbildet. Der Fachkräftemangel ist nicht nur eine abstrakte Drohung, sondern wird in wenigen Jahren bittere Realität. Wer nicht vorsorgt, wird das bitter büßen müssen.
Ich schließe mich dem an, was die Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau dieser Tage gesagt hat und was auch von den anderen Kammern immer wieder betont wird: Wir sind in einem Endspurt und jeder zusätzliche betriebliche Ausbildungsplatz ist ein wichtiger Beitrag zur Lösung unserer Probleme.
Kein Beitrag zur Lösung unserer Probleme - auch das möchte ich in aller Freundschaft sagen - ist das, was in der SPD jetzt schamhaft mit dem Begriff „Ausbildungsfonds“ umschrieben wird - Herr Metke hat es eben begründet -, bei dem es im Grunde darum geht, zusätzliche Abgaben einzuführen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie werden sich ganz gewaltig verrechnen, wenn Sie so etwas machen. Für Betriebe, die ausbilden können und die ausbilden, ist es immer einfacher, eine relativ geringe Abgabe zu zahlen. Aber für Betriebe, die nicht ausbilden können, ist eine zusätzliche Belastung möglicherweise ein entscheidender Beitrag dazu, dass sie vom Markt verschwinden. Deswegen wird die Ausbildungsabgabe genau das Gegenteil von dem bewirken, was Sie wollen.
Deswegen verstehe ich nicht, dass in dieser Form die Wirtschaft verunsichert wird. Wie gesagt: Sie werden bewirken, dass sich diejenigen, die ausbilden können, eher zurückhalten, weil sie sich sagen, die Abgabe ist die billigere Lösung; und die anderen werden dennoch nicht ausbilden können.
Im Übrigen möchte ich ganz klar sagen - das sage ich auch bei anderen Anlässen und dazu besteht auch immer wieder Veranlassung -: Wenn Sie erwarten, dass die Wirtschaft ihre Zusagen in Bezug auf die Schaffung ausreichender Ausbildungsmöglichkeiten erfüllt - ich finde, das ist eine gute Erwartung -, dann erwarte ich auch, dass die Bundesregierung ihre Zusagen in Bezug auf ein solides Wirtschaftswachstum erfüllt. Das eine hängt nämlich eng mit dem anderen zusammen.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Schluss sagen, dass ich mich ausdrücklich bei allen Unterneh
men und allen Freiberuflern, bei den Kammern, Verbänden und Gewerkschaften bedanke, die in Sachsen-Anhalt dazu beigetragen haben, dass wir das Problem mit einiger Sicherheit auch im Jahr 2003 einigermaßen lösen können. Ich bedanke mich ausdrücklich.
Wir wissen, das geschieht in der Wirtschaft - ich unterstreiche das - nicht aus Altruismus, sondern im sehr wohl erkannten Eigeninteresse. Wir wissen aber auch, dass diese Kraftanstrengungen, die jetzt notwendig sind, zum Teil auch über den eigenen Bedarf hinaus, nicht nur ein Gebot der Vernunft sind, sondern dass wir das der jungen Generation in unserem Land schulden. Allen, die dazu beitragen, dass wir dieser Schuldigkeit gerecht werden, ein herzliches Dankeschön.
Ich danke Ihnen, Herr Minister. - Es folgen jetzt die Debattenredner der Fraktionen. Doch zuvor habe ich die Freude, die zweite Gruppe von Schülerinnen und Schülern des Ludwig-Gymnasiums Köthen zu begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Viel zu sagen hat mir Minister Rehberger nicht mehr übrig gelassen. Ich will trotzdem kurz einiges dazu sagen.