Protokoll der Sitzung vom 20.11.2003

Ebenso finde ich es verwunderlich, wenn hier gesagt wird, die Spitze der Kritik, die ja bundesweit die FDP bildet, hätte dafür gesorgt, dass der Kinderkanal und „Phoenix“ eingerichtet worden seien. Das kann ich so nicht nachvollziehen.

Meine Damen und Herren! Wir brauchen eine Strukturdebatte. Wir brauchen eine Debatte ohne Tabus. Wir müssen über alles reden können und dürfen uns nicht vorher, insbesondere von der PDS, einen Maulkorb aufsetzen lassen, was das Thema öffentlich-rechtlicher Rundfunk angeht. - Schönen Dank.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kehl. - Nun bitte für die SPD-Fraktion Herr Kühn.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich wollte ich an der Debatte nicht teilnehmen, weil der Siebte Rundfunkänderungsstaatsvertrag nicht so zum Disput anregt, wie manche hier tun.

Die Debatte, die derzeit geführt wird, die betrifft den Gebührenstaatsvertrag, der noch nicht vorliegt. Allerdings wirft er seine Schatten voraus, denn derzeit wird jeden Tag eine andere Sau durch den deutschen Blätterwald getrieben. Die Ministerpräsidenten der großen Länder, speziell die Bayern und die Nordrhein-Westfalen, tun sich besonders dabei hervor, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk anzugreifen.

Was mich ein bisschen verwundert und mir Angst macht, ist, dass ausgerechnet die Teile des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die mit Kultur zu tun haben und die sehr anspruchsvolle Programme machen, als erste infrage gestellt werden. Das ist ein Punkt, bei dem man hellwach und aufmerksam zuhören muss.

(Zustimmung von Herrn Tullner, CDU, und von Herrn Gebhardt, PDS)

Allerdings bin ich lange genug im Geschäft, um zu wissen, dass das ein Vorgeplänkel ist und dass man sich doch wieder einholt.

Ich habe gerüchteweise gehört, dass der Bayerische Rundfunk gesagt hat: Okay, dann sparen wir, wir stellen die „Rundschau“ ein - in der „Rundschau“ kommt immer

die Bayerische Landesregierung vor -, damit ist fast wieder Ruhe im Land einkehrt.

(Lachen bei der FDP - Herr Schröder, CDU: Eine ganz alte Kamelle!)

Jetzt will ich einmal mutmaßen: Herr Steinbrück, der im Schatten der Großen wie Johannes Rau oder Wolfgang Clement steht, muss natürlich sehen, dass er immer wieder aufschlägt und zur nächsten Wahl sein Name bundesweit bekannt ist. Ich vermute einmal, es wird wieder Ruhe einkehren, wenn wir über den Gebührenstaatsvertrag reden.

Ich denke, der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist Bestandteil unserer Demokratie und so wichtig, dass wir ihn alle erhalten wollen und in der Substanz auch beschützen werden.

(Zustimmung von Frau Kachel, SPD, bei der FDP, bei der CDU und von Minister Herrn Dr. Daehre)

Vielen Dank, Herr Kühn. - Nun Herr Schröder für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die im kommenden Jahr anstehende Entscheidung über die Erhöhung der Rundfunkgebühren beschäftigt schon jetzt die Öffentlichkeit und auch uns heute in dieser Debatte. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht über das Für und Wider eines solchen Schritts diskutiert wird.

Vor diesem Hintergrund sind einige Auswirkungen des Siebten Rundfunkänderungsstaatsvertrags, zu dem wir uns heute positionieren müssen, von großer Bedeutung, steht in seinem Mittelpunkt doch § 11, in dem der Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks konkretisiert wird. Zwar wird hierin auf das Instrument einer Selbstverpflichtung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zurückgegriffen, es findet jedoch eine Präzisierung statt, sodass künftig nur programmbegleitende Druckwerke und Mediendienste veröffentlicht werden dürfen.

Darüber hinaus wird im Rahmen einer Protokollerklärung aller Bundesländer festgehalten, dass die Inhalte der Selbstverpflichtung im Hinblick auf Qualität und quantitative Begrenzung noch weiterer Präzisierung und Konkretisierung bedürfen. Dies ist, so meine ich, auch geboten. Insofern, Herr Kühn - der Widerspruch sei mir gestattet -, brauchen wir keine Ruhe an dieser Stelle.

Seit dem Jahr 1988 haben sich die Rundfunkgebühren in Deutschland in etwa verdoppelt. Kaum ein Unternehmen und - wir können hier ein Lied davon singen - auch kein öffentlicher Haushalt befindet sich in einer ähnlich komfortablen Einnahmesituation.

Dennoch steigt der Finanzbedarf der Sendeanstalten stetig. Dass die Häuser über keine vollen Kassen verfügen, liegt zum einen auch an der stetigen Ausweitung des Programmangebots. Dabei kann man eigentlich niemandem einen Vorwurf machen. Es fehlten bisher einfach klare Vorgaben zum Funktionsauftrag der Sender.

Man muss sich einmal vorstellen: Die letzten wegweisenden Definitionen der Aufgaben der öffentlichen Anstalten stammen noch vom Bundesverfassungsgericht aus den Jahren 1986 und 1987, einer Epoche also, als das Privatfernsehen noch in den Kinderschuhen steckte

und die Innovationen und Möglichkeiten des Internets und der Digitaltechnik noch nicht absehbar waren.

In der Zwischenzeit haben die öffentlich-rechtlichen Sender vielfach versucht, die Programmformate der privaten Konkurrenz zu kopieren. Im ARD-Vorabendprogramm regieren Daily-Soaps wie „Marienhof“ oder „Verbotene Liebe“, Fliege taucht am Mittag auf, Beckmann, Maischberger und Johannes B. Kerner am Abend.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Woher kennen Sie das al- les?)

- Herr Püchel, ich komme auch hin und wieder zum Fernsehen.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Aha!)

Dazu gibt es wie bei den privaten Sendern CastingShows zu sehen. Das wusste ich in der Tat vorher nicht, das habe ich mir angelesen: Bei RTL richtet Dieter Bohlen über die Sangeskunst junger Menschen, beim ZDF hat diesen Job mittlerweile Ralf Siegel übernommen. Das wusste ich in der Tat nicht; es ist aber so.

Als dem ehemaligen Kirch-Sender Sat 1 das Geld für die Bundesliga ausging oder zu knapp wurde, sprang das Erste ein. „Football is coming home“ war damals das schöne Motto der Sportschau.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen, dann gehen wir einen großen Schritt in die richtige Richtung. Wir können die aus den Transparenzrichtlinien der EU erwachsenden Forderungen besser erfüllen. Wir sollten es uns aber auch zum Ziel setzen, nach einem gewissen Zeitraum zu überprüfen, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit seiner Selbstverpflichtung umgegangen ist, um dann in der Rechtsetzung weiter fortschreiten zu können.

Nach einer Auswertung der Folgen des Siebten Rundfunkänderungsstaatsvertrages sollten sich die Politiker und Intendanten ferner zusammenzusetzen und auch - ich betone: auch - die Vorschläge der Ministerpräsidenten Bayerns, Nordrhein-Westfalens und Sachsens zur Rundfunkstrukturreform diskutieren. - Das ist keine Minderheitenposition, Herr Höhn.

Die Politik ist gefragt, als Rahmengeber aufzutreten. Die innere Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dürfen wir aber selbstverständlich nicht zum Gegenstand politischer Einmischung machen. Diesem Auftrag wird der Staatsvertrag - so denke ich - gerecht. Ich bitte daher im Namen der CDU-Landtagsfraktion recht herzlich um Zustimmung. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Schröder. - Das waren die Beiträge der Fraktionen. Nun spricht für die Landesregierung Herr Staatsminister Robra.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Diskussion nicht verlängern und wollte mich eigentlich auch nicht zu Wort melden. Ich will nur im Hinblick auf den Verlauf der Diskussion, in der auch auf das Ergebnis der Ministerpräsidentenkonferenz in der vergangenen Woche abgestellt wurde, einige wenige Sätze zur Erläuterung sagen und vor allen Dingen darauf hinwei

sen, dass der Siebte Rundfunkänderungsstaatsvertrag mit dem System der Selbstverpflichtung zum Funktionsauftrag der Rundfunkanstalten mitnichten gegenstandslos geworden wäre durch den Gang der Meinungsbildung in der Ministerpräsidentenkonferenz. Das genaue Gegenteil ist richtig.

Wir haben in dem bislang nur im Entwurf vorliegenden Bericht der KEF eine Reihe von Hinweisen auf Rationalisierungspotenziale in den Rundfunkanstalten, die die KEF eigentlich nicht in ihre Kalkulation einbeziehen kann, weil die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs des Rundfunks zunächst das System so nehmen muss, wie es derzeit gerade ist, und nur innerhalb dieses Systems zu Bewertungen kommen kann.

Da die KEF selbst dies erkennbar als unbefriedigend empfindet und dies auch so in dem Meinungsaustausch mit den Chefs der Staatskanzleien artikuliert hat, hat sie an geeigneter Stelle eine Reihe von Hinweisen gegeben, wo sie durchaus Rationalisierungspotenziale sieht. Sie hat letztlich die Ministerpräsidenten darauf aufmerksam gemacht, dass die Ministerpräsidenten über die Staatsverträge - diese sind selbstverständlich dann auch ratifiziert worden - den Handlungsrahmen für die Rundfunkanstalten in erheblichem Maße selbst definiert haben und dass man sich durchaus auch an das eigene Portepee fassen muss, wenn man sich fragt, in welchem Umfang Gebührenerhöhungen möglicherweise unausweichlich werden würden.

Vor diesem Hintergrund haben drei Ministerpräsidenten - A- und B-Länder übergreifend - einen Vorstoß riskiert, den sich die Ministerpräsidentenkonferenz so nicht zu Eigen gemacht hat. Es bestand noch nicht einmal Einvernehmen darüber, dass auf der Grundlage dieses Vorstoßes weiter beraten werden soll, wohl aber - so auch der Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz in der vergangenen Woche - unter Einbeziehung dieses Vorschlages, aber natürlich auch unter Einbeziehung der Vorschläge der KEF.

Es wird in dem weiteren Meinungsaustausch, der in der Tat - auch das ist mit Recht schon hervorgehoben worden - auf der Grundlage der Protokollnotiz zur qualitativen wie quantitativen Präzisierung des Funktionsauftrages notwendig werden wird, zu einer intensiven Diskussion der Rundfunkkommission der Länder - und dies nach dem Willen der Ministerpräsidenten auf der Ebene der Chefs der Staatskanzleien - mit den Intendanten kommen, um auch hier Rationalisierungspotenziale auszuschöpfen.

Das mag dazu führen, dass vor Beginn der nächsten Gebührenperiode am 1. Januar 2005 noch kein abschließender Meinungsstand wird erreicht werden können. Dann haben wir eine Art faktisches Moratorium. Es mag aber durchaus auch sein, dass wir bereits im Laufe des Jahres 2004 zu neueren Erkenntnissen kommen, die dann eine Neubewertung des erst im Januar 2004 tatsächlich vorliegenden Vorschlages der KEF gestatten würden.

Vor diesem Hintergrund ist der Siebte Rundfunkänderungsstaatsvertrag, der heute hier für das Land Sachsen-Anhalt ratifiziert werden soll, ein notwendiger und richtiger Zwischenschritt. Die Diskussion ist jedoch noch nicht zu Ende; vielmehr wird sie in der weiteren Zeit, also im Jahr 2004, sehr intensiv und sehr grundsätzlich fortzusetzen sein. - Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Staatsminister Robra. - Möchte nun noch jemand der Abgeordneten sprechen? - Das ist nicht der Fall.

Wir kommen damit zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses in der Drs. 4/1122. Wenn niemand widerspricht, lasse ich über die Beschlussempfehlung insgesamt, also einschließlich aller Einzelbestimmungen, der Überschrift und des Gesetzes in seiner Gesamtheit, abstimmen. - Niemand widerspricht. Dann machen wir das so. Wer stimmt zu? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das ist die PDS-Fraktion. Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die SPD-Fraktion. Damit ist die Beschlussempfehlung des Ausschusses mehrheitlich angenommen worden und das Gesetz beschlossen. Der Tagesordnungspunkt 9 ist abgeschlossen.

Da wir die Tagesordnungspunkte 10 und 11 vereinbarungsgemäß am morgigen Tag behandeln, rufe ich nun den Tagesordnungspunkt 12 auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Gesetzes über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Sachsen-Anhalt (Informationszugangsgesetz für das Land Sach- sen-Anhalt - IZG-LSA) und Änderung des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger

Gesetzentwurf der Fraktion der PDS - Drs. 4/1136

Ich bitte Frau Tiedge, diesen Gesetzentwurf einzubringen. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Warum hat man in Deutschland eigentlich solche Angst vor gut informierten, mündigen und interessierten Bürgerinnen und Bürgern? - Diese Frage muss so gestellt werden, anders ist die Zurückhaltung auf Bundesebene und auf Länderebene, ein Informationsfreiheitsgesetz auf den Weg zu bringen, nicht zu erklären. Allerdings steht in der Koalitionsvereinbarung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, dass ein derartiges Gesetz in dieser Legislaturperiode noch eingebracht werden soll. Aber auch in der Mehrzahl der Bundesländer ist man noch nicht so weit, seinen Bürgern mehr Informationsrechte zuzugestehen.