Protokoll der Sitzung vom 20.11.2003

Wenn Sie sich einmal das Ergebnis der Anhörung am 19. September 2001 ansehen, dann werden Sie feststellen: Von begeisterter Zustimmung war auf den Rängen im Grunde nichts zu hören, weil es erhebliche Bedenken gegen das, was darin steht, gibt. Wir leben ja nun nicht mehr in der Zeit vor 1989 in diesem Land; vielmehr hat sich bei uns in Bezug auf die Information Maßgebliches verändert. Das muss man einfach einmal zur Kenntnis nehmen.

Nach meiner Einschätzung und nach meinen Erfahrungen - darin weiß ich mich mit vielen in diesem Hohen Hause einig - hat die öffentliche Verwaltung selbst größtes Interesse, sich in der Öffentlichkeit offensiv darzustellen. Aus diesem Grund hat die Landesregierung das E-Government-Grundkonzept beschlossen. Durch dieses Grundkonzept wird jedermann die Möglichkeit haben, Dienstleistungen der Verwaltung jederzeit und hoffentlich auch bald an jedem Ort elektronisch in Anspruch zu nehmen. Der Zugang zu amtlichen Informationen ist uns dabei vorrangig.

Aber wir könnten die Frage stellen: Kann durch dieses E-Government alles geleistet werden oder bleibt noch ein Rest übrig? Ich sage: nein. In Sachsen-Anhalt ist entsprechend der deutschen Rechtstradition der Zugang zu amtlichen Informationen nämlich durch ein Geflecht von Einzelvorschriften geregelt. Diese gewähren unseren Bürgerinnen und Bürgern Zugang zu allen Informationen, die diese zur Wahrnehmung ihrer Rechte und zur Teilhabe an der staatlichen Gemeinschaft - das ist wichtig - benötigen.

Der Interessenlage der Bürgerinnen und Bürger wird nach Bedarf Rechnung getragen. Es gibt auch Informationsbeschränkungen, etwa durch § 29 des Verwaltungsverfahrensgesetzes, oder aber man macht den Informationszugang vom Nachweis eines berechtigten und rechtlichen Interesses abhängig, zum Beispiel nach dem Datenschutzgesetz oder nach dem Melderecht. Es gibt zum Beispiel in Bezug auf die Veröffentlichung und Auslegung von Plänen den uneingeschränkten Zugang zu amtlichen Informationen; im Umweltbereich besteht nach Maßgabe des Umweltinformationsgesetzes freier Zugang zu allen amtlichen Informationen.

Natürlich klingt es verlockend, wenn Sie, Frau Tiedge, den Bürgern versprechen: Ihr sollt eine gläserne Verwaltung haben, ihr sollt Zugang zu allen Informationen bekommen. Aber dieses Recht bekommt der Bürger nicht einmal nach Ihrem Gesetzentwurf. Ihr Gesetzentwurf - Sie haben darauf hingewiesen - schließt Informationsansprüche teilweise aus, insbesondere zum Schutz des Persönlichkeitsrechts oder zum Schutz von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen und Ähnlichem mehr.

Wir befürchten, einzelne Interessengruppen würden das Instrument nutzen, um eigenen Rechercheaufwand und damit Kosten auf den Staat und die Kommunen abzu

wälzen. Von einem solchen Recht würden aber vor allem Stellen profitieren, die wir alle gar nicht begünstigen wollen - Sie sicherlich auch nicht. Ich nenne als Beispiele Sekten oder radikale politische Parteien und Gruppierungen. Ich darf insoweit auch auf die Erfahrungen der anderen Länder hinweisen, die uns in besagter Anhörung am 19. September 2001 im Ausschuss für Inneres mitgeteilt worden sind.

Selbstverständlich haben Sie Recht damit, dass in einzelnen Ländern in den letzten Jahren solche Überlegungen angestellt worden sind und sich einige Länder, wie Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, Gesetze zum Informationszugang gegeben haben. Gleichwohl besteht für uns - wir leben im Föderalismus, darauf darf ich hinweisen - kein Zwang, Ähnliches zu tun.

Auch wenn der Bund sich anschickt, Überlegungen anzustellen - Sie wiesen auf die Koalitionsvereinbarung der Bundesregierung hin -, ein solches Gesetz zu schaffen, zwingt uns das nicht zum Handeln. Wir wissen im Übrigen - das sei auch angemerkt -, dass der Bund zwar einen Referentenentwurf aus dem Jahr 2000 vorliegen hat, dass er aber über die Schwelle des Referentenentwurfs noch nicht hinausgekommen ist.

Auch die Richtlinien der Europäischen Kommission enthalten eine Empfehlung, aber sie zwingt uns nicht, ein solches Gesetz zu schaffen.

Ich muss mich deshalb fragen: Warum brauchen wir ein solches Gesetz? Ich beantworte diese Frage für die Regierung und sicherlich auch für die sie tragenden Fraktionen: Wir brauchen es nicht; denn die Anhörung hat gezeigt, welche Probleme auftreten, wenn man Regelungen zum Informationszugang in der von Ihnen vorgeschlagenen Weise trifft.

Namhafte Vertreter aus Ländern mit Informationszugangsgesetzen haben sich damals zu dem Gesetzentwurf, den Sie vorgelegt hatten, sehr zurückhaltend geäußert. Aber selbst auf wichtige Hinweise und auf Kritikpunkte von damals gehen Sie in Ihrem neuen Gesetzentwurf - das hätte ich zumindest erwartet - nicht ein.

Wenn Sie jetzt fordern, dass das Gesetz für alle öffentlichen Stellen gelten soll, also auch für öffentlich-rechtliche Wettbewerbsunternehmen, zum Beispiel die Sparkassen - diese werden nicht ausgenommen -, dann erinnere ich Sie nur an Folgendes: Auch jegliches privatwirtschaftliche Handeln öffentlicher Stellen fiele unter den Anwendungsbereich dieses Gesetzes. Man stelle sich das bloß einmal vor. Das würde überhaupt nicht mehr funktionieren. Wir sind der Auffassung, dass die Möglichkeiten, die die Landesgesetze bieten, ausreichen.

Ich darf noch auf einige Punkte bezüglich des Verwaltungsaufwandes hinweisen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das Informationszugangsgesetz würde bei intensiver Anwendung erheblichen Verwaltungsaufwand erzeugen. In diesem Zusammenhang drängen sich einige Beispiele auf:

§ 11 Abs. 1 in der Fassung Ihres Entwurfs sieht vor, dass Informationen, die Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse sind oder durch deren Offenbarung dem Betroffenen ein wesentlicher Schaden entstehen kann, frei zugänglich sein sollen, wenn das Offenbarungsinteresse der Allgemeinheit das schutzwürdige Interesse des Betroffenen überwiegt.

Herr Minister Becker, möchten Sie eine Frage des Abgeordneten Grünert beantworten?

Sehr gern.

Bitte, Herr Grünert, fragen Sie.

Ich möchte, wenn Sie mir die Zeit geben, noch den einen Gedanken zu Ende führen. - Wie will man eine solche Güterabwägung mit vernünftigem Aufwand erreichen? Wer traut sich das bei dem Haftungsrisiko, das durch eine solche Entscheidung entstehen könnte, überhaupt zu? - Bitte, Herr Grünert.

Herr Minister, Sie haben vorhin gesagt, dass die Landesregierung vehement dafür eintrete, bürokratische Verfahren abzuschaffen, gläserne Verwaltungsentscheidungen zu schaffen und im Hinblick auf Gesetzesvorhaben zu entrümpeln.

Geben Sie mir darin Recht, dass in einer Vielzahl von Widerspruchsverfahren im Zusammenhang mit dem KAG selbst Rechtsanwälten von Verwaltungen Akteneinsicht verwehrt worden ist, dass Informationsveranstaltungen für Bürger bei Straßenausbau- oder Anschlussbeiträgen nicht durchgeführt werden und dass Sie als damalige Opposition im Zusammenhang mit der öffentlichen Information von Bürgerinnen und Bürgern dafür plädiert haben, Ausschusssitzungen in den Stadträten, in den Gemeinderäten und in den Kreistagen öffentlich zu gestalten?

Ihre Aussage, dass wir gefordert hätten, Ausschusssitzungen in kommunalen Gremien wie Kreistagen und Gemeinderäten sollten öffentlich sein, schließe ich aus. Dass es einzelne Forderungen aus dem Bereich der CDU gegeben hat, mag sein. Aber wir haben uns diese als Fraktion niemals zu Eigen gemacht.

Was die anderen Dinge anbelangt, mag das in dem einen oder anderen Fall so gewesen sein, aber ich kann es nicht generell für das Land, wonach Sie gefragt haben, bestätigen.

Lassen Sie mich meine Ausführungen mit dem Hinweis auf § 14 des Gesetzentwurfes fortsetzen. § 14 legt fest, dass nicht allgemein zugängliche Informationen abzuschotten sind. Wir sprechen jetzt vom Verwaltungsaufwand. Außerhalb automatisierter Verarbeitung würde die erforderliche Selektion einen extrem hohen Aufwand erfordern. Das gilt in besonderem Maße für alle bis heute angelegten Akten, die nicht unter Berücksichtigung eines möglichen allgemeinen Informationszugangsrechts angelegt worden sind. Im Einzelfall müssten umfangreiche Akten, die schon lange abgeschlossen sein könnten, Blatt für Blatt durchgesehen werden. Da käme Freude bei unseren Kommunen und auch beim Land auf.

Ein weiteres Beispiel: Nach § 13 sollen öffentliche Stellen auf Verlangen des Antragstellers beim Betroffenen nachfragen, ob eine Information über geschützte perso

nenbezogene Daten oder über Daten, die Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse betreffen, gegeben werden darf. Ich frage Sie, Frau Tiedge: Glauben Sie, dass etwas anderes als Antwort auf die Rückfrage herauskommt, als dass der Betroffene grundsätzlich nein sagen wird? Was also soll diese Frage?

Noch etwas zu den Kosten. Dazu - darauf wurde schon hingewiesen - verschweigen Sie sich im Grunde genommen vollständig. Das finde ich sehr bedauerlich. Dazu gab es bereits eine Zwischenfrage von Herrn Kosmehl. Daher kann ich mir Ausführungen dazu sparen.

Wir meinen, Sie sind auf der falschen Fährte. Sie helfen nicht, dieses Land hinsichtlich Verwaltungsvorschriften und Ähnlichem zu entschlacken, vielmehr tragen Sie dazu bei, den Bürokratieaufwand in erheblichem Maße zu verstärken. Deshalb werden wir diesem Gesetzentwurf, der sicherlich in den Ausschuss überwiesen wird - daran habe ich keinen Zweifel -, unsere Zustimmung versagen.

Wenn hier bereits darüber abgestimmt werden sollte, ob der Gesetzentwurf überhaupt in den Ausschuss überwiesen werden soll, sollte man sich tatsächlich überlegen, ob man sich dieser Prozedur und auch der Prozedur einer Anhörung, die Sie bereits angekündigt haben, noch einmal unterziehen sollte oder ob man den Gesetzentwurf nicht gleich ablehnen sollte. Das wäre im Übrigen mein Vorschlag. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Becker. - Bevor wir in die Debatte eintreten, habe ich die Freude, Seniorinnen und Senioren aus Magdeburg und Biederitz auf der Tribüne begrüßen zu dürfen.

(Beifall im ganzen Hause)

Nun bitte für die FDP-Fraktion Frau Röder.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im vorherigen Tagesordnungspunkt haben wir uns mit dem öffentlichen Rundfunk beschäftigt, also auch mit dem Fernsehen. Ich fühle mich jetzt wie auf einigen Fernsehsendern, nämlich: Wiederholung, Wiederholung, Wiederholung.

(Zustimmung von Herrn El-Khalil, CDU)

Das betrifft nicht nur den Gesetzentwurf, sondern zu meinem Erstaunen auch weitgehend die bisher gehörten Redebeiträge. Das ist sehr interessant.

Meine Damen und Herren! In der Drs. 3/4253 vom 20. Februar 2001 legte die PDS-Fraktion einen Entwurf für ein Informationszugangsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt vor. Dieser Entwurf wurde am 1. März 2001 im Plenum eingebracht und nach durchaus kontroversen Redebeiträgen in die Ausschüsse für Inneres sowie für Recht und Verfassung überwiesen. Aus diesen Ausschüssen kam der Entwurf über ein Jahr lang nicht heraus - warum auch immer -; er erledigte sich dann durch Zeitablauf.

Jetzt versucht die PDS-Fraktion es auf ein Neues. Der neue Entwurf gleicht weitestgehend dem alten. Neben einigen redaktionellen Änderungen gab es Veränderungen zum Beispiel in dem Punkt, dass die Auskunftsfrist von sechs Wochen auf jetzt einen Monat verkürzt wer

den soll, und in dem Punkt, dass die zu erhebenden Gebühren in diesem neuen Entwurf der Höhe nach beschränkt sind. Das gab es in dem alten Entwurf nicht.

Meine Damen und Herren! Das Anliegen der PDS-Fraktion, eine gläserne Verwaltung zu schaffen, klingt im ersten Moment sehr sympathisch und durchaus erstrebenswert. Außer Frage steht auch, dass die öffentliche Verwaltung ein Interesse daran hat und haben muss, dass ihr Handeln in der Öffentlichkeit bekannt ist und von dieser akzeptiert wird. Es stellt sich aber die Frage, ob ein solches Gesetz, wie es hier vorgeschlagen wird, tatsächlich notwendig ist. Hierzu hat Herr Minister Becker schon einiges ausgeführt.

Im deutschen Recht gibt es zahlreiche Regelungen zu Informationsrechten des Einzelnen. Denen haftet aber fast immer eine Voraussetzung an: Der Einzelne muss ein berechtigtes Interesse an dem Zugang zu diesen Informationen nachweisen können. Dieses berechtigte Interesse des Einzelnen erachten wir als FDP-Fraktion auch für wichtig.

Sie kennen vielleicht unsere Einstellung zu Verbandsklagen. Im deutschen Rechtssystem ist es bei Klagen im Verwaltungsrecht so, dass man grundsätzlich Klagebefugnis haben muss. Das heißt, man muss ein eigenes Interesse nachweisen können. Da bei Verbandsklagen dieses eigene Interesse außen vor gelassen wird, eben nicht geprüft wird, lehnen wir als FDP Verbandsklagen ab.

Gleiches gilt für diese Auskunftsansprüche gegen die Verwaltung. Wir halten diese nur für sinnvoll, wo der einzelne Betroffene ein rechtliches oder wie auch immer geartetes Interesse an diesem Informationszugang hat. Das korrespondiert auch damit, dass der Einzelne der Verwaltung im Zusammenhang mit den ihn betreffenden Verfahren, die bei der Verwaltung in irgendeiner Weise vorliegen, Informationen gibt. Es herrscht der Grundsatz der Amtsverschwiegenheit und der ist gut und richtig.

(Zuruf von Herrn Grünert, PDS)

Der Einzelne hat eben auch das Recht, darauf vertrauen zu können, dass die Informationen und die Daten, die er an die Verwaltung gibt, vertraulich behandelt und nicht nach außen gegeben werden. Dieses Interesse gilt es auch aus unserer Sicht zu schützen.

Zu dem bürokratischen Aufwand, den das Gesetz verursachen wird, hat Minister Becker schon einiges ausgeführt. Es ist ein Widerspruchsverfahren vorgesehen; es ist die Anrufung des Datenschutzbeauftragten vorgesehen; es sind Klagerechte vorgesehen. Es handelt sich weitestgehend um Ermessensentscheidungen. Den Behörden wird dabei ein sehr weitgehendes Ermessen zugebilligt. Jeder kann sich ausmalen, zu wie viel Bürokratie das führt und welche Chancen es dann zur Klageerhebung gibt. Die damit verbundenen Kosten und der Aufwand tragen in keiner Weise zur Verwaltungsverschlankung und Verwaltungsvereinfachung bei.

Ich beantrage namens der FDP-Fraktion eine Überweisung des Gesetzentwurfs in die Ausschüsse für Inneres, für Recht und Verfassung, für Kultur und Medien und - wie mir eben gesagt wurde - für Bundes- und Europaangelegenheiten. Die Federführung sollte beim Innenausschuss liegen. - Ich danke Ihnen.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Röder. - Für die SPD-Fraktion erteile ich nun Frau Grimm-Benne das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Ich finde, ab und zu muss man auch ein Lob aussprechen. Minister Becker, ich fand es schön, Sie mal wieder als leidenschaftlichen Innenpolitiker zu erleben;

(Zuruf von Minister Herrn Becker)