Meine Damen und Herren! Bis vorgestern hielt meine Fraktion die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses aufgrund der vorliegenden Tatsachen für nicht erforderlich. Im Lichte der gestrigen Ereignisse stellt sich diese Frage völlig neu. Wir werden uns auf jeden Fall in einer Sondersitzung des Rechtsausschusses noch einmal damit beschäftigen.
Unabhängig davon steht für mich nach der heutigen Debatte allerdings fest, dass wir einen Untersuchungsausschuss brauchen werden, auch aufgrund der Interventionen von Herrn Stahlknecht.
(Herr Gürth, CDU: Sie kennen das Ergebnis der Ausschusssitzung noch nicht, aber wollen einen Untersuchungsausschuss!)
Denn es geht hierbei nicht mehr um ein singuläres Ereignis, sondern es geht darum, wie ein Minister sein Amt versteht und wie er sein Amt führt. Es sind inzwischen Zweifel an der unparteiischen Amtsführung des Ministers aufgekommen.
Es stehen Vermutungen im Raum, dass noch mehr kommen könnte. Deshalb ist eine gründliche Aufklärung erforderlich. Eine gründliche Aufklärung ist innerhalb des Parlaments am besten durch einen Untersuchungsausschuss zu leisten. Die SPD-Fraktion wird darüber in Kürze beraten.
Herr Minister, noch einmal mein Appell an Sie: Legen Sie Ihr Amt nieder! Wenden Sie Schaden von diesem Land ab, wenden Sie Schaden von sich selbst ab! - Danke.
Herr Dr. Püchel, Sie hatten Herrn Stahlknecht am Ende Ihrer Rede eine Frage eingeräumt. - Bitte sehr, Herr Stahlknecht.
Herr Präsident! Herr Dr. Püchel, auch dieses Mal keine Frage, sondern in dieser Debatte von mir zum zweiten Mal eine Kurzintervention, zu der Sie, sehr geehrter Herr Kollege Püchel, angestiftet haben.
Ich will zwei Dinge sagen: Sie sprachen von der „jungen Garde“, die Luft geschnuppert habe. Bei Ihnen habe ich, um bei dem Beispiel „Luft“ zu bleiben, ein wenig das Gefühl, dass Ihnen für eine gute Argumentation selbst die Luft ausgeht und Sie zur Polemik übergehen.
Ich will Ihnen noch eines sagen, damit wir das in diesem Hause einmal einvernehmlich klären: Wir haben uns an dem Tag, als der Ausschuss das erste Mal tagte, vor der Presse wie folgt geäußert: Wir äußern uns dann, wenn der Sachverhalt bekannt ist. - Das ist guter, normaler Stil. Bei Ihnen war das etwas anders. Wenn Sie mir einmal Polemik gestatten - das ist in dieser Debatte scheinbar gang und gäbe -, dann wollte sich Kollege Rothe bei Ihnen vielleicht ein Bienchen verdienen, indem er gleich den Rücktritt des Ministers gefordert hat, ohne möglicherweise den Sachverhalt zu kennen.
Ferner scheint mir eines in Ihrer Rede untergegangen zu sein: Sie sprachen von der Beeinflussbarkeit des Gerichtes. Das Gericht hatte - darauf weise ich ausdrücklich hin - lange vor dem Schreiben des Abgeordneten Becker den Vergleichsvorschlag für die sieben Stellplätze fertig und den Prozessparteien mitgeteilt. Zu diesem Vergleich ist es dann später gekommen. Der Vergleich war vom Gericht vor dem Schreiben des Herrn Becker vorgeschlagen worden. Wie man daran sieht, ist allein damit - wenn man sich wieder der sachlichen Argumentation zuwendet - jede Einflussnahme von vornherein ausgeschlossen.
Ich will nicht in Abrede stellen - dazu haben wir uns positioniert -, dass es ein politischer Fehler war. Den hat Herr Becker eingestanden, das ist unstreitig. Aber gehen Sie ein Stück weit von der Argumentation zurück, dass hierbei eine Richterbeeinflussung stattgefunden habe. Sie hat nicht stattgefunden.
Ich behaupte und glaube auch nicht - ich habe den Richter kennengelernt; ich kannte ihn auch schon vorher -, dass er sich beeinflussen lässt. Aber die Gefahr hat bestanden.
Ich weiß gar nicht, warum Sie eben interveniert haben. Allein der Versuch über diesen Brief ist das Entscheidende und nicht das, was dort abgelaufen ist.
Noch eines, Herr Kollege Stahlknecht, zu meinem Vergleich mit der „jungen Garde“. Das habe ich vor allen Dingen aus Ihren Reihen gehört. Dieser Vergleich kam nicht nur aus den Reihen der SPD. Es waren alle - auch Abgeordnete aus Ihren Reihen -, nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb des Parlaments verdutzt, wie
Sie sich zurückgehalten haben. Ich hätte das nicht angesprochen, aber da Sie es provoziert haben, musste ich es tun.
Vielen Dank, Herr Dr. Püchel. - Meine Damen und Herren! Begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne Seniorinnen und Senioren der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie der Ortsgruppe 1 Wolfen.
Für die FDP-Fraktion erteile ich nun dem Abgeordneten Herrn Lukowitz das Wort. Bitte sehr, Herr Lukowitz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dem Beitrag meines Vorredners ist es mir sicherlich gestattet, die Debatte wieder etwas zu versachlichen.
Ich halte es für bedauerlich, dass sich der Landtag von Sachsen-Anhalt mit der Amtsführung eines Mitgliedes der Landesregierung befassen muss. Ich betone gleich am Anfang: Der Minister der Justiz, Kollege Becker, hat aus unserer Sicht einen Fehler gemacht, indem er, wenn vielleicht auch nicht beabsichtigt, gegen die Neutralitätspflicht eines Ministers verstoßen hat. Insofern wird von der FDP-Fraktion überhaupt kein Sachverhalt heruntergespielt, lieber Herr Püchel.
Ich halte es aber auch für bedauerlich, mit welchen geradezu scheinheiligen Mitteln und Methoden die politische Opposition in diesem Lande zu Werke geht. Sie bedient sich mit ihren Rücktrittsnötigungen des Klischees billigster politischer, inhaltsleerer Rollenspiele, meine Damen und Herren.
Hierdurch werden bei mir - das sei mir gestattet - Erinnerungen an Landtagssitzungen vor zehn Jahren wach, als das bekannte Spiel schon einmal ablief. Den Ministern der CDU-FDP-Regierung wurde ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten unterstellt, mit der Absicht, die Koalition zu spalten und die Regierung vorzeitig abzulösen.
Inzwischen haben unabhängige Gerichte längst befunden, dass die damaligen Vorwürfe haltlos waren. Die Betroffenen wurden in vollem Umfang rehabilitiert.
In diesem Zusammenhang darf ich an eine deutschlandweit beachtete Rede eines Fraktionskollegen der FDP erinnern - das war genau am 2. Dezember 1993 -, die damals große Betroffenheit auch bei vielen SPD-Abgeordneten ausgelöst hatte. Der damals entstandene politische Schaden, meine Damen und Herren, verursacht durch SPD und PDS, war groß.
Eine Entschuldigung bei den zu Unrecht diskriminierten Ministern oder deren politischen Parteien oder zumindest eine öffentliche Richtigstellung hat es nie gegeben. Das ist in meiner Nachbetrachtung politisch unverant
wortlich. Dies wird ein Jahrzehnt später mit den heutigen Anträgen von SPD und PDS fortgesetzt, meine Damen und Herren, und offenbart letztlich den nach wie vor bedauernswerten Zustand der Opposition in Sachsen-Anhalt.
Nun zum konkreten Sachverhalt, wie wir ihn beurteilen, und zwar allein aufgrund der Aktenlage und der Anhörungsergebnisse und nicht aufgrund von Mutmaßungen, wie sie eben Herr Kollege Püchel, auch bezogen auf Herrn Stahlknecht, in den Raum zu stellen versucht hat.
Erstens. Herr Becker wurde in dieser Angelegenheit in seiner Eigenschaft als ehemaliger Oberbürgermeister der Stadt Naumburg, also als Insider der städtischen Entwicklung, und nicht als Minister angesprochen.
Zweitens. Die zeitliche Abfolge der Ereignisse zeigt auf, dass der Brief von Herrn Becker keinen Einfluss auf den tatsächlich abgeschlossenen Vergleich hatte, denn der Vergleichsvorschlag des Gerichtes lag bereits mit Schreiben vom 30. Januar 2003 vor. Der umstrittene Brief wurde aber erst am 10. März 2003, also fast zwei Monate später, verfasst. Herr Stahlknecht hatte eben noch einmal auf diesen wohl unbestrittenen Tatbestand hingewiesen.
Drittens. Sowohl der vorsitzende Richter des erkennenden Gerichtes als auch der Landesverfassungsrichter Kluth äußerten sich dahin gehend, dass das Schreiben weder tatsächlich noch rechtlich irgendeine Bedeutung für eine spätere Entscheidung des Falles gehabt hätte.
Das sind die nunmehr wichtigen und belastbaren Tatsachen, meine Damen und Herren. Doch die SPD-Fraktion wusste schon am 8. Oktober nach einer ersten spontanen Berichterstattung durch Minister Becker - nachdem die Information über diesen Fall in die Öffentlichkeit gelangt war -, dass ein schwerer Amtsmissbrauch vorliege und dass ein Rücktritt des Ministers unbedingt gefordert werden müsse.
Gleichzeitig forderte man aber eine umfassende Anhörung im Rechtsausschuss, um den Sachverhalt aufzuklären. Bei der SPD-Fraktion gilt offensichtlich das Prinzip: Erst einmal wird verurteilt und danach wird aufgeklärt. Selbiges passiert im Augenblick in dem Fall der Besetzung der Notarstelle in Zeitz. Da stellt sich schon grundsätzlich die Frage nach der Solidität sozialdemokratischer Forderungen im Lande.
Es gibt eine erstaunliche Kette von Argumentationswandlungen bei der SPD-Fraktion, auf die ich hinweisen möchte. Erste Phase: Euphorie. Es liege eine unmittelbare Beeinflussung des Gerichtes vor. Davon musste man sich aber sehr schnell verabschieden. Danach kam eine gedämpfte Phase. Man stelle eine mittelbare Beeinflussung fest. Das wurde durch mehrere Aussagen, insbesondere des vorsitzenden Richters, ad absurdum geführt. Im Ergebnis der Anhörung spricht Kollege Rothe nicht einmal mehr von einem „Versuch der indirekten Beeinflussung“, er stellt vielmehr fest, dass sich der Verdacht eines Versuches erhärtet habe.
Was bleibt also übrig von dem klapprigen Argumentationsgerüst der SPD? Meine juristischen Kollegen haben es für mich so zusammengefasst: Eine Verhärtung eines