Wir werden an dieser Stelle - ich glaube, das sagen Ihnen auch die Fachleute - eine Struktur schaffen, die es - das ist richtig - bislang in Deutschland noch nicht gibt und die ein weiterer Versuch ist, die Problematik des Trägers der überörtlichen Sozialhilfe zufrieden stellend zu lösen.
Wir wissen aber auch, dass es nicht möglich sein wird, die Thematik der Eingliederungshilfe insgesamt allein durch Strukturmaßnahmen zu lösen, dass es vielmehr notwendig ist, die bundesgesetzlichen Regelungen zu überarbeiten. Hierzu wird eine Arbeitsgruppe, die aus Vertretern der A- und der B-Länder besteht, bis zum Herbst einen entsprechenden Entwurf vorlegen.
Aber durch die Nutzung der Kapazitäten, die wir vor Ort haben, in Verknüpfung mit einer Steuerungseinheit beim Land wird es uns gelingen, hier deutlich mehr in die ambulante Struktur zu investieren, die Möglichkeiten zu schaffen, damit die Betroffenen endlich das vorfinden, was sie wollen.
Herr Bischoff, Sie wissen genauso gut wie wir, dass bisher vor Ort vielfach gar keine ambulante Struktur existierte, weil die Bezahlungen nicht adäquat waren, weil die Leistungstypen nicht ordentlich ausgewiesen wurden und weil dementsprechend natürlich auch niemand vor Ort Interesse hatte, dort einzuweisen; denn die Land
kreise haben ja, wie Sie selbst sagten, die Unterbringung im ambulanten Bereich aus der eigenen Kasse bezahlt, während die Heimunterbringung das Land bezahlte.
Ich werde Ihnen im Ausschuss gern die Struktur erläutern, damit Sie sehen können, über welche Steuerungsinstrumente diese Sozialagentur verfügt und wie es uns gelingen wird, dass vor Ort mehr Menschen so versorgt werden, wie sie es brauchen, und dass sie nicht in Heimen weggeschlossen werden, nur weil dies einfacher ist oder weil es traditionell vielleicht so war.
Ich glaube auch, dass wir es an dieser Stelle nicht nötig haben, ein Instrument schlecht zu reden, bevor es überhaupt angefangen hat zu arbeiten. Ich habe im Hause nichts vorgefunden, was besagt, dass die Kommunalisierung bereits so weit durchdacht war, dass sie hätte umgesetzt werden können.
Es gibt in Deutschland bisher kein erfolgreiches Modell der Kommunalisierung - das wissen Sie selbst; das hat nicht funktioniert -, sodass wir - so glaube ich - mit diesem Versuch - wie soll man es sagen - der Kommunalisierung durch Zentralisierung an irgendeiner Stelle eine Möglichkeit finden werden.
Ich habe vor diesem Hohen Hause und auch im Ausschuss bereits mehrmals dargestellt, wo unsere Intentionen liegen und wie die langfristige Kommunalisierung betrieben werden soll. Ich wiederhole das im Ausschuss gern noch einmal.
Wir werden zum 1. Juli eine arbeitsfähige Struktur haben - deswegen jetzt auch die einzelnen Schritte -, die die Möglichkeit schafft, das Ganze endlich einheitlich zu verwalten - bisher hat jeder Kreis sein eigenes Verwaltungssystem gehabt, das an keiner Stelle koordiniert war - und dann entsprechend über die Steuerung einzugreifen.
Ich bin, wie gesagt, gern bereit, im Ausschuss dazu ausführlich Auskunft zu geben. Ich glaube, Sie werden danach zugeben müssen, dass wir sowohl vom Arbeitsstand her in der Lage sind, das umzusetzen, als auch dass das ein Modell sein könnte - ich benutze an dieser Stelle bewusst den Konjunktiv -, welches diese Problematik vielleicht löst. Andere Bundesländer haben jedenfalls bereits Interesse angekündigt, das Ganze zu verfolgen, auch in der Hoffnung, dass es vielleicht an irgendeiner Stelle einmal gelingt, die Gesamtproblematik der Versorgung der Menschen in Übereinstimmung mit finanzieller Verantwortung in Deutschland zu klären.
Danke, Herr Minister. - Wir treten jetzt in die Debatte der Fraktionen ein. Als erste Debattenrednerin wird Frau Liebrecht für die CDU-Fraktion sprechen.
Bevor ich Ihnen das Wort erteile, bitte ich zu prüfen - wir liegen gut in der Zeit -, ob wir den Tagesordnungspunkt 12 gegebenenfalls heute noch behandeln können.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Mit dem vorliegenden Antrag fordert die SPD-Fraktion die Landesregierung auf, im Ausschuss für Gesundheit und Soziales umgehend über den Stand der Aufgabenerledigung bei der Zusammenführung von Aufgaben der örtlichen und überörtlichen Träger der Sozialhilfe in einer Sozialagentur beim Landesverwaltungsamt zu berichten.
Lassen Sie mich vorweg sagen: Dieses Anliegen der SPD-Fraktion ist selbstverständlich legitim. Die CDUFraktion wird sich diesem Ansinnen nicht verschließen. Allerdings sind aus unserer Sicht einige Präzisierungen erforderlich und wir haben daher einen Änderungsantrag eingebracht. Von der Zielrichtung her liegen allerdings beide Anträge nicht weit auseinander.
Meine Damen und Herren! Seit Jahren beschäftigen wir uns in Sachsen-Anhalt mit der Frage, wie die Sozialhilfe am effizientesten strukturiert werden kann und wie die betroffenen Menschen die ihrem Bedarf entsprechenden Hilfen erhalten. Auslöser hierfür ist immer wieder die Entwicklung der Sozialhilfeausgaben gewesen.
Nach meiner Wahrnehmung bestand quer durch die Fraktionen Einvernehmen darin, dass Ursache hierfür unter anderem der erfreuliche Umstand ist, dass auch Menschen mit Behinderungen und pflegebedürftige Menschen heute eine höhere Lebenserwartung haben, als dies früher der Fall war, und dass insgesamt eine Zunahme der Zahl der Hilfeempfängerinnern und -empfänger zu verzeichnen ist. Aber auch die Organisation der Sozialhilfeverwaltung ist ein Faktor, der zu dieser Entwicklung beigetragen haben dürfte. Selbstverständlich darf man hierbei nicht außer Acht lassen, dass diese Entwicklung ein bundesweites und nicht ein ausschließlich sachsen-anhaltisches Problem ist.
Unstrittig dürfte zwischen uns auch sein, dass die ambulanten Hilfeangebote in unserem Land nicht in dem Umfang vorhanden sind, in dem es wünschenswert und erforderlich wäre. Dies hat zur Folge, dass Menschen oftmals stationäre Hilfen erhalten, obwohl sie diese nicht erhalten müssten, wenn offene Hilfeformen in ausreichendem Umfang vorhanden wären. Sicherlich hat die Vorgängerregierung viel Mühe darauf verwandt, auch mithilfe von Gutachten Lösungen dahin gehend zu entwickeln,
wie die Sozialhilfeträger im Land am besten zu organisieren und zu strukturieren wären. Allerdings ist es ihr nicht gelungen, diese Überlegungen zum Abschluss zu bringen.
Unstrittig ist in diesem Zusammenhang auch, dass es bundesweit keine idealtypische Organisationsform für die Träger der Sozialhilfe gibt. Alle Länder denken in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen über eine Neuorganisation ihrer Sozialhilfeverwaltung nach.
In einem ersten Schritt hat der Landtag Ende letzten Jahres durch eine Änderung des Ausführungsgesetzes des Landes zum Bundessozialhilfegesetz dafür gesorgt, dass die Gewährung der Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz ab dem 1. Juli 2004 aus einer Hand erfolgt. Ab diesem Zeitpunkt ist das Land als überörtlicher Träger der Sozialhilfe allein zuständiger Sozialhilfeträger für die Leistungen der Eingliederungshilfe.
In einem zweiten Schritt werden nun durch die Bildung des LHO-Betriebes am 1. Juli 2004 die rechtlichen und organisatorischen Voraussetzungen für die Erledigung dieser Aufgaben geschaffen. Dadurch, dass dies in breitem Einvernehmen mit den kommunalen Spitzenverbänden, den örtlichen Trägern der Sozialhilfe, der Liga der Freien Wohlfahrtspflege und den Wohlfahrtsverbänden erfolgt, besteht die Hoffnung, dass nunmehr Strukturen geschaffen werden, die zu einer effizienteren und den Bedürfnissen der betroffenen Menschen gerechter werdenden Hilfegewährung führen. Das Land wird die Aufgabenerledigung der Kommunen durch die Sozialagentur unterstützen und steuern.
Ich denke, dass wir im Zuge der Ausschussberatungen ausreichend Gelegenheit haben werden, uns über die Abläufe dieses Prozesses eingehend zu informieren und auszutauschen.
Ich will bereits jetzt darauf hinweisen, dass für mich in diesem Zusammenhang von besonderem Interesse ist, wie der Rehabilitationspädagogische Fachdienst, über den wir bereits in der letzten Wahlperiode gesprochen und diskutiert haben, in diese Abläufe eingebunden werden wird. Nach all dem, was wir bisher über diesen Fachdienst gehört haben, scheint es mir wichtig zu sein, dass dieser in die bereits auf der Ebene der örtlichen Träger zukünftig stattfindende Entscheidung über Art und Umfang der Hilfegewährung eingebunden wird.
Ich denke, über die Details des Antrags und des Änderungsantrags brauchen wir uns in der heutigen Debatte nicht weiter auszutauschen. Dies sollten wir ausgiebig und ausführlich im Rahmen der Ausschussberatungen tun. Vor diesem Hintergrund bitten wir, unserem Änderungsantrag zuzustimmen. Den Antrag der SPD werden wir ablehnen. - Ich bedanke mich.
Meine Damen und Herren! Der Minister hat in seinem Ministerium nichts vorgefunden. Dazu muss ich jetzt einmal sagen: Klasse! Da müssen sich die Beamtinnen und Beamten offensichtlich die Taschen zugehalten haben.
Es gab auch Stringenz. Die hatte zwar nicht nur sozialdemokratischen Anstrich, sondern daran haben auch ein paar andere Leute mitgewirkt. Aber wir haben den Prozess der Kommunalisierung zu einem Ende gebracht. Dafür, dass es angehalten wurde, gab es nur einen Grund. Das war, weil Sie die Gebietsreform über den Haufen geschmissen haben.
Rein in die Pantoffeln, raus aus den Pantoffeln. Zwischenzeitlich hatte man sogar Unklarheit darüber, wo die Pantoffeln verblieben waren, meine Damen und Herren. Erst als die Kommunen - das hat Herr Bischoff schon gesagt - damit gedroht haben, am Ende des ablaufenden Monats die Akten vor das Tor zu hauen, da hat der Minister die Pantoffeln wieder rausgerückt.
Da waren sie dann wieder da. Ja, fragen Sie doch mal in den Kommunen. Ihr politisches Kuddelmuddel mit Heranziehungsverordnung raus, Heranziehungsverordnung rein, das war doch der Punkt. Nur aus diesem Grund ist doch der Antrag der SPD hier. Hätten wir Klarheit im Lande gehabt, hätten die Kommunen im Lande Klarheit gehabt, wäre es doch gar kein Problem gewesen. Da müssen Sie gar nicht so lachen. Das ist genau das Problem gewesen, dass die Sozialämter gar nicht wussten, was sie denn nun machen sollten ab 1. Juli.
(Herr Kley, FDP: Also, der 1. Juli ist noch nicht ran gekommen! Ihre Rede zieht einem ja die Schuhe aus! - Zuruf von Herrn Gallert, PDS)
Meine Damen und Herren! Wir wissen nun, dass die Heranziehungsverordnung bleibt, und sie wird auf die ambulanten Hilfen ausgedehnt. Die Kommunen werden herangezogen, also nunmehr nicht nur für die stationären und die teilstationären Hilfen, sondern auch für die ambulanten Hilfen. Zuständig - kostenmäßig und sächlich - bleibt aber das Land und damit auch Kostenträger.
Da bin ich wieder bei dem Punkt. Nichts ist mit „Hilfe aus einer Hand“, Herr Minister. Das Auseinanderfallen der Kostenzuständigkeit und der De-facto-Entscheidung gibt es nach wie vor, nunmehr ausgedehnt auf die ambulanten Hilfen.
Nun will ich Ihnen gerne zugestehen: Dadurch, dass man jetzt keine getrennte Kostenträgerschaft mehr zwischen ambulanten, teilstationären und stationären Hilfen hat, wird sich durchaus etwas tun. Keine Frage, das wird Wirkung zeigen. Aber Fakt bleibt trotzdem: Die Kommunen entscheiden und das Land zahlt. Der eine bestellt, der andere bezahlt. Das haben wir im Rettungsdienst, das haben wir in vielen Bereichen in der ganzen Sozialpolitik. Ich sage es einmal so: Der Kämmerer wäre nicht der Kämmerer, wenn ihm dazu nichts einfiele.