Protokoll der Sitzung vom 21.11.2003

Danke, Herr Minister. - Die PDS hat auf einen Redebeitrag verzichtet. - Somit rufe ich Herrn Abgeordneten Schulz für die CDU-Fraktion auf. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Werte Kameraden! Im Namen der CDU-Fraktion möchte ich mich ausdrücklich den Dankesworten des Kollegen Kosmehl und auch des Ministers Becker anschließen.

Zur territorialen Wehrorganisation der Bundeswehr zählen insgesamt vier Wehrbereichskommandos. Zu Ihnen gehören insgesamt 27 Verteidigungsbezirkskommandos, davon zwei in unserem Land - sie wurden bereits genannt -: das VBK 81 in Halle und das VBK 82 in Magdeburg. Diese beiden Verteidigungsbezirkskommandos haben bei uns jeweils zwei Verbindungskommandos auf der Kreisebene, die ebenfalls bereits genannt wurden: Eisleben, Köthen, Blankenburg und Stendal.

Welche Aufgaben hat ein Verteidigungsbezirkskommando? - Ein Verteidigungsbezirkskommando ist zuständig für die Koordination der im Verteidigungsbezirk stationierten oder zum Einsatz kommenden Großverbände. Es vertritt die Belange der Streitkräfte gegenüber zivilen Behörden und natürlich auch umgekehrt die Belange der zivilen Behörden gegenüber der Bundeswehr. Es ist zuständig für die Koordination der Aufgaben im Rahmen der Katastrophen-, Not- und Amtshilfe. Es organisiert Objektschutz an ausgewählten Objekten und ist zuständig für den Personalersatz sowie für das Führen der zuständigen Truppenteile.

Die VBKs treffen Alarm- und Mobilmachungsvorbereitung und stellen im Bedarfsfall deren Durchführung sicher. Sie koordinieren die Führungsunterstützung, die Instandsetzung, die medizinische Versorgung, die Pionier- und Umweltschutzmaßnahmen und andere Aufgaben in ihrem Gebiet.

Die Verbindungskommandos auf der Ebene der Landkreise unterstützen die Verteidigungsbezirkskommandos in Verbindung mit den Landkreisen bzw. mit den Gemeinden. Sie erfüllen eine Mittlerfunktion zwischen den Verteidigungsbezirkskommandos und der unteren zivilen Ebene. Sie stehen in Arbeitsbeziehungen zu den Behörden und Dienststellen. Sie nehmen an Besprechungen teil. Sie führen Informationsveranstaltungen und Einweisungen durch und sind zuständig für die Entgegennahme und die Bearbeitung von Unterstützungsersuchen.

Darüber hinaus bilden sie weitere, nicht aktive Verbindungskommandos aus.

Soviel nur zu den wichtigsten Aufgaben, meine sehr verehrten Damen und Herren, damit Sie auch einmal gehört haben, welche Aufgaben die genannten Institutionen noch wahrnehmen und wahrzunehmen haben.

Wie Sie sicherlich mitbekommen haben, befindet sich unsere Armee in einem grundlegenden Struktur- und Aufgabenwandel, auch wenn vieles, das ihr - ich sage es ausdrücklich - in den letzten zehn Jahren unter der Überschrift „Reform“ widerfahren ist, auf einen Schrumpfungsprozess hinausläuft.

Zwei Stichtage markieren diesen Prozess: der 9. November 1989 und der 11. September 2001. Als Reaktion auf diese Ereignisse gab Verteidigungsminister Struck mit seinen verteidigungspolitischen Richtlinien vom Mai dieses Jahres die klassische Landesverteidigung auf. Verteidigt wird Deutschland zukünftig am Hindukusch - so seine Devise.

Mit der Weisung für die Neuausrichtung der Bundeswehr vom 1. Oktober dieses Jahres hat er dieses Vorhaben manifestiert. Dass diese neue Politik nicht ohne Auswirkungen auf die territoriale Wehrorganisation - einschließlich der Verteidigungsbezirkskommandos und der Verbindungskommandos - bleiben wird, ist offensichtlich.

Bereits vor einem Jahr habe ich den Innenminister auf mögliche Veränderungen in diesem Bereich hingewiesen. Die geplante Schließung zweier Verbindungskommandos wurde vom Bundesministerium der Verteidigung nicht vollzogen.

Zwei Gründe sprechen für mich nun gegen eine Zerschlagung dieser Strukturen.

Erstens. Auch wenn die akute Bedrohung der territorialen Integrität Deutschlands subjektiv und objektiv massiv abgenommen hat und die Gefahr eines Angriffs auf unser Land unwahrscheinlicher geworden ist, bedeutet dies keinen Blankoscheck für die Zukunft. Sicherheitsvorsorge heißt auch, für den unwahrscheinlichen Fall vorzusorgen. Ich halte es deshalb für falsch, die klassische Landesverteidigung aufzugeben. Strukturen abzubauen geht rasch; sie im Bedarfsfall aber wieder aufzubauen, dauert erheblich länger.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Zweitens. Mit ihrem sehr wichtigen Beitrag in der zivil- militärischen Zusammenarbeit, insbesondere bei der Hochwasserkatastrophe 2002, stellten sie unter Beweis, dass sie ein notwendiges Bindeglied zwischen Bundeswehr und zivilen Einrichtungen sind. Erst recht vor dem Hintergrund der größer werdenden terroristischen Gefahr ist eine Zerschlagung vorhandener Strukturen abzulehnen. Ich möchte nur daran erinnern: Nairobi, New York, Bagdad, jetzt erst Istanbul - im Wesentlichen englische Einrichtungen -, demnächst ist vielleicht London an der Reihe, Berlin, Stuttgart, Magdeburg.

Mit unserem Antrag bitten wir die Landesregierung, sich beim Bund für den Erhalt unserer Verteidigungsbezirkskommandos und der Verbindungskommandos einzusetzen. Die Zeit drängt. Noch in diesem Monat soll die neue Konzeption der Bundeswehr, die Struktur- und Organisationsplanung, veröffentlicht werden. Ende Januar folgt der Entwurf des Stationierungskonzeptes. Vielleicht sprechen wir an dieser Stelle dann wieder zu diesem Thema. Im April 2004 folgt die Detailplanung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie, im Interesse der Bevölkerung unseres Landes diesem Antrag zuzustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke, Herr Abgeordneter Schulz. - Für die SPD-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Rothe das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schulz hat eben die Zuständigkeiten der Behörden der territorialen Wehrorganisation zutreffend beschrieben. Die Arbeit der Verteidigungsbezirkskommandos und der Verteidigungskreiskommandos sowie der vier übergeordneten Wehrbereichskommandos wird auch von der SPD-Fraktion anerkannt.

Herr Minister Becker, es tut gut, Sie einmal wieder in Ihrem innenpolitischen Element zu erleben. Sie haben diese Arbeit auch gewürdigt und in Verbindung gebracht mit der Bewältigung der Hochwasserkatastrophe. Auch dieses möchte ich ausdrücklich anerkennen.

Wir müssen aber auch die größeren Zusammenhänge im militärischen Bereich würdigen. Herr Schulz hat das Thema zumindest angerissen. Es geht in der Tat um ein längerfristiges komplexes Umsteuern weg von der klassischen Landesverteidigung hin zu einer territorial unabhängigen Krisenbewältigung. Die Schauplätze im internationalen Bereich haben Sie bereits erwähnt, Herr Schulz.

Das ist ein Prozess, der nicht erst gestern begonnen hat, sondern dazu hat zum Beispiel die so genannte Weizsäcker-Kommission wesentliche Arbeit geleistet, die im Mai des Jahres 2000 ihren Bericht über gemeinsame Sicherheit und die Zukunft der Bundeswehr vorgelegt hat.

In Weiterentwicklung dieses von der Weizsäcker-Kommission entwickelten konzeptionellen Ansatzes hat der Bundesverteidigungsminister mit seinen verteidigungspolitischen Richtlinien vom Mai dieses Jahres festgelegt, die Bundeswehr eindeutig - auch das hat Minister Becker schon erwähnt - nach militärischen und betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten aufzustellen. Das heißt dann eben auch, dass andere Gesichtspunkte nachrangig sind.

Diese Grundsatzentscheidung ist aus landespolitischer Sicht zu respektieren. Übrigens verhalten sich unsere Minister auch nicht anders.

Ich darf Sie, Herr Kollege Gürth, einmal ansprechen. Wir kennen aus Aschersleben die Diskussion, ob nicht die Fachhochschule der Polizei aus ihrem aus städtebaulicher Sicht periphären Standort in das Stadtinnere verlagert werden sollte,

(Minister Herr Dr. Daehre: Richtig!)

um das Zentrum städtebaulich aufzuwerten. Das ist ein Gesichtspunkt, den der Bauminister öffentlich unterstützt, aber das Innenministerium verhält sich zögerlich, weil es den Städtebau nicht als seine Aufgabe betrachtet. Ähnlich legitim ist es, wenn der Verteidigungsminister sagt, dass er sich an den militärischen Gesichtspunk

ten orientiert und nicht an regionalen Gesichtspunkten innerhalb eines Landes, der Wirtschaftsförderung oder auch der gesellschaftlichen Verbindung. Das ist eine ähnliche Denkweise, die auch von den Haushaltszwängen diktiert wird.

Meine Damen und Herren! Die Verteidigungsbezirkskommandos und Verteidigungskreiskommandos sind Teil der so genannten Streitkräftebasis, die neben die vorhandenen Teilstreitkräfte getreten ist.

Kollege Kosmehl hat vorhin auf den Aufstellungsappell hingewiesen, der kürzlich in Burg stattgefunden hat und wo zahlreiche Soldatinnen und Soldaten zu Missionen in Bosnien, im Kosovo und in Afghanistan verabschiedet worden sind. Die Alternative ist dann tatsächlich, ob wir den Soldatinnen und Soldaten, die zu diesen riskanten Auslandseinsätzen gehen, eine entsprechende Ausrüstung mitgeben, sie entsprechend ausstatten, oder ob wir an anderer Stelle Dinge beibehalten, die wir uns bisher haben leisten können.

(Minister Herr Dr. Daehre: Richtig!)

So hart stoßen sich die Dinge dann im Raum.

Wenn ich Aschersleben noch einmal erwähnen darf: Aus Aschersleben ist ein junger Soldat dabei gewesen, als im Juni in Kabul der Anschlag auf einen Bus stattfand. Im Nachhinein fragt man sich natürlich, ob man nicht den Schutz in technischer und in anderer Hinsicht besser hätte organisieren können. Das ist aber auch wieder ein finanzielles Problem.

Ich werbe einfach um Verständnis dafür, dass der unveränderte Fortbestand der territorialen Infrastruktur nicht möglich sein wird. Wir sind gern bereit, den Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP an den Innenausschuss zu überweisen, um uns dort fortlaufend berichten zu lassen und erforderlichenfalls aus landespolitischer Sicht zu reagieren. Im Falle einer Direktabstimmung über den Antrag würden wir uns jedoch ablehnend verhalten.

Die Bundesregierung bedarf für die Bundeswehrreform nicht des Einsatzes der Landesregierung. Die Landesregierung ist offensichtlich mit ihrer eigenen Verwaltungsreform ausgelastet. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD - Minister Herr Dr. Daehre: Das habt ihr aber anders gesehen, als Helmut Kohl Bundeskanzler war!)

Danke, Herr Abgeordneter Rothe. - Für die FDP-Fraktion wird der Abgeordnete Herr Kosmehl sprechen. - Nein, Herr Kosmehl verzichtet.

Dann treten wir in das Abstimmungsverfahren zur Drs. 4/1150 ein. Herr Rothe hat eine Überweisung an den Innenausschuss beantragt. Wer dieser Überweisung zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das ist die SPD-Fraktion. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich? - Das ist die PDSFraktion. Damit ist die Überweisung abgelehnt, wir werden also direkt über den Antrag abstimmen.

Wer dem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die SPD-Fraktion und Teile der PDS-Fraktion. Wer enthält sich? - Die Mehrheit der PDS-Fraktion. Damit ist der Antrag angenommen und wir verlassen den Tagesordnungspunkt 22.

Den Tagesordnungspunkt 23 haben wir schon abgearbeitet. Deshalb rufe ich jetzt den Tagesordnungspunkt 24 auf:

Beratung

Grundsatzentscheidung über die Wiederentstehung des Salzigen Sees nicht länger hinauszögern

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 4/1153

Alternativantrag der Fraktion der SPD - Drs. 4/1190

Einbringer für die PDS-Fraktion ist der Abgeordnete Herr Dr. Köck. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, es ist das vorletzte Mal, dass wir in dieser Runde über den Salzigen See debattieren müssen; denn im Juli des Jahres 2002 hat der Landtag beschlossen, dass die Landesregierung nach Vorliegen der Entscheidung der EU hinsichtlich der Finanzierung der Wiederentstehung des Salzigen Sees über die Strukturfonds dem Landtag eine entsprechende Entscheidung zuleiten solle.

Die Entscheidung in Brüssel ist inzwischen gefallen, und zwar im Ergebnis so, wie das eigentlich viele angesichts des relativ ungünstig ausfallenden Kosten-Nutzen-Verhältnisses bereits befürchtet hatten.

Die Angst, für das Scheitern verantwortlich gemacht zu werden, ließ die Bereitschaft für das Treffen einer klaren Entscheidung pro oder kontra rapide sinken. Das war unseres Erachtens auch einer der wesentlichen Gründe für das Hinauszögern der Einreichung des Antrages bei der EU. Doch anstatt sich für diesen absehbaren Fall rechtzeitig Gedanken über Alternativen zu machen, wie wir es schon mehrfach vorgeschlagen hatten, wurde auf Zeit gesetzt.

Frau Ministerin Wernicke stellte in ihrem Redebeitrag im Juli vergangenen Jahres mit einem Seitenhieb in Richtung SPD fest, dass dieses Projekt fast das einzige gewesen sei, das der Vorgängerregierung für das Mansfelder Land eingefallen sei. Doch die jetzige Landesregierung unterscheidet sich - jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt - um keinen Deut von ihrer Vorgängerin.