Protokoll der Sitzung vom 23.10.2003

dort eingeschult wird bzw. in die fünfte Klasse geht, an dieser Schule auch seinen Schulabschluss machen kann.

Die von der SPD- und der PDS-Fraktion vorgelegten Gesetzentwürfe zielen auf den Erhalt kleiner und zum Teil kleinster Schulen an Einzelstandorten und insbesondere im dünn besiedelten ländlichen Raum.

Nun sind die Parameter, die der Schulentwicklungsplanung zugrunde liegen, alles andere als neu. Sie gelten seit dem Jahr 1999. Die Änderung der Verordnung im Mai 2003 hat an diesen Richtwerten gar nichts geändert und auch in keinem einzigen Fall die Bedingungen für die Bestandsfähigkeit einer Schule verschärft.

(Zustimmung bei der CDU)

Dass wir die Jahrgänge 5 und 6 nicht mehr ausnehmen, ist angesichts der Öffnung der Gymnasien ab Schuljahrgang 5, die von der Mehrheit der Bevölkerung unseres Landes gewollt ist, einfach nur folgerichtig.

(Zustimmung bei der CDU - Herr Borgwardt, CDU: So ist das!)

Im Übrigen darf man nicht vergessen, Frau Mittendorf, dass der Mangel an Schülerinnen und Schülern derzeit noch kumuliert. Wir haben im Moment nämlich immerhin noch die starken Jahrgänge im System, die die um die Hälfte geschwächten Jahrgänge, die jetzt in den Klassen 5 und 6 sind, zunächst noch kompensieren. Wenn wir hochrechnen, wissen wir jetzt schon, wie viele Kinder wir 2009/10 einschulen werden.

Deswegen ist diese Planungsmarke mehr als verantwortungsvoll und vernünftig, damit wir uns um die Probleme, die sich ja noch zuspitzen werden, nicht herum drücken, sondern von Anfang an eine Handlungsbasis haben, um schnell aus diesem Tal der Tränen herauszukommen.

Leider sind die Schülerzahlen konstant und die Geburtenraten gehen sogar leicht zurück. Das heißt, wir können nicht mit einer Entlastung rechnen, weswegen alle zeitweiligen Lösungen das Problem aus rein logischen Gründen nur verschärfen und nicht etwa entlasten können.

(Zustimmung von Herrn Schomburg, CDU)

Denn währenddessen sinkt die Schülerzahl weiter. Das heißt, jede zeitweilige Regelung fällt uns allen um so härter auf die Füße, weil während der Zeitweiligkeit die Schülerzahl sich nicht einmal stabilisiert, sondern in der Gesamtbilanz werden die Schülerzahlen wegen der abgehenden älteren Jahrgänge zunächst einmal noch sinken.

Mein Amtsvorgänger Herr Dr. Harms hat zum Beispiel in der Debatte vom Dezember 2000 deutlich gemacht, warum er Schulen unterhalb der festgelegten Mindestgrößen fachlich nicht verantworten kann. Ich war sonst keineswegs immer mit ihm einer Meinung, aber in diesem Punkte nun wirklich ohne Einschränkung. Das muss ich sagen.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Wenn es Ihnen hilft!)

- Es hilft mir tatsächlich. - Wenn nun jemand behauptet, wir hätten heute eine andere, noch schwierigere Situation als damals, dann wüsste ich nicht, wie man ihn gegen den Vorwurf der Unkenntnis in Schutz nehmen sollte. Zumindest müsste ich unterstellen, die damalige Regierung habe nur bis 2003 gedacht.

Die mir zur Verfügung stehenden Unterlagen, die berühmten Schubladen, belegen jedoch das glatte Gegenteil. Sie wussten ganz genau Bescheid, auch über die Prognostik, die ich meinen Entscheidungen zugrunde lege, und demografische Prognosen zu den relevanten Altersgruppen sind nun einmal naturgemäß sehr präzise und sehr verlässlich, so bedauerlich das übrigens ist.

Nun zu einigen Forderungen im Einzelnen. Zunächst zu den Grundschulen: Nach der Schulentwicklungsplanungsverordnung können bereits heute mit 40 Schülern Grundschulen geführt werden, wenn am Schulstandort keine weitere Grundschule vorhanden ist. Solche Grundschulen sind im ländlichen Raum sehr häufig anzutreffen, aber längst nicht in allen Regionen gleichermaßen notwendig. Besonders an Standorten mit mehr als einer Grundschule gibt es keine Veranlassung, solche Ausnahmen zuzulassen.

Im Übrigen können in besonderen Fällen so genannte Grundschulen mit jahrgangsübergreifendem Unterricht gemäß § 13 Abs. 3 des Schulgesetzes bis zum Jahre 2005/06 weitergeführt werden, sofern die betreffende Schule die nötige Mindestschülerzahl von 28 Kindern - kleiner geht es nun wirklich nicht! - in diesem Zeitraum erreicht.

Für die Bestandsfähigkeit von Sekundarschulen verlangt der so genannte Zügigkeitsrichtwert von zwei mindestens 240 Schülerinnen und Schüler. Auch wenn Sie grundsätzlich von demselben Wert ausgehen, sollen nach Ihrer Forderung dort, wo es nur eine Sekundarschule gibt, 180 Schülerinnen und Schüler für den Bestand einer Schule ausreichen. Damit wollen Sie das Sekundarschulangebot an Einzelstandorten in dünn besiedelten Gebieten sichern.

30 Schüler pro Jahrgang, wie Sie fordern, bedeuten im bundesweitem Verständnis allerdings nicht mehr Jahrgangs-, sondern Klassenstärken. Das vergessen wir oft, wenn wir unsere Situation mit der Situation in dünn besiedelten Ländern in der alten Bundesrepublik vergleichen. Ich kann nur darauf verweisen, dass bereits die geltenden Mindestgrößen keineswegs das pädagogische Optimum darstellen, sondern eine Untergrenze, die die teilweise geringe Bevölkerungsdichte in einigen Landesteilen und die dramatische Schülerzahlenentwicklung im gesamten Land bereits berücksichtigt.

Besonders die abschlussbezogene Differenzierung ab dem 7. Schuljahrgang der Sekundarschule, die übrigens im Wesentlichen nicht von der Landesgesetzgebung abhängt, sondern von Vorschriften der KMK, erfordert Mindestschülerzahlen für Klassen oder Lerngruppen im Hinblick auf die Stabilität und Kontinuität des Unterrichts. Hierbei geht es gerade um die Kinder, die im landläufigen System, wie wir es übernommen haben, die Schule ohne Abschluss verlassen haben. Von denen rede ich jetzt.

Und wie soll das Kriterium der dünnen Besiedlung genauer bestimmt werden als bisher? An einer bestimmten errechneten Einwohnerdichte oder vielleicht nicht doch praxisnäher an den konkreten Auswirkungen einer dünnen Besiedlung, nämlich an den sich ergebenden Schulwegen? Letzteres tut die geltende Verordnung.

Wo die Länge des Schulweges die Grenzen der Zumutbarkeit und der Belastbarkeit für Schülerinnen und Schüler überschreitet, sieht doch die Verordnung jetzt schon Ausnahmen vor, von denen wir auch Gebrauch machen - Ausnahmen übrigens auch im Hinblick auf

die Mindestgrößen. Diese Ausnahmen müssen natürlich durch einen aussagefähigen Schulentwicklungsplan im Ganzen des jeweiligen Kreises begründet werden.

Übrigens wundere ich mich, Frau Mittendorf, dass Sie bis jetzt kein einziges Wort über die Situation bei den Sonderschulen verloren haben, obwohl die Schüler dort schon seit Jahren angesichts der gar nicht machbaren Dichte des Sonderschulnetzes ganz andere Schülerbeförderungswege hinnehmen müssen. Das betrifft die Schwächsten unserer Gesellschaft. Es wird nie ein Wort darüber verloren, mit welcher Selbstverständlichkeit man dort zu vernünftigen Entscheidungen gekommen ist.

Bei den Gymnasien geht auch die SPD von 450 Schülern, also durchschnittlich 75 in den Jahrgängen 5 bis 10 und 25 je Klasse, aus. Im nächsten Atemzug sprechen Sie jedoch von 360 Schülern, wenn nur ein Jahrgang unter 57 Schülern bleibt. Dann müsste Ihnen aber auch klar sein, dass Sie damit die bisherige Regelung nicht öffnen, sondern sogar verschärfen. Sie verringern nämlich die Anforderungen an die Dreizügigkeit, kappen aber zugleich die bisher mögliche Ausnahme, die in zwei Zügen bestand und auf die geringere Schülerzahl einging.

Im Klartext heißt das - das ist alles andere als theoretisch -: Wäre Ihr Vorschlag bereits Gesetz, dann wären schon in diesem Schuljahr fünf bestehende Gymnasien, die eine Eingangsklasse eröffnen konnten, an diesem Kriterium gescheitert.

(Zustimmung bei der CDU)

Man kann es nicht glauben, aber es ist so.

(Zustimmung bei der CDU)

Die PDS senkt bereits die Grundgröße auf 360 und räumt sodann die Möglichkeit zur Schaffung von Klassen mit nur 14 Schülern ein, mit der unklaren Einschränkung - ich zitiere -:

„Nur in einem bestimmbaren und begrenzten Zeitraum sollen noch weiter gehende Ausnahmen zugelassen werden.“

Ich will nicht weiter ausführen, dass diejenigen, die jetzt unentwegt fragen, ob es nicht noch etwas kleiner sein könne, sehr wahrscheinlich zu den Ersten gehören werden, Frau Dr. Hein, die sich hinterher bitter beklagen, dass nicht mehr an jeder Schule alle Wahlpflicht- und Wahlfächer angeboten werden können.

(Zustimmung bei der CDU)

Wie wenig solche Forderungen verantwortbar sind, geht auch daraus hervor, dass die erheblichen Mehrkosten, die sich aus einer solchen Schulzersiedelung ergeben - ich zitiere erneut - „lediglich eingeschränktes Einsparpotenzial erzeugen“.

Dies alles zeigt, dass man eine derart komplexe Materie nicht mit einem kurzen Satz pro Schulform im Schulgesetz regeln kann, jedenfalls nicht, wenn man den konkreten Bedingungen des Landes und der einzelnen Entscheidungsträger gerecht werden will. Aus gutem Grund kennen auch die anderen Bundesländer keine Zahlenvorgaben für Schul- und Klassengrößen im Schulgesetz.

Am Schulgesetzentwurf der SPD-Fraktion kann man jedenfalls sehen - das habe ich in der Tat gesagt -, wie Politik gelegentlich funktioniert; denn die SPD stellt überwiegend Forderungen auf, die sie vor weniger als zwei Jahren mit dem gleichen Wissen über demografische Prognosen aus gutem Grund selbst immer wieder abge

lehnt hat. Die Forderung nach Verringerung der von Ihnen festgelegten schulischen Mindest- und Klassengrößen lässt sich nur aufstellen, wenn man für die Unterrichtsversorgung nicht mehr verantwortlich ist. Je mehr kleine Klassen wir im Land haben, desto härter schlägt gerade dieses Problem durch.

Schon jetzt gibt es in ganz Deutschland - das ist kein Problem Sachsen-Anhalts - einen Besorgnis erregenden Mangel an Fachlehrerinnen und Fachlehrern, insbesondere für die Fächer Latein, Musik, Ethik, Religion, teilweise übrigens auch schon in den Naturwissenschaften. Erst ab einer bestimmten Schulgröße kann ein angemessenes Spektrum an Wahlfächern, Arbeitsgemeinschaften, Förderkursen usw. angeboten werden.

Ich appelliere auch immer an die Eltern, dieses Kriterium in der Diskussion mit hochzuhalten; denn es ist elterliche Verantwortung, darauf aufmerksam zu machen, dass eine gute Schule eben auch funktionieren und ein hinreichend breites Angebot bereithalten muss.

Frau Mittendorf, hinsichtlich des Einstellungskorridors haben Sie Recht. Darüber habe ich mich auch geärgert. Da er nach wie vor offen ist, haben wir übrigens gesagt, dass wir Neuausschreibungen ungewöhnlicherweise zum Halbjahr wiederholen, um diesen Sachverhalt wieder in den Griff zu bekommen. Das ist unerfreulich gewesen, es ist aber nichts anderes als ein Reflex darauf, dass wir im Landeshaushalt so ungeheure Nöte haben. Aber Sie können sicher sein, dass das mir selbst auch einigen Kummer bereitet hat.

Herr Minister, wenn Sie Ihr Manuskript ein wenig nach rechts unten verschieben würden, würden Sie eine rote Lampe erkennen.

(Heiterkeit)

Ich weiß. - Was die Rechte der Mitwirkungsgremien bei der Schulentwicklungsplanung betrifft, muss der Planungsträger schon jetzt den notwendigen Zeitrahmen für die zu beteiligenden Gremien einplanen. Das ist nichts Neues. Der Planungsträger muss in seiner Begründung zum Schulentwicklungsplan auch nach jetziger Rechtslage die Ergebnisse des Beteiligungsverfahrens einschließlich einer ausführlichen Erläuterung beifügen, zum Beispiel warum Anregungen und Bedenken im Zweifelsfall nicht gefolgt werden konnte.

Apropos Mitwirkungsgremien. Dazu muss ich doch noch kurz etwas sagen. Die so genannte Drittmittelparität in den Schulkonferenzen wurde ebenfalls - -

(Frau Dr. Sitte, PDS: Drittelparität!)

- Das war die Uni, die ist durchgekommen, ich bitte um Pardon. Das steht noch mit dem Vormittag im Zusammenhang.

(Heiterkeit)

Auch die so genannte Drittelparität in den Schulkonferenzen wurde von der SPD, also von Ihnen, in Ihrer Regierungszeit bewusst nicht eingeführt, obwohl diese Forderung immer wieder vorgetragen wurde. Danach sollen Lehrer, Eltern und Schüle die gleichen Stimmenanteile in diesem Schulgremium haben. Ich frage mich, wie wir die Schulen zu pädagogischen Kompetenzzentren ausbauen sollen, wenn ausgerechnet die Gruppe der Lehrerin

nen und Lehrer in einer Gesamtkonferenz zu einer Minderheit wird. Das kann man wirklich nicht machen.

(Zustimmung von Frau Feußner, CDU)

Im Übrigen, das Beispiel Brandenburg finde ich irgendwie gefährlich, zumindest im Zusammenhang mit Pisa - das haben Sie sehr deutlich in einem Atemzug genannt.