Protokoll der Sitzung vom 20.11.2003

Ich denke, es ist legitim, wenn wir aufgrund der Vielzahl neuer Abgeordneter insbesondere in den Koalitionsfraktionen sagen, dass wir eine Anhörung mit den Vertretern der anderen Länder, insbesondere den Datenschutzbeauftragten, zu diesem Gesetzentwurf haben möchten. Hören Sie gut zu und fragen Sie die Vertreter zu dem, was Sie heute zu kritisieren hatten. Sie werden dann erfahren, dass es gute Gesetze sind, die in den Ländern bisher nur auf positive Resonanz gestoßen sind.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank, Frau Tiedge. - Damit ist die Debatte beendet.

Es ist von den Antragstellern beantragt worden, den Gesetzentwurf federführend in den Ausschuss für Recht und Verfassung zu überweisen. Darüber lasse ich zuerst abstimmen. Wer stimmt für eine federführende Beratung im Ausschuss für Recht und Verfassung? - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Das müssen wir zählen.

Wer stimmt dafür, den Antrag zur federführende Beratung in den Ausschuss für Recht und Verfassung zu überweisen? - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Es gibt keine Stimmenthaltung. Es könnte sein, dass wir uns um eine Stimme verzählt haben. Aber das macht nichts. Da wir 36 Jastimmen und 33 Neinstimmen gezählt haben, müssen wir nicht noch einmal abstimmen.

Wir stimmen darüber ab, den Antrag zur Mitberatung in den Innenausschuss zu überweisen. Wer stimmt dafür? - Das ist zweifelsfrei die Mehrheit.

Zusätzlich ist von der FDP-Fraktion beantragt worden, den Antrag in den Ausschuss für Kultur und Medien zu überweisen. Wer stimmt zu? - Wer stimmt dagegen? - Niemand. Dann ist das auch beschlossen worden.

Weiterhin wurde eine Überweisung in den Ausschuss für Bundes- und Europangelegenheiten beantragt. Wer stimmt zu? - Wer stimmt dagegen? - Niemand. Demnach viele Stimmenthaltungen. Auch das ist beschlossen worden. Der Tagesordnungspunkt 12 ist damit abgeschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Hochschulstruktur des Landes Sachsen-Anhalt (4. Hoch- schulstrukturgesetz) und zur Neufassung des Hochschulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (HSG LSA)

Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 4/1149

Ich bitte für die Landesregierung den Herrn Kultusminister Professor Olbertz, das Gesetz einzubringen. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Hochschulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt stammt vom 7. Oktober 1993 und ist seitdem fast in jedem Jahr mehr oder weniger großen Änderungen unterzogen worden.

Im Jahr 2003 geschieht das erneut. Ist das nötig? - Die Antwort lautet: Ja, und zwar aus zwei Gründen.

Der erste, gewissermaßen äußere Grund besteht in der inzwischen mehrfachen Überarbeitung des Hochschulrahmengesetzes auf Bundesebene. Die Vorgaben des Hochschulrahmengesetzes müssen nach bestimmten Fristen in Landesrecht umgesetzt werden. Dabei war der Gesetzgeber in der vergangenen Legislaturperiode bereits in Rückstand geraten. Wir sind daher in der Pflicht, die Vorgaben der vierten, fünften und sechsten Novelle zum HRG umzusetzen.

Der zweite, innere und für die Landesregierung eigentlich viel wichtigere Grund besteht in einer Modernisierung unserer Hochschulen, einer Steigerung der Effizienz ihrer Strukturen. Das steht in ähnlicher Weise gegenwärtig in mehreren Bundesländern auf der Tagesordnung. Überall geht es dabei um die Hochschulautonomie.

Ich stelle einleitend deshalb in einigen Sätzen dar, wie sich das Prinzip der Hochschulautonomie als Leitgedanke durch den heute vorgelegten Gesetzentwurf zieht.

(Unruhe)

Herr Minister, Entschuldigung. - Meine Damen und Herren! Es wäre nicht so schön, wenn wir den Lärm auf dem Domplatz zu diesem Thema im Hohen Haus nachahmen würden.

(Zustimmung von Herrn Tullner, CDU)

Wenn ich die Hochschulautonomie ein Projekt nenne, so bedeutet das, dass es sich dabei nicht um etwas Starres, per definitionem Vorgegebenes handelt, das man irgendwie in Paragrafen gießt, oder gar um eine Art Besitzstand, eine Festung, die verteidigt oder erobert werden will.

Die Hochschulautonomie erklärt und legitimiert sich aus dem Wissenschaftsprinzip, das heißt, hergeleitet aus dem Freiheitsgrundsatz der Forschung, aus der wissenschaftlichen Thematik und Arbeitsweise der Hochschulen.

Standortübergreifende Hochschulstrukturfragen oder Fragen der Alimentierung des Systems durch öffentliche Mittel sind dagegen keine genuin wissenschaftlichen Fragestellungen, sondern übergreifende bildungs-, hochschul- und finanzpolitische Belange. Diese unmittelbar zu regeln ist nicht allein die Aufgabe der Hochschulen. Anderenfalls würden wir die Hochschulpolitik des Landes und damit legislative Entscheidungen ebenso wie die gestaltende Regierungspolitik in Hände legen, die andere Aufgaben zu lösen haben.

Ungeachtet dessen sind die Hochschulen natürlich als kompetente Partner in die entsprechenden Erörterungen, Planungen und Verhandlungen einzubeziehen, sowohl als Inhaber der nötigen Sachkompetenz als auch als Betroffene.

Diesbezüglich gibt es durchaus einige Missverständnisse. Der Kultusminister plane, hieß es etwa, „schwerwiegende Eingriffe“ in die Hochschulautonomie, indem er auf dem Verordnungswege die Hochschulstrukturen verändern wolle.

In der Tat ist im Gesetzentwurf die Möglichkeit solcher strukturellen Maßnahmen vorgesehen, aber nur unter bestimmten Bedingungen. Eben auf die Bedingungen kommt es an, unter denen die Hochschulen und der Staat existieren und kooperieren. Die Hochschulautonomie wird nicht um ihrer selbst willen oder zur Feier einer abstrakten Idee veranstaltet, sondern sie ist Autonomie in Kontexten. Sie bezeichnet ein gestaltetes Verhältnis zwischen mehreren Partnern, und zwar zwischen recht verschiedenartigen und keineswegs „gleichen“.

Das Projekt Hochschulautonomie ist nicht neu. Mit dem jetzt von der Landesregierung vorgelegten Entwurf wird ein in Sachsen-Anhalt längst eingeschlagener und auch erfolgreicher Weg fortgesetzt. Das heißt nicht, dass wir keinen Anlass hätten, einige Entwicklungen in der Hochschullandschaft unseres Landes nach gut zehn Jahren neu zu bewerten und für die vor uns liegende Zeit, soweit wir ihre prägenden Tendenzen in Wissenschaft, Gesellschaft, Wirtschaft und Politik in der Gegenwart erkennen können, neu auszurichten.

Die finanzielle Bedrängnis, in der sich unser Land befindet, verlangt, mit den nötigen Strukturentscheidungen rasch und ohne Zögern voranzukommen. Deshalb legen wir gemeinsam mit der Neufassung des Hochschulgesetzes ein Hochschulstrukturgesetz vor. Als drittes Element soll mit dem Entwurf eine Reform der Hochschulmedizin vorbereitet werden. Diese wird auf der Grundlage eines eigenen Gesetzes zu einem späteren Zeitpunkt ausführlich im Landtag zu erörtern sein.

Mit dem Vierten Hochschulstrukturgesetz wird das Ziel verfolgt, die Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit der Hochschulen des Landes durch eine Verbesserung der Rahmenbedingungen und durch Strukturreformen zu stärken. Es wurde bewusst darauf verzichtet, im Gesetz schon feste Anforderungen an die jeweiligen Hochschulen festzuschreiben. Vielmehr soll in einem Prozess von Übereinkünften mit den Hochschulen versucht werden, die notwendigen Strukturen weitestgehend einvernehmlich zu klären.

Deshalb stehen bei allen diesbezüglichen Regelungen Zielvereinbarungen im Vordergrund, mit denen die anstehenden Probleme partnerschaftlich gelöst werden sollen. Damit werden in Zukunft die Beziehungen zwischen dem Staat und der Hochschule primär durch Verhandlungsgrundsätze und nicht durch ministerielle Vorgaben bestimmt.

Allerdings kann und wird sich der Staat, in diesem Fall das Kultusministerium, nicht seiner Verantwortung für die landesweiten Aspekte der Hochschulentwicklung und -strukturplanung entziehen. Aus diesem Grunde ist hilfsweise, falls Verhandlungen ergebnislos verlaufen, ein weiteres Verfahren vorgesehen worden. Dabei kann die Landesregierung nach der Anhörung der Hochschulen und der betroffenen Fachbereiche den Verordnungsweg beschreiten.

Da im Vorfeld Bedenken gegen diese Regelungen des Entwurfs geäußert wurden, fand dazu eine Anhörung von Verfassungsrechtlern von drei Universitäten statt. Die jetzt getroffene Regelung entspricht verfassungsrechtlichen Vorgaben. Solche Steuerungsmöglichkeiten sind vor dem Hintergrund einer landesweiten, also standortübergreifenden, Planungsperspektive und der notwendigen Einsparungen unumgänglich. Ausdrücklich sind sie bis zum 31. Dezember 2005 befristet. Inhaltlich werden die Verhandlungen auf der Grundlage der Hochschulstrukturplanung des Landes geführt.

Mit dem Entwurf wird der entschiedene Wille der Landesregierung deutlich, genau die Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Hochschulen den notwendigen Spielraum geben sollen, um in Zukunft an einem nationalen und internationalen Wettbewerb erfolgreich teilnehmen zu können.

Diese Reformansätze finden im Einzelnen ihren Niederschlag vor allem in der Straffung der Leitungsstrukturen, der Erweiterung der wirtschaftlichen Betätigungsmöglichkeiten der Hochschulen, der Möglichkeit, Gebühren zu erheben, in neuen Wegen der Qualitätssicherung, in der Einführung neuer Studiengangsstrukturen wie Bachelor und Master sowie in einer Änderung der Personalstruktur.

Lassen Sie mich auf wenige dieser Punkte kurz noch eingehen. Gemäß den neuen Leitungs- und Gremienstrukturen, geregelt in §§ 66 ff., wird es zukünftig nur noch zwei Ebenen in den Hochschulen geben. Die erste Ebene ist die Hochschulleitung, im Regelfall das Rektorat. Die zweite Ebene ist der Senat. Die Aufgabenverteilung zwischen den beiden Organen wurde so verändert, dass die Stellung des Rektorates gestärkt wird, insbesondere hinsichtlich der operativen Arbeit.

Als neues Element ist ein Kuratorium mit überwiegend externen Mitgliedern vorgesehen. Es soll zu wesentlichen Vorhaben der Hochschule Stellung nehmen, insbesondere zu den Entwicklungsplänen, zu den Haushaltsplänen, zu grundlegenden Strukturentscheidungen, und gleichzeitig soll es dazu beitragen, dass die Hochschule besser in der Region verankert wird.

Die Fachbereiche sollen durch Doppellegitimation der Dekane gestärkt werden. Das heißt, die Dekanin oder der Dekan wird auf Vorschlag des Rektors oder der Rektorin durch den Fachbereichsrat gewählt. Diese Doppellegitimation soll die Stellung der Dekane stärken und das Amt attraktiver machen.

Die Hochschulen erhalten künftig eine gesetzliche Basis, Unternehmen zu gründen, sich an Unternehmen zu beteiligen oder Dienstleistungen gegen Geld anzubieten. Sie sollen damit die Möglichkeit erhalten, sich zur Erledigung ihrer Aufgabe auch zusätzliche Finanzquellen zu erschließen.

Studiengebühren sind bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss bzw. für konsekutive Studiengänge, die zu einem weiteren Abschluss führen, nicht vorgesehen. Das Landesrecht sieht Ausnahmen hiervon nur für Studierende vor, die das 60. Lebensjahr überschritten haben, und für Gasthörerinnen und Gasthörer. Von Studierenden, die die Regelstudienzeit länger als vier Semester - das ist immerhin fast die halbe Regelstudienzeit - überschreiten, sollen künftig Gebühren erhoben werden. Ausnahmen aus sozialen Gründen sind vorgesehen.

Ich möchte noch einmal betonen, dass es bei dieser Gebühr um ein Signal an die Studierenden geht, mit öffentlichen Ressourcen sorgsam umzugehen. Anderenfalls wären die Hochschulen Selbstbedienungsläden, in denen man in beliebigem Umfang und ohne Vorbedingungen auf Ressourcen zurückgreifen könnte, die von der Allgemeinheit aufzubringen sind. Das würde uns von sozialer Gerechtigkeit eher entfernen als sie zu bewahren.

Denn wenn man überlegt, dass wir den jungen Eltern für Kindergartenplätze eine Menge Geld abnehmen und gleichzeitig den jungen Leuten, die sich durch eine

Hochschulausbildung längst auf dem Pfad der gesellschaftlichen Privilegierung befinden, einen unlimitierten Zugriff auf ein öffentliches Gut gestatten, ist es, denke ich, mehr als gerecht, bei erheblicher Überschreitung der Regelzeit und dabei auch bei erheblicher Überinanspruchnahme, oft auf Kosten der jungen Studierenden, ein limitierendes Moment einzufügen.

(Zustimmung bei der CDU)

Die Alternative wäre übrigens ein Studienkonto gewesen. Doch keines dieser Modelle ist derzeit so weit ausgereift, dass man es als Alternative für unsere Regelung ansehen könnte, insbesondere wegen des damit verbundenen erheblichen bürokratischen Aufwandes. Außerdem hat unser Vorschlag den Vorteil, dass die Einnahmen, die durch diese Gebühren erzielt werden, unmittelbar wieder den Hochschulen zugute kommen. Das ist bei dem Studienkontomodell einiger Länder eben gerade anders.

(Zustimmung bei der CDU)

Als Formen der Qualitätssicherung gibt es künftig die Pflicht zur regelmäßigen internen und externen Evaluation - das ist § 3 Abs. 13 -, insbesondere die Einbeziehung der Studierenden und ihres Urteils über die Qualität der Lehre - das finde ich besonders wichtig - sowie die Akkreditierung von Studiengängen.

Mit der Einführung der befristeten Juniorprofessur folgt der Gesetzentwurf dem HRG, behält aber als Alternative der Nachwuchsförderung gleichwohl die Habilitation ausdrücklich bei.

Meine Damen und Herren! Sie sehen aus diesem kurzen Überblick, dass es der Landesregierung darum geht, Hochschulautonomie auf den strukturell wesentlichen Regelungsebenen konkrete rechtliche Gestalt gewinnen zu lassen - bei der Gestaltung des Verhältnisses von Staat und Hochschulen, bei der Ausprägung des Zusammenhangs zwischen fachlichen Profilentscheidungen und Ressourcenzuordnungen, bei der hochschulinternen Organisation von Verantwortungs- und Entscheidungsstrukturen und nicht zuletzt bei der Gestaltung der ökonomischen Außenbeziehungen der Hochschulen.

Ich lege dem Landtag diesen Gesetzentwurf vor in der Überzeugung, dass das Parlament zur Verabschiedung eines Hochschulgesetzes kommen wird, das die Hochschulen viel stärker als bisher zu Subjekten mit eigener Stimme, aber auch eigener Verantwortung für die sie tragenden gesellschaftlichen Prozesse macht. Gewiss sind alle neuen rechtlichen Freiheiten zugleich immer neue Handlungs- und Entscheidungszwänge, aber sie sind als Raum für die Gestaltung der Freiheit der Wissenschaft unentbehrlich. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)