Protokoll der Sitzung vom 18.09.2003

An der Universität Halle soll das Fachgebiet Ernährungswirtschaft durch entsprechende Berufungen nachfragegerecht sogar ausgebaut werden.

Schließlich sind Konzepte zur gemeinsamen Nutzung von Versuchsflächen und anderer sächlicher Ressourcen beider Ausbildungsstandorte ein geeigneter Weg, mehr Effizienz in die Strukturen und Arbeitsweisen zu setzen und vor allem auch die Attraktivität der Fakultät so zu erhöhen, dass sich mehr Studierende für diesen Standort und für ein Studium der Landwirtschaftswissenschaften in Halle interessieren. Denn dort müssen wir konzeptionell ansetzen, weil anderenfalls die landwirtschaftliche Fakultät und damit letztlich die Universität Halle das Legitimationsproblem, das sie angesichts dieser enormen Auslastungsproblematik hat, nicht loswerden wird.

Einen breiten Raum nehmen Strukturmaßnahmen zur Förderung der Biotechnologie und der Clusterbildung in diesem Bereich ein. Der Kabinettsbeschluss zu der Hochschulstrukturplanung enthält für die Universität Halle-Wittenberg ganz bewusst die Forderung, sich unter anderem stärker als bisher auf den Schwerpunkt Biotechnologie zu konzentrieren. Das steht sogar wörtlich drin. Das Kultusministerium wird dieser Schwerpunktsetzung Rechnung tragen und die Richtlinie zur Förderung von Wissenschaft und Forschung entsprechend anpassen.

Stärker in den Fokus der öffentlichen Förderung rückt auch die Unterstützung von Forschungsverbünden innerhalb der Wissenschaft zwischen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen und zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Auch hier muss man überhaupt nicht Schreckensszenarien malen, denn die Idee, mit dem IAMO so zu kooperieren, dass etwa

die Lehrdeputate der IAMO-Professoren etwas angehoben werden, um in der Fakultät Entlastung zu bringen, ist ein völlig normaler Vorgang, wobei ich meine, dass das auf einer kollegialen und vernünftigen Verhandlungsbasis möglich sein muss. Dabei sollen die bestehenden Verwertungsmechanismen künftig umfassend und effizienter genutzt werden.

Darüber hinaus werden neue Konzepte zur Aus- und Weiterbildung entwickelt. Vorgesehen sind unter anderem die Errichtung eines Aufbaustudienganges BioInformatik an der Universität Halle-Wittenberg und die inhaltliche Abstimmung des Studienganges Biotechnologie an der Hochschule Anhalt mit der Universität HalleWittenberg.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie Sie gesehen haben, ist der Antrag der Fraktion der SPD an die bereits durch die Landesregierung initiierte Biotechnologie-Offensive gleichsam „angehängt“. Es ist schon heute erklärter Wille und vor allem Gegenstand vielfältigen Handels der Regierung, die Biotechnologie und damit verbunden auch die wesentlichen Teile der Land- und Ernährungswirtschaft in besonderer Weise zu fördern und zu entwickeln.

Ich sage hier ausdrücklich: Die landwirtschaftliche Fakultät wird an diesen geplanten Strukturvorschlägen, von denen ich einige an dieser Stelle schon vorab genannt habe, keineswegs Schaden nehmen. Sie wird vielmehr gestärkt und legitimiert aus diesem Prozess hervorgehen, was allerdings in der Tat heißen muss, ein Angebotsprofil zu entwickeln, Schwerpunkte zu bilden, sich zu verabschieden von der Kleingliedrigkeit einer hohen Angebotspalette, die dann nicht in dem Umfang nachgefragt werden kann, in dem man das einfach rechnen muss.

Um den Erhalt der landwirtschaftlichen Fakultät mache ich mir überhaupt keine Sorgen. Selbstverständlich muss diese Fakultät im mitteldeutschen Raum erhalten werden. Die Behauptung, dass die Fakultät zur Disposition stehe, habe nicht ich aufgestellt. Ich kann vor solchen Szenarien nur warnen.

Wenn ich zum Beispiel in der „Bauernzeitung“ und in verschiedenen anderen Zeitschriften Plädoyers lese, die in der Öffentlichkeit suggerieren, die landwirtschaftliche Fakultät sei in existenzieller Gefahr und stehe praktisch unmittelbar vor ihrer Schließung, dann muss ich sagen, so etwas ist das Dümmste und Falscheste, was man in einer solchen Situation machen kann. Wenn ein Student im Moment überlegt, ob er nach Göttingen oder nach Halle geht, kann ich Ihnen jetzt schon sagen, wohin er geht, wenn wir solche Szenarien aus einem notwendigen Hochschulstrukturmodernisierungsprozess herleiten. Das ist unverantwortlich, und ich hatte mir vorgenommen, das hier auch sehr deutlich zu sagen.

(Zuruf von Frau Mittendorf, SPD)

Wichtige Bestandteile in dem Reformprozess, den wir anregen wollen, wie eben geschildert, sind dabei die Ausbildung, die Forschung und die Kooperation mit der regionalen Wirtschaft.

Ich werde nachher in dem zweiten Punkt, zu dem ich noch gefordert bin, Stellung nehmen zu der Bewertung der Berechnungsgrundlagen, über die wir überhaupt erst auf die Befunde der mangelnden Auslastung aufmerksam geworden sind. Das ist ja völlig unplanmäßig gewesen und hat sich regelrecht ergeben. Dadurch haben wir aber jetzt die kritischen Bereiche auch unmittelbar vor

Augen und können entschlossen und gezielt handeln, um hierbei schnell Abhilfe zu schaffen. Das heißt im Klartext, den wissenschaftlichen Qualitätsanspruch mit dem Gebot der Wirtschaftlichkeit wieder in Einklang zu bringen, was für jeden Landwirt eine Überlebensfrage ist, wenn er einen Betrieb führt.

Meine Damen und Herren! Ich empfehle Ihnen insgesamt, die Umsetzungsstrategien zur Biotechnologieoffensive dem Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Kenntnisnahme zu übergeben und sich ansonsten dem Änderungsantrag der Regierungsfraktionen, der genügend konsensfähige Aussagen enthält, anzuschließen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Olbertz. - Nun bitte für die FDP-Fraktion Herr Dr. Schrader. Ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Oleikiewitz! Herr Püchel, ich möchte mich entschuldigen für meinen Zwischenruf, möchte aber auch begründen, warum es dazu gekommen ist. Es ist in mir hochgekocht, weil Sie bei Ihrer Rede - es tut mir Leid, sehr verehrter Herr Kollege Oleikiewitz - doch in unsachgemäßer Weise im großen Komplex die Biotechnologieoffensive verknüpft haben der Hochschulstrukturreform, bezogen auf die agrarwissenschaftliche Fakultät Halle. - Das kann man so nicht tun.

(Zustimmung bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ernährungswirtschaft - ich beziehe mich auf Ihren Antrag, wobei mir von Anfang an klar war, dass es nur um dieses eine Thema der Agrarfakultät ging; aber Sie hätten es ehrlicherweise in Ihrem Antrag benennen müssen - gehört in Sachsen-Anhalt bekannterweise zu den wichtigsten Wirtschaftsbranchen und ist auf Platz eins bei Umsatz und Beschäftigung.

Die Agrarwirtschaft, das heißt, die landwirtschaftliche Urproduktion und Teile der ersten Veredlungsstufe sind ebenfalls von herausragender Bedeutung. Wenn die Landwirtschaft irgendwo in Deutschland weiter an Effizienz und Bedeutung gewinnen wird, dann wird es in Sachsen-Anhalt sein - da bin ich mir vollkommen sicher.

In der grünen Biotechnologie, den modernen Methoden der Pflanzenzüchtung - so muss man es bezeichnen -, verfügt Sachsen-Anhalt über herausragende Potenziale. Wir haben die höchste Wissenschaftskonzentration in ganz Deutschland mit ca.1 000 Mitarbeitern im Bereich Forschung und Wissenschaft allein in der Region Nordharz/Börde. Wenn Sie Halle mit dazunehmen, dann kommt noch mehr dazu. Wir haben ein Produktentwicklungspotenzial von zwölf agierenden Pflanzenbiotechunternehmen in Deutschland. International agierende Biotechunternehmen haben wir davon vier am Standort Sachsen-Anhalt. Das ist ein enormes Potenzial und hinzu kommt eine starke, mittelständisch geprägte Saatzuchtbranche.

Alle drei Bereiche - Agrarwirtschaft, Ernährungswirtschaft, wenn man den pflanzlichen Teil nimmt, und die grüne Biotechnologie - sind Glieder einer Wertschöp

fungskette, die man mit „Ressource Pflanze“ mit wirklich herausragenden Potenzialen bezeichnen kann.

Nicht erst seit der OECD-Studie von vorgestern wissen wir um die Zusammenhänge von Bildung, Wissenschaft und Wirtschaft. Eine wettbewerbsfähige Wirtschaft basiert zu einem Großteil auf wettbewerbsfähiger Forschung, Wissenschaft und Ausbildung. Anders gesagt: Wenn man eine Wirtschaftsbranche mit solch besonderen Potenzialen hat, dann ist es umso wichtiger, die dazugehörige Wissenschafts- und Ausbildungslandschaft zu stärken.

Deshalb sind wir uns bezüglich des Grundanliegens Ihres Antrages und unseres Änderungsantrages vollkommen einig, dass Wissenschaft und Forschung im Bereich der Agrar- und Ernährungswirtschaft und der grünen Biotechnologie gestärkt werden müssen und SachsenAnhalt als attraktiver Ausbildungsstandort für diese Branchen weiterentwickelt werden muss. Hierin sind wir uns, wie gesagt, vollkommen einig.

Dies haben die Landesregierung mit der Biotechnologieoffensive und der Umsetzungsstrategie - Herr Minister Olbertz hat dankenswerterweise den großen Komplex dargestellt - und auch der Landtag - wir werden uns ja demnächst in den Ausschüssen über den Antrag, in dem es auch um das Anbauprogramm geht, unterhalten - deutlich unterstrichen.

Nun muss dieses Wissenschafts- und Ausbildungspotenzial aber im Rahmen der notwendigen Hochschulstrukturreform gesehen werden. Ich sage explizit: notwendigen Hochschulstrukturreform. Es ist kein Geheimnis, dass es Fakultäten gibt - mehrere Fakultäten an beiden Universitäten -, die Effizienzreserven haben. Leistungsfähigkeit macht sich nicht an einzelnen Faktoren wie Studentenzahl, Publikationen, Drittmitteln oder Forschungsprojekten fest. Es ist die Summe dieser Faktoren, die zur Attraktivität führt.

Um wettbewerbsfähig zu bleiben bzw. wettbewerbsfähig zu werden, müssen vorhandene Synergien besser genutzt werden. Ich glaube, das ist der Hauptmangel, den wir beseitigen müssen. Sinngemäß heißt es dazu zum Beispiel in der Umsetzungsstrategie der Biotechnologieoffensive, dass zur Stärkung der Ausbildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten im Bereich der Biotechnologie von den betroffenen Fakultäten der Universitäten, Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen eine gemeinsame Konzeption entwickelt werden soll.

Der Hintergrund des SPD-Antrages ist ganz offensichtlich die Diskussion über die agrarwissenschaftliche Fakultät und die bezifferten Einsparmöglichkeiten. Man muss ganz deutlich sagen: Ich betrachte diese Diskussionen als Empfehlung bezüglich der Einsparpotenziale und als Chance. Es kann und darf nicht Aufgabe des Landes sein, ein dogmatisches, genaues Konzept für bestimmte Fachrichtungen und Fakultäten vorzugeben. Das ist Angelegenheit der Universitäten. Aber eine bestimmte Richtung vorzugeben, wie das mit der Biotechnologieoffensive geschehen ist, das ist legitim.

Meine Damen und Herren! Deshalb soll die Landesregierung den Ausschüssen zum Jahresende über den Stand der Umsetzung dieser Strukturreform berichten.

Ein letzter Satz: Ich bin überzeugt davon, genau wie Herr Minister Olbertz, dass diese Hochschulstrukturreform der Biotechnologieoffensive nützt - ich wette darauf - und nicht schadet.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit, bitte um Ablehnung des SPD-Antrages und um Annahme des Änderungsantrages der Koalitionsfraktionen.

(Beifall bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Vielen Dank, Herr Dr. Schrader. Möchten Sie eine Frage des Abgeordneten Herrn Oleikiewitz beantworten?

Aber selbstverständlich.

Bitte, Herr Oleikiewitz.

Herr Dr. Schrader, schade, aber Sie geben mir doch Recht darin, dass eine agrarwissenschaftliche Einrichtung wie die Fakultät in Halle doch einen wesentlichen Einfluss auf das Thema der Biotechnologie in SachsenAnhalt hat, nicht alleine, aber doch auch?

Aber sicher. Die agrarwissenschaftliche Vollfakultät der MLU Halle wird für meine Begriffe - das ist meine feste Überzeugung - in ihrer Vollfunktion erhalten bleiben. Aber sie muss sich auch befleißigen, entsprechende Synergieeffekte mit der Hochschule in Bernburg und auch mit anderen Einrichtungen zu intensivieren.

Ich nenne ein kleines Beispiel: Bei dem Innoplanta-Großvorhaben mit 20 Millionen € Forschungsfördermitteln, die insgesamt in fast 30 Forschungsprojekten gebunden sind, ist die MLU mit der agrarwissenschaftlichen Fakultät in einem einzigen Forschungsprojekt dabei.

Dort sind riesige Potenziale vorhanden, die ganz einfach effektiver genutzt werden müssen. Das ist meine feste Überzeugung. Sie werden mir zugestehen, dass ich mich bei dem Thema ein wenig auskenne. Wir müssen die agrarwissenschaftliche Vollfakultät dazu befähigen - dazu ist eine gewisse Richtlinienvorgabe durch die Regierung und den Landtag hilfreich -, effizienter zu werden, um tatsächlich auch internationalen Standard zu erreichen bzw. noch weiter auszubauen.

Darf ich noch zwei Nachfragen stellen, Herr Präsident?

Möchten Sie antworten?

Bitte schön. Sie dürfen fragen.

Herr Dr. Schrader, Sie kennen die Empfehlung des Wissenschaftsrates, nach der eine Vollfakultät, wie Sie es eben so schön gesagt haben, sozusagen als Minimal

grenze 24 Professorenstellen hat. Das trifft für die Fakultät zu. Sie hat 24 Professorenstellen. Sie wissen, dass die Fakultät damit an der unteren Grenze hinsichtlich der Ausstattung mit Professorenstellen liegt?

So genau kann ich die Zahl jetzt nicht wiedergeben. Aber wir sollten uns darüber im Ausschuss genauestens unterhalten. Für meine Begriffe ist es nicht ganz nachvollziehbar, dass allein in der agrarwissenschaftlichen Fakultät eine gesonderte Professur für Betriebswirtschaft oder Ökonomie - das weiß ich jetzt nicht genau - relativ losgelöst da ist. Was mich bedenklich macht, ist, wenn man die Zahlen etwas zusammenrechnet, dann gibt es pro Professor vier Studenten pro Jahrgang. Das ist nicht effizient genug. Ich glaube, da haben wir Nachholbedarf. Da muss etwas gemacht werden.

Wie gesagt, ich trete voll dafür ein, dass die agrarwissenschaftliche Fakultät erhalten bleibt. Sie muss aber effizienter werden. Wenn man ein Konzept vorlegt, dann bin ich mir sicher, dass das auch in der Universität, in den übrigen Hochschulen und dann auch in der Landesregierung Akzeptanz findet. Man muss sich aber bewegen.

Ich stelle noch eine letzte Frage. Glauben Sie, dass diese Fakultät, wie Sie sagen, als Vollfakultät erhalten bleiben kann, wenn die Mittel um 3,14 Millionen € gekürzt werden? Wird das ohne die Streichung von Professorenstellen erfolgen können oder sehen Sie das anders?

Jetzt wollen Sie mich aufs Glatteis führen.