Protokoll der Sitzung vom 23.10.2003

Im Übrigen, das Beispiel Brandenburg finde ich irgendwie gefährlich, zumindest im Zusammenhang mit Pisa - das haben Sie sehr deutlich in einem Atemzug genannt.

Die Lehrerkollegien haben im schulischen Alltag die kontinuierliche Bildungs- und Erziehungsarbeit zu leisten und zu verantworten. Das gilt gerade für grundsätzliche Fragen pädagogischer Konzepte, der Leistungsbewertung, der Unterrichtsverteilung oder der Stundenpläne. In all diesen Zusammenhängen sind gelegentlich unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Die müssen aber auch möglich sein, wenn wir eine handlungsfähige und professionell tätige Schule haben wollen.

Die SPD greift noch weitere Themenfelder auf - da ich ermahnt worden bin, möchte ich mich hiermit kurz fassen -, etwa die Schulprogramme. Da genügt ein Blick in den Erlass zur Entwicklung der Schulprogramme an allgemein bildenden Schulen von Mai 2003, um zu sehen, dass ihre Forderungen längst erfüllt sind.

Dasselbe gilt für das Qualitätsmanagement an Schulen, die Entwicklung von Bildungsstandards, die, nebenbei bemerkt, nicht die KMK für uns schreibt, sondern die wir für die KMK schreiben. Wir sind nämlich in fast allen diesen Kommissionen mit richtig guten Mitarbeitern vertreten. Dafür sorge ich schon.

Auch die Eltern-Schule-Verträge, die Sie fordern, haben wir das erste Mal in diesem Jahr praktiziert. Sie hinken also mit vielen Forderungen der realen Praxis unserer Umsetzung von Gesetzen und Vorschriften, die wir so erlassen, hinterher.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich bin übrigens der Letzte, Frau Mittendorf, der behaupten wollte, dass wir in all diesen Punkten schon am Ziel wären. Aber ein einfaches Umschreiben des Schulgesetzes hilft jedenfalls bei diesen Punkten auch nicht weiter. Mit Ihren Forderungen, insbesondere bezüglich der Mindestschul- und Mindestjahrgangsgrößen, versuchen Sie in der Tat, aus der schwierigen demografischen Situation in unserem Land politisches Kapital für den Augenblick zu schlagen.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Sauerei!)

An dieser Stelle habe ich gesagt - -

(Herr Dr. Püchel, SPD: Es geht um die Kinder!)

- Eben, es geht um die Kinder, Herr Püchel. Ich möchte nämlich, dass die Kinder in Schulen eingeschult werden, bei denen sie sicher sein können, dass sie dort auch bleiben, in denen sie ein ordentliches Angebot haben und mit denen die Eltern ein verlässliches Schulnetz haben. Haarscharf davon gehe ich aus.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich kann es auch nicht ändern, dass sich die Zahl der Kinder im Land halbiert hat. Das ist eine gigantische Herausforderung an das Organisationssystem Schule. Das können wir einfach nicht ändern. Wir sollten uns das nicht um die Ohren hauen, sondern sollten schauen, dass wir diesen Prozess gemeinsam durchstehen, damit wir ihn möglichst schnell hinter uns haben und damit kalkulierbare Bedingungen eintreten.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Aus den genannten Gründen kann ich den hier vorgelegten Gesetzentwürfen so nicht folgen. Gleichwohl gibt es aus der Sicht der Landesregierung durchaus schulgesetzlichen Änderungsbedarf, in dessen Mittelpunkt aber nicht die schulischen Mindestgrößen stehen, sondern sehr verschiedene Belange der inneren Schulentwicklung, bei denen wir keineswegs das Ende der Fahnenstange oder unsere eigenen Ansprüche bereits erreicht haben. Darüber sollten wir zu einem geeigneten Anlass miteinander ins Gespräch kommen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Olbertz. Sie haben Ihre Redezeit um fünf Minuten überschritten. Ich hatte aber rechtlich keine Möglichkeit, Ihnen das Wort zu entziehen. Das ist das Vorrecht der Landesregierung gegenüber den Mitgliedern des Landtages. Daraus folgt aber, dass die nachfolgenden Redner, wenn sie es denn wünschen oder brauchen, auch ein wenig länger reden dürfen.

Ich rufe zunächst für die CDU-Fraktion Frau Feußner auf. Bitte, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich meine Verwunderung darüber zum Ausdruck bringen, dass die SPD sowie die PDS zu diesem Zeitpunkt Gesetzentwürfe zu Schulgesetzänderungen einbringen, welche die Schulentwicklungsplanung beinhalten.

(Zustimmung von Herrn Schomburg, CDU)

Ich halte das Einbringen zu dem jetzigen Zeitpunkt geradezu für kontraproduktiv.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Das ist ja ein Ding!)

Generell könnte man gern eine Debatte darüber führen, ob es in der Vergangenheit richtig war, den § 22 Abs. 6 im Schulgesetz des Landes so zu verankern, dass die oberste Schulbehörde - also das Kultusministerium - die Kompetenz erhält, dieses über eine Verordnung zu regeln. Damit habe ich gar kein Problem. Eine solche Diskussion sollte dann aber erst in der Zukunft geführt werden und nicht heute.

(Zustimmung bei der CDU, bei der FDP und von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

Derzeit - also mitten in der Planungs- und Entscheidungsphase der Landkreise und kreisfreien Städte - einzugreifen, ist meiner Ansicht nach eine Herabwürdigung der bisher schon geleisteten Arbeit in den Verwaltungen und in den Kreistagen.

(Herr Bullerjahn, SPD: Leute!)

Wenn Sie nämlich mit der vorgelegten Verordnung der Landesregierung unzufrieden sind, hätten Sie Ihre jetzigen Intentionen zumindest dann einbringen müssen, als es für die Kreistage und für die Verwaltung noch erreichbar war, nämlich vor der Sommerpause, aber doch nicht jetzt. Es sind noch zwei Monate Zeit bis zum 31. Dezember 2003.

(Zuruf von Frau Mittendorf, SPD - Frau Dr. Sitte, PDS: Das haben wir doch!)

- Da habt ihr eine Debatte allgemein zur Schulentwicklungsverordnung geführt, aber doch keinen Gesetzentwurf eingebracht. - Ich kann an dieser Stelle nur sagen: Dies sieht mir mehr wie ein politisches Scheingefecht aus als ein reales Anliegen, das Sie hier verfolgen.

(Zustimmung bei der CDU)

Das ist im Übrigen die eine Seite. Die andere Seite ist, dass wir schon einmal vor der gleichen Situation standen, nur unter anderen politischen Konstellationen - das möchte ich hier auch noch einmal betonen. Ich möchte Sie nur daran erinnern - damals regierten die SPD und die PDS, als die Situation gleich bzw. ähnlich war -: Damals störte Sie diese Verordnung eigenartigerweise nicht. Damals haben Sie das zugelassen. Sie haben es damals nicht beantragt. Sie hätten das beide tun können - vor allen Dingen die regierungstragende Fraktion, aber auch die PDS als Tolerierungspartner, ich weiß nicht, wie man es bezeichnen soll. Sie hätten das durchaus beantragen können. Sie haben es nicht getan. Sie haben das dem Kultusministerium überlassen. Sie selbst haben diese Verordnungsermächtigung im Landesschulgesetz installiert.

(Frau Mittendorf, SPD: Brauchen wir nicht wie- der!)

Heute - man könnte Ihnen ja zugute halten, aus vermeintlichen Fehlern gelernt zu haben - betrachten Sie dies also anders. Das ist legitim aus Ihrer Sicht, aber derzeit schädlich.

Nun hat die SPD ihren Gesetzentwurf zusätzlich mit Beiwerk ausgestattet. Die PDS hat lediglich mit geringen Veränderungen den Gesetzentwurf der Initiative „Schule vor Ort“ eingebracht. Wie gesagt, nach Abschluss der Planungen am 31. Dezember 2003 in den Landkreisen könnten wir durchaus über die Sinnhaftigkeit einer Verordnung zur Schulentwicklungsplanung bzw. eine direkte Aufnahme von Zahlen oder Ähnlichem in das Schulgesetz diskutieren. Das bieten wir Ihnen auch an. Jetzt werden wir aber diese Gesetzentwürfe aus den oben genannten Gründen ablehnen.

(Zustimmung bei der CDU und von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

Eine neue Planung ist aufgrund der demografischen Entwicklung - der Minister sagte es bereits - dringend geboten, und ich habe vernommen, dass Sie das genauso sehen. Aber zu den Fragen, wie groß eine Schule sein soll oder wie viele Schüler in eine bestimmte Schulform gehen sollten, könnten oder müssten, gibt es zwischen uns sicherlich unterschiedliche Auffassungen.

Auch diesbezüglich möchte ich Sie daran erinnern, die derzeitigen Zahlen - das hat der Kultusminister auch schon gesagt - sind nicht neu. Mit Hinzunahme der 5. und 6. Klassen - warum das geschehen ist, das hat der Kultusminister auch erklärt, damals waren es 160 Schüler - sind es jetzt 240 Schüler. Da ist also nichts Neues. Man könnte sogar sagen, es ist eine gewisse Kontinuität zur alten Regierung zu verzeichnen. Ich verstehe Sie da wirklich nicht.

Ich möchte aber nicht sarkastisch werden. Dazu sind die Probleme vor Ort - das haben Sie auch angesprochen - viel zu ernst. Ich kann nur hoffen - das hoffe ich wirklich -, dass die Landkreise und kreisfreien Städte die Verordnung so umsetzen, dass sie behutsam, wohl überlegt und auch wohl abwägend im Interesse der

Schule, der Eltern und vor allen Dingen auch - was auch angesprochen worden ist - der Schüler vorgehen.

Die Kreisräte sind mit Sicherheit in ausreichendem Maße dafür sensibilisiert, dies so zu tun. Dass dies schwerwiegende Entscheidungen sind, das lässt sich nicht leugnen. Wir brauchen aber im Land verlässliche Schulstandorte.

(Zustimmung bei der CDU)

Ein Sterben auf Raten wäre genau der falsche Weg. Das würde in den nächsten Jahren zu noch viel mehr Unruhe an den Schulen führen und würde eine inhaltliche Schulreform - genau wie Sie, Frau Mittendorf, sie vorgeschlagen haben - eben genau verhindern. Das wollen wir eben nicht. Wir wollen eben gerade eine inhaltliche Schulreform durchführen.

(Beifall bei der CDU - Frau Mittendorf, SPD: Ma- chen Sie es erst einmal besser!)

Verehrte Anwesende, der Gesetzentwurf der SPD weist zudem inhaltliche Veränderungen auf. Ich sagte es bereits: Einiges davon ist wirklich begrüßenswert, aber wenn ich die Punkte im Einzelnen betrachte - auf alle kann ich leider aus Zeitgründen nicht eingehen, das möchte ich auch nicht, das können wir im Ausschuss tun -, ist festzustellen, das sind Schwerpunkte auch unserer Schulpolitik, die wir im Koalitionsvertrag verankert haben. Vielleicht wollten Sie uns darauf noch einmal aufmerksam machen? - Kann ja sein.

Andererseits kennen Sie unsere Intentionen sehr genau, da wir diese bereits im Ausschuss, zum Teil sogar schon mehrfach, besprochen haben. Das betrifft zum Beispiel erstens die sonderpädagogische und sozialpädagogische Förderung in der Grundschule. Dazu haben wir unser Förderschulkonzept bereits vorgestellt, welches diese Problematik noch wesentlich intensiver aufgreift, als Sie es in Ihrem Gesetzentwurf tun, und das demnächst - das ist auch mit Ihnen gemeinsam so abgesprochen - als Wiedervorlage im Ausschuss besprochen wird.

Zweitens. Das Erarbeiten von Schulprogrammen ist auch bereits im Ausschuss vorgestellt worden - vom Minister persönlich. Er hat es eben noch einmal betont: Der Erlass besteht seit dem Mai 2003 und das wird auch schon praktiziert. Es macht aber erst richtig Sinn - das muss ich an dieser Stelle wieder sagen -, wenn wir langfristig stabile Schulstandorte haben. Was nutzt es, wenn ich mir als Schule ein Schulprogramm gebe, aber weiß, dass ich in zwei Jahren meine Schule von der Schülerzahl her schließen muss? Da kommt doch vor Ort gar keine Initiative für das Erstellen von Schulprogrammen zustande. Das Gleiche gilt für die Selbständigkeit und die Eigenverantwortung der Schule.

Drittens die Frage des Schulbudgets. Auch das ist bereits in das Schulgesetz aufgenommen worden und kann, wie Sie das schon angesprochen haben, auch weiter ausgebaut werden. Aber auch darüber, wie in dieser Hinsicht unsere Intentionen sind, haben wir informiert.

Viertens Vereinbarungen mit Eltern und Schülern über jeweilige Rechte und Pflichten. Auch hierzu hat der Kultusminister schon Ausführungen gemacht und den Schulen bereits Handlungsempfehlungen gegeben. Das gehört auch meiner Ansicht nach nicht unbedingt in ein Schulgesetz. Der Herr Minister sagte bereits: Seit Herbst dieses Jahres tun das einige Schule schon.

Fünftens die kontinuierliche Qualitätssicherung. Das ist auch für uns ein äußerst wichtiges Anliegen. Gestern, im Zusammenhang mit Pisa, haben wir das leider nicht näher besprochen, aber wir haben die Berichterstattung vom Kultusministerium bekommen, sie ist also bereits vorgelegt worden. Wenn Sie bis dato Zeit hatten, konnten Sie lesen, was hier schon geleistet worden ist. Es ist auch noch nicht abschließend, das hat der Minister auch gesagt.

Ich möchte noch zusätzlich an die Reformen der Landesverwaltung erinnern, in die die Veränderung der Schulaufsicht integriert ist. Es wird zukünftig ein eigenes Referat Inspektion und Evaluation geben, welches sich vorwiegend mit der Qualitätssicherung beschäftigen und vorwiegend mit der Qualitätssicherung an Schulen vertraut sein wird. Das ist etwas Neues und das ist wesentlich mehr als das, was Sie jetzt in Ihrem Schulgesetz verankern.

Es wurde gesagt, was in den Bereichen bisher gemacht worden ist. Ich will nur stichpunktartig einiges nennen: die Bildungsstandards, Vergleichsarbeiten, zentrale Klassenarbeiten, ein Pool niveaubestimmter Aufgaben usw. Ich könnte das weiter fortsetzen. Sie müssten einfach nur unsere Dinge lesen und studieren, dann hätten Sie das nicht mehr in Ihren Gesetzentwurf aufnehmen müssen.