Protokoll der Sitzung vom 23.09.2003

(Herr Dr. Püchel, SPD: Jetzt reicht es aber lang- sam aus hier!)

Landespolitik und Kommunalpolitik sind sich gegenseitig ergänzende Faktoren. Wer dieses Prinzip verlässt, der verlässt auch den Erfolg und verspielt die Zukunft, und zwar mit Opposition oder auch ohne Opposition. Genau deshalb haben die Regierungsfraktionen und die Landesregierung von vornherein festgelegt, dass der forma

le Finanzstatus der kommunalen Ebene im Jahr 2003 auch für das Jahr 2004 zu garantieren ist. Das haben wir erreicht. Wenn mein Überblick stimmt, ist das unter den allgemeinen Lasten in Deutschland ein nicht allzu häufig vorkommender Vorgang.

Wir haben also im Land Sachsen-Anhalt einen großen, anstrengenden Schritt gemacht. Gleichwohl garantiert dieser formale Bestandserhalt im praktischen Haushaltsvollzug nicht automatisch die gleiche Höhe bei den Mitteln für die Kommunen. Jeder in diesem Saal weiß, meine Damen und Herren, dass das ausschließlich etwas mit dem Finanzverbund und unserem gesetzlichen Regelwerk zu tun hat und nicht mit der politischen Grundsatzentscheidung der Landesregierung.

Trotzdem gibt es in diesem Hause sicherlich Einigkeit dahin gehend, dass wir die nächsten Wochen im Finanzausschuss auch dafür nutzen müssen, jede mögliche weitere Abfederung zugunsten der Finanzausstattung der Gemeinden zu prüfen. Das ist uns im Jahr 2003 schon einmal in Höhe von 34 Millionen € gelungen. Daran sollten wir uns erinnern. Meine Damen und Herren! Grundsätzlich bleibt aber die Tatsache bestehen: Das Land kann lediglich ein Pflästerchen beigeben; die Wunde selbst ist nur durch ein grundsätzlich neues Gemeindefinanzierungsgesetz, das diesen Namen auch verdient, zu schließen.

Eine letzte Bemerkung zu den viel diskutierten Themen KiFöG, Jugendpauschale und Musikschulen. Ich möchte die Position der FDP ganz klar und deutlich zusammengefasst darstellen:

Erstens. Die freie Auswahl der Kindereinrichtungen darf nicht behindert werden.

Zweitens. Die Finanzierungsschlüssel, bezogen auf betreute Kinder, und die Finanzierungsmasse im KiFöG bleiben unangetastet.

Drittens. Die Zweckgebundenheit der Jugendpauschale und der Zuwendung für die Musikschulen muss garantiert sein.

Falls unter diesen Prämissen Verwaltungsvereinfachungen nachgewiesen werden können, ist für uns die Festlegung des Veranschlagungsortes - ob nun Einzelplan 05, Einzelplan 07 oder Einzelplan 13 - ein rein technischer und kein inhaltlicher Vorgang und damit auch keine inhaltliche Änderung.

Meine Damen und Herren! Ich freue mich auf die Diskussion im Finanzausschuss. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Lukowitz. - Für die Landesregierung hat der Ministerpräsident Herr Professor Dr. Böhmer um das Wort gebeten. Bitte sehr, Herr Ministerpräsident.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst habe ich allen Grund, mich bei Ihnen, Herr Präsident, und bei den Damen und Herren des Ältestenrates dafür zu bedanken, dass sie letztlich meinetwegen den Termin für diese Diskussion auf den heutigen Nachmittag verlegt haben. Ich hätte es sehr bedauert, wenn das nicht möglich gewesen wäre und ich die Diskussionen heute Nachmittag hätte verpassen müssen.

Es ist nicht nur so, dass dann der Opposition ein Teil der Zielscheibe gefehlt hätte - das wäre vielleicht zu verschmerzen gewesen -, aber mir wären doch einige wichtige Äußerungen entgangen, die Sie möglicherweise ganz anders gemeint haben.

Wenn Sie, Herr Dr. Püchel, uns vorwerfen, dass wir in reichlich anderthalb Jahren immer noch nicht geschafft haben, was Sie in acht Jahren auch nicht geschafft haben, dann sage ich: Damit kann ich relativ gut leben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Denn dieser Vorwurf impliziert, dass Sie es uns eigentlich zugetraut hätten, nun aber enttäuscht sind, dass es uns nicht gelungen ist.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der CDU)

Ich gebe zu, ich bin auch ein bisschen enttäuscht. Ich hätte manches gern schneller geschafft. Aber verlassen Sie sich darauf: Wir erreichen unser Ziel.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es ist wahr, dass wir einen Teil unserer Ziele korrigieren mussten. Wir hatten vor - das haben wir auch gesagt und vorgelegt -, den Zeitpunkt, zu dem wir ohne Neuverschuldung auskommen, vielleicht schon im Jahr 2007 zu erreichen. Wir mussten das verschieben. Das weiß ich. Ich bedauere das auch. Aber ich sage auch: Wenn das Gewurschtel der Bundesregierung so weiter geht wie im letzten Jahr, wird es möglicherweise noch weiter verschoben werden müssen. Das ist unser Problem.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deswegen ist es völlig korrekt, dass Herr Lukowitz in seinem Diskussionsbeitrag unsere Probleme in den nationalen Rahmen eingebunden hat. Denn Sachsen-Anhalt ist mit weniger als 3 % der gesamtdeutschen Bevölkerung kein abgeschlossenes Wirtschaftsgebiet. Wir sind als neues Bundesland ohnehin eine Wirtschaftsregion, die den alten Bundesländern noch hinterherhinkt. Das wissen wir doch alle.

Deswegen können wir nicht behaupten - ich kann das niemandem in diesem Hause garantieren -, dass wir finanzpolitische Stabilität erreichen als ein Land, das zu mehr als 55 % auf Einnahmen von außen angewiesen ist, weil wir im Moment nur 45 % selbst erwirtschaften können. Die Außenbedingungen sind für uns im Moment auch nicht klar überschaubar.

Sie kennen doch all das, was zurzeit in der Luft hängt und möglicherweise noch in diesem Herbst entschieden werden muss. Wir alle in Deutschland wollen die Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe; wir sind noch völlig uneinig darüber, wer das finanzieren soll und auf welchem Weg. Es gibt Vorstellungen, die Länder mit in die Pflicht zu nehmen. Sie kennen das alles. Das sind im Moment nicht vorhersehbare Ausgaben, die wir möglicherweise in irgendeiner Weise schultern müssen. Niemand weiß, in welcher Höhe; niemand weiß, wann; niemand weiß, auf welchem Weg.

Die Bundesregierung hat ein Grundsicherungsgesetz erlassen und hat den Kommunen gesagt: Das ist jetzt eure Aufgabe, aber ihr müsst euch keine Sorgen machen, das Geld steuern wir bei. Am Anfang haben wir schon beklagt, dass es nicht einmal die Hälfte sein wird. Jetzt sagen mir die Bürgermeister: Was wir bekommen, ist weniger als die Hälfte; den Rest müssen wir selber aufbringen, woher auch immer.

Das heißt, auch für die Kommunen ist die Finanzsituation nicht vorhersehbar, ist nicht vorhersehbar, wie es weitergeht. Sie können nur klagen und sagen: Wir sind ein Teil des Gesamtsystems der Länder, nun wollen wir im Grunde genommen, dass ihr uns helft, mit diesen Problemen fertig zu werden. - Da wird es noch viel zu diskutieren geben.

Von der Gemeindefinanzreform haben die einzelnen Redner bereits gesprochen. Niemand weiß, wie es am Ende ausgehen wird. Aber alle Vorschläge, die ich bisher von unterschiedlichen Seiten gehört habe, beinhalteten eine Begünstigung der Kommunen, auch zulasten der Länder. Das bedeutet Mindereinnahmen, die über den Betrag hinausgehen, den wir jetzt in den Haushalt eingestellt haben.

Vom Vorziehen der Steuerreform wollen wir gar nicht reden. Ich sage dazu: Wenn wir darüber im Bundesrat entscheiden müssen, werde ich aus der Sicht des Landes Sachsen-Anhalt entscheiden. Wir können uns Mindereinnahmen in Höhe von etwa 230 Millionen € im nächsten Haushaltsjahr einfach nicht leisten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das alles sind die bisher bestehenden Unsicherheiten.

(Herr Dr. Heyer, SPD: Aber die Steuersenkun- gen!)

Wir müssen in diesem Zusammenhang versuchen, den Kommunen das Leben und Überleben zu erleichtern. Das ist unsere Aufgabe, zu der ich mich bekenne. Wir haben einige Finanzierungsposten, bei denen wir nicht kürzen wollen, in der gleichen Höhe präventiv in den Einzelplan 13 eingestellt - mehr nicht. Dann sagen Sie, Herr Püchel, es sei eine Unverschämtheit, dem Landtag das ohne die erforderliche Änderung im FAG usw. vorzulegen.

Ich hoffe, dass ich bis zum Freitag, an dem wir im Bundesrat über den Bundeshaushalt diskutieren, das Protokoll habe. Das würde ich Herrn Eichel gern vorlesen, damit ich ihm auch sagen kann, was er an völlig hypothetischen Vorstellungen, die durch keine gesetzlichen Beschlüsse gedeckt sind, in den Bundeshaushalt eingebracht hat, der nach der gegenwärtigen Rechtslage nicht einmal verfassungskonform ist. Wir haben trotz der schwierigen Bedingungen zumindest einen verfassungskonformen Haushalt vorgelegt. Wir werden uns sehr bemühen, dass er auch verfassungskonform bleibt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich will auch sagen, was mich bei der Diskussion - unabhängig davon, wer es gesagt hat - ein wenig geärgert hat. Wir haben auch Schwierigkeiten. Wir haben mit der Europäischen Union gesprochen und gefragt, ob wir bei den EFRE-Mitteln nicht die Kofinanzierungsrate senken könnten, damit es für uns leichter wird, an das Geld, das uns zusteht, heranzukommen. Dafür haben wir Bereitschaft gefunden. Sie haben gesagt: Jawohl, im Gefolge der Hochwasserdiskussion sehen wir das ein; wir nehmen eine pauschale Senkung der Kofinanzierungsquote auf 25 % vor, damit es für euch leichter ist.

Wir sind zurzeit dabei - das werden wir noch in diesem Herbst und wahrscheinlich bis zum nächsten Herbst tun -, in der Föderalismuskommission über die GA-Finanzierung und die Mischfinanzierung mit dem Bund zu sprechen. Wir wollen neben vielen anderen Dingen erreichen, dass die Kofinanzierungskonditionen erleichtert werden, damit wir nicht etwa auf Geld verzichten müs

sen, nur weil wir es nicht binden können, obwohl wir das Geld brauchen.

(Zustimmung bei der CDU)

Andere Bundesländer haben schon auf GA-Mittel verzichten müssen, weil sie sie nicht kofinanzieren konnten. Auch in den letzten Jahren hat es diesbezüglich erhebliche Probleme gegeben. Das will ich jetzt nicht alles repetieren.

Wir wollen darüber miteinander sprechen, ob man sich in schwierigen Zeiten nicht gegenseitig das Leben leichter machen kann. Unsere Bürgermeister sagen mir: Es nützt uns nichts, wenn ihr Geld in den Haushalt einstellt; denn wir können es nicht kofinanzieren, so schlecht geht es uns; ihr könnt euch das Geld an den Hut stecken; es nützt uns nichts, wenn wir es nicht in unsere Gemeinde holen können.

Vor diesem Hintergrund müssen wir doch in der Lage sein, darüber zu sprechen und zu sagen: Wir wollen sehen, wie wir uns das Leben gegenseitig erleichtern können. Wenn wir bestimmte Mittel haben, für die bisher eine Kofinanzierung in der gleichen Höhe vorgeschrieben ist und die die Gemeinden nur erhalten, wenn sie sie in gleicher Höhe kofinanzieren, die Gemeinden aber sagen: das können wir nicht mehr leisten, dann müssen wir eben darauf verzichten. Das haben wir bei bestimmten Theaterfinanzierungen schon erlebt.

Dann ist es doch die Frage wert: Soll alles zusammenbrechen und wir bleiben auf dem dafür gedachten Geld sitzen? Oder sollen wir sagen: Wir erleichtern die Zuwendungen mit unseren Mittel, damit in den Kommunen wenigstens etwas passiert. Darüber wollen wir sprechen.

Herr Ministerpräsident, sind Sie bereit, eine Frage der Abgeordneten Frau Bull zu beantworten?

Am Ende.

Am Ende, Frau Bull.

Herr Präsident, Sie erinnern dann bitte Frau Bull daran. - Darüber wollen wir sprechen. Deswegen haben wir das Geld so eingestellt, dass wir für unterschiedliche Finanzierungswege einschließlich der Verwaltungserleichterungen offen sind, ohne dass überhaupt etwas passiert.

Wenn wir nichts machen würden, dann hätte der Finanzminister jederzeit das Recht, dem Ressortminister dieses Geld zur Bewirtschaftung zur Verfügung zu stellen. Deswegen ist das keine Unverschämtheit, sondern eine Maßnahme, um Beweglichkeit in unsicheren finanzpolitischen Gestaltungszeiten zu schaffen.

(Beifall bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Es gibt viele andere Probleme, auch bei uns in SachsenAnhalt, mit denen wir uns in der nächsten Zeit werden auseinander setzen müssen; denn wir müssen uns in Deutschland und im internationalen Vergleich an anderen messen lassen. Es gibt einige Länder, die sich über