Die Oppositionspolitiker bekommen ja auch Diäten. Da könnten sie doch wenigstens die Klappe halten. - So jedenfalls kommt mir manchmal der Landtag bzw. die Reaktion einiger Abgeordneter vor.
In der Antwort auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion zu Stand und Perspektiven von ausgewählten Bereichen der Gesundheits- und Sozialpolitik in Sachsen-Anhalt begrüßt die Landesregierung eine parlamentarische Begleitung im Rahmen der durch die Landesverfassung vorgegebenen Rechte und Pflichten. Die Große Anfrage stammt von Dezember des letzten Jahres; sie wurde dann im Januar im Landtag behandelt.
Das Konzept ist also bereits dreimal angekündigt worden, und zwar zunächst vom Ministerpräsidenten. Dann lag die Antwort auf die Große Anfrage vor, die im Januar im Landtag behandelt worden ist. Nachdem es nun dreimal angekündigt worden ist, wollen wir nun Taten sehen. Wir sind gespannt darauf, was nach so langer Zeit als sozialpolitisches Gesamtkonzept herauskommt. Erste Ankündigungen lassen Großes vermuten: Landeserziehungsgeld, kostenlose Kinderbetreuung, bessere ambulante Angebote für Behinderte.
Vor diesem Hintergrund muss man dem Antrag der PDS unbedingt zustimmen; denn die familienpolitische Dimension gehört in das sozialpolitische Gesamtkonzept. Von der Klausurtagung der CDU haben wir vernommen, dass die Familie nun verstärkt gefördert werden soll. Bildungsangebote für Familien sollen vorrangig gefördert werden. Das hört sich sehr gut an.
Der Zuschuss zum Familienurlaub ist halbiert worden und der Rest ist für diejenigen reserviert worden, die sich bilden wollen. Warum haben Sie nicht den gesamten Ansatz dafür genutzt?
Wir werden ja sehen, wie viele Familien trotz Haushaltssperre von diesem Bildungsangebot während der Ferien Gebrauch gemacht haben bzw. ob sie davon überhaupt Gebrauch machen können.
Angesichts der Tatsache, dass sich immer weniger Paare für Kinder entscheiden, wollen wir Ihr Bild von Familie kennen lernen. Wenn Kinder zum Armutsrisiko werden, dann brauchen wir mehr Entlastung bzw. Förderung der Familien. Aber ich weiß, dass Sie alles auf den Bund schieben werden. Ich erinnere allerdings daran, dass sich zu Zeiten der unter anderem von der CDU geführten Bundesregierung insoweit noch viel weniger getan hat, und das, obwohl die Haushaltssituation nicht so angespannt war wie heute.
Nach den Ankündigungen des Ministerpräsidenten, der Fraktionen und einzelner Fraktionskollegen wird es nun Zeit, dass Sie Ihre Vorstellungen auf den Tisch legen. Wir werden Ihre Aufforderung gern aufnehmen, dass dies parlamentarisch zu begleiten ist. Der erste Schritt dazu ist, beiden Anträgen zuzustimmen. - Danke schön.
Vielen Dank, Herr Bischoff, für die Einbringung. - Den Antrag der Fraktion der PDS bringt die Abgeordnete Frau Bull ein. Bitte sehr, Frau Bull.
Meine Damen und Herren! Das Wort „Familie“ ist im politischen Raum nun fast schon zum Zauberwort geworden. Es verleiht den Politikern ein bedeutsames und wissendes Gesicht, weil die in Sachen Familie auch so richtig kompetent sind. Herr Kurze kriegt dann immer strahlende und glänzende Augen.
Es wäre einmal interessant zu wissen, wann Herr Püchel beispielsweise das letzte Mal seinen Wäscheautomaten ausgeräumt hat und wie oft er das tut
oder ob Herr Scharf zum Beispiel schon einmal den Geschirrspüler ausgeräumt hat. Damit wären wir bei der Sache. Ich habe mir aber sagen lassen, dass Männer kochen.
Politikerinnen erinnert das Wort „Familie“ zumeist an ihr eigenes schlechtes Gewissen und an ihre politische Zuständigkeit.
Familie erwärmt das Herz von Wählerinnen und Wählern, so denken Politiker und auch Politikerinnen, und zwar auch die der CDU; denn zuerst meldete sich der Herr Jantos zu Wort und verkündete, dass die Koalition der Familienbildung nun ein höheres Gewicht verleihe. - Ich will gern zugeben, dass mir damals mein Geschäftsführer barbarisch auf den Nägeln herumkniete und sagte, mach doch einmal etwas für die Presse. Allein: Ich wusste nicht, was ich aufschreiben sollte.
Dann kam Herr Scharf daher und meinte, die CDU müsse künftig über ein Landeserziehungsgeld nachdenken. Das steht ihm natürlich frei, meine Damen und Herren. Wenn wir aber jedes Mal, wenn wir nachdenken, eine Pressemitteilung machen, dann können wir auch gleich eine Dauerleitung schalten.
Vielleicht können Sie das das nächste Mal auf den Zeitpunkt verschieben, an dem aus dem Nachdenken auch etwas herausgekommen ist.
Familienpolitik ist nicht einfach machen oder nicht machen, meine Damen und Herren. Es macht schon einen Unterschied, ob konservative Politiker und Politikerinnen daran Hand anlegen oder ob es die zumindest in dieser Frage deutlich moderner geneigte Linke tut.
Familien sind eben nicht nur ein sozialpolitisches Notstandsgebiet und leben auch nicht durchgehend in prekären Lebenssituationen. Es stellt sich die Frage, was Sie von der Pluralisierung der Lebensstile halten, meine Damen und Herren.
Welche Chancen haben Väter und Mütter, sich neben ihren Familienaufgaben auch eigene Entwicklungschancen aufzubauen oder zu bewahren? Wie kriegt man es hin, neben Abhängigkeiten, die die Familie mit sich bringt, Frauen, Männern, Vätern, Müttern, Jungen und Mädchen noch ein Stück Autonomie, ein eigenes Stückchen Leben zu bewahren?
Sie haben es, Herr Minister Kley - zugegebenermaßen -, mit den Konservativen am Hacken nicht ganz so leicht. Sie können nicht so ohne weiteres schalten und walten; denn mit der pluralen Lebensform haben die es nicht unbedingt so.
Genau aus diesem Grund, meine Damen und Herren, haben Sie damals das Ehegattensplitting erfunden und die Witwenrente. Ich will auch sagen, das war ausgesprochen schlau; denn aus dieser Misere kommt man nicht mehr ohne weiteres wieder heraus, wie schon Ministerpräsidentin Frau Heide Simonis zur Kenntnis nehmen musste.
Meine Damen und Herren! Das Landeserziehungsgeld ist in allen Ländern, die es eingeführt haben, an das Bundeserziehungsgeld gekoppelt. Hinsichtlich des Bundeserziehungsgeldes muss ich immer an einen Dialog in der Staatskanzlei denken, der des Pudels Kern damals sehr konkret offenbart hat.
Frau Dr. Nadge, damals und heute Abteilungsleiterin für Frauen, meinte damals, das Erziehungsgeld sei doch zunächst einmal richtig gut gemeint gewesen. Ich will ihr keinesfalls etwas Böses. Sie hat sicherlich auch noch ein „aber“ angefügt. Frau Dr. Ellen Kirner vom Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin widersprach dem damals energisch. So könne man bzw. Frau das in diesem Fall keineswegs sehen; denn das Bundeserziehungsgeld hat eine eindeutige Adressatin, meine Damen und Herren: nicht die Familie, sondern die Frau; denn niemand hat zu dieser Zeit ernsthaft daran gedacht, dass man mit einem solchen Minilohn einmal Väter in irgendeiner Weise für die Kindererziehung motivieren könnte. Das war auch gar nicht vorgesehen.
Meine Damen und Herren! Nun raten Sie einmal, an wen das Landeserziehungsgeldgesetz adressiert ist. Ich will gern zugeben, dass die Zeit der Fundamentalpatriarchen so langsam vorübergeht. Es darf also in Teilzeit gearbeitet werden. Männer werden aber auf diese Art und Weise zurückgehalten, sich den wunderbaren Familien- und Kinderfreuden zu widmen. Das ist eine subtile Art der Benachteiligung. Das können wir alle miteinander nicht wollen.
Mit dem Konzept eines Landeserziehungsgeldgesetzes muss doch aber auch irgendwo eine familienpolitische Wirkung bezweckt werden. Variante 1: Der potenzielle Kinderwunsch soll einen finanziellen Anreiz erfahren. - Das scheint mir eher eine Milchbubenrechnung zu sein. 100 bis 200 € im Monat mehr entscheiden in der Regel
nicht darüber, Kinder zu haben oder Kinder nicht zu haben. Darüber, meine Damen und Herren, entscheiden die Entwicklungsmöglichkeiten für Eltern und die Entwicklungsmöglichkeiten für Kinder.
Dabei geht es um die Möglichkeit einer stressarmen Vereinbarkeit von Beruf und Familie zum Beispiel nicht nur für weibliche Führungskräfte, sondern auch für männliche. Es geht um hohe Bildungsstandards in den Kitas und in den Schulen, um ein familienfreundliches Klima insgesamt, um die Möglichkeit, die freie Zeit auch als Familie zu verbringen. Städtebauliche Fragen werden relevant: kurze Wege oder zentrale Dienstleistungen, um nur einige Stichworte zu nennen. Dann sind wir tatsächlich bei einem substanziellen familienpolitischen Programm.
Variante 2: Frauen und ein bis zwei Männer sollen ermutigt werden, das dritte Lebensjahr ihrer Kinder ganz oder teilweise mit ihnen zu Hause zu verbringen. Von so genannter Wahlfreiheit ist die Rede. Eigentlich müsste sich jetzt Frau Wybrands melden und genau nach dieser Wahlfreiheit fragen. Leider tut sie das nicht. Schade.
Meine Damen und Herren! Wählen kann man nur zwischen Alternativen, die auch welche sind. Genauso wie es reichlich gegenstandslos ist, zwischen Essen und Trinken zu wählen, genauso unsinnig ist es, immer die Wahlfreiheit zwischen öffentlicher und privater Kindererziehung herauszukehren. Moderne Bildungsinhalte und -methoden inmitten von gleichaltrigen Freundinnen und Freunden können und wollen keine Familie ersetzen. Ebenso wenig können Mutti und Vati das gut ausgebildete Personal und die materiellen Möglichkeiten und die Standards in den Kitas ersetzen.
Die viel strapazierte Rede von einer Wahlfreiheit zwischen beidem sollte die Eltern sehr misstrauisch machen.
Vergleicht man darüber hinaus die Kosten für einen KitaPlatz mit der landläufigen Höhe des Erziehungsgeldes, dann drängt sich förmlich die Frage auf, ob sich das Land dadurch eventuell noch weiter von den Kosten öffentlicher Kinderbetreuung entlasten möchte. Das will ich keinesfalls unterstellen.
Ein Landeserziehungsgeld klingt erst einmal gut: etwas Gutes für Mutti, etwas Gutes für die Kinder. Eine familienpolitische Innovation ist es deshalb noch lange nicht. Es ist konservativer Krams von gestern, meine Damen und Herren.
Eine wirkliche Innovation wäre es, das Geld in die Bildungsangebote der Kindertagesstätten zu stecken, meinethalben in Computer, in Bücher, in kreatives Spielzeug, in freundliche Räume usw.