Protokoll der Sitzung vom 12.12.2003

Wir halten es übrigens für sachlich geboten, dass sich auch die Fachleute des Landtages mit den Hochschulgesetzen der anderen Bundesländer vertraut machen und Anregungen aufgreifen.

Der Wille zu einer solch weitreichenden Veränderung, wie sie der Übergang in die Rechtsform einer Stiftung

bedeutet, kann nur aus der Hochschule selbst kommen. Die Entscheidung bedarf einer Zweidrittelmehrheit des Senats.

Eine Stiftung - das ist für mich besonders wichtig - gilt als Institution der Bürgergesellschaft. Deshalb verbinden wir mit der Möglichkeit einer Stiftungshochschule die Erwartung, dass sich deren Studierende, die Beschäftigten und die Alumni in besonderem Maße mit ihrer Hochschule identifizieren.

Auch wenn derzeit noch keine unserer Hochschulen die Absicht bekundet hat, in die Rechtsform einer Stiftung übergehen zu wollen, und bei uns gegenwärtig bestimmte Voraussetzungen auch noch nicht gegeben sind, sollte jetzt - da wir das Hochschulgesetz wohl nicht jedes Jahr ändern wollen - die rechtliche Vorsorge getroffen werden. Die Erfahrungen der Universität Göttingen oder der Fachhochschule Oldenburg als Stiftungshochschulen werden auszuwerten sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion hat sich in ihrem Gesetzentwurf von dem Gedanken leiten lassen, bewährte Elemente aus dem geltenden Hochschulgesetz fortzuschreiben, Vorschriften aus den Novellen zum Hochschulrahmengesetz des Bundes in Landesrecht umzusetzen und neuere Entwicklungen auch aus anderen Politikfeldern als Anregung aufzunehmen.

Wir wollen, dass sich die Hochschulen Sachsen-Anhalts in den nächsten Jahren einen achtbaren Platz im europäischen Hochschulraum erarbeiten. Dazu bedarf es unserer Auffassung nach straffer Leitungsfunktionen, straffer Leitungsstrukturen und einer funktionierenden Hochschulautonomie. Die übermäßigen Genehmigungsvorbehalte des Ministeriums aber, die sich durch Ihren ganzen Regierungsentwurf ziehen, Herr Olbertz, höhlen in unzumutbarer Weise die Hochschulautonomie aus. Es ist verfehlt, eine Hochschule wie eine Behörden führen zu wollen.

Das Verhältnis zwischen Staat und Hochschulen kann noch am besten mit dem Verhältnis zwischen Staat und Kommunen beschrieben werden. Es gilt, die staatliche Verantwortung, die Freiheit von Lehre und Forschung und den Selbstverwaltungsauftrag der Hochschulen in einem zukunftsfähigen Verhältnis zu entwickeln.

Auf der Seite der Hochschulen erfordert nach unserem Verständnis ein Zuwachs von Autonomie auch das Vorhandensein von ausreichend demokratischen Strukturen innerhalb des Lebensraumes Hochschule.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion plädiert erneut dafür, dass wir uns im Landtag auch nach der Anhörung am 28. Januar 2004 ausreichend Zeit für eine sorgfältige Gesetzesberatung lassen. Ich habe Signale aus den Fraktionen der CDU und der FDP bekommen, dass sie diese Meinung teilen. Ich hoffe, dass wir zu einem guten Einvernehmen kommen. Alle Argumente, alle Stellungnahmen, die bei uns eingehen, müssen auf Herz und Nieren geprüft werden, damit am Ende ein guter Rahmen für die Entwicklung unserer Hochschulen in Sachsen-Anhalt steht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte um die Überweisung des Gesetzentwurfes in den Ausschuss für Bildung und Wissenschaft und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Frau Abgeordnete Dr. Kuppe für die Einbringung. - Als erster Redner in der Debatte hat der Kultusminister Herr Professor Dr. Olbertz um das Wort gebeten. Bitte sehr.

(Minister Herr Dr. Daehre: Denk daran, es ist Ad- ventszeit! Mach es nicht so hart!)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal ist ganz klar, dass wir es begrüßen, dass die Opposition einen Gegenvorschlag zum Regierungsentwurf eines Hochschulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt vorgelegt hat. Gegenentwürfe bereichern die Diskussion und machen zugleich die politischen Ansprüche und Absichten der jeweiligen Partei deutlicher.

Es ist ein Entwurf, der dem Regierungsentwurf in vielen Punkten gar nicht so fern ist, wie es nach den Presseverlautbarungen der SPD den Anschein hat. Allerdings gibt es auch eine Reihe von Punkten, die sich deutlich vom Regierungsentwurf unterscheiden.

Erfreulich ist zunächst, dass auch die Opposition im Hinblick auf die Organisation der Hochschulen dem Regierungsentwurf beipflichtet und zum Beispiel das Konzil zumindest infrage stellt und es dem Senat überlässt, ob das Konzil weitergeführt werden soll oder nicht. Dass das auf dasselbe hinauslaufen wird, will ich hier einmal prophezeien; denn Sie wissen alle, dass der Hinweis auf die Schwierigkeiten, die man mit dem Konzil hat, und die Sinnfrage, die es immer wieder aufwirft, aus den Hochschulen selbst gekommen ist.

Allerdings bin ich nicht der Ansicht wie Sie, dass man die entsprechenden Regelungen, die Sie nun treffen wollen, so eng fassen kann und kaum noch Möglichkeiten für individuelle Lösungen in den Leitungsstrukturen eröffnet. Aus diesem Grund sieht der Regierungsentwurf durchaus noch ein Rektorat alternativ neben dem Präsidium und einen Dekan neben dem Dekanat vor. Im Grunde ist der Entscheidungsspielraum im Gesetzentwurf der Landesregierung in diesem Punkt größer und nicht kleiner, wie bei Ihnen.

(Zustimmung bei der CDU)

Aus meiner Erfahrung als Hochschullehrer halte ich bestimmte Bereiche in diesem Entwurf in der Tat für überregelt. Ich möchte nur auf die Absätze 5 bis 7 in § 9 hinweisen. Es scheint so, als ob Fragen gelöst werden sollen, die vielleicht in anderen Bundesländern, aber eigentlich gar nicht in Sachsen-Anhalt je eine Rolle gespielt haben.

Ich möchte aber nicht auf diese kleineren Problemfelder eingehen - das sollten wir dann im Ausschuss tun -, sondern mich bei meiner Kritik an dem Entwurf auf zwei große Hauptpunkte beschränken: erstens auf die Möglichkeit zur Einführung der Stiftungshochschule und zweitens natürlich auf das Stichwort Studienguthaben.

In Bezug auf die Stiftungsform orientiert sich der Entwurf wie übrigens in vielen weiteren Punkten auffällig dicht am Hochschulgesetz Niedersachsens - so vornehm formuliere ich das heute einmal. Gemäß § 58 Abs. 1 Satz 2 des Hochschulrahmengesetzes können staatliche Hochschulen nach Ermessen auch in anderen Rechtsformen als Körperschaften des öffentlichen Rechts und zugleich

staatliche Einrichtungen errichtet werden. Dies erlaubt staatsferne Modifikationen des traditionellen Körperschaftsmodells, aber auch die Überführung in die Rechtsform einer Stiftung öffentlichen Rechts. Schon die Begründung zu diesem Paragraphen des HRG erwähnt ausdrücklich Körperschaftsmodelle, in denen die Hochschule nicht zugleich staatliche Einrichtung ist.

In § 54 unseres Gesetzentwurfes sind wir den ersten Schritt in diese Richtung gegangen, die Hochschule als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit dem Recht der Selbstverwaltung im Rahmen der Gesetze zu bezeichnen. Die neue Flexibilität bei der Wahl der Rechtsform für staatliche Hochschulen findet einen weiteren Niederschlag in der Erprobungsklausel des § 118, in dem man all diese Dinge weiterhin tun kann. Das war eine ganz bewusste Entscheidung, diese Erprobungsklausel erneut in dem Hochschulgesetz zu verankern.

Lassen Sie mich das Problem einmal abstrakt formulieren. Körperschaften sind mit den Rechten einer juristischen Person ausgestattete organisierte Vereinigungen natürlicher Personen zum gemeinsamen Zweck und gemeinsamen Handeln. Eine Stiftung ist dagegen eine durch den Willensakt eines Stifters für bestimmte Zwecke gewidmete Vermögensmasse. - Jetzt muss man fragen, was sind dann Hochschulen. - Der entscheidende Unterschied zwischen beiden Instituten besteht darin, dass die Körperschaft ihrem Wesen nach personenbezogen, die Stiftung dagegen ihrem Kern nach vermögensbezogen ist. Die Verwirklichung des Zwecks geschieht bei der Körperschaft durch die Mitglieder, bei der Stiftung durch die dafür zur Verfügung gestellten Finanzmittel.

Meines Erachtens beinhaltet schon diese grundsätzliche Definition das ganze Problem, wie man Hochschulen in Zukunft betrachtet, Frau Kuppe: entweder als reine Finanz- oder Vermögenskonstruktion oder als eine Gemeinschaft der Lernenden und der Lehrenden.

In ihrer herkömmlichen Form ist die deutsche Hochschule oder Universität eine körperschaftlich verfasste Einrichtung zur Vermehrung und Vermittlung der Wissenschaft. Hierfür bildet sie jene Gemeinschaft der Lehrenden und Studierenden. Die Hochschulen haben auch keine Benutzer, Nutznießer oder Begünstigten, sondern sie haben Mitglieder. Die ganze Konstruktion ist personenbezogen und nicht vermögens- oder fondsbezogen.

Der politische Wille, Stiftungen zu errichten, hat sich in einigen Ländern in der Tat weitgehend verselbständig, wird aber auch in vielen Ländern außerordentlich kritisch auch in Bezug auf andere Bereiche gesehen. Auch wir haben solche Debatten mehrfach geführt.

Es wird jedoch bisher die grundsätzliche Frage nicht beantwortet, welche konkreten Ziele sich denn die einzelnen stiftungswilligen Hochschulen gesetzt haben oder setzen werden, die durch den Weg der Stiftung besser erreicht werden könnten, und welche Konzepte oder Strategien tatsächlich hinter der Errichtung von Stiftungen stehen. Wo genau liegt eigentlich der Spielraum, den Stiftungshochschulen angeblich besser oder anders im Vergleich zu anderen Hochschulen auf eigenes Risiko nutzen können?

Entscheidend für die einer Hochschule eingeräumte Autonomie sind im Rahmen der Verfassung - also Selbstverwaltungsgarantie einerseits, Gebot demokratischer Legitimation andererseits - primär die konkreten landeshochschulgesetzlichen Regelungen, nicht aber die Rechtsform und schon gar nicht die Rechtsform ei

ner Stiftung. Das ist ja einer der Gründe, weshalb es nur ein einziges Bundesland gibt, das das bisher gemacht hat und im Übrigen damit auch inzwischen eine Menge Kummer hat. Denken Sie zum Beispiel an die Universität Witten/Herdecke.

(Zustimmung bei der CDU)

Oder denken Sie an die Frage, dass jetzt sozusagen die Geldverwaltung im Grunde noch komplizierter geworden ist; denn solange öffentliche Gelder in das System fließen - das wird immer der Fall sein -, solange haben sie alle möglichen Vorschriften zu beachten, die entweder mit der Stiftungsaufsicht zusammenhängen oder aber mit der Rechnungsprüfung oder aber mit dem Zuwendungsrecht. All dies können Sie gar nicht ohne Vorgaben, ohne Erwartungen, ohne Selbstverpflichtungen vergeben,

(Zustimmung von Herrn Daldrup, CDU, und von Herrn Schomburg, CDU)

ohne das Parlament viel stärker auszuhebeln, als mein Entwurf je von der Phantasie her in der Lage war.

(Zustimmung bei der CDU)

Eine angeblich größere Attraktivität der Rechtsform Stiftung für private Geldgeber - soweit sich dieser Vertrauensbonus auf staatliche Hochschulen in der öffentlichrechtlichen Stiftungsform erstreckt - lässt sich allenfalls psychologisch begründen. Im Übrigen sind die großen Geldstiftungen in der letzten Zeit - übrigens auch in Niedersachsen - interessanterweise gerade nicht an die Stiftungshochschulen gegangen - das kann man nachweisen -, sondern wiederum an die, etwa die medizinischen -, die eben nicht die Stiftungsform haben.

Also: Besonders vertrauensbildend scheint diese Konstruktion, wenn sie denn alimentiert werden muss - nicht durch ein Eigenkapital, sondern durch jährliche öffentliche Zuweisungen -, nicht zu sein.

Ich darf auch darauf hinweisen, dass bisher bei allen Stiftungshochschulen des Landes Niedersachsen nach wie vor öffentliche Mittel für öffentliche Zwecke vergeben werden. Das wird auch im Land Sachsen-Anhalt künftig nicht anders ein. Die Kontrolle der bestimmungsgemäßen und zugleich wirtschaftlichen Verwendung dieser Mittel ist ein Essential des demokratisch verfassten Staates und des parlamentarischen Budgetrechts. - Dass ich Ihnen das jetzt sagen muss, nach den Vorwürfen, die an mich gerichtet worden sind oder an den Regierungsentwurf, das ist schon ausgesprochen eigentümlich.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich sehe auch nicht, wie zum einen die Verantwortung des Ministeriums - Stichwort: Hochschullandschaft, Ausgewogenheit, Landesinteresse und dergleichen mehr - und zum anderen das parlamentarische Budgetrecht in dieser Konstruktion ausreichend gewahrt bleibt. Im Übrigen ist es - ich sagte das schon - bestenfalls egal, ob diese Verantwortung am Ende über die Stiftungsaufsicht, das Vergaberecht oder die Wirtschaftsprüfung wahrgenommen wird. Es stellt sich bei einigen Punkten sogar die Frage, ob die Stiftungskonstruktion überhaupt verfassungsgemäß ist. Aber das zur prüfen ist nicht meine Aufgabe; das müssen Fachleute noch einmal in aller Ruhe tun.

Ich bin übrigens auch der Meinung, dass dieser Impuls keineswegs verkehrt ist. Er ist uns Anlass, das noch einmal nach allen Regeln der Kunst zu prüfen. Aber ich mache auch darauf aufmerksam, dass der Sinn, die Idee

der Universität eigentlich mit der Konzeption einer vermögensgelenkten Stiftung im Unterschied zur Gemeinschaft der Lehrenden und Studierenden nicht sinnvoll darstellbar ist.

Lassen Sie mich zu dem anderen Punkt kommen, zum so genannten Studienguthaben. Ich darf darauf verweisen, dass gemäß § 112 des Regierungsentwurfs das Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss gebührenfrei bleiben soll. Auch ein Studienguthabenmodell geht letztlich von der Annahme aus, dass ein Studium kostenpflichtig ist, denn ein Konto ohne Geld darauf ist hochgradig abstrakt.

(Zuruf von Frau Dr. Kuppe, SPD)

Es erlässt den Studierenden die Gebühren nur für eine bestimmte Zeit. Für mich jedenfalls lässt die Einführung so genannter Studienkonten völlig offen, ob deren geldwerter Ausdruck nicht am Ende schneller in Studiengebühren mündet, als es der Regierungsentwurf angelegt hat.

(Zustimmung bei der CDU und von Minister Herrn Dr. Daehre - Zuruf von Frau Dr. Kuppe, SPD)

Frau Kuppe, in den anderen Ländern - reden Sie mit Ihrem Kollegen Zöllner -, wie Nordrhein-Westfalen oder Rheinland-Pfalz, die das Modell der Studienkonten präferieren, wird pro Semesterwochenstunde folgerichtig eine Gebühr fällig werden. Das kann - -

(Frau Dr. Kuppe, SPD: Haben Sie unsere Formu- lierung gelesen?)

- Ja, ich weiß, dass Sie das nicht vorsehen; in der Logik der Studienkonten liegt das aber begründet. Lassen Sie mich das einmal weiter ausführen, dann werden Sie sehen, wie ich das meine.

Im Übrigen kommt noch dazu: Ein Grund, warum ich mich auch schon im Regierungsentwurf gegen Studienkonten ausgesprochen habe, war, dass sowohl in Rheinland-Pfalz als auch in Nordrhein-Westfalen die Einnahmen aus diesen Studienkonten - „Gebühren“ muss ich ja jetzt sagen - direkt in den Landeshaushalt fließen. Damit ist für mich der Sinn komplett infrage gestellt.