Protokoll der Sitzung vom 01.04.2004

sagen Sie mal hü und mal hott, immer wie Sie es für richtig halten und wie es bei der entsprechenden Klientel gut ankommt. Ich möchte dies anhand Ihrer eigenen Antwort nachweisen: Wenn es um die Strukturfonds geht, sagen Sie - -

(Minister Herr Dr. Rehberger: Ach du liebe Güte!)

- Wenn man nur noch lachen kann und keine inhaltlichen Antworten mehr hat, dann hat man einen Grad erreicht, der problematisch für das Land ist.

(Zustimmung bei der SPD - Zuruf von Minister Herrn Dr. Rehberger)

Die Länder haben im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft der ostdeutschen Wirtschaftminister ein gemeinsames Konzept zur künftigen Ausrichtung der Wirtschaftförderung entwickelt und Leitlinien für eine langfristig wirkungsvolle Ausrichtung der Förderpolitik formuliert. - Dies ist eine gute Antwort, es fehlt nur der Inhalt. Sie vergessen nämlich zu sagen, dass Sie - zu Recht, aber an dieser Stelle hören Sie leider auf - ausschließlich über Geldmengen reden. Das ist sicherlich notwendig. An dieser Stelle müssen sich auch die Länder zusammenschließen, denn es geht schließlich um die Fortführung der Strukturfonds. Aber die diversen Debatten im Landtag haben immer gezeigt, dass wir leider dort aufhören.

Das reicht nicht, meine Damen und Herren. Wir werden der EU nicht mehr lange nur anbieten können, dass wir gemeinsam für eine Menge an Geld streiten, sondern wir werden ihr auch sagen müssen, wofür wir dieses inhaltlich einsetzen. Bisher ging es nach dem Motto: Haltet den Dieb, und der Rest fehlt noch.

Zum Thema langfristige Sicherstellung des regionalen Fachkräftebedarfs. Wenn es zum Beispiel um die branchenorientierte Qualifizierung älterer Arbeitsloser geht, heißt es in der Antwort, dass sich nicht jede Aufgabe für eine großräumige Länder übergreifende Kooperation anbiete. Bei der Nachfrage zur Lehrlingsausbildung wird auf die Bundesanstalt - zu diesem Zeitpunkt hieß sie noch so - verwiesen; ein Ausgleich darüber hinaus erfolge nicht. In der Agenda steht aber, Lehrstellennachfrage und -angebot sollten Länder übergreifend enger koordiniert werden.

Also das, was Sie sich als Aufgabe gestellt haben, ist noch nicht erfüllt; dort besteht noch viel Handlungsbedarf. Ich kann noch nicht einmal die Bereitschaft zum Nachdenken erkennen; das ist eigentlich schade. - So weit zur Übereinstimmung von Politik und Unternehmen. Ich habe nicht Eindruck, dass dort an einem Strang gezogen wird.

Lassen Sie mich zu einigen wenigen Details kommen. Liest man die Liste der Projekte, zum Beispiel zum Thema Demonstrationszentren - diese sind in der Agenda für Mitteldeutschland aufgeführt und als ein zentrales Element benannt -, dann trifft man auf lauter gute alte Bekannte: die Aluminiumtechnik im Harz, die Beschichtungstechnologie in Bitterfeld, Pitzroter in Magdeburg, die Nanotechnik in Halle, InnoLife in Schönebeck, Zenit in Magdeburg, Fließwerkstoffe in Aschersleben - alles gute Projekte, aber diese waren schon vorhanden, als Sie die Regierung angetreten haben.

Das muss weitergeführt werden. Mir fehlt nur eine nach vorne gerichtete Idee; wie es denn weitergehen soll. Sie müssen darauf aufbauen und auch konzeptionelle Ansätze entwickeln, wie es in diesem Prozess weitergehen soll und wie das, was als Grundstein vorhanden ist, in der Branchen- und Cluster-Entwicklung wirken kann.

Bis jetzt ist das nicht sehr innovativ. Nehmen wir das Beispiel der Weiterentwicklung des Mitteldeutschen Kunststoffwerks heraus. In der Antwort nennen Sie die Unterstützung der Weiterentwicklung des Netzwerks. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie - ich weiß nicht, wer auf die Frage antwortet; ich gehe davon aus, der Ministerpräsident, sonst wäre er schon weggegangen - in Ihrem Redebeitrag erläutern könnten, was Sie damit meinen. Aber wenn Sie dann bitte mehr benennen würden als das Demonstrationszentrum, das auf den Weg gebracht war, den Cracker, der klar war, und die 1 Milliarde € - so viel sind es ungefähr - Folgeinvestitionen, die als Sammelantrag von Dow bei Ihnen in der Pipeline liegen, Herr Minister Rehberger.

Im Tourismusbereich ist es die gleiche Aufzählung, eine Aufzählung von in der Regel schon lange stattfindenden Projekten. Das ist nicht schlecht. Das ist gut.

(Zuruf von Herrn Kosmehl, FDP)

Aber es sollte eine in die Zukunft, eine nach vorn entwickelte Debatte werden. Die Agenda sollte sagen, was wir aus dem, was vorhanden ist, zukünftig machen werden. Das fehlt.

Meine Damen und Herren! Die Verwaltungsteile sind nicht besser aufgestellt. Nur einige Beispiele. Zu der Frage 73, welche Fortschritte das Ganze gemacht hätte, wird gesagt: Prüfaufträge sind in Arbeitsaufträge umgewandelt worden. Ich wusste nicht, dass Prüfaufträge keine Arbeitsverträge sind. Die Antwort ist mir ein bisschen zu flach.

(Herr Kosmehl, FDP: Arbeitsverträge sind es oh- nehin nicht!)

- Arbeitsaufträge.

Zu der Frage 69 nach dem Zeitplan für die weitere Kooperation bzw. die Zusammenlegung von Behörden nennen Sie die Mitnutzung von Isolierbetten im Jahr 2004 in Leipzig. Das, was darüber hinausgeht, ist mir auch ein bisschen zu wenig.

Zur Frage 65 bezüglich der Länder übergreifenden Arbeitsgemeinschaft der Landwirtschaft, die Sie wollen,

sagen Sie: Die Arbeitsgruppe gibt es zwar noch nicht, aber es besteht immerhin schon eine engere Kooperation zwischen den verschiedenen Einrichtungen. Zusammenfassend kann ich nur feststellen: Die Antwort ist - vornehm gesagt - unzureichend und relativ phantasielos.

Eines habe ich allerdings noch vergessen. Herr Ministerpräsident, Sie haben gesagt, wir sollten Sie nicht loben. Ich werde es trotzdem tun; denn was recht ist, muss auch recht bleiben.

(Frau Weiß, CDU: Oh!)

Die Passagen, in denen Sie auf die Bundesregierung schimpfen bzw. ihr die Verantwortung zuschieben, damit Sie nicht etwa eigene Gedanken aufschreiben müssen, die sind in der Tat ein Produkt Mitteldeutschlands, nämlich der drei Landesregierungen. Diese Antworten sind fein säuberlich identisch, Wort für Wort abgestimmt.

Das lässt mich zu dem Schluss kommen: Es gibt sie also doch, die Initiative Mitteldeutschland. Sie ist nur ein wenig anders, als sie vielleicht von dem Regionenmarketing gemeint war. Wir sollten zusehen, dass sie sich darauf zu bewegt.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Budde. - Bevor ich nun dem Herrn Ministerpräsidenten Böhmer das Wort erteile, habe ich die Freude, Schülerinnen und Schüler der Comeniusschule für Lernbehinderte aus der schönen Stadt Halle an der Saale begrüßen zu dürfen.

(Beifall im ganzen Hause - Herr Dr. Püchel, SPD: In der schönen Stadt Magdeburg!)

Nun, bitte, Herr Ministerpräsident.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Frau Budde, ich bin Ihnen dafür dankbar, dass Sie gesagt haben, Sie finden die ganze Sache unzureichend; denn es wäre viel schlimmer gewesen, wenn Sie den Eindruck erweckt hätten, dass Mitteldeutschland von Magdeburg aus regiert wird. Das ist die Gefahr, die wir bei der Wahl der Worte bitte nicht ganz aus den Augen verlieren sollten.

Die Initiative Mitteldeutschland ist nichts von uns Erfundenes. Das haben Sie auch mehrfach angesprochen. Die Aktion Mitteldeutschland begann schon 1992, ausgelöst von der IHK Halle/Dessau. Schon damals begannen die ersten Aktivitäten. Es gab über die Jahre hinweg eine Zusammenarbeit.

Im Jahr 1993 haben wir den ersten Staatsvertrag über eine Zusammenarbeit im Bereich der Raumordnung und der Landesplanung mit dem Freistaat Sachsen abgeschlossen. Es gab auch weiterhin, in den nachfolgenden Jahren, gemeinsame Aktivitäten, ein gemeinsames Giftinformationszentrum der Länder, das in Thüringen platziert wurde. Es gab die Auftaktkonferenz einer neuen Aktion Mitteldeutschland, die 1995 in Sachsen durchgeführt wurde. Es gab 1996 eine Regionalkonferenz mit dem Titel „Regionales Entwicklungskonzept Halle/Leipzig“.

Es gab fast in jedem Jahr unterschiedliche Aktivitäten unter dem Begriff „Mitteldeutschland“, die zunächst - wir haben es gehört - eher von der administrativen Seite,

von Oberbürgermeistern oder Regierungspräsidenten, ausgelöst wurden. Dann, etwas später, ungefähr ab 1997 wurde der Begriff mit der Gründung einer Wirtschaftsagentur eher von Vertretern aus der Wirtschaft übernommen. So hat sich das entwickelt.

Wir haben und auch ich habe mit dem Begriff der Initiative Mitteldeutschland überhaupt nichts Neues erfinden wollen und erfunden. Vielmehr haben wir die Aktivitäten, die sich über zehn Jahre hinweg entwickelt haben, aufgenommen mit der Absicht, dass sie von der Exekutive, das heißt von den drei Landesregierungen, zielstrebig unterstützt werden. Mehr nicht.

Ich kann mich an die erste Pressekonferenz erinnern, in der die Fragen kamen: Wie lange dauert es noch, bis wir ein gemeinsames Bundesland haben, usw.? Deshalb will ich nur warnen vor solchen Diskussionen; denn dadurch wird es nicht einfacher, sondern schwieriger.

Ich habe mit großer Freude gehört, dass auch die Landtage miteinander Kontakt aufgenommen haben und zusammenarbeiten wollen.

(Herr Gallert, PDS: Das hat die CDU-Fraktion aber abgelehnt! Der Herr Präsident war da sehr weit! Aber seine eigene Fraktion hat ihn ge- bremst!)

- Ich kann das nicht kommentieren. - Ich kann nur sagen: Ich habe mit Freude davon gehört, dass die drei Landtage zusammenarbeiten wollen. Ich kenne aus dem Text einer Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit die Aufforderung, dass die Grundsätze und absehbaren Schritte der Länderkooperation in den Landtagen verbindlich beschlossen werden sollen. Es geht nicht um die Staatsverträge, sondern um die Grundsätze.

Ich sage das deswegen, weil ich weiß, dass wir dabei möglicherweise an Befindlichkeiten kommen, die nicht so ganz einfach sind. Frau Budde, ich habe Ihnen zugehört. Was Sie jetzt gesagt haben, das kann man sicherlich in das Internet einstellen und auch in Thüringen und in Sachsen nachlesen lassen. Aber dort sitzen auch Leute, die uns mit Verdächtigungen beargwöhnen und meinen, wir hätten etwas ganz anderes vor.

Deshalb will ich nur sagen: Für den gegenwärtig in Thüringen und in Sachsen stattfindenden Landtagswahlkampf sollten wir niemandem die Flinte laden, der das Problem anders sieht. Ich kenne da jemanden, sogar ganze Parteien.

Das heißt, wir wollen die Zusammenarbeit schrittweise weiter ausbauen und fördern und die Kooperation zunehmend besser organisieren.

Ich wäre selber - das gebe ich freimütig zu - gar nicht auf den Gedanken gekommen, zu diesem Thema 82 Fragen zu stellen. Ich habe mich schon darüber gewundert, was man alles in das große Thema hineinbauen kann. Dass dann die Antworten aus Ihrer Sicht gelegentlich vage oder unbefriedigend ausfallen mögen - wie Sie gesagt haben -, hängt damit zusammen, dass Sie weit über das Maß hinaus gefragt haben, in dem die Kooperation bisher gediehen ist.

Es gibt schon sehr lange eine kooperative Zusammenarbeit zwischen den Universitäten Jena, Leipzig und Halle. Wenn uns aber jetzt jemand den kühnen Vorschlag macht, wir sollten die Hochschulreform nicht in den einzelnen Ländern machen - die Sachsen eine Abstimmung

zwischen Leipzig und Dresden, die Thüringer zwischen Jena und Erfurt und wir zwischen Halle und Magdeburg -, sondern wir sollten dies untereinander machen, bin ich bestimmt der Letzte, der dagegen wäre. Es möge aber niemand denken, dass dies ein einfacheres Geschäft wird, als wenn man das auf der Landesebene macht.

Trotzdem wollen wir diese Kooperationen befördern. Trotzdem wollen wir, dass die Verzahnung schrittweise weiter wächst und ausgebaut wird. Aber wir können das nicht dadurch - sagen wir es einmal so - beschweren, dass wir diesen Prozess mit allzu großen Forderungen belasten, wenn wir die jeweils Betroffenen nicht mitnehmen.

Ich sage das deshalb, weil die Diskussionen über die Zusammenlegung der Landesversicherungsanstalten sehr weit fortgeschritten sind. Nur einige Knackpunkte sind noch offen. Wenn in dem Parlament in Dresden gesagt wird: wir sind dafür, aber das Zentrum muss nach Leipzig, und hier gesagt wird: wir haben überhaupt nichts dagegen, aber der Sitz ist Halle,

(Zuruf von Herrn Dr. Püchel, SPD)

und in Erfurt heißt es: wir sind durchaus dafür, aber das kann doch nicht woanders hingehen, dann weiß jeder, dass es umso schwieriger wird, je höher das angebunden ist. Gegen Landtagsbeschlüsse kann keine Landesregierung etwas machen.

(Herr Gallert, PDS: Das stimmt nicht!)

Deshalb bitte ich Sie herzlich um Verständnis dafür,

(Herr Gallert, PDS: Herr Böhmer, das hatten wir schon!)