Protokoll der Sitzung vom 14.10.2004

Das klingt einigermaßen formalistisch und für Menschen, die vielleicht dem Beamtenrecht fern stehen, auch etwas komisch. Aber wir brauchen dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes in unseren Justizvollzugsanstalten, weil wir dort künftig über das PSC Personal haben werden, das aus dem Polizeivollzugsdienst stammt.

Die entsprechenden Personen bleiben Polizeibeamte, aber für die Verwendung im Justizvollzugsdienst muss die Möglichkeit geschaffen werden, dass die Beamten die dort üblichen Amtsbezeichnungen führen, weil sonst bei den Strafgefangenen eine völlig falsche Vorstellung über Hierarchien und Ähnliches entstehen könnte. Für die Polizeibeamten bedeutet dies keine Verschlechterung ihres bisherigen Status; denn die bisherigen Rechte, insbesondere die Besoldungsansprüche, bleiben selbstverständlich gewahrt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! 150 Artikel wollen durchgearbeitet werden. Uns steht einiges bevor; das verkenne ich nicht. Deshalb würde ich auch vorschlagen, den Ausschuss für Recht und Verfassung federführend mit dieser Sisyphusaufgabe zu betrauen. Gleichzeitig sollen alle anderen Fachausschüsse - mit Ausnahme des Ausschusses für Bundes- und Europa

angelegenheiten, der nicht betroffen ist - mitberatend befasst werden.

Ich würde mich freuen, wenn Sie sich dieser Sisyphusarbeit unterziehen würden, ohne das Gefühl zu haben, dass wir Sie nur der Beschäftigung wegen beschäftigen. Es steckt sehr viel Ernst hinter diesem Gesetzentwurf.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren! Wir treten nunmehr in eine Debatte mit einer Redezeit von fünf Minuten je Fraktion ein. Als erster Rednerin erteile ich für die PDS-Fraktion der Abgeordneten Frau Tiedge das Wort. Bitte sehr, Frau Tiedge.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Diskussion zum vorangegangenen Tagesordnungspunkt veranlasst mich zu einer Vorbemerkung: Vielleicht sollten Gesetze künftig so abgefasst werden, dass sie von vornherein zu mehr Bürokratieabbau und nicht -aufbau führen. Ich denke, wir würden uns damit ein ganzes Stück Arbeit im Parlament ersparen.

(Beifall bei der PDS)

Der Soziologe Max Weber hat Bürokratie zunächst positiv gesehen, und zwar in der Form, dass Bevorzugung und Benachteiligung von Einzelnen durch willkürliche Entscheidungen verhindert werden können, weil sich alle an die gleichen und rational begründeten Spielregeln und Gesetze halten müssen. Das verkehrte sich aber sehr schnell ins Gegenteil und so musste er feststellen - ich zitiere -:

„Ärzte, Handwerker, Pflegekräfte, Lehrer, Wissenschaftler - alle machen in Deutschland nur zu einem geringen Teil das, wofür sie ausgebildet wurden, und zu einem großen Teil arbeiten sie in der Verwaltung und an ihrer Dokumentation. Seit Jahren bemühten sich daher Parlamente, Parteien, Verwaltungen und Unternehmen um Bürokratieabbau. Da sie aber meist mit eigenem bürokratischen System den Versuch starteten, Bürokratie abzubauen, kam als Ergebnis nur eine Verlagerung oder ein Mehr an Bürokratie heraus.“

Hoffen wir, dass das Ergebnis des heute vorliegenden Gesetzentwurfes dieses Zitat nicht bestätigt.

Überregulierung und die damit verbundene Bürokratie sind seit Jahren ein Ärgernis für viele Bürgerinnen und Bürger, zumal sie in den letzten Jahren immer weiter angewachsen sind. Verwaltungsvorgänge sind durch das heutige Gesetzesdickicht, welches immer undurchdringlicher wird, zu umständlich, zu langsam und für viele unverständlich geworden.

Wenn zum Beispiel in Deutschland geregelt ist, wie groß ein Tisch in der Volkshochschule zu sein hat oder, was noch weitaus wichtiger ist, wie weit weg Handtuchlieger von Strandkorbliegern zu liegen haben, können wir nur ahnen, wie groß die Notwendigkeit zu Vereinfachung und Streichung von Vorschriften in Deutschland ist und wie viel noch zu tun ist.

Natürlich begrüßen auch wir Maßnahmen, die zur Vereinfachung von Landesrecht und Verwaltungshandeln führen und die damit auch einen Bürokratieabbau bewir

ken. Auch uns sei es an dieser Stelle gestattet, ein Lob an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Justizministeriums auszusprechen, die sich dieser Aufgabe angenommen und in einer Sisyphusarbeit 540 Gesetze und Verordnungen mit dem Ziel der Vereinfachung geprüft haben.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sollen nun 56 Rechtsvorschriften aufgehoben und 90 Rechtsvorschriften geändert werden. An dieser Stelle beginnt nun unser Problem mit diesem Mammutgesetzentwurf.

Natürlich keimt bei einer solchen Fülle von Änderungen bei uns als Opposition ein gesundes Maß an Misstrauen; denn oftmals steckt der Teufel im Detail. Es ist für uns auch aufgrund der Kurzfristigkeit der Einbringung des Gesetzentwurfes - uns lag die entsprechende Drucksache erst am Freitag, dem 8. Oktober 2004 vor - nicht überschaubar, ob alle Veränderungen wirklich nur aus Gründen der Vereinfachung und Entbürokratisierung erfolgen oder ob nicht Änderungen dabei sind, die aus rein inhaltlichen oder politischen Erwägungen heraus erfolgen sollen. Aufgrund der Fülle der geänderten Vorschriften ist es uns bis heute überhaupt nicht möglich gewesen, das zu überprüfen. Ich gebe zu, das ist eine etwas provokante Frage: War dies vielleicht sogar beabsichtigt?

Wir werden uns der Mühe unterziehen und jede einzelne Vorschrift daraufhin überprüfen, ob die Änderung im Rahmen der Gesetzesvereinfachung richtig und sinnvoll ist oder nicht. Diesbezüglich haben wir zumindest hinsichtlich der vorgenommenen umfangreichen Änderungen beim Verwaltungsverfahrensgesetz Sachsen-Anhalt - Artikel 12 und 13 des Gesetzentwurfes - unsere Zweifel, nicht dahin gehend, dass Kürzungen oder Straffungen nicht notwendig sind. Es sei aber gestattet zu hinterfragen, warum bei einer derart umfangreichen Änderung nicht ein eigenständiger Gesetzentwurf eingebracht wurde.

Wir werden bei den Beratungen in den Ausschüssen nicht umhinkommen, zu bestimmten Änderungen bzw. Streichungen Verbände und Institutionen anzuhören, wobei dies auf strittige bzw. zu hinterfragende Änderungen beschränkt bleiben sollte.

Da dies das Erste Rechts- und Verwaltungsvereinfachungsgesetz ist, werden sicherlich weitere folgen. Ich kann im Interesse einer gleichberechtigten Behandlung dieser Gesetze nur einfordern, dass diese künftig dem Parlament in einer angemessenen Frist übergeben werden, um eine sorgfältige Prüfung bereits im Vorfeld der ersten parlamentarischen Beratung zu gewährleisten.

Der Gesetzentwurf sollte in allen Ausschüssen - außer dem Petitionsausschuss - beraten werden. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank, Frau Tiedge. - Für die FDP-Fraktion spricht nun der Abgeordnete Herr Wolpert. Bitte sehr, Herr Wolpert.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Angesichts dieses Gesetzentwurfes bin ich als Vorsitzender des Rechtsausschusses richtig

glücklich, dass wir den Paragrafen aus dem Naturschutzgesetz nicht auch noch bekommen haben.

Ein ressortübergreifender Prozess, in den auch umfangreicher externer Sachverstand eingebunden wurde, hat zur Vorlage dieses Gesetzentwurfes mit 150 Artikeln geführt, der sicherlich, wie von Herrn Minister Becker schon dargestellt wurde, als ein Kernanliegen der Landesregierung bezeichnet werden kann.

Auf einige Artikel ist der Minister bereits im Detail eingegangen. Lassen Sie mich zunächst generelle Ausführungen machen.

Das Ansinnen, das hinter dem Gesetzentwurf steht, wird von der FDP-Fraktion ausdrücklich begrüßt. Entbürokratisierung, Deregulierung und Verwaltungsvereinfachung zum Beispiel durch Streichung von überflüssigen Vorschriften, durch Streckung von Berichtspflichten und durch Rechtskonzentration ist auch ein Kernanliegen der liberalen Politik.

Meine Damen und Herren! Das Ziel der Fraktionen der CDU und der FDP ist es von Anfang der Legislaturperiode an gewesen, unser Landesrecht mit insgesamt 540 Vorschriften einfacher, überschaubarer, anwender- und damit auch investorenfreundlicher zu gestalten. Diese Ziele wurden im Koalitionsvertrag verankert und haben bereits im Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetz und in den beiden Investitionserleichterungsgesetzen ihren Niederschlag gefunden.

Dieser nun vorliegende umfangreiche Gesetzentwurf wird im parlamentarischen Verfahren noch eingehend zu prüfen und zu diskutieren sein. Dazu eine Anmerkung als Arbeitshilfe: Ein Inhaltsverzeichnis wäre recht hilfreich gewesen.

Aus der Sicht meiner Fraktion ist im Sinne der Deregulierung und Entbürokratisierung insbesondere zu begrüßen, dass eine Reihe von Berichtspflichten gestreckt werden, zum Beispiel in Artikel 9 - Frauenfördergesetz -, in Artikel 76 - Gesetz zur Förderung der Erwachsenenbildung - und in Artikel 78 - Bildungsfreistellungsgesetz - des Gesetzentwurfes vorgesehen.

Die Streckung dieser beispielhaft genannten Berichtspflichten von zwei auf vier Jahre bzw. von einem auf zwei Jahre wird zu einer erheblichen Entbürokratisierung beitragen, ohne dass dem Landesgesetzgeber wesentliche politische Entwicklungen entgehen werden, zumal es nicht sein kann, dass eine Vielzahl von Beschäftigten in den Ministerien ständig mit der Abfassung von Berichten beschäftigt ist.

Im Rahmen der Diskussion über den Gesetzentwurf könnte man gegebenenfalls auch darüber nachdenken, die Streichung bzw. die Konzentration von Verordnungen der Exekutive zu überlassen, da der Landesgesetzgeber nicht der Verordnungsgeber ist. Dadurch würde der Gesetzentwurf etwas übersichtlicher gestaltet werden und das Ansinnen der Landesregierung könnte dennoch selbstverständlich umgesetzt werden

Ebenso zu diskutieren bleibt, ob es tatsächlich sinnvoll ist, das Verwaltungsverfahrensgesetz des Landes auf wenige Vorschriften zu reduzieren. Das ist ein praktischer Hinweis. Ich stelle es mir einmal vor: Sie arbeiten mit diesem Gesetz, haben in der linken Hand das Verwaltungsverfahrensgesetz des Landes und wenn Sie damit nicht weiterkommen, weil darin nur sechs Paragrafen sind, dann müssen Sie wieder das Bundesgesetz

aufschlagen. Das dürfte dem Praktiker etwas schwer fallen, obwohl dadurch einige Vorschriften gestrichen würden.

Im Ganzen ist es so, dass unsere Fraktion diesen Gesetzentwurf begrüßt. Ich persönlich freue mich auf die Arbeit im Rechtsausschuss. Wir werden diese Mammutaufgabe meistern können, weil wir dort ein gutes Verhältnis zwischen allen Fraktionen haben.

Deshalb werden wir die Federführung übernehmen können. Alle Ausschüsse sollten mitberaten - mit Ausnahme - das ist unser Antrag - des Petitionsausschusses und des Ältestenrats. Vielleicht sollte auch der Wahlprüfungsausschuss außen vor bleiben.

(Heiterkeit bei der FDP)

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der FDP und von Minister Herrn Becker)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Wolpert. - Für die SPDFraktion spricht nun die Abgeordnete Frau GrimmBenne.

(Frau Grimm-Benne, SPD, stellt zwei Gesetzes- sammlungen auf das Rednerpult)

- Verheben Sie sich nicht!

(Heiterkeit bei allen Fraktionen)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Der Grundgedanke des Gesetzentwurfes der Landesregierung ist zu begrüßen. Es ist richtig, das bestehende Recht zu vereinfachen und verständlicher zu machen.

Zwei Jahre lang hat die Landesregierung an diesem Gesetzentwurf gearbeitet. Der Gesetzentwurf wird aber dem hoch gesteckten Ziel leider nicht gerecht. Hier klafft eine Lücke zwischen Anspruch und Ergebnis. Um bei dem Bild „Mücke oder Elefant“ zu bleiben, das Sie vorhin angeführt haben: Bei dem Titel würde ich sagen: groß mutierte Mücke. - Dabei stellt dieser Gesetzentwurf nichts anderes dar - obwohl auch das wichtig ist - als die Fortsetzung der Rechtsbereinigung, die in den vergangenen Legislaturperioden begonnen wurde.

Schauen wir uns das Gesetz nun im Einzelnen an. Es besteht aus 150 Artikeln. Sie - Herr Minister, Sie haben es gerade vorgestellt - rühmen sich, 56 Rechtsvorschriften aufheben und 90 ändern zu wollen. Als wichtigstes Beispiel führen Sie an, dass das bisherige Verwaltungsverfahrensgesetz um 97 Paragrafen verkürzt wird und zukünftig nur noch aus sechs Paragrafen bestehen soll.

Ich habe nun den Brachmann des Landes SachsenAnhalt und den Sartorius des Bundes mitgebracht. Nun nehme ich diese 97 Paragrafen aus dem Brachmann heraus. Ich kann verstehen, dass Sie möchten, dass der Brachmann ein wenig dünner wird. Im wirklichen Leben ist er schon ziemlich dünn, aber es ist noch nicht das, was eigentlich abgespeckt werden sollte.

Als Verwaltungsjuristin schaue ich nun zuerst in die sechs Paragrafen des neuen Verwaltungsverfahrensgesetzes des Landes. Früher konnte ich bei diesem Klotz bleiben und konnte weiter schauen, was hierzu

sonst noch im Verwaltungsverfahrensgesetz steht. Nach der neuen Regelung muss ich dazu nun auch noch den Sartorius nehmen, damit ich weiß, was des Weiteren im Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes steht. Im Grunde genommen, wenn man das mit den Augen eines Beamten sieht, muss ich sogar zwei solcher Klötze stemmen und nicht nur einen.