Protokoll der Sitzung vom 12.11.2004

(Zuruf von der CDU: Ist auch gut so!)

die Förderung von Existenzgründern aus den Hochschulen - eine Anzahl ist nicht wirklich bekannt -, die Biotechnologieoffensive seit November 2003 - ich glaube, Sie sollten noch einmal nachschauen, wann wir insgesamt mit dem Thema Biotechnologie und der Offensive zu diesem Thema begonnen haben -, die Hochschulreform, sehr umstritten, was ihre Auswirkungen im hochschulstrukturellen Bereich angeht,

(Herr Schomburg, CDU: Aber notwendig, Frau Budde!)

die Infrastruktur - die A 14 ist in Angriff genommen worden; ich glaube, das Projekt kennen wir schon etwas länger -,

(Widerspruch bei der CDU)

die Novellierung des Naturschutzgesetzes - Sie brüsten sich mit den Einschränkungen, halten aber als erste Regierungserklärung eine zum Umweltschutz; meine Damen und Herren, ich glaube, das ist ein bisschen viel, was da gemogelt wird - und das Gesetz zur Förderung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen. So unterschiedlicher Meinung man dazu in der Sache sein mag, der Erfolg ist jedenfalls, glaube ich, der Volksentscheid.

Dann gehen wir einmal auf die letzte Seite Ihrer Broschüre; diese ist wirklich am spannendsten. Offensichtlich ganz bewusst auf die letzte Seite genommen: aktuelle Wirtschaftsdaten der neuen Länder in Prozent, darunter auch die Investitionsquote. Da sind wir nun mit 18,5 % in der Tat trauriger Spitzenreiter.

Ich weiß wirklich nicht, wie Sie hieraus eine zukunftsgerichtete Debatte entwickeln wollen. Sie hätten sich lieber mit dem empirischen Gutachten beschäftigen sollen,

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

hätten hier und dort vielleicht sagen können: Diese Ansätze sind richtig; da sind wir anderer inhaltlicher Auffassung - was man immer sein kann. Aber vielleicht schlummern bei Ihnen noch unausgesprochene Gedanken. Ich würde mich jedenfalls auf eine Diskussion im Ausschuss freuen.

(Beifall bei der SPD - Frau Feußner, CDU: Sie haben doch acht Jahre lang Zeit gehabt! Da ha- ben Sie es nicht fertig gebracht! Jetzt haben Sie plötzlich andere Ideen!)

Vielen Dank, Frau Budde. - Es trifft sich gut, dass sich nun Herr Minister Rehberger zu Wort gemeldet hat. Bitte schön, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Budde, als ich kürzlich den Antrag, den Sie

eben begründet haben, zum ersten Mal gelesen habe, dachte ich: Willkommen, SPD, im Jahr 2004!

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Denn das, was Sie vorgetragen haben, ist in wesentlichen Punkten - übrigens nicht erst seit ein oder zwei oder drei Jahren, sondern schon über einen wesentlich längeren Zeitraum - üblich, nämlich dass man - auf Sicht allerdings - ein regionales Förderprogramm für SachsenAnhalt erstellt, wie es in allen anderen Bundesländern, in denen Förderungen über die Gemeinschaftsaufgabe erfolgen, solche regionalen Programme gibt.

Ich nehme alle meine Amtsvorgänger in Schutz, wenn ich sage: Sie haben pflichtgemäß auch im Jahr 1995 oder 1997 oder 1999 oder im Jahr 2001 solche regionalen Förderprogramme vorgelegt, die drei wesentliche Dinge umfassen: Erstens eine Darstellung der aktuellen wirtschaftlichen Lage sowie ergänzend eine Prognose in Bezug auf die absehbare weitere Entwicklung, zweitens die Förderergebnisse und Erfolgskontrollen und drittens - das ist sicherlich besonders wichtig - eine Übersicht über die Entwicklungsziele der Wirtschaftspolitik einschließlich der zur Umsetzung nötigen Aktionen und Finanzmittel. Dabei nehmen die EU-Regionalfonds, der Aufbau und die Entwicklung des Mittelstands, der Forschungs- und Entwicklungsbereich und nicht zuletzt die Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur eine zentrale Position ein.

Frau Budde, in der Sitzung vor wenigen Tagen lag Ihnen die neueste Fassung dieses Förderprogramms, an die heutigen Bedürfnisse angepasst, auf dem Tisch. Unter Berücksichtigung all dieser Fakten, die wichtig sind, werden, wie in der Vergangenheit so auch heute, Vorschläge für die Landesregelungen, wie sie in der absehbaren Zukunft gelten sollen, entwickelt.

Wenn ich es richtig verstehe, Frau Budde, wollen Sie jetzt ein Leitbild entwickeln, das nicht nur die absehbare Zukunft umfasst, sondern das über einen größeren Zeitraum gelten soll. Vielleicht täusche ich mich, aber ich begreife das so; denn das, was schon längst da ist, kann man wohl kaum in Form eines Antrages noch einmal fordern.

Wenn Sie darauf hinaus wollen, dass wir für viele Jahre Leitbilder entwickeln und sagen, die chemische Industrie in Sachsen-Anhalt oder die Automotive-Entwicklung oder anderes würden in fünf oder zehn Jahren so und so aussehen müssen, dann, möchte ich sagen, liebe Frau Budde, sind Sie wieder in den Zeiten des Günter Mittag,

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Herr Bullerjahn, SPD: Das ist doch Quatsch!)

und das ist durch die Praxis der DDR längst überholt und widerlegt.

(Herr Bullerjahn, SPD: Herr Rehberger, das ist doch Unsinn, was Sie sagen! Leitbilder gehören eindeutig zur Wissenschaft! Sie hängen im Jahr 1990 fest, das ist Ihr Problem!)

Meine Damen und Herren! In der Marktwirtschaft ist es nicht Aufgabe der Politik zu entscheiden,

(Zuruf von Herrn Bullerjahn, SPD)

welche Branche sich an welcher Stelle so oder so zu entwickeln hat.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wenn man es versucht, dann macht man in aller Regel Bauchlandungen. Deswegen meine ich: Das, was Politik vernünftigerweise leisten kann, das leisten wir längst, indem wir jeweils für ein, zwei Jahre unter Berücksichtigung aller Umstände Konzepte entwickeln.

(Herr Bullerjahn, SPD: Genau das ist Ihre Politik, alle ein, zwei Jahre etwas zu machen!)

Aber, meine Damen und Herren, die Umstände wandeln sich zum Teil dramatisch. Ich möchte Ihnen das an einem Beispiel deutlich machen.

(Herr Bullerjahn, SPD: Wenn das Unternehmer hören würden!)

Wenn das Land mehr Fördermittel hat, als Projekte überhaupt gefördert werden können, dann ist das eine völlig andere Situation, als wenn wir eine Lage wie seit dem Regierungswechsel haben, in der wesentlich mehr Projekte da sind, die man fördern könnte, aber nicht mehr so viel Mittel, wie man brauchte, um alle zu fördern. Das sind völlig unterschiedliche Konstellationen. In der Zeit der Regierung Höppner sind 600 Millionen € Bundesmittel im Bereich der GA an den Bund zurückgegeben worden, weil nicht genügend Projekte da waren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Heute, meine Damen und Herren, haben wir, wie Sie wissen, eine völlig andere Situation,

(Herr Bullerjahn, SPD: Die Pipeline!)

die mir grundsätzlich viel lieber ist, eine Situation, in der wir genau hinschauen, wen wir fördern und warum wir ihn fördern, und in der deswegen immer eine gewisse Selektion notwendig ist.

Aber es gibt zugegebenermaßen - Frau Budde hat vor allem darauf abgehoben - Streitfragen, prinzipielle Meinungsunterschiede. Der wichtigste Streitpunkt, bei dem auch ich die Position des IWH ausdrücklich nicht teile, ist der, dass neuerdings - völlig anders als in der Vergangenheit, auch anders als Frau Budde es damals als Wirtschaftsministerin vertreten hat - das IWH im Bereich der Konzentration auf Schwerpunktregionen eine Position vertritt - von der SPD jetzt offenbar übernommen -, die besagt, dass die Höchstförderung in den Schwerpunktregionen und nur dort erfolgen soll, dass es eine Grundförderung selbstverständlich auch woanders geben kann und wird.

Meine Damen und Herren! Ich halte diese Position nicht für sinnvoll.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Ich möchte Ihnen einmal Folgendes sagen: Mit dieser Position hätte die Vorgängerregierung die Ansiedlung einer Zellstofffabrik in Arneburg nie und nimmer vertreten können.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Gott sei Dank hat sie es getan. Denn natürlich ist die Altmark eine strukturschwache Region. Wenn man sagen würde, dass es die Höchstforderung nur dort gibt, wo schon viel ist, dann hätten wir sagen müssen: Das Zellstoffwerk hat in Arneburg nichts verloren oder es gibt nur eine Grundförderung. Aber mit einer Grundförderung allein - das wissen Sie sogar noch besser als ich - wäre die Standortentscheidung nicht für Arneburg gefallen.

Bitte richten Sie doch den Blick einmal ein bisschen über unsere Landesgrenze hinaus. Überlegen Sie sich ein

mal, was es bedeuten würde, wenn die Wirtschaftsförderpolitik der Bundesrepublik Deutschland generell darauf ausgerichtet würde, vor allem dort mit Höchstfördersätzen zu fördern, wo schon sehr viel ist. Betrachten Sie das bundesweit, dann müsste der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit die Fördermittel nach München, nach Stuttgart, nach Hamburg und nach Frankfurt geben, während bei uns, die wir viel schwächer sind, gesagt werden müsste: Nicht so wichtig; da ist wenig zu erwarten, da haben die Mittel keinen Sinn.

Meine Damen und Herren! Eine solche Politik halte ich für nicht richtig.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zustim- mung von der Regierungsbank)

Im Übrigen muss man auch darauf verweisen, dass es - bisher jedenfalls - einen Konsens unter allen gibt, die Förderpolitik betreiben, zum Beispiel insbesondere auch im Hinblick auf die von Ihnen, Frau Budde, geforderte Koordination zwischen Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen. Wir sind völlig einer Meinung, dass in Regionen oder in städtischen Ballungsgebieten, in denen schon sehr viel an Förderung gelaufen ist, in denen ein wirklich großer Schritt nach vorn getan worden ist, eine mindere Förderung vertretbar ist, weil wir eben nicht wollen, dass sich die wirtschaftliche Entwicklung auf nur wenige Punkte im Land konzentriert und sich andere mehr oder weniger als abgeschrieben betrachten müssen.

Es geht nicht an, meine Damen und Herren, wenn morgen eine Firma aus dem Metallbereich kommt und sagt, sie wolle in Sangerhausen 300 Arbeitsplätze schaffen, dass ich denen dann, der SPD folgend, sage: Das könnt ihr machen, aber ihr kriegt eine minimale Förderung. Wenn ihr eine hohe Förderung wollt, dann müsst ihr nach Halle oder nach Magdeburg gehen.

Das ist nach meiner Überzeugung nicht richtig. Der Staat sollte sich bei der Steuerung in der Wirtschaft sehr zurückhalten. Das wäre eine massive regionale Steuerung, von der ich nicht glaube, dass sie sinnvoll wäre. Wenn sich jemand für den Standort Sangerhausen, Arneburg oder Zeitz entschieden hat, dann bin ich nicht klüger als er und habe nicht die Absicht, ihm in diese Entscheidung hineinzureden.

Eine solche, sich auf wenige Punkte konzentrierende Höchstförderung, meine Damen und Herren, würde für all diejenigen, die in anderen Regionen tätig sind, bedeuten, dass sie sich anstrengen könnten, wie sie wollten, sie würden kaum etwas zustande bringen. Ich finde, auch die Stimmung, die dadurch entstehen würde, wäre alles andere als hilfreich.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Schluss sagen, was mich besonders gewundert hat. In diesem Antrag der SPD-Fraktion wird die Landesregierung aufgefordert, auf Bundesebene für die Fortführung der GA aktiv zu werden. - Frau Budde, zu Ihrer Kenntnis: Das machen wir nachhaltig.