Protokoll der Sitzung vom 17.06.2004

Im Sinne eines qualitativ anspruchsvollen Bildungsniveaus in den Kitas sollte nach unserer Auffassung langfristig auch darüber nachgedacht werden, ein Hochschulstudium als Regelausbildung für Erzieherinnen und Erzieher einzuführen. Vielleicht ist das dann auch für den einen oder anderen Mann etwas attraktiver.

(Zustimmung von Herrn Bischoff, SPD)

Der Ausbau eines bedarfsgerechten Netzes an Ganztagsschulen ist ein weiterer Punkt, der vor allen Dingen für die ländlichen Räume einzufordern ist. Ich will auch gleich sagen, dass es dabei nicht - diesen Eindruck habe ich auch von unseren Bildungspolitikern und Bildungspolitikerinnen zu Recht bekommen - um die Verschulung von Freizeitangeboten geht, keineswegs, wenngleich ich diese Gefahr nicht gänzlich vom Tisch wischen kann.

Ich denke aber, dass auch Schule pädagogisch sehr wohl von Freizeitstrukturen in ihrer Nähe profitiert und umgekehrt, und zwar sowohl was die Inhalte und die Methoden als auch was die Zugänge anbelangt.

Meine Damen und Herren! Für familienfreundliche Beschäftigungsverhältnisse wird sich wohl jeder Politiker und auch jede Politikerin - ich will auch sagen: ehrlicherweise - stark machen. Es ist ja auch eine recht abstrakte Forderung und man hat sie persönlich in aller

Regel nicht selbst zu verantworten. Ich finde es ehrlicher, dort anzufangen, wo man selbst Verantwortung trägt. Das ist beispielsweise in der Landesverwaltung der Fall.

Nach unserer Auffassung müsste Teilzeitbeschäftigung für Mitarbeiter in Führungspositionen nicht nur möglich, sondern auch sehr viel selbstverständlicher werden, um eben Karriere und Familie in Übereinstimmung bringen zu können.

Im Rahmen der Föderalismusdebatte steht zur Diskussion, wo die Kompetenz für das zukünftige Dienstrecht anzusiedeln ist. Wir sind der Auffassung, dies wäre eine Chance, darüber nachzudenken, Regelungen zu finden, die gerade die Einkommensstruktur von Berufseinsteigerinnen in der Familiengründungsphase verbessern können. Also nicht das Alter soll automatisch das Einkommen aufbessern, sondern eben die Lebenslage.

Meine Damen und Herren! Im Koalitionsvertrag offenbart sich in gewisser Weise der Tunnelblick der Beteiligten, wobei ich keineswegs annehme, dass daran nur Männer beteiligt waren. Mit den Frauen wird bezüglich der Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein recht enger Adressatenkreis angesprochen - oder anders gesagt: Es geht am Problem vorbei.

Ich gehe jedoch davon aus, dass dank des GenderMainstreaming auch die Koalitionsfraktionen dazugelernt haben; denn an dieser Stelle sind es Männer, die eindeutig die Benachteiligten sind. Annähernd zwei Drittel, meine Damen und Herren, geben an, zu wenig Zeit für die Familie zu haben.

Der Staat kann hier selbstverständlich nur bedingt hineinregieren; er sollte das auch nicht tun. Aber man kann zumindest darüber nachdenken, welche äußeren Bedingungen, die Männer in Bezug auf die Teilhabe an Familienarbeit benachteiligen, korrigiert werden können. Deshalb sind wir der Auffassung, dass eine Politik zugunsten einer Vereinbarkeit von Familie und Beruf künftig sehr viel stärker auch an Männer respektive an Väter adressiert werden sollte.

(Zustimmung von Frau Ferchland, PDS, und von Frau Dirlich, PDS)

Männern sollte der Einstieg in Familienarbeit und Erziehungsarbeit erleichtert werden.

(Beifall bei der PDS - Herr Gallert, PDS: Wasch- maschinen endlich mal verstehen lernen! - Hei- terkeit bei der SPD)

Die skandinavischen Länder, meine Damen und Herren, haben außerordentlich gute Erfahrungen mit niedrigschwelligen Angeboten für Väter gemacht. Ich denke, das ist durchaus zur Nachahmung zu empfehlen.

Erstens. Wir sollten darüber diskutieren, ob nicht eine Reform des Erziehungsgeldgesetzes endlich an der Tagesordnung wäre, wenngleich ich gestern der Presse auch entnommen habe, dass selbst die letzte Reform zu einem signifikanten Anstieg der Beteiligung von Vätern geführt hat, nämlich um ungefähr 300 %. Der Anteil der Väter ist also von 1,5 % auf 5 % gestiegen.

(Frau Dirlich, PDS: Hört, hört!)

Man kann also darüber nachdenken, ob man mit einem mehrwöchigen Väterurlaub die Rolle der Väter stärkt, ihnen den Einstieg erleichtert. Wir sollten mittelfristig dahin

kommen, das Erziehungsgeld künftig am zuletzt verdienten Nettoeinkommen zu orientieren. Die Höhe ist sicherlich politisch verhandelbar, aber zunächst geht es um das Prinzip.

Zweitens. Das Ehegattensplitting. Wir halten es für ein Relikt der Vergangenheit, zumindest mehrheitlich.

(Zustimmung von Herrn Gebhardt, PDS)

Wir sind der Auffassung, es sollte bis auf die Höhe eines gegenseitigen Unterhalts abgebaut und umgewandelt werden in direkte Transferleistungen für Kinder.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von Herrn Bi- schoff, SPD, und von Herrn Rothe, SPD)

Das ist im Übrigen auch für die neuen Länder ein Zugewinn; denn von den steuerlichen Komponenten im Familienlastenausgleich können insbesondere die Eltern in den neuen Ländern weit weniger profitieren.

Eine künftig sehr wichtige Zielrichtung der Familienpolitik ist die Verbesserung der Lage von Familien in sozialen Not- und Konfliktlagen. Auch hierzu einige Zahlen: Bereits im Jahr 2000 war das durchschnittliche Haushaltsnettoeinkommen von Ehepaaren doppelt so hoch wie das allein erziehender Mütter im Jahr 2001. Im Jahr 2003 verfügten 34 % der allein erziehenden Frauen über ein monatliches Nettoeinkommen von höchstens 900 €. Ein Anteil von 19,8 % davon hatte weniger als 700 €. Kinder sind ein Armutsrisiko. Allein das ist ein Skandal schlechthin.

(Beifall bei der PDS)

Mit der Einführung des Arbeitslosengeldes II sowie den Neuregelungen im Bereich der Sozialhilfe wird sich die Lage von Familien in den unteren Einkommensgruppen deutlich verschlechtern. Insbesondere allein Erziehende in den neuen Ländern werden in prekäre Lebenssituationen kommen.

Wir können auf landespolitischer Ebene - zumindest meine Fraktion hat dies ja getan - im Kreis springen - es wird momentan nicht zu verhindern sein. Das heißt, es wird auf die Kommunen ein erheblicher Hilfe- und Beratungsbedarf zukommen. Deshalb ist es nötig, das Netz von Beratungsstellen für Menschen in sozialen Notlagen flächendeckend zu erhalten.

Das größte Defizit bei diesen Beratungsstellen ist, dass zumeist getrennt nach Sachlage beraten wird und dass es alljährliche Unklarheiten bei der Finanzierung gibt. Mit Blick auf die Finanzsituation der öffentlichen Haushalte schlägt die PDS deshalb vor, die Förderung von integrierten Beratungsstellen zu forcieren, die ganzheitlich, problemorientiert und vor allen Dingen ortsnah beraten,

(Zustimmung von Herrn Bischoff, SPD)

nach dem Prinzip: Beratung vieler Problemlagen unter einem Dach.

Dazu wäre es nötig - darüber kann man dann diskutieren -, über die Einführung einer kommunalen Sozialpauschale nachzudenken, das heißt, die finanziellen Mittel, die das Land für unterschiedliche Beratungsstellen derzeit zur Verfügung stellt, pauschal und zweckgebunden an die Kommunen zu auszureichen. Ich betone - da das immer wieder zu Irritationen führt -: pauschal und zweckgebunden. Das beträfe die Erziehungsberatung, die Familien- und Eheberatung, die Schwangerschaftsberatung usw. Synergieeffekte wären möglich.

Eine integrierte Form der Beratung, wie ich sie eben beschrieben habe, würde wahrscheinlicher werden. Die Kommunen können am besten entscheiden, was sie am meisten brauchen.

Wir halten auch die Kommunalisierung der Mittel für Familienerholungsmaßnahmen durchaus für denkbar, und zwar in Form einer zweckgebundenen Pauschale für Familien fördernde Leistungen. Dann wären die Kommunen zum Beispiel in der Lage zu sagen: Wir können das Geld für die Einführung eines Familienpasses nutzen. Das halte ich in jedem Fall für sinnvoller als einen Familienpass auf Landesebene.

Familienpolitik findet hauptsächlich vor Ort statt. Das ist unser politisches Kredo. Bedarfslagen und bereits vorhandene Ressourcen sind dort am besten bekannt. Dort ist Vernetzung möglich und dort kann man Familienpolitik als Querschnittsaufgabe erleben und überschauen. Deshalb sind wir für die zügige Kommunalisierung der Aufgaben der Sozialhilfe und der Jugendhilfe an die Landkreise, wie bereits mehrfach thematisiert, und dort, wo es sinnvoll ist, auch an die Gemeinden. Das ist natürlich ein Punkt, der sowohl unter den Trägern wie auch unter den politischen Verantwortungsträgern - auch meiner Fraktion - sehr umstritten ist. Aber darüber muss man, denke ich, diskutieren.

In den Landkreisen halten wir Familieninformationszentren für sinnvoll, also eine gebündelte Zuständigkeit in der Familienverwaltung. Bisher ist es so, dass die Familie XY für die Sozialhilfe in dieses Amt geht, für die Jugendhilfe in jenes Amt und für andere Lebenslagen in ein drittes Amt. Das könnte mit einem Familieninformationszentrum sehr sinnvoll gebündelt werden.

Grundschulen und Kindertagesstätten sollten direkt verknüpft werden mit den Angeboten der Familienhilfe und der Familienberatung. Ich kann mich an einen Familienbericht erinnern - ich glaube, aus dem Jahr 2001 -, in dem genau das problematisiert wurde, nämlich dass insbesondere die Familien, die Zielgruppen, die direkter Hilfe bedurften, die am nötigsten der Hilfe bedurften, diese Familienberatungszentren nicht nutzten. Das ist einfach zu hochschwellig.

Vor diesem Hintergrund wäre es sinnvoll, man siedelte die Familienhilfe, die Familienberatung dort an, wo Eltern sich ohnehin aufhalten, auch die so genannten Problemfamilien, obwohl das immer mit sehr viel Vorsicht zu genießen ist.

Familienpolitik, meine Damen und Herren, ist Querschnitts- und zugleich Längsschnittaufgabe. Alle Ressorts sind gefragt, die staatliche wie auch die kommunale Ebene. Wir halten es deshalb für sinnvoll, darüber nachzudenken, ob man nicht eine Familienverträglichkeitsprüfung einführt, beispielsweise einen Familiencheck ähnlich dem Gender-Check, wir er schon in dem einen oder anderen Bereich üblich ist.

Die PDS unterstützt zum Beispiel die Forderung der Landesregierung nach einem Familienaudit. Wir halten ein Familienaudit für eine gute Idee, allerdings nicht nur für die Unternehmen im Land. Wir halten das beispielsweise auch für die Geschäftstätigkeit der Landesregierung oder für ausgewählte Bereiche der Landesverwaltung für denkbar. Förderprogramme sollten gänzlich daraufhin überprüft werden, ob sie mit Präferenzregelungen für Familien versehen werden können, sofern das sinnvoll ist.

Meine Damen und Herren! Den Streit um Familiendefinitionen und Familienbilder zwischen den konservativen und den - ich sage jetzt einmal so - moderneren Vertretern der politischen Landschaft auf dem Gebiet der Familienpolitik werden wir hier nicht austragen.

(Minister Herr Dr. Daehre: Das ist aber Ihre For- mulierung! - Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Das sind wir doch!)

- Das müssen Sie sich jetzt einfach einmal gefallen lassen.

(Zuruf von Herrn Bischoff, SPD - Minister Herr Dr. Daehre: Konservativ ist nichts Negatives! - Herr Gallert, PDS: Das ist noch nicht gesagt!)

Ich halte das auch nicht für sinnvoll, obwohl es manchmal nicht ohne Unterhaltungswert ist. Aber der kleinste gemeinsame Nenner ist wohl der, das Leben mit Kindern zu erleichtern und nicht zu bestrafen, weder sozial noch materiell, und Möglichkeiten zu schaffen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stressarm für alle Beteiligten zu gestalten.

In diesem Sinne bitte ich Sie um Überweisung in den Sozialausschuss und in den Ausschuss für Jugend, Kinder - -

(Herr Kurze, CDU: Gleichstellung haben Sie ver- gessen!)

- Ja, genau der. Am 2. Juli 2004 ist dort eine Beratung angesetzt. - Ich bitte um Überweisung, damit wir auf breiter Basis über die Vorschläge der Fraktionen diskutieren können. - Danke schön.

(Zustimmung bei der PDS)

Herzlichen Dank. - Meine Damen und Herren! Wir treten in eine Fünfminutedebatte ein. Für die Landesregierung hat zunächst wiederum in Vertretung des Ministers für Gesundheit und Soziales

(Oh! bei der SPD und bei der PDS)