Protokoll der Sitzung vom 12.12.2003

- Lassen Sie mich doch einmal ausreden. - Sie haben in Ihren Vorschlägen aber ein Weiteres getan. Sie wollten Gemeinden, die keine 1 000 Einwohner haben, nicht mehr als selbständige Gemeinden haben. Sie wollten nicht die Verwaltungsgemeinschaft, sondern das Modell einer Verbandsgemeinde haben. Sie wollten auch nicht, dass eine größere Gemeinde, die über eine entsprechende Leistungskraft in ihrem Rathaus verfügt, Nachbargemeinden, die selbständig bleiben wollen, aus diesem Rathaus mit verwaltet. Das war der gravierende Unterschied.

Wir haben jetzt ein Gesetz auf den Weg gebracht, in dem vorgegeben ist, dass Verwaltungsgemeinschaften und sich selbst verwaltende Gemeinden eine bestimmte Größenordnung haben müssen. Ich sage es an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich: Das ist nicht das entscheidende Kriterium bei der Frage, wie leistungsfähig eine Verwaltung ist.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Überhaupt kein Kriteri- um!)

Es hat aber immer einen Bezug; denn es kommt darauf an, mit wie vielen Mitarbeitern pro 1 000 Einwohner in einem kommunalen Verwaltungsbereich man möglichst auskommen sollte. Wenn man sich hierbei einen Vergleich dieser Zahlen in Deutschland ansieht, dann lägen wir, wenn wir diese Zahlen erreichten - wir haben sie noch nicht in allen kommunalen Verwaltungen -, im guten deutschen Durchschnitt.

Folgendes gehört dazu: Wenn ich dort qualifiziertes Personal, das auch entsprechend zu besolden ist, beschäftigen möchte, dann müssen die Beschäftigten in ihren 40 Wochenstunden auch entsprechend ausgelastet sein. An dieser Stelle kommt zum Beispiel die Anzahl der in diesem Verwaltungsbereich lebenden Einwohner mit zum Tragen. Ein Stück weit gibt es schon eine Verbindung zwischen Einwohnerzahl und Personalbesatz in den Verwaltungen, aber eben nicht nur.

In einer Region, in der wirtschaftlich mehr zu beackern ist - ich nenne einmal den Bereich der chemischen Industrie -, und in einer Region, in der mehr Landwirtschaft zu Hause ist, hat auch das Einfluss auf das Verwaltungshandeln, auf das Aufgestelltsein einer Verwaltung, und nicht nur die Einwohnerzahl.

Wir haben uns für diesen Weg entschieden. Deshalb möchte ich zumindest auf das, was an Klarheit - nicht an Unklarheit, Herr Gallert - vorliegt, kurz eingehen. Ziel unseres Gesetzesvorhabens ist es, bis zum 31. Dezember 2004 landesweit leistungsfähigere Strukturen zu schaffen, die die gemeindliche Ebene in die Lage versetzen, ihre Aufgaben dauerhaft und mit der nötigen Qualität zu erfüllen. Dabei geht es darum, dass neben den heute bereits vorhandenen Aufgaben auch die zum 1. Januar 2005 zu übertragenden Aufgaben effektiv wahrgenommen werden können. Außerdem sollen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass zukünftig weitere Aufgaben auf die gemeindliche Ebene übertragen werden können.

Für die Umsetzung des Reformvorhabens hat das Ministerium des Innern ein Verfahren gewählt, das in der jüngeren Geschichte des Landes Sachsen-Anhalt seinesgleichen suchen kann. Es fanden landesweit Gespräche mit den Betroffenen statt, um bereits im Vorfeld unter Einbindung der kommunalen Ebene Entscheidungsgrundlagen zu sammeln.

Vom ersten Tag an war es unser Ziel, alle Überlegungen zur Reform auf gesicherte Informationen der Gemeinden, Verwaltungsgemeinschaften und Landkreise, also der Basis unseres Landes, stützen zu können. Aus diesem Grund habe ich sehr frühzeitig mit allen Landräten unseres Landes intensive Gespräche über die Möglichkeiten einer Neuordnung der Verwaltungsgemeinschaften geführt. Es bestand Einvernehmen darüber, dass es dringend notwendig ist, die Ebene der Verwaltungsgemeinschaften zu stärken.

Im Übrigen - einige wissen es, Kollege Püchel mit Sicherheit - gab es Ende der 90er-Jahre auch Gutachten

zu der Frage, wo Strukturreformbedarf besteht. Die Aussagen darin waren deutlich: im Bereich der Landesverwaltung, im Bereich der gemeindlichen Verwaltung - akut -, auf der kreislichen Ebene sicherlich auch, aber nicht vordringlich. Wir wenden uns nun der gemeindlichen Ebene zu.

Alle Gemeinden unseres Landes hatten die Möglichkeit, sich im Rahmen der in allen Landkreisen durchgeführten Kreiskonferenzen über das Gesetz zu informieren. Die Bürgermeister und die Leiter der gemeinsamen Verwaltungsämter wurden zu ihren Vorstellungen zur Umsetzung der Reform befragt. Parallel zu diesen Gesprächen mit den Landräten und den Kreiskonferenzen fanden und finden zahlreiche Beratungen auf Wunsch von Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften auf Arbeitsebene in meinem Ministerium unter Beteiligung der Regierungspräsidien und der Landkreise statt.

Das Interesse der Betroffenen ist sehr groß. Die vielen Detailfragen zeigen, dass sich die Betroffenen mit dem Gesetz intensiv befasst haben, die Reform aktiv aufnehmen und die Schaffung neuer Strukturen vorantreiben. Viele Gemeinden nutzen die neue Situation, um auf freiwilliger Basis Verhandlungen über die Bildung größerer und leistungsstärkerer Verwaltungsgemeinschaften oder Einheitsgemeinden zu führen.

Aufgrund der bisher geführten Gespräche und der Auswertung der Kreiskonferenzen habe ich die berechtigte Hoffnung, dass sich sehr viele Gemeinden freiwillig zu leistungsfähigeren Einheiten zusammenfinden werden.

(Zustimmung von Herrn Madl, CDU, von Herrn Laaß, CDU, und von Minister Herrn Dr. Daehre)

In diesen Wochen wird die Auswertung der Kreiskonferenzen abgeschlossen. Das Zwischenergebnis ist ermutigend. Im Januar 2004 wird die Auswertung der Fragebögen vorliegen, welche an alle Gemeinden des Landes versandt wurden. Im Anschluss daran wird bereits zu erkennen sein, wie sich die Interessenlage vor Ort gestaltet. Auf dieser Grundlage werden dann Verordnungsentwürfe erarbeitet und zur Anhörung freigegeben.

Parallel zum Anhörungsverfahren werden die betroffenen Gemeinden innerhalb einer von der oberen Kommunalaufsichtsbehörde festgesetzten Frist nochmals die Gelegenheit erhalten, freiwillig Gemeinschaftsvereinbarungen oder Gebietsänderungsverträge zur Genehmigung vorzulegen. Die Anhörung und die Fristsetzung durch die obere Kommunalaufsichtsbehörde wird noch vor den Wahlen im nächsten Jahr abgeschlossen sein.

An dieser Stelle, Herr Grünert, ein Hinweis: Die Regelungen im Kommunalwahlgesetz haben nichts damit zu tun, wie sich Verwaltungsgemeinschaften strukturieren. Hierbei handelt es sich um selbständige Gemeinden, die alle am Wahltermin ihren Gemeinderat wählen.

(Zustimmung bei der CDU, von Minister Herrn Dr. Daehre und von Minister Herrn Becker)

Aber auch in den Fällen, in denen eine Zuordnung erforderlich werden würde, sollen die Ergebnisse der zahlreichen Gespräche mit Landräten, VG-Leitern, Bürgermeistern, Gemeinderäten und Bürgern Grundlage der Entscheidung des Innenministeriums sein.

Eine maßvolle Fortentwicklung und Stärkung der Verwaltungsgemeinschaften unter Wahrung des Selbstverwaltungsrechts der Mitgliedsgemeinden dient sowohl dem Ziel der Beibehaltung vielfältiger gemeind

licher Strukturen als auch der Optimierung der Verwaltungskraft der bürgernächsten Verwaltungsebene.

Bis zum 31. Dezember 2004 wollen wir dieses Ziel erreicht haben. Ich bin davon überzeugt, dass sich der vor uns liegende Kraftakt auszahlen wird. Meine Damen und Herren! Im Anschluss an die Reform der Verwaltungsgemeinschaften wird die Schaffung leistungsfähigerer Strukturen auf der Ebene der Landkreise vorbereitet. Auch hierzu - ich sage das, damit ein Missverständnis ausgeräumt wird - hat die CDU in der letzten Legislaturperiode nicht gesagt: Das ist tabu. Da gibt es nie etwas.

Unsere Forderung war immer - soeben haben Sie das ein wenig bestätigt, Herr Gallert -, dass zunächst die Frage der Strukturen der Landesverwaltung und die Frage der Aufgaben, die die Landkreisebene wahrzunehmen hat, klar sein müssen und dass man dann über Strukturveränderungen bei den Landkreisen nachdenkt. An dieser Linie, auch in der zeitlichen Abfolge, halten wir fest.

(Zustimmung von Minister Herrn Dr. Daehre)

Der Koalitionsausschuss hat kürzlich beschlossen, dass eine Neuordnung der Landkreise zum Jahr 2008 abgeschlossen sein soll. Ein Vorziehen auf einen früheren Zeitpunkt könnte zu einer Überforderung im Land führen. Deshalb halten wir an der Linie der zeitlich gestaffelten Reform fest.

Ich sage Ihnen zu der Bemerkung zu dem Risiko, es könnte zu einer Überforderung kommen, was damit gemeint ist. Wir bauen die Landesverwaltung um. Wir bilden ab dem 1. Januar des nächsten Jahres ein neues Landesverwaltungsamt, das vielfältige neue Aufgaben aufnimmt. Da ist jedem klar - das wird hier gelegentlich auch beklagt -, dass innerhalb dieser Behörde zunächst auch eine gewisse Unruhe herrscht und dass dies mit einem Sich-neu-Finden beim Erledigen der Aufgaben einhergeht.

Gleichzeitig sind wir auf der Ebene der Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften für das Jahr 2004 in einer relativ großen und zeitaufwendigen Aktion dabei, die Strukturen der gemeindlichen Verwaltungen hinzubekommen.

Für beides brauchen Sie auch die Mitarbeiter auf Landkreisebene und die Landkreisebene. Wenn Sie in dieser Phase auch noch Veränderungen unmittelbar in diesem Bereich anschieben, dann ist die Sorge schon da, ob Sie auch auf der Ebene der Landkreisverwaltung die Begleitung für die Prozesse im gemeindlichen Bereich und auch das Einmal-eine-Weile-Verzichten auf ständige Beratungen oder ständige Information aus dem Landesverwaltungsamt hinbekommen. Deswegen ist darin ein gewisses Risiko.

Lassen Sie mich die klaren Strukturen unserer Reformvorhaben wiederholen: Reform der Landesverwaltung, Bildung des Landesverwaltungsamtes und Eingliederung von Sonderbehörden, Fortentwicklung der Verwaltungsgemeinschaften und weitere kommunale Aufgabenverlagerung, Aufgabenkritik, Deregulierung, Prüfung von Privatisierungsmöglichkeiten und Funktionalreform.

Zunächst wird die Reform der Verwaltungsgemeinschaften auf der Grundlage des Gesetzes zur Fortentwicklung der Verwaltungsgemeinschaften und zur Stärkung der gemeindlichen Verwaltungstätigkeit bis zum 31. Dezember 2004 abgeschlossen. Auch bei der Reform der Landkreise setzt die Landesregierung auf das gleiche trans

parente Verfahren, das sich gegenwärtig bei den Verwaltungsgemeinschaften bewährt.

Zum ersten Halbjahr 2004 wird eine Bestandsaufnahme zur Stadt-Umland-Problematik - Herr Gallert, Sie sprachen es an - auf Arbeitsebene in meinem Ministerium erstellt werden, um, wie im Koalitionsvertrag nach Ablauf von zwei Jahren vorgesehen, zu prüfen, ob gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht.

Anschließend erfolgen die Erarbeitung der Leitvorstellungen zur erforderlichen Landkreisstruktur und der Beginn einer Leitbilddiskussion unter Beteiligung der Betroffenen und der kommunalen Spitzenverbände. Es erfolgt anschließend, weil wir zu dem Zeitpunkt Klarheit haben über die Aufteilung der Aufgabenwahrnehmung zwischen Land und kommunaler Ebene und auf kommunaler Ebene zwischen Landkreis und Gemeinde. Ab dem Jahr 2006 soll die Neuordnung der Landkreise durch Gesetz zum Frühjahr 2008 erfolgen.

Meine Damen und Herren! Die Landesregierung verfolgt ein klares, zeitlich gestaffeltes Konzept. Soweit die Fraktion der PDS von konzeptionslosem Vorgehen, das angeblich einer Klarstellung durch eine Regierungserklärung bedürfte, spricht, vermag ich diese Einschätzung aus sachlichen und fachlichen Gründen nicht zu teilen.

(Zustimmung von Herrn Scharf, CDU)

Nach einem Blick in die Koalitionsvereinbarung hätte auch der PDS klar werden müssen, dass die Landesregierung bei ihrem zeitlich gestaffelten System der Reformen im Land Sachsen-Anhalt bleibt und dieses konsequent umsetzt.

(Zustimmung bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Wer alles auf einmal möchte, meine Damen und Herren, der erreicht nichts. Es gibt Fraktionen in diesem Haus, die kennen das aus Zeiten, in denen sie in der Verantwortung standen, sehr genau. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank - Frau Dr. Kuppe, SPD: Jetzt ist es besser?)

Herr Minister, sind Sie bereit, eine Frage des Abgeordneten Herrn Dr. Köck zu beantworten?

Ja.

Herr Dr. Köck, bitte.

Sie haben die Stadt-Umland-Problematik angesprochen. Mich interessiert der Punkt - die Freiheitsgrade reduzieren sich doch für bestimmte Möglichkeiten -, dass es die Vorstellung gibt - entsprechend gibt es sie auch in der Stadt Halle; sie ist nicht die meine -, die Problematik durch Eingemeindungen zu lösen, wenn jetzt neue Gemeindestrukturen eingeführt werden. Meinen Sie, dass die von der letzten Kreisgebietsreform noch offene Fragestellung zur Stadt-Umland-Problematik Halle nicht vielleicht einer gesonderten und schnelleren Beantwortung bedarf?

Herr Dr. Köck, das ist die schon immer da innewohnende Diskussion auch aus dem Beschluss bei der Kreisgebietsreform 1994, dass das Stadt-Umland-Problem - hier ist es speziell Halle, aber auch andere Städte haben es - nur dadurch gelöst werden kann, dass man Eingemeindungen vornimmt. Die Beschlüsse haben dieses jedenfalls als das einzige Instrument nie gemeint. Das meine ich auch heute noch.

Es stellen sich solche Fragen wie, wie arbeitet eine große Stadt und meinetwegen auch eine kreisfreie Stadt mit ihrem Umland zusammen, nämlich mit den Partnern im gemeindlichen und auch im Bereich der Landkreise, und reicht das, was an Instrumentarien da ist, zur Zusammenarbeit aus, haben sie es ausgeschöpft, oder gibt es einfach Widerstand, dass man es nicht möchte, sodass der Gesetzgeber die Zusammenarbeit zwischen einer größeren Stadt und ihrem Umland im Zweifel gesetzlich normieren muss.

Das ist ein großer Unterschied, als wenn man es so beantworten würde: Die größeren Städte haben ein Problem; das lässt sich ganz schnell lösen. Herr Polte wollte das einmal. Die Stadt Magdeburg sollte durch Eingemeindungen so groß wie Braunschweig werden. Das hatte ich jedenfalls einmal gelesen.

(Herr Dr. Polte, SPD: Nein! Das stimmt überhaupt nicht!)

- Doch, die Wünsche waren allemal da. - Mit der Eingemeindungen allein löst man das Problem jedenfalls nicht. Diese Bewertung der Stadt-Umland-Problematik hebt ab auf die Fragen, wie kommt eine große Stadt bei allen Problemen, die städtisch sind, mit den vielleicht anders gearteten Problemen des Umlandes klar, und wie können die Partner - Umlandgemeinden, Umlandlandkreise und eine große kreisfreie Stadt - das miteinander regeln. Wenn sie es allein nicht können, dann müssen sie vielleicht Vorgaben bekommen. Das ist Prüfungsauftrag und das wird erledigt.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren! Die Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion wird eröffnet durch den Abgeordneten der FDP-Fraktion Herrn Wolpert. Bitte sehr, Herr Wolpert.