Protokoll der Sitzung vom 20.06.2002

Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 4/17

Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 4/43 neu

Ich bitte nun Frau Budde, für die einbringende Fraktion das Wort zu nehmen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere Fraktion hat den Antrag gestellt, die von Sachsen-Anhalt am 1. März 2002 in den Bundesrat eingebrachte Initiative zum Vorleistungsgesetz zu unterstützen; denn in der Koalitionsvereinbarung heißt es dazu:

„Alle Gesetzesvorhaben, die zu einer Beschleunigung fälliger Zahlungen beitragen, werden von den Koalitionspartnern unterstützt.“

Ich meine mich auch erinnern zu können, dass Sie in der Presse verlauten ließen, Sie würden alle bis zu diesem Zeitpunkt auf den Weg gebrachten Bundesratsinitiativen unterstützen und weiterführen. Da wir allerdings vermutet haben, dass Sie nicht immer das meinen, was Sie sagen,

(Herr Schomburg, CDU: Na, na, na, Frau Budde!)

wollten wir durch den Landtag bestätigt haben, dass insbesondere diese Bundesratsinitiative weitergeführt wird.

Das Ergebnis war, dass Sie - unmittelbar nachdem Sie unseren Antrag zur Kenntnis bekommen hatten - auf den Zug von Sachsen und Thüringen aufsprangen und damit die Bundesratsinitiative des Landes Sachsen-Anhalt sozusagen negierten.

Lassen Sie mich als Kronzeugen deshalb jemand anderen beibringen. Der unterstützt unsere Auffassung, dass es nicht eben klug ist, auf diese Initiative aufzuspringen. Herr Professor Dr. Ullmann von der Humboldt-Universität hat in der Anhörung des Bundestages zu dem deckungsgleichen CDU/CSU-Antrag - deckungsgleich mit dem von Sachsen und Thüringen - gesagt, dass die vorgesehenen Regelungen nach den Vorstellungen des CDU/CSU-Antrags zu einer total verwirrenden Rechtslage führen würden und dass er ihn deshalb nicht unbedingt empfehlen würde.

Die durchaus berechtigte Kritik, die zu diesem Vorleistungssicherungsgesetz geführt hat, nämlich die Kritik am Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen, muss nicht dazu führen, dass das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird. Wir waren alle der Auffassung, dass hier etwas passieren muss, und wir sind uns, glaube ich, auch immer noch in einem Punkt einig, nämlich darin, dass die Maximalforderung heißt: Es muss ein einheitliches Bauvertragsbuch formuliert werden. Aber das dauert.

Frau Budde, sind Sie bereit, eine Frage des Abgeordneten Gürth zu beantworten?

Nein, ich würde meine Ausführungen gern erst zu Ende bringen. Vielleicht erübrigt sich die Frage dann auch mit meinem Schlusssatz, Herr Gürth.

Deshalb ging es und geht es um durchsetzbare Änderungen. So sollte zum Beispiel der Auftragnehmer Sicherheitsbürgschaften verlangen können, der Anspruch auf Abschlagszahlungen sollte erweitert werden, vollstreckbare Titel sollten schneller erlangt werden können. Gerade für kleinere Gewerke ist es sehr positiv, dass Abschlagszahlungen für vertragsmäßige Teilleistungen unabhängig davon verlangt werden können, ob ein in sich abgeschlossener Teil vorliegt.

Die Durchgriffsfälligkeit sollte mit einem Auskunftsanspruch des Bauhandwerks gestärkt werden. Der Hauptkritikpunkt war unter anderem, dass die Bauhandwerker oft gar keine Kenntnis davon hatten, wie viel schon an den Generalunternehmer bezahlt worden ist. An dieser Stelle war eine Stärkung der Stellung des Bauhandwerkers vorgesehen.

Die Fertigstellungsbescheinigung sollte auch bei vorhandenen Mängeln mit einem entsprechenden Vergütungsabschlag erteilt werden können. Verfahrensrechtliche Regelungen sollten den Abschluss eines Verfahrens mit entsprechenden Gutachtern beschleunigen.

Ein Teil davon ist auch in dem Gesetzentwurf der Länder Sachsen und Thüringen enthalten. Das ist so. Aber es gab aus einem anderen, guten Grund keine Mehrheit für den CDU/CSU-Vorschlag, der sich jetzt in dem Gesetzentwurf von Sachsen und Thüringen wiederfindet, nämlich dass dieser Vorschlag geprägt ist von dem deutschen Rechtssystem fremden und mit der Versicherungs- und Kreditwirtschaft - das ist wichtig - nicht abgestimmten Modellen.

Ich möchte zumindest noch auf Folgendes hinweisen: Ein gesetzliches Pfandrecht des Subunternehmers an Forderungen des Generalauftragnehmers und ebenso eine erweiterte Sicherheitshypothek nützen nichts, wenn diese Ansprüche nur nachrangig befriedigt werden können. Nur wenn sie vorrangig befriedigt werden können, wäre dem Bauunternehmer geholfen. Aber dies sieht der Entwurf nicht vor, sah er auch nicht vor, kann er auch nicht vorsehen, weil die Folge dann wohl wäre, dass die Banken weniger oder gar keine Kredite mehr ausreichen würden, wenn auch noch andere als sie an dem fertig gestellten Ergebnis Pfandrechte, Rechte hätten.

Erfreulicherweise hat der Rechtsausschuss des Bundesrates eine Beschlussempfehlung verabschiedet, die auf diese Vorschläge der B-Länder verzichtet.

Sie wollen nun, indem Sie den Vorschlag von Sachsen und Thüringen aufgreifen, den Eigentumsvorbehalt an eingebauten Sachen und ein entsprechendes Wegnahmerecht unterstützen.

(Herr Gürth, CDU: Ja!)

Das ist zwar ein nettes Anliegen, aber diesem Eigentumsvorbehalt wird von vielen Seiten - und das aus guten Gründen - widersprochen. Denn Sie suggerieren - so auch in der Presse - den Bauhandwerkern, dass

sie ohne weiteres ihr Eigentum wieder herausholen könnten.

Sie verschweigen den Handwerkern allerdings, dass sich mit dem Eigentumsvorbehalt und dem Wegnahmerecht keine Lösung ihrer Probleme im richtigen, dinglichen Sinne verbindet. Denn jeder Handwerker, der auf ein Grundstück zum Ausbauen seiner eingebauten Sachen will, benötigt dazu einen gerichtlichen Titel. Sonst, meine Damen und Herren, übt er verbotene Eigenmacht aus - so steht es im BGB - und er macht sich unter Umständen sogar eines Hausfriedensbruchs strafbar. Der vorherige Gang zum Gericht bleibt also dem Bauhandwerker auch in diesem Fall nicht erspart.

Was der Bauhandwerker damit gekonnt hat, müssten Sie mir vielleicht doch erklären. Ich komme zu der Antwort: Er hat gar nichts damit gewonnen.

Außerdem wollen wir es noch ein bisschen anders herum betrachten: Wie soll Estrich, wie soll Putz, wie soll Fußboden, wie sollen Kabel, Kaminzüge, Fußbodenheizungen oder Ähnliches wieder ausgebaut werden? Das beschränkt sich wirklich nur auf einen ganz geringen Teil, etwa dass man mal ein Waschbecken oder Ähnliches ausbauen kann.

Im Gesetzentwurf steht auch: Nur dann, wenn kein Schaden an dem Bauwerk zustande kommt. Das heißt - wenn es so definiert wird -, wenn die Heizung, die dann wieder ausgebaut werden könnte, zu einem Schaden am Gesamtbauwerk führt, dann dürfen die Handwerker sie auch mit diesem Eigentumsvorbehalt nicht wieder ausbauen. Das gibt ein ewiges Hin und Her.

Das ist alles nett aufgeschrieben. Es wäre auch schön, wenn man das irgendwie regeln könnte, aber es wird damit nicht regelbar sein.

Der Zentralverband des deutschen Baugewerbes, der nun wirklich unverdächtig ist, mich irgendwie unterstützen zu wollen, meint zu diesem Vorschlag, dass solche Regelungen nicht Erfolg versprechend seien.

„Sie würden“

- jetzt zitiere ich den Zentralverband des deutschen Baugewerbes wörtlich -

„in der leider wohl überwiegenden Mehrzahl der Fälle lediglich der Befriedigung von Rachegelüsten dienen.“

Wenn das gewollt ist, hat meines Erachtens der Gesetzgeber seinen Auftrag zum Ausgleich von berechtigten Interessen - das will ich wirklich ausdrücklich sagen: ein Ausgleich berechtigter Interessen; denn wer dort etwas eingebaut hat, hat auch Leistungen erbracht, ist auch in Vorleistung gegangen - verfehlt. Wenn es denn tatsächlich so ist, dass das dazu führen würde - und das kommt nicht von meiner Seite, sondern von einer sehr unverdächtigen Seite, die eigentlich auf der Seite der Baugewerbetreibenden steht -, dann sollte man sich das wirklich noch einmal überlegen.

Wenn Sie also im Interesse der Bauwirtschaft hätten agieren wollen, wäre nichts einfacher gewesen, als an dem ursprünglichen sachsen-anhaltinischen Entwurf des Vorleistungssicherungsgesetzes festzuhalten, dieses weiterzuführen und mit aller Vehemenz auch über parteipolitische Vorbehalte hinweg weiter zu vertreten.

Sie haben dies nicht getan, sondern Sie haben den ursprünglichen Gesetzentwurf beerdigt. Aus diesem Grund - und damit erledigt sich sozusagen unser Disput hier,

Herr Gürth - bleibt mir, weil ich die Mehrheiten sehr wohl kenne und sehr wohl weiß, wie das Verfahren ist - Sie haben das heute schon sehr deutlich gemacht -, auch nichts anderes übrig, bleibt mir keine andere Möglichkeit als diese: Ich ziehe unseren Antrag hiermit zurück. Er wird damit gegenstandslos.

Ich darf Ihnen zum Abschluss noch sagen, dass das für mich ein erster, allerdings schlechter Versuch war, Symbolpolitik zu betreiben. Es bringt nichts, Herr Gürth.

(Beifall bei der SPD)

Frau Budde, sind Sie dennoch bereit, eine Frage des Abgeordneten Herrn Gürth zu beantworten?

Nein, das bringt nichts, Herr Präsident.

Sie ist nicht bereit dazu. - Meine Damen und Herren! Sie haben es gehört: Der Antrag in der Drs. 4/17 ist zurückgezogen worden. Damit ist auch der Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP in der Drs. 4/43 neu gegenstandslos geworden. Der Tagesordnungspunkt endet also nicht mit einer Abstimmung, weil wir keinen Beratungsgegenstand mehr haben.

Die Aussprache ist jetzt eröffnet. Sie haben selbstverständlich die Möglichkeit, sich noch zu äußern. Wünschen Sie, Herr Stahlknecht, für die CDU-Fraktion das Wort?

(Herr Stahlknecht, CDU: Ja !)

- Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die wirtschaftliche Lage der Werkunternehmer, vor allem in der Baubranche, ist in den letzten Jahren immer schlechter geworden. Das hat auch die SPD erkannt. Das gilt insbesondere für die Situation in den neuen Bundesländern. Forderungsausfälle in Millionenhöhe und eine auch dadurch bedingte steigende Anzahl von Insolvenzen prägen das Bild.

Die entscheide Frage, meine Damen und Herren, ist, auf welche Art und Weise der sinkenden Zahlungsmoral entgegengetreten werden kann und wie Forderungsausfälle vermieden werden können.

Die bisherigen rechtlichen Rahmenbedingungen sind als unzureichend zu würdigen. Das am 1. Mai 2000 in Kraft getretene Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen hat eben keine Wende gebracht. Gesetzgeberische Initiativen der Bundesregierung auf diesem Gebiet sind gleichwohl bislang ausgeblieben - wir wissen, wer diese Bundesregierung stellt -, obwohl der Bundesrat bereits bei seiner Beschlussfassung über das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen die Bundesregierung gebeten hatte, weitere gesetzgeberische Maßnahmen zu Verbesserung der Zahlungsmoral zu prüfen.

(Herr Gürth, CDU: Genau!)

Insofern, Frau Budde, bin ich schon etwas beeindruckt, dass Sie sozusagen für sich bei der SPD das Recht reklamieren, für die Werkunternehmer und die Baubranche

zuständig zu sein. Das habe ich vor Ort ganz anders erfahren müssen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Herr Dr. Polte, SPD: Beispiele!)