Es geht noch weiter. Es erscheint ebenfalls wie blanker Hohn, wenn die Landesregierung in der Antwort zu Frage 1.2 schreibt, das eine Privilegierung der Bibliotheken im Vergleich zu anderen Kultureinrichtungen nicht vorgesehen sei. Dem Autor dieser Zeilen muss man entweder einen ausgeprägten Sinn für schwarzen Humor oder aber ein fehlendes Wahrnehmungsvermögen bescheinigen. Es wäre schon gut für die Bibliotheken, wenn sie gleichberechtigt behandelt werden würden.
Wir wissen, wie schwierig es ist, dass in den nächsten Jahren die Theaterförderung um 10 % abgesenkt werden soll. Das ist sehr schwierig. Aber bei der Bibliotheksförderung geht die Absenkung auf null, also um 100 %.
(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Wie können Sie so etwas sagen? Das stimmt nicht! - Herr Schom- burg, CDU: Das stimmt doch gar nicht! - Zuruf von der CDU: Auf null!)
Wenn man dann davon spricht, dass es eine Privilegierung von Bibliotheken nicht geben soll, dann ist das schon Hohn.
Meine Damen und Herren! Gegenwärtig nimmt Sachsen-Anhalt im Bundesmaßstab bei der Bibliotheksversorgung den Aussagen der Landesregierung zufolge eine mittlere Position ein. Ende des Jahres 2002 hatte Sachsen-Anhalt noch 119 hauptamtlich geleitete Bibliotheken und 266 nebenamtlich bzw. ehrenamtlich geleitete Gemeindebibliotheken. Im Jahr 2003 beschlossen viele Kommunen infolge der stark reduzierten Landesförderung und der prekären Haushaltslage Schließungen von Bibliotheken und Zweigstellen, Einschränkungen der Öffnungszeiten und Personalabbau. Ebenso sanken die Buch- und Medienetats sowie der Buch- und Medienbestand.
Meine Damen und Herren! Mittlerweile geben wir in Sachsen-Anhalt nicht mehr ganz 1 € pro Einwohner für die Beschaffung von neuen Büchern und Medien aus. Nicht mehr ganz 1 € pro Einwohner - ein weiterer Beleg für die dramatische Situation unserer Bibliotheken.
Spricht man die Landesregierung darauf an, wie in Frage 5.3, antwortet sie sinngemäß, es werde eine jährliche Erneuerungsquote von 12 % des Gesamtbestandes für erforderlich gehalten, um den aktuellen Anforderungen gerecht zu werden. In den öffentlichen Bibliotheken liege die Erneuerungsrate bei ca. 4,7 %, Stand: 2002. Wenn die Erneuerungsrate auf diesem Niveau gehalten werden könne, dann sehe die Landesregierung keine akute Gefährdung in Bezug auf die Überalterung der Bestände.
12 % sind erforderlich, 4,7 % werden erreicht - aber das reicht für Sachsen-Anhalt aus, schreibt die Landesregierung. Das muss untersetzt werden. Ist die Untersetzung vielleicht in einer anderen Antwort zu suchen, in der gesagt wird, dass auch Antiquariate Fundgruben für hochwertige Literatur seien? - Das bestreitet niemand. Natürlich sind Antiquariate Fundgruben für hochwertige Litera
- ich zeige es Ihnen - dann müssen wir letztlich davon ausgehen, dass die Förderung von Bibliotheken zur Anschaffung von neuen Medien weiter gesenkt werden soll.
Ich glaube allerdings, dass auch Sie, Herr Minister, das nicht wollen, und dass der Bezug zu den Antiquariaten eine Spitzfindigkeit darstellt. Der Verkauf von Kulturgütern - ich will das einmal einflechten, weil es ein aktuelles Beispiel aus dem Landkreis Schönebeck gibt - ist, glaube ich, nicht der richtige Weg zur Haushaltskonsolidierung.
Wenn man anfängt, im Heimatmuseum die Stühle zu verkaufen, dann ist das letztlich eine Bankrotterklärung auch derjenigen, die vor Ort handeln.
Ich möchte noch eine kurze Bemerkung zu der Bibliothekskonferenz machen; wir haben im Anschluss noch Gelegenheit, zu dem Thema zu sprechen. Ich bin sehr froh darüber, dass die Landesregierung ebenfalls eine Bibliothekskonferenz vorschlägt und auch mit einem Ziel untersetzt hat. Wir greifen das in einem Antrag, der nachher noch beraten wird, auf. Wir unterstützen dieses Vorhaben. Ich werde das nachher noch kurz begründen.
Meine Damen und Herren! Ich will am Ende sagen: Ein Buch in die Hand zu nehmen, darin zu blättern, darin zu lesen zu beginnen, sich von dem Text gefangen nehmen zu lassen und von den Gefühlen, die dieser Text in uns auslöst - vielleicht Tränen oder Gänsehaut -, das ist etwas ganz Besonderes. Ein Buch in die Hand zu nehmen ist so, als wenn man eine Frau berührt. Man wird erregt, man bekommt Lust zum Lesen und will, wenn man Zeit hat, nicht wieder aufhören.
Meine Damen und Herren! Tragen wir mit unseren Entscheidungen dazu bei, dass der Weg zum Buch nicht verbaut wird und dass die öffentlichen Bibliotheken in unserem Land eine Zukunft haben. - Danke für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Reck. - Nun spricht für die Landesregierung Minister Herr Professor Dr. Olbertz. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will nicht darüber räsonieren, was die übermäßige Lektüre Harry Potters so anrichten kann. Das haben wir aber gehört.
Ich will mich auch nicht darauf einlassen, wie die Lust von Herrn Reck - auf Bücher, meine ich natürlich - zustande kommt.
Was ich schade finde, Herr Reck, ist, dass Sie mit keinem Wort auf die Bemühungen eingehen, die die Landesregierung in Zusammenarbeit mit den Bibliotheken veranstaltet, um unter den enorm schwierigen Rahmenbedingungen, unter denen sich das öffentliche Bibliothekswesen entwickelt, intensive Impulse zu geben und sich von den extensiven Entwicklungsimpulsen zu verabschieden.
Sie haben selbst einmal gesagt, dass die Zeit vorbei sei, in der noch Förderhöhen, übrigens auch aus Bundesmitteln, aufgewandt werden konnten, um das Bibliothekssystem umzubauen, ordentlich auszustatten und zu modernisieren. Das können aber nicht die Vergleichszahlen für das sein, was man sich als einen guten Normalbetrieb einer Bibliothek vorstellt. Insofern sind die dramatischen Meldungen über die Kostenentwicklung sozusagen qualitativ überhaupt nicht reflektiert worden.
Im Übrigen darf ich noch sagen, bevor ich mit meiner eigentlichen Rede beginne, dass 1 € pro Einwohner wenig sein mag. Das sind aber 10 € für zehn Einwohner und 100 € für 100 Einwohner. Für 100 € können Sie schon eine ganze Menge richtig guter Bücher kaufen. Wenn Sie dann die Bibliotheksausleihe gut organisieren, kann es durchaus sein, dass sie damit erhebliche Bewegungsspielräume haben.
(Zustimmung bei der CDU - Widerspruch bei der SPD und bei der PDS - Frau Theil, PDS: Das reicht nicht!)
Die haben Sie in der Tat. Auch wenn Sie sich ein bisschen darüber abstimmen, welche Bibliothek was erwirbt, wie die Profile der Bibliotheken sind usw. Das ist immer noch ein beträchtlicher Handlungsspielraum. Ich sage immer, in einem Punkt wäre ich gern Opposition: Ich könnte permanent Geldforderungen aufstellen und müsste nie sagen, woher ich das Geld nehme.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor etwas mehr als zwei Jahren beantwortete die damalige Landesregierung im Rahmen der Großen Anfrage zur Kulturpolitik auch etliche Anfragen zum öffentlichen Bibliothekswesen. Ihre Fraktion, die SPD-Fraktion, misst diesem Bereich eine große Bedeutung bei - zu Recht, wie ich finde, sonst hätten Sie ihn auch nicht zum alleinigen Gegenstand einer Großen Anfrage gemacht.
Das ist auch insofern verständlich, als man in der Tat in der Öffentlichkeit immer wieder von tatsächlichen oder auch tatsächlich drohenden Bibliotheksschließungen vor allem in kleineren Gemeinden hört.
Wenn man dies als Ausgangspunkt der heutigen Aussprache nimmt, hat es meiner Meinung nach wenig Sinn zu versuchen, möglichst viele der gestellten Einzelfragen noch einmal aufzuwerfen. Das haben wir schriftlich gemacht. Ich möchte mich stattdessen einer grundsätzlichen Frage zuwenden, die vielleicht auch aus Ihrer Sicht einer genaueren Erörterung bedarf. Sie lautet: Inwiefern und in welchem Maße trägt das Land für das im Wesentlichen kommunale Bibliothekswesen Mitverantwortung und wie kann und soll es Einfluss auf dieses Bibliothekswesen nehmen?
Ein unmittelbarer Einfluss wird es ganz gewiss nicht sein; denn auch die Kommunen würden sagen, das fehlte uns noch, und die einzelnen Bibliotheken, die sich autonom verwalten und entwickeln wollen, würden Ihnen wahrscheinlich auch widersprechen, wenn Sie einen unmittelbaren Einfluss des Landes auf deren Arbeit fordern würden; es sei denn, Sie haben die Absicht, Inspektoren zu schicken. Das kann ich mir aber nicht vorstellen.
Nach der Landesverfassung gibt es eine gemeinsame Verantwortung des Landes und der Kommunen für das öffentliche Bibliothekswesen. Natürlich macht der Blick auf die Ausgaben deutlich, dass letztlich die finanzielle Zuständigkeit für die einzelnen Bibliotheken in überwiegendem Umfang bei den Kommunen liegt. Die Aufwendungen des Landes bewegen sich seit Jahren bei etwa 8 bis 10 % der Gesamtaufwendungen für das Bibliothekswesen.
Die Ursache dafür, Herr Reck, ist keineswegs das Desinteresse des Landes, wie es Ihre Fraktion in der Presseerklärung vom 19. Januar 2004 unterstellt, in der sie von einem „Rückzug des Landes“ und von einer „Delegierung auf die Kommunen“ spricht. - So einfach haben wir es uns nicht gemacht. Ich finde, so einfach sollten Sie es sich in der Gegenargumentation auch nicht machen.
Bei den Leistungen des Landes für das öffentliche Bibliothekswesen geht es nicht vorrangig um das Alltagsgeschäft, also um die Beschaffung von Büchern oder Medienbeständen, und auch nicht darum, die Grundausstattung für eine Bibliothek bereitzustellen oder personell gar den täglichen Bibliotheksbetrieb abzusichern.
Zwar konnte das Land in der Vergangenheit die Bibliotheken im Hinblick auf die grundlegende Neuausstattung mit Medien, moderner Kommunikationstechnik usw. unterstützen, aber Sie wissen alle - ich habe das vorhin schon gesagt, und Sie, Herr Reck, haben übrigens als Minister selber an diesem Pult einmal darauf hingewiesen -, dass es sich bei vielen großen Ausstattungsmaßnahmen zu Beginn der 90er-Jahre um Übergangsfinanzierungen handelte, die dem großen Nachholbedarf geschuldet waren. Die Unmöglichkeit, diese Förderhöhen aufrechtzuerhalten, kann bei realistischer Betrachtung nicht zur Grundlage genommen werden, um jetzt von einem Rückzug des Landes zu sprechen.