Die SPD-Fraktion wird sich dafür einsetzen, dass alle gesetzlichen Spielräume genutzt werden. Nach wie vor ist es besser, zu arbeiten, als Leistungen zu empfangen und nichts zu tun. Das sollte nach meiner Ansicht auch arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger umfassen.
Zum Thema Arbeitsmarktpolitik liegen drei Anträge vor. Sie unterscheiden sich in der Formulierung und Schwerpunktsetzung. Jede Fraktion wird sicherlich auf ihrem Antrag bestehen.
Die SPD-Fraktion könnte den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP mittragen, wenn aus unserem Antrag der Punkt 3 zur öffentlichen Beschäftigung übernommen würde. Der Ministerpräsident ist in seiner Regierungserklärung darauf eingegangen, bezeichnete die geförderte Beschäftigung als vorerst unverzichtbar und bekannte sich, zumindest an dieser Stelle, dazu, dass Bürgerinnen und Bürger mitgestalten sollen und, denke ich, dies auch wollen.
Wir könnten auch anders mit den Anträgen umgehen, etwa entsprechend dem Vorschlag von Frau Dirlich, alle drei Anträge in den Wirtschaftsausschuss zu überweisen; denn wir haben bei der Konstituierung des Ausschusses gehört, dass eigentlich alle Abgeordneten eine ausführliche Diskussion zur Arbeitsmarktproblematik eingefordert haben, auch weil die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses der dritten Wahlperiode und die neuen Abgeordneten sich in dieses Themenfeld einarbeiten wollen. Es wäre also auch möglich, alle drei Anträge in den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit zu überweisen und nach ausführlicher Befassung damit einen gemeinsamen Antrag zu erarbeiten. Aber, wie gesagt, dem Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP mit dem Punkt 3 unseres Änderungsantrages würden wir zustimmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich, Frau Dirlich, ist der Antrag der PDS-Fraktion unnötig, wenngleich ich dieses Thema nicht kippen will; denn die Bekämpfung der anhaltend höchsten Arbeitslosenquote in Sachsen-Anhalt wird eine zentrale Aufgabe auch unserer Politik sein.
Unnötig ist Ihr Antrag, Frau Dirlich, deshalb: Sie sind Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit und wissen, dass die CDU-Fraktion dieses Thema bereits am 12. Juni dieses Jahres in der konstituierenden Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit im Rahmen
der Selbstbefassung benannt hat. Wir haben dort einstimmig beschlossen, uns dieser Problematik bereits im September anzunehmen, insbesondere aufgrund der Erweiterung des Wirtschaftsministeriums um das Ressort Arbeit wie auch in Erwartung - das wurde von meiner Kollegin aus der FDP-Fraktion bereits gesagt - der Ergebnisse der Hartz-Kommission.
- Man kann einen Antrag auch zurückziehen. Dies hätte eigentlich keiner weiteren Aufforderung bedurft, denke ich.
Aber nun liegen uns einmal der Antrag der PDS-Fraktion und der Änderungsantrag der SPD-Fraktion vor. Beiden können wir in dieser Fassung nicht zustimmen.
Lassen Sie mich kurz - dieses Thema ist nicht in fünf Minuten abzuhandeln - zu den einzelnen Punkten etwas sagen und auch unseren Änderungsantrag begründen.
Schon unter Punkt 1 finden wir die ersten Unterschiede. Aber die unterschiedliche Sicht bei der PDS- und bei der CDU-Fraktion auf die Arbeitsmarktpolitik insgesamt ist nichts Neues. Auch wir finden uns nicht mit der hohen Arbeitslosenquote ab. Arbeit ist für Menschen mehr als Einkommenssicherung, als Broterwerb; Arbeit heißt auch soziale Anerkennung, heißt soziale Kontakte, steigert das Selbstwertgefühl. Man könnte das aufzählen bis ins Unendliche.
Auch für mich ist es eine soziale Ungerechtigkeit, wenn arbeitswillige Menschen in Sachsen-Anhalt keine Arbeit finden. Aber Hilfe können wir diesen Menschen nur durch eine solide, kraftvolle Wirtschaftspolitik bieten und nicht etwa mit Mitteln der Sozialpolitik. Sozialpolitik bedeutet für uns Beschäftigung schaffen, und zwar dauerhaft und wettbewerbsfähig. Ich will an dieser Stelle nicht verhehlen, dass wir uns auf die Instrumente des zweiten Arbeitsmarktes sicherlich noch sehr lange stützen müssen, auf diese noch lange zurückgreifen müssen.
- Den Begriff „dauerhaft gefördert“ höre ich auch nicht gern, weil ich und meine Fraktion das absolut ablehnen.
Wir werden den zweiten Arbeitsmarkt sicherlich noch lange haben. Aber wir sollten diese Instrumente künftig ausschließlich zielgruppenorientiert diskutieren und anwenden. Die Anforderung an eine aktive Arbeitsmarktpolitik kann nicht darin bestehen, Karrieren für Arbeitslose, Arbeitsuchende zu schaffen, die zwischen ABM, Arbeitslosigkeit, Qualifizierung und Fortbildung wechseln und eventuell, wenn es gut geht, in einem befristeten Arbeitsverhältnis enden, um dann die ganze Sache wieder von vorn anzufangen, nämlich bei der Arbeitslosigkeit.
Auch ich bin nicht der Ansicht, dass eine moderne Arbeitsmarktpolitik, die vordergründig aktivierend sein muss, den Erhalt der sozialen Infrastruktur sichern helfen muss. Das sind originäre Aufgaben des Landes und der Kommunen. Dort müssen sie künftig wieder gelöst werden.
Zu Punkt 2. Wir können uns doch eigentlich alle kritisch eingestehen, dass unser Arbeitsmarkt überreguliert ist, dadurch unflexibel wird und Ansätze einer Verkrustung zeigt. Schnellschüsse und Aktionismus sollten jetzt nicht
zu unseren Helfern werden. Wir brauchen ein Paket an Lösungen, einen Katalog mit detaillierten Vorschlägen zu Strukturen, aber auch zu Inhalten für die Reform der Arbeitsverwaltung, dessen Regelwerk es uns gestattet, Arbeit beschäftigungsorientiert auszurichten. Das Herumdoktern an einem kranken Arbeitsmarkt ohne den kleinsten Schritt in Richtung Gesundung muss endgültig vorbei sein.
Wir begrüßen die Arbeit der Hartz-Kommission und insbesondere den gewählten Arbeitstitel „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“. Lassen Sie uns auf deren Ergebnisse warten und unsere Diskussion, wie bereits avisiert, dann konstruktiv fortsetzen.
Punkt 3 des PDS-Antrags können wir so in unseren Änderungsantrag übernehmen. Ich denke, wir können ruhig schlafen, wenn wir auch den Punkt 3 des SPD-Antrages übernehmen, sodass wir eine Diskussionsgrundlage im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit haben.
Ich bitte um Zustimmung zu dem Änderungsantrag in der so geänderten Fassung und freue mich auf die Zusammenarbeit im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit.
(Frau Dirlich, PDS: Und der Minister? - Minister Herr Dr. Rehberger: Ich hatte mich gemeldet als Letzter! Herr Präsident, wie Sie es für richtig hal- ten! Wenn Frau Dirlich nach mir redet, bin ich auch einverstanden!)
- Mir wurde gesagt, Sie wollten als Letzter sprechen. Das würde bedeuten, dass jetzt Frau Dirlich das Wort hat. Wenn Sie jedoch jetzt sprechen wollen, haben Sie das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich auf die Uhr schaue, dann habe ich den Eindruck, dass dieses unheimlich wichtige Thema Arbeitsmarkt auch heute in diesem Hause angesprochen werden musste. Aber es wird uns ganz gewiss in den nächsten vier Jahren begleiten und im Mittelpunkt der politischen Arbeit der Landesregierung und des Parlaments stehen. Daran besteht gar kein Zweifel.
Deswegen mache ich an dieser Stelle angesichts der bisherigen Debatte über die verschiedenen Anträge drei Bemerkungen.
Erstens. Es gibt ganz offenkundig zu der Frage, was Arbeitsmarktpolitik sei, unterschiedliche Ansätze. Aus Westdeutschland kommend, hat man sich daran gewöhnt, den ersten Arbeitsmarkt als eine Sache des Wirtschaftsministers und den zweiten Arbeitsmarkt als eine sozialpolitische Maßnahme zu sehen, die Aufgabe des Sozialministers ist. In Sachsen und in Thüringen hat man nach der Wende einen anderen Ansatz gefunden.
Ich finde es sehr hilfreich und ungewöhnlich interessant und bin dankbar dafür, dass wir jetzt auch in SachsenAnhalt deutlich machen, dass Arbeitsmarktpolitik eben nicht nur ein kleines Segment der Sozialpolitik ist, sondern dass die Arbeitsmarktpolitik eine einheitliche große Aufgabe ist, die natürlich in allererster Linie durch die Wirtschaftspolitik zu leisten ist.
Wir brauchen eine Politik, die einen Gesamtansatz in Bezug auf den Arbeitsmarkt hat und die diesen künstlichen Dualismus zwischen der Sozialpolitik, dem zweiten Arbeitsmarkt, und der Wirtschaftspolitik, dem ersten Arbeitsmarkt, beendet.
Zweitens. Meine Damen und Herren! Wem sage ich das, nachdem heute der Nachtragshaushalt diskutiert worden ist: Man kann Geld nur einmal ausgeben. Deswegen glaube ich, es ist unheimlich wichtig, dass wir alle Möglichkeiten, die wir haben, auch die des so genannten zweiten Arbeitsmarktes, nutzen, um die Entwicklung des ersten Arbeitsmarktes voranzubringen. Es gibt dabei - in Grenzen wohlgemerkt - Steuerungsmöglichkeiten.
Für mich jedenfalls hat die Entwicklung des ersten Arbeitsmarktes höchste Priorität. Je mehr Arbeitsplätze dort entstehen, umso geringer wird das Problem des so genannten zweiten Arbeitsmarktes sein.
Meine Damen und Herren! Es gibt Dinge, die wir als Staat, der in wirtschaftliche Prozesse hinein interveniert, auf jeden Fall machen müssen. Dazu gehört zum Beispiel die Ausbildungsplatzförderung; eine ganz zentrale Aufgabe, die leider unter den heutigen Vorzeichen - das war seit der Wende so - nur dann einigermaßen wahrgenommen werden kann, wenn der Staat zusätzliche Mittel bereitstellt, um sicherzustellen, dass jeder junge Mensch, der einen Ausbildungsplatz will, diesen auch bekommen kann. Deswegen sage ich: Das ist zum Beispiel ein Punkt, bei dem die Politik dieses Landes alles tun muss, um sicherzustellen - das ist eine wirtschaftliche und soziale Aufgabe -, dass junge Menschen Arbeits- und zunächst einmal Ausbildungsplätze bekommen.
Deshalb möchte ich die Debatte dazu nutzen, um an die Unternehmer und Unternehmen im Lande zu appellieren, alles zu tun, damit auch im Jahr 2002 alle jungen Menschen, die einen Ausbildungsplatz suchen, diesen auch bei uns bekommen können.
(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Frau Bull, PDS: Dann appellieren Sie mal! - Zu- ruf von Frau Ferchland, PDS)
Meine Damen und Herren! Wir können die Mittel, die uns über den Europäischen Sozialfonds zur Verfügung stehen, natürlich auch zur Entwicklung von Innovationen und Existenzgründungen einsetzen. Ich meine schon, dass das gerade auch bei uns eine zentrale Aufgabe der so genannten Arbeitsmarktpolitik ist. Ich bin dankbar dafür, dass wir das eine oder andere Projekt im Bereich der Innovationsförderung jetzt vom Wirtschafts- und Arbeitsministerium mit unterschiedlichen, sich ergänzenden Fördermaßnahmen voranbringen können.
Drittens. Gehen Sie bitte davon aus, dass die Landesregierung und der federführende Minister das Thema Arbeitsmarktpolitik für den ersten und zweiten Arbeitsmarkt nicht dogmatisch sehen, sondern dass sie sich um eine pragmatische Lösung kümmern werden. Wie ich von Anfang an, seit dem Jahr 1990, immer gesagt habe: Bei den dramatischen Brüchen, die wir in unserer Wirtschaftsstruktur und in unserem Arbeitsmarkt erlebt haben und bewältigen müssen, muss man pragmatisch vorgehen und sehen, dass es eben Problemgruppen gibt, denen man nur mit ganz gezielten Sondermaßnahmen helfen kann.
Auf der anderen Seite, meine Damen und Herren, steht inzwischen fest, dass die Mittel in Milliardenhöhe, die man in den so genannten zweiten Arbeitsmarkt gesteckt hat, nicht das gebracht haben, was alle wollten, die das getan haben, nämlich eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt zu bauen. Dieses Ziel ist leider nicht erreicht worden.
Deswegen finde ich es sehr gut und bin dankbar dafür, dass sowohl der neue Präsident der Bundesanstalt für Arbeit Florian Gerster als auch die Bundesregierung durch die Einsetzung der Hartz-Kommission deutlich gemacht haben, dass sie an dieser Stelle hohen Handlungsbedarf in dem Sinne sehen, dass man die Mittel, die zur Verfügung stehen, in Zukunft anders, gezielter im Sinne einer Förderung des ersten Arbeitsmarktes ausgeben wird.
Ich selbst kenne Herrn Hartz seit Jahrzehnten. Ich bin mir ganz sicher, dass die von ihm geleitete Kommission so manches, was man bei der Förderung des zweiten Arbeitsmarktes gewohnt ist, zur Seite schieben wird und stattdessen - wie ich das eben vorgetragen habe - Ansätze und Vorschläge finden wird, die viel stärker in die Richtung des ersten Arbeitsmarktes führen.