Protokoll der Sitzung vom 07.05.2004

Der Zeitdruck wächst - wenn nicht Herr Clement die Warnungen seines BA-Chefs Weise erhört und das Projekt verschiebt - und die Probleme, die im Antrag der PDS-Fraktion und auch im Änderungsantrag der SPDFraktion angesprochen werden, stehen noch ungelöst in der Welt.

Es ist tatsächlich zu befürchten, dass den Kommunen in Sachsen-Anhalt durch das SGB II Mehrbelastungen in Höhe von 210 bis 220 Millionen € erwachsen. Es ist tatsächlich zu befürchten, dass im Übergang der Systeme für die Betroffenen Versorgungslücken entstehen.

Es ist erst recht zu befürchten, dass das Ziel der „Leistung aus einer Hand“, der Vereinfachung der bisherigen Systeme klar verfehlt wird. Es ist auch zu befürchten, dass lokale Netzwerke an sozialen Diensten, Trägern und Verwaltungen, die bisher eine gute und vor allem passgenaue Arbeit geleistet haben, unwiederbringlich zugunsten der zentralistischen Bundesanstalt für Arbeit zerstört werden.

In der grundsätzlichen Beurteilung der Hartz-IV-Gesetze hat die FDP-Fraktion eine andere Auffassung als die PDS, darüber haben wir hier schon oft geredet. Aber heute geht es nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie der Umsetzung. Hierbei muss handwerklich gute Arbeit geleistet werden, um fatale Folgen für alle Betroffenen zu vermeiden.

Für die SPD-Fraktion wird die Abgeordnete Frau Ute Fischer sprechen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe ist wirklich ein gewaltiges Projekt in den Reformbestrebungen der Bundesregierung. Auch in diesem Hause haben wir ja schon öfter darüber diskutiert, haben über die Modellprojekte und die Sorgen und Belastungen für die Betroffenen gesprochen.

Die Bundesregierung wird das beschlossene SGB II umsetzen, um Doppelstrukturen und „Verschiebebahnhöfe“ zu beseitigen. Der nächtliche Beschluss im Vermittlungsausschuss, das heißt die Option der Verantwortung für das Arbeitslosengeld für die Kommunen, birgt die Gefahr uneinheitlicher Zuständigkeiten im Land, das heißt eines Flickenteppichs, der den Behördendschungel nur noch undurchdringlicher macht.

Ich gebe zu: Es hat zu lange gedauert, bis das Optionsgesetz vorlag, aber nun ist es für die Opposition unannehmbar und eine Ende des Streits ist nicht zu erkennen. Allerdings muss auch klar sein: Wer das Geld gibt, muss auch ein Recht haben zu steuern, was schwierig ist, weil der direkte Weg des Finanzflusses vom Bund zu den Kommunen im Moment nicht möglich ist.

Der Streit und die damit verbundenen Verzögerungen für ein solch weittragendes und gerade in den neuen Bundesländern viele Menschen betreffendes Vorhaben sind für mich unerträglich. Zumal Staatssekretär Haseloff im Ausschuss selbst die Arbeitsgemeinschaften präferiert hat, hatte ich eigentlich ein anderes Herangehen an dieses Problem im Land erwartet.

Einerseits wird die Notwendigkeit der Zusammenführung der beiden steuerfinanzierten Leistungen allgemein eingesehen, aber nach meinen Informationen und meinem Empfinden sind die Vorbereitungen nicht effektiv betrieben worden und es wird auch noch immer auf eine Verschiebung gehofft. Ob nun Option, Arbeitsgemeinschaft oder weiterhin getrennte Verantwortung: Wichtig ist doch, dass die betroffenen Menschen sich im Endeffekt noch zurechtfinden. Es muss sichergestellt sein, dass sie im Januar - falls berechtigt - ihre Leistungen empfangen. Gleichzeitig muss sichergestellt sein, dass die Kommunen, wie versprochen, um 2,5 Milliarden € entlastet werden.

Die Antwort auf meine Kleine Anfrage in der Drs. 4/1551 macht den Vorbereitungsstand im Land deutlich. Die eingesetzte interministerielle Arbeitsgruppe scheint den Berechnungen der Kommunen zurzeit wenig Vertrauen zu schenken. Es ist nur zu hoffen, dass inzwischen die Überlegungen, wie die Entlastung des Landes bzw. die Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen an die Kommunen weitergegeben werden, und die Vorbereitungen dazu etwas weiter gediehen sind, als es die Antwort auf meine Frage erkennen lässt. Zumindest darf es nicht - wie beim Grundsicherungsgesetz für Ältere geschehen - auf eine Abrechnung der Kommunen über zusätzliche Belastungen hinauslaufen.

Zu dem vorliegenden Antrag der PDS-Fraktion. Zu Punkt 1. Inwieweit die Landesregierung auf die Punkte noch Einfluss nehmen kann, steht angesichts des Streits zum Optionsgesetz infrage. Die angestrebte Aktivierungsquote von 26 % berücksichtigt offensichtlich nicht die verpflichtenden Angebote für Arbeitslose unter 25 Jahren - ein Schwerpunkt, den ich sehr begrüße.

Der Punkt 2 greift die wichtigen Voraussetzungen für die Entlastung der Kommunen auf. Das finde ich richtig. Ob allerdings das FAG ein richtiges Instrument dafür ist, sollten unsere Kommunalpolitiker ausreichend prüfen. Ich denke, dafür brauchte man andere Kriterien.

Zu Punkt 3. Wie schon erwähnt, wäre eine einheitliche Regelung im Land eine gute Lösung, aber laut Vermittlungsausschuss eigentlich nicht über die Landesregierung zu regeln. Ob die Landesregierung auf die Gestaltung der Vereinbarungen zwischen der Agentur für Arbeit und den Landkreisen bzw. den kreisfreien Städten Einfluss nehmen kann oder will, steht infrage. Ich hatte auf mehr Einflussnahme, Steuerung bzw. Begleitung gehofft.

Der Entwurf der Bundesregierung für eine Vertragsgestaltung liegt vor, Herr Minister, und damit wird auch schon gearbeitet, aber anstatt die Freiräume eigenverantwortlich zu gestalten, werden immer neue Fragen

aufgeworfen. Es geht um Vermittlungspauschalen, Personalübergänge und die kommunalen Arbeitsmarktstrategien, weniger um Bildungsangebote und Vorbereitung auf Arbeitsplätze, womit die Betroffenen ihren Lebensunterhalt sichern können und eine vernünftige Arbeit finden.

Abschließend möchte ich sagen: Bei aller, auch teilweise berechtigten Kritik - zum Beispiel bezüglich der Vergleichbarkeit der Daten, der noch fehlenden Software und der Frage der Personalhoheit - sollte das Ziel, nämlich das Gelingen des Projekts, im Vordergrund stehen. Den Leistungsempfängern oder auch Nichtleistungsempfängern und ihren Bedarfsgemeinschaften sind die Parteienstreitigkeiten bzw. die Streitigkeiten zwischen dem Bund und der Landesebene völlig egal. Sie müssen Gewissheit haben und planen können und sie müssen von der Aktivierungsquote und dem Beratungsverhältnis von 1 zu 75 profitieren können.

Der Abbau der Arbeitslosigkeit bzw. der verfestigten Langzeitarbeitslosigkeit ist ein gesellschaftliches Problem. Das geht uns alle an und niemand sollte sich aus der Verantwortung stehlen. Ich denke, zur Bewältigung der Langzeitarbeitslosigkeit brauchen wir gemeinsame weitere Überlegungen, Strategien, einen wirtschaftlichen Aufschwung, Existenzgründungen. Ich glaube, im Rahmen der Arbeitsmarktpolitik war auch unser Programm „Aktiv zur Rente“ nicht ganz so schlecht.

Zu unserem Antrag. Wir haben mit dem Punkt 4 noch einmal die Betroffenen in den Mittelpunkt gestellt, mit dem Ziel, dass dadurch rechtzeitig Informationen an die Betroffenen gegeben werden. Denn ich denke, wenn man erst im Januar erfährt, ob man Leistungen kriegt oder nicht, ist es zu spät. Das sollte im vierten Quartal dieses Jahres erfolgen, damit die Betroffenen auch planen können und keine finanziellen Lücken entstehen.

Wir sind mit einer Überweisung in die genannten Ausschüsse einverstanden. - Danke schön.

(Zustimmung bei der SPD, von Frau Bull, PDS, und von Herrn Dr. Thiel, PDS)

Danke, Frau Fischer. - Für die CDU-Fraktion spricht Frau Marion Fischer. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Präsidentin, ich würde gern, wenn Sie es gestatten, meinen Redebeitrag zu Protokoll geben. Ich müsste nämlich das wiederholen, was unser Minister Dr. Rehberger gesagt hat, und müsste auch das bestätigen, was Frau Dirlich gesagt hat. An der Stelle möchte ich das nicht tun und gebe daher den Beitrag zu Protokoll. - Wir stimmen der Überweisung in die Ausschüsse zu.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir wollen es Ihnen ersparen, das zu wiederholen.

(Zu Protokoll:)

Ich darf zu Beginn meiner Ausführungen sagen, dass wir die von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der PDS-

und der SPD-Fraktion, angeführten Probleme bei der Umsetzung der Grundsicherung für Arbeitsuchende in Sachsen-Anhalt ähnlich sehen wie Sie.

Darüber hinaus bin ich aber der Ansicht, dass wir in einer Fünfminutendebatte nicht in der Lage sein werden, das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt in seiner problembehafteten Gesamtheit zu diskutieren.

Aus diesem Grunde würden wir einer Überweisung beider Anträge in die Ausschüsse für Wirtschaft und Arbeit, für Inneres, für Gesundheit und Soziales sowie für Finanzen zustimmen, zumal sich der Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit im Rahmen der Selbstbefassung noch vor der Sommerpause zum wiederholten Mal mit dem Thema Arbeitsmarkt beschäftigen wird und dieses Thema unbedingt hineinpasst.

Nun kurz zum Thema. Im Vermittlungsausschuss des Bundesrates wurde im Dezember des vergangenen Jahres angesichts der festgefahrenen Fronten zwischen der Bundesregierung und den B-Ländern ein meiner Meinung nach kreativer Kompromiss gefunden, der den Kreisen und kreisfreien Städten ein Optionsrecht einräumt, selbst zu entscheiden, ob sie komplette Aufgabenträger der Grundsicherung für Arbeitsuchende werden wollen oder ob es zu einer gesplitteten Trägerschaft im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft mit Wirkung zum 1. Januar 2005 kommt. Die Ausgestaltung der Option kommunaler Trägerschaft unterliegt einer weiteren einfachgesetzlichen und verfassungsrechtlich abgesicherten Regelung; diese sollte bis Ende April dem Bundestag vorliegen.

Der nun vorliegende Gesetzentwurf entspricht nicht den Vereinbarungen im Vermittlungsausschuss und überträgt den Kommunen keinen eigenen Handlungsspielraum, sondern schlägt vor, über so genannte Organleihe die Kommunen an die Weisungen der Bundesanstalt für Arbeit zu binden. Im weiteren lehnt die Bundesregierung trotz ursprünglicher Zusage des zuständigen Fachministers eine Verfassungsänderung ab und sieht sie auch im Gesetzentwurf nicht vor.

Die exakte Höhe der Mittelzuweisung für Verwaltungskosten und Eingliederungspauschale legt der Gesetzentwurf nicht fest. Ein Zahlentableau für das Jahr 2005 wird vorgelegt, dessen Zahlen für die Kommunen absolut nicht auskömmlich sind. Zwischenzeitlich gibt es eine Arbeitsgruppe, die die Zahlen prüft und hoffentlich korrigiert, um die zugesagte Entlastung für die Kommunen zu erreichen.

Hintergrund dieser ganzen Angelegenheit ist, dass bereits im Vermittlungsausschuss mit veralteten statistischen Daten gehandelt worden ist und die Bedenken der Union angezweifelt worden sind. In der Sprache der Gauner würde man sagen, die Bundesregierung hat uns gelinkt. Möglicherweise legt die Bundesregierung bereits im Mai ein weiteres Änderungsgesetz zu Hartz IV vor mit möglichen Korrekturen.

Inhaltlich kann das für die CDU-Fraktion nur bedeuten:

Erstens das kommunale Optionsgesetz so umzugestalten, dass die optierenden Kreise und kreisfreien Städte tatsächlich Träger sind und in Eigenverantwortung die Aufgaben nach dem SGB II erfüllen können. Organleihe lehnen wir ab.

Zweitens. Eine verfassungsrechtlich abgesicherte Regelung ist vorzulegen, die den Kommunen die notwendigen Geldmittel sichert.

Drittens. Bei den Mitteln für Verwaltungs- und Eingliederungspauschalen sind auskömmliche Summen vorzusehen. Dabei ist die Höhe der Eingliederungspauschalen unter Berücksichtigung regionalisierter Arbeitsmarktindikatoren zu bemessen.

Viertens. Durch gegebenenfalls notwendige Gesetzesänderungen ist sicherzustellen, dass den Kommunen tatsächlich die zugesagten Einsparungen von 2,5 Milliarden € jährlich verbleiben.

Ich denke, es gibt genügend Stoff für eine umfassende Diskussion im Ausschuss.

Frau Dirlich, möchten Sie erwidern? - Frau Dirlich verzichtet.

Somit treten wir in das Abstimmungsverfahren zu den Drs. 4/1554 und 4/1586 ein. Es wurde in ziemlicher Übereinstimmung vorgeschlagen, die beiden Drucksachen in die Ausschüsse für Wirtschaft und Arbeit, für Soziales, für Finanzen und für Inneres zu überweisen. Ich schlage vor, federführend in den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit. Gibt es dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Wer mit der Überweisung der Anträge in die genannten Ausschüsse einverstanden ist, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Damit sind die genannten Drucksachen einstimmig überwiesen worden. Wir verlassen den Tagesordnungspunkt 12.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf, da wir den Tagesordnungspunkt 15 gestern schon behandelt haben:

Beratung

a) Gemeinsame Feuerwehr-Unfallkasse der Länder Thüringen und Sachsen-Anhalt

Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 4/1560

b) Fusion der Feuerwehr-Unfallkassen von Sachsen-Anhalt und Thüringen zur Feuerwehr-Unfallkasse Mitte

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 4/1565

Einbringer des Antrages der Fraktionen der CDU und der FDP ist der Abgeordnete Herr Kolze. Danach wird die Abgeordnete Frau Gudrun Tiedge die Einbringung des Antrages der Fraktion der PDS vornehmen. - Herr Kolze, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag wollen wir die Bestrebungen der Feuerwehr-Unfallkasse Sachsen-Anhalt, mit der Feuerwehr-Unfallkasse Thüringen zu einer gemeinsamen Feuerwehr-Unfallkasse Mitte zu fusionieren, unterstützen.

Die Zukunft der Feuerwehr-Unfallkasse ist für die Feuerwehrangehörigen von großer Bedeutung. In der gegenwärtigen schwierigen wirtschaftlichen Lage ist es besonders wichtig, starke und zukunftsfähige Strukturen zu haben, die eine dauerhafte soziale Absicherung im Feuerwehrdienst gewährleisten.