Ich möchte Ihnen sagen, Herr Gallert, in dem Antrag der Fraktion der PDS stehen viele Punkte, die ich durchaus für erstrebenswert halte. Hierbei geht es aber wirklich darum, auf diesem Weg stets alle mitzunehmen. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. - Nun folgen die Beiträge der Fraktionen. Für die FDP-Fraktion spricht Herr Lukowitz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, ich bin Ihnen sehr dankbar für die moderate Einleitung in die Debatte zu dem PDS-Antrag. Ich bin Ihnen auch dankbar dafür, dass Sie darauf verwiesen haben, dass die Initiative Mitteldeutschland nicht erst mit der Regierungsübernahme von CDU und FDP begonnen hat, sondern dass es dankenswerterweise schon gute Initiativen unserer Vorgängerregierung gibt. Das sollte man hier auch klar und deutlich sagen. Ich werde sicherlich nachher noch einige Aspekte aufzeigen.
Ich habe eine Sorge. Wenn ich mir die Diskussion in den letzten Wochen und Monaten in der Öffentlichkeit und auch den Antrag der Fraktion der PDS genau ansehe, dann muss ich feststellen, dass die gesamte Diskussion über die Initiative Mitteldeutschland im Augenblick viel zu behördenlastig geführt wird.
Wir vertreten die Auffassung, dass wir eher über die wirtschaftliche Zusammenarbeit reden müssen. Behördenzusammenführungen sind sicher wichtig und richtig, aber schlachtentscheidend, meine Damen und Herren, wird nicht das Behördendenken und das Behördenlenken sein, sondern die Entwicklung des gemeinsamen Wirtschafts- und Innovationsraumes Mitteldeutschland.
Dazu möchte ich auf eine ganze Reihe von Initiativen verweisen. Herr Ministerpräsident hat eine Initiative genannt. Es gibt noch andere Initiativen, an denen Sie, sehr geehrte Kollegin Budde, vor einigen Jahren mitgewirkt haben. Die haben Sie mit ins Leben gerufen.
Ich möchte nur einige Beispiele nennen, damit man auch einmal ein Gefühl dafür bekommt, was sich in Mitteldeutschland bereits auf der wirtschaftlichen Ebene be
wegt. Ich mache das nur stichpunktartig, denn sonst würde ich meine Redezeit sicherlich überschreiten.
Ich greife mir die chemische Industrie mit dem Projekt Polykum, einem Netzwerk leistungsfähiger Unternehmen und Forschungseinrichtungen, heraus. Das Ziel ist eine länderübergreifende Zusammenarbeit auf den Gebieten der Polymerentwicklung und der Kunststofftechnik. Ich erinnere daran, dass die chemische Industrie eine Kommunikationsplattform mit dem Namen bzw. mit dem Begriff „Dialog Chemie“ ins Leben gerufen hat, um eine Kommunikation zwischen Politik und Wirtschaft in den drei Bundesländern zu erzeugen. Ich erinnere an die Initiative der Fraunhofer-Gesellschaft mit dem Aufbau eines Demonstrationszentrums für Polymersynthese, an dem sich auch alle drei Länder beteiligen.
Ich gehe über zur Automobilindustrie und Frau Budde wird sicherlich die Abkürzungen sehr schnell erfassen. Es gibt die Marek-Automotive als Kernstruktur in Sachsen-Anhalt, an der sich 250 Unternehmen beteiligt haben. In Sachsen heißt dieses Automobilzulieferernetzwerk AMZ, in Thüringen heißt es Automobilzulieferer Thüringen - AZT. Diese drei großen Netzwerke, meine Damen und Herren, haben sich im April dieses Jahres in Halle darauf verständigt, zukünftig unter der Bezeichnung „Automobilzulieferinitiativen in Mitteldeutschland“ einen gemeinsamen Auftritt zu präsentieren.
Ähnliche Entwicklungen zeichnen sich etwa in der Tourismusbranche und in der Biotechnologie ab. Auch der Mittelstand geht sinnvolle Vereinigungen ein, insbesondere auf den Gebieten der Medizintechnik, wie in den letzten Wochen bekannt wurde.
Das sind wichtige wirtschaftliche Initiativen in allen Bereichen. Sie wirken sich auf das Zentrum in Mitteldeutschland, auch in Bezug auf die Tradition, die wir vor allen Dingen im wirtschaftlichen Bereich haben, aus. Ich glaube, das sind die wirklichen Initiativen, auf die wir die gesamte Entwicklung in Mitteldeutschland lenken müssen und auch politisch lenken sollten.
Zweitens gibt es für mich einen weiteren Punkt, der mir wichtig erscheint und der vom Ministerpräsidenten nicht angesprochen worden ist. Ich halte die Initiative Mitteldeutschland auch für wichtig, um im Chor der Bundesländer als ostdeutscher Interessenvertreter gegenüber den Westländern und dem Bund stärker auftreten zu können. Das wird nicht immer ganz einfach sein.
Zum Beispiel - dabei kann man Mitteldeutschland etwas erweitern - hat eine jüngste Initiative der Staatskanzleien von Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, bezogen auf die Verlängerung des Investitionszulagengesetzes, offensichtlich Erfolge gezeitigt. Ich finde, das ist auch ein wichtiger Punkt, wenn wir über solche Initiativen reden.
Drittens, meine Damen und Herren, sind es verständlicherweise auch die möglichen Synergien gemeinsamer Verwaltungslösungen - der Ministerpräsident hat sie angesprochen - bei Gerichtsbarkeit, Justizvollzug, Landesstatistik, Bergverwaltung usw.
Ich meine also, wenn ich alles zusammenfasse, es ist eine Menge auf dem Weg und es ist nicht so, wie es die SPD in den letzten Tagen sagte. Herr Gallert, Sie meinten, Herr Püchel würde das sagen; er hat „Flop“ gesagt
oder „sanfte Beerdigung“. Sie haben, wenn ich das richtig sehe, gesagt, Sie hätten Befürchtungen, dass die
Zusammenfassend möchte ich Ihnen sagen, was wir wollen und was wir nicht wollen. Wir wollen eine prosperierende Länder übergreifende Initiative Mittelstand. Wir wollen, dass von ihr vor allem ein spürbarer mehrwertorientierter Impuls auf die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt ausgeht. Wir wollen hierzu eine hohe politische Dynamik der Landesregierung, das sage ich klar und deutlich.
Wir halten nichts von der Einengung im PDS-Antrag auf nahezu ausschließlich staatliche Verwaltungsprozesse. Herr Gallert, Sie haben das in Ihrem Beitrag etwas relativiert. Aber wenn man den Antrag so liest, wie Sie ihn vorgelegt haben, dann kommt man zu der Auffassung, dass es nur um Verwaltung und nicht um die Wirtschaft und um die Mitnahme der wirtschaftlichen Möglichkeiten geht, die die drei Länder haben.
Wir halten - dazu habe ich eine andere Meinung als der Ministerpräsident, meine Damen und Herren - nichts von zusätzlichen überparlamentarischen Gremien. Das würde aus unserer Sicht nur befrachten, zusätzliche Bürokratie erzeugen und die unbedingt notwendige Flexibilität und Dynamik, die eine Landesregierung für solche Absprachen und Vereinbarungen braucht, behindern.
Meine Damen und Herren! Ich bin aber sehr dafür, dass wir weiterhin zu diesem Thema im Dialog bleiben. Wir wollen sicherlich den Antrag heute nicht beschließen; denn dann kann man nicht mehr miteinander im Dialog sein. Ich schlage Ihnen vor, dass wir Ihren Antrag in mehrere Ausschüsse überweisen, damit wir eine möglichst breite Diskussion entfachen. Federführend sollte der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sein. Ich halte es für unbedingt notwendig, dass sich der Wirtschaftsausschuss damit beschäftigt, und beantrage auch eine Überweisung an den Ausschuss für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Lukowitz, ich fand Sie eben einfach klasse. Ich danke Ihnen ganz herzlich dafür, dass Sie noch einmal gesagt haben, was wir in den vergangenen Jahren geleistet haben, an guten Dingen getan haben. Denn als die Initiative Mitteldeutschland vor einem guten Jahr vorgestellt wurde, war davon nicht die Rede. Da haben Sie beim Punkt Null begonnen, da gab es keinen Vorlauf. Heute, wo Sie Schwierigkeiten damit haben, da sagen Sie: Unsere Vorgänger haben schon eine ganze Menge gemacht, wir setzen es nur fort. - Danke schön für das Kompliment.
Dann möchte ich gern mit zwei Zitaten beginnen. Herr Gallert hat schon darauf hingewiesen. Den „Flop“ lasse ich jetzt weg, das würde sich wiederholen. Wir haben noch andere Dinge. Zitat Nr. 1:
„Wenn man nicht zu viele Erwartungen daran bindet, dann ist es eine gute Idee, den Raum Mitteldeutschland vor allem auch international stär
„Mitteldeutschland darf nicht durch ‚Fusionitis‘ belastet werden. Sinnvoller ist, gelegentlich gemeinsame Interessen gegenüber dem Bund zu artikulieren. Das kann man gemeinsam auch besser, als wenn jeder für sich allein auftritt.“
Ich glaube, Herr Ministerpräsident, über dieses Interview haben Sie sich, als Sie es heute gelesen haben, geärgert. Es kam genau zum falschen Zeitpunkt.
Jetzt möchte ich mit einem Zitat vom 29. August 2002 kommen, und zwar aus der Einführungsrede des Ministerpräsidenten zur Initiative Mitteldeutschland:
„Diese Agenda wird in den nächsten Jahren die Richtschnur unseres Handelns sein. Ich denke, es ist nicht vermessen zu sagen, dass wir damit ein neues Kapitel der Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern einläuten.“
„Zusammenkommen ist ein Beginn, Zusammenbleiben ist ein Fortschritt, Zusammenarbeiten ist ein Erfolg.“
Fazit: Zusammengekommen sind sie damals, zusammengeblieben sind sie nur im Ansatz, zur Zusammenarbeit ist es eigentlich nicht gekommen.
Ich freue mich überhaupt nicht, wenn es in diesem Land nicht vorangeht. Aber nach Ihren Ankündigungen muss man einfach Klartext reden. Im Klartext heißt das: Da wollten drei Ministerpräsidenten als Tiger starten und sind dann gemeinsam als Bettvorleger gelandet.
- Warten Sie doch bitte mal. - Meine Damen und Herren! Fakt ist: Der Ministerpräsident hat mit der Initiative Mitteldeutschland große Erwartungen geweckt - auch bei Ihnen -, die nicht erfüllt worden sind. Fakt ist: Der Ministerpräsident muss aufpassen, dass er nicht als „Ankündigungsministerpräsident“ in die Geschichte eingeht.
Es ist nicht nur die Initiative Mitteldeutschland. Unvergessen ist Ihr Auftritt vor der IHK im Monat Januar, als Sie sagten: Wir überlegen allen Ernstes, eine Tarifgemeinschaft Mitteldeutschland zu bilden. Wenige Wochen später sagten Sie vor der Gewerkschaft ver.di genau das Gegenteil. Beide Male bekamen Sie Beifall für die jeweils gegenteilige Meinung.
Unvergessen ist auch Ihre Rede vor den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern in Halle, als Sie im November oder Dezember letzten Jahres sagten: Wir wollen Fördermittel umschichten in die allgemeinen Zuweisungen, damit Sie mehr Handlungsspielraum haben. Leider ist uns dies noch nicht für das Jahr 2003 gelungen, aber im Jahr 2004 werden sie 100 Millionen € zur freien Verfügung bekommen.