Protokoll der Sitzung vom 17.12.2004

Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 4/1686

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres - Drs. 4/1938

Ich bitte Herrn Borgwardt, als Berichterstatter des Ausschusses für Inneres das Wort zu nehmen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf wurde am 9. Juli 2004 in der 44. Sitzung des Landtages zur federführenden Beratung an den Innenausschuss und zur Mitberatung an die Ausschüsse für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr, für Umwelt, für Wirtschaft und Arbeit sowie für Kultur und Medien überwiesen.

Der Innenausschuss befasste sich in mehreren Sitzungen mit dem Gesetzentwurf. Die erste Beratung im Innenausschuss fand in der 35. Sitzung am 23. September 2004 statt. In dieser Sitzung verständigte sich der Innenausschuss darauf, in seiner Sitzung am 20. Oktober 2004 eine Anhörung durchzuführen und dazu die mitberatenden Ausschüsse einzuladen.

Zu der Anhörung wurden auf Vorschlag der Fraktionen die kommunalen Spitzenverbände, die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Landesbezirk Sachsen-Anhalt, der Deutsche Beamtenbund Sachsen-Anhalt, der Deutsche Gewerkschaftsbund, Landesverband SachsenAnhalt, sowie der Wasserverbandstag e. V. Bremen/Niedersachsen/Sachsen-Anhalt eingeladen und um Meinungsäußerung gebeten.

Nach der Anhörung verständigte sich der Ausschuss darauf, die aufgeworfenen Fragen nochmals zu prüfen und erst in der nächsten Sitzung eine Beschlussempfehlung an die mitberatenden Ausschüsse zu erarbeiten. Gleichzeitig verständigte sich der Ausschuss darauf, den mitberatenden Ausschüssen mitzuteilen, dass eine zügige Beratung notwendig sei.

In der 37. Sitzung am 20. Oktober 2004 verabschiedete der Ausschuss eine vorläufige Beschlussempfehlung an die mitberatenden Ausschüsse und empfahl mit 7 : 0 : 5 Stimmen die Annahme des unveränderten Gesetzentwurfs.

Zu dieser vorläufigen Beschlussempfehlung ließ der Umweltausschuss wissen, dass er aus Zeitgründen keine Stellungnahme abgeben werde. Der Wirtschaftsaus

schuss empfahl die Annahme des unveränderten Gesetzentwurfs. Änderungsempfehlungen wurden vom Ausschuss für Kultur und Medien sowie vom Ausschuss für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr gegeben.

Eine weitere Beratung im Innenausschuss fand in der 40. Sitzung am 17. November 2004 statt. Der Ausschuss besprach die einzelnen Bestimmungen unter Hinzuziehung der Empfehlungen der mitberatenden Ausschüsse und bezog auch die in Schriftform vorliegenden Bedenken des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes zu bestimmten Regelungen in die Überlegungen ein.

Eine abschließende Beratung mit dem Ergebnis einer Empfehlung an den Landtag fand im Innenausschuss am 6. Dezember dieses Jahres statt. Zu dieser Beratung lagen dem Ausschuss ein Änderungsantrag der PDSFraktion zu Artikel 7 - Änderung des Denkmalschutzgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt; dieser wurde bei 3 : 7 : 3 Stimmen abgelehnt - und ein Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen betreffend Artikel 2 - Gesetz zur Fortentwicklung der Verwaltungsgemeinschaften und zur Stärkung der gemeinschaftlichen Verwaltungstätigkeit -, Artikel 12 - Änderung des Finanzausgleichsgesetzes - und Artikel 15 - Neubekanntmachungserlaubnis - vor. Diese Änderungsanträge wurden mit 10 : 0 : 3 Stimmen angenommen.

Den Empfehlungen des mitberatenden Ausschusses für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr zu Artikel 2 Nr. 2 sowie des Ausschusses für Kultur und Medien zu Artikel 7 folgte der Ausschuss nicht. Eingang in die Ihnen vorliegende Synopse fanden die Vorschläge des GBD zu rechtsförmlichen Änderungen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte Sie, der Beschlussempfehlung des Innenausschusses zuzustimmen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Borgwardt, für diesen Bericht. - Nun erteile ich Herrn Minister Jeziorsky das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem heute zur Beschlussfassung anstehenden Gesetzentwurf für ein Erstes Funktionalreformgesetz ist eine weitere Etappe auf dem Weg zu einer umfassenden Modernisierung der gesamten Landesverwaltung erreicht. Nach dem Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetz, dem Gesetz zur Neuordnung der Landesverwaltung, dem Gesetz zur Fortentwicklung der Verwaltungsgemeinschaften und zur Stärkung der gemeindlichen Verwaltungstätigkeit sollen jetzt mit dem Ersten Funktionalreformgesetz Aufgaben auf die Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte verlagert werden.

Diesem Gesetzentwurf gingen intensive Beratungen mit den kommunalen Spitzenverbänden voraus, für deren konstruktive Mitwirkung ich mich an dieser Stelle bedanke.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf sieht die Übertragung von Aufgaben im Umfang von insgesamt 112 Vollbeschäftigteneinheiten vor. Den Schwerpunkt bilden die Aufgaben des Umweltbereiches sowie Aufgaben aus den Bereichen Inneres, Wirtschaft und Arbeit, Kultus, Bau und Verkehr. Gemessen an dem

dafür bisher gebundenen Personal sind besonders hervorzuheben:

− Genehmigungszuständigkeiten der unteren Wasserbehörden,

− Genehmigung und Überwachung von Anlagen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz sowie die Zuständigkeit für immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige Anlagen und

− Aufgaben im Rahmen des Vollzugs des Wasserrechts, Abfallrechts, Bodenschutzrechts und Immissionsschutzrechts.

Schon an dieser kurzen Zusammenfassung können Sie sehen, dass wir hiermit auf dem richtigen Weg sind, Aufgaben konsequent auf die kommunale Ebene zu verlagern. Dies entlastet nicht nur die Landesverwaltung, sondern stärkt auch die kommunale Verantwortung. Unsere Bürgerinnen und Bürger erwarten ja auch zu Recht, dass die sie betreffenden Verwaltungsentscheidungen möglichst ortsnah ergehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei den im Vorfeld geführten Beratungen wurden der Anschluss der Kommunen an das Landesdatennetz und Fragen des Personalübergangs intensiv erörtert. Wir haben diese Bereiche durch die am 13. Dezember unterzeichnete Rahmenvereinbarung zwischen der Landesregierung und den kommunalen Spitzenverbänden zur Umsetzung der Funktionalreform einvernehmlich klären können.

Bei der Frage des Personalübergangs hat die Landesregierung auf ausdrücklichen Wunsch der Spitzenverbände von einem möglichen gesetzlich geregelten Personalübergang Abstand genommen. Dies setzt jedoch voraus, dass die vorgesehenen 48 Vollbeschäftigteneinheiten auch tatsächlich übergehen. Die Rahmenvereinbarung sieht deshalb auch entsprechende flankierende Regelungen vor.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine Korrektur des Finanzausgleichs zugunsten der kommunalen Seite ergab sich durch das Urteil des Landesverfassungsgerichts vom September dieses Jahres zum Ersten Investitionserleichterungsgesetz. Bußgeldeinnahmen hat das Landesverfassungsgericht als Deckungsmittel im Sinne von Artikel 87 Abs. 3 der Landesverfassung als angemessenen Kostenausgleich verworfen. Demzufolge sieht die Beschlussempfehlung die Erhöhung um die geschätzten 34 000 € an Bußgeldeinnahmen vor. Die Landkreise und kreisfreien Städte erhalten nunmehr in den nächsten Jahren zum Ausgleich für die übertragenen Aufgaben im Jahr 2005 rund 5,6 Millionen €, in den Jahren 2006 bis 2009 rund 5,1 Millionen €, sowie ab dem Jahr 2010 4,8 Millionen € neben den Mitteln aus dem allgemeinen Finanzausgleich.

Das Land wird durch die Abgabe des Personals an die kommunale Ebene und durch andere personalwirtschaftliche Instrumente das durch die Aufgabenverlagerung frei werdende Landespersonal voraussichtlich bis Ende 2006 einsparen. Mittelfristig sinken damit auch die zur Ausstattung der Mitarbeiter notwendigen Sach- und Unterbringungskosten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die Aufgaben, die mit Personal auf die Kommunen übergehen, werden in den ersten fünf Jahren 100 % der Personalkosten übernommen. Ab dem sechsten Jahr wird eine kommunale Interessensquote von 10 % abgezogen. Für die darüber hinausgehenden Aufgabenverlagerungen im

Umfang von 64 Vollbeschäftigteneinheiten, die durch personalwirtschaftliche Maßnahmen wie Altersteilzeit und Wiederbesetzungssperren allein das Land abzubauen hat, akzeptieren die kommunalen Spitzenverbände eine deutlich geringere Kostenerstattungsquote von 50 % der Personalkostenansätze. Ebenso tragen die Landkreise das Kostenrisiko für etwaige Tarifsteigerungen nach dem Jahr 2005.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Resümee kann ich heute feststellen, dass sich die von allen Beteiligten in das Vorhaben investierte Zeit und Mühe gelohnt haben. Der weitgehend im Konsens mit den Spitzenverbänden erarbeitete Gesetzentwurf der Landesregierung ist in den wesentlichen Punkten in die Beschlussempfehlung übernommen worden.

Die Bezeichnung des Gesetzentwurfs als Erstes Funktionalreformgesetz unterstreicht, dass wir hier am Anfang eines fortzuführenden Reformprozesses stehen. Ich darf an dieser Stelle insbesondere die kommunalen Partner dazu einladen, diesen Prozess weiterhin zu unterstützen. Angesichts der geplanten Kreisgebietsreform steht eine weitere Stärkung der kommunalen Verwaltungsstrukturen zu erwarten, die diese Aufgabenübertragungen möglich machen wird.

Für die entscheidenden und schwierigen Fragen in diesem Zusammenhang - es waren die Kostenerstattung und der Personalübergang - sind im Rahmen der besonders aufwendigen Erarbeitung und Beratung des vorliegenden Gesetzentwurfs entscheidende Grundlagen im Konsens zwischen dem Land und der kommunalen Ebene geschaffen worden.

Mein Dank gilt an dieser Stelle allen, die daran mitgewirkt haben. Ich bin zuversichtlich, dass wir auf dieser Basis die nächsten gesetzgeberischen Schritte auf dem Weg zu einer umfassenden Funktionalreform weitergehen können. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Jeziorsky. - Die Debatte der Fraktionen wird eröffnet durch den Beitrag der SPDFraktion. Ich erteile Herrn Rothe das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Innenminister, Sie haben eben gesagt, dass der Verzicht auf einen gesetzlich geregelten Personalübergang voraussetzt, dass die 48 Vollbeschäftigteneinheiten tatsächlich übergehen. Damit meinen Sie sicherlich auch die Personen, die mit den Stellen verbunden sind. Wir werden das sorgfältig verfolgen, weil davon tatsächlich abhängt, ob ein solches auf Freiwilligkeit basierendes Modell praktikabel ist. Es kann nicht sein, dass der notwendige Stellen- und Personalabbau einseitig zulasten des Landespersonals erfolgt, gerade wenn wir Aufgabenübertragungen in anderen Größenordnungen ins Auge fassen, als sie in dem Ersten Funktionalreformgesetz enthalten sind.

Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion wird sich zu dem vorliegenden Gesetzentwurf der Stimme enthalten. Das drückt keinen Mangel an Entschlossenheit aus, sondern den Wunsch nach einem konsequenteren Reformansatz, der uns die Zustimmung ermöglicht.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Der heute zur Abstimmung stehende Gesetzentwurf bleibt zu sehr hinter dem zurück, was der Landtag in seinem Beschluss vom 17. Januar 2002 an Aufgabenbereichen identifiziert hat, die sich für eine Kommunalisierung eignen. Ich meine, dieses Zurückbleiben liegt in erster Linie am fehlenden Zusammenhang mit einer Kreisgebietsreform.

(Zustimmung bei der SPD)

In dem Beschluss der Landkreisversammlung vom 7. Oktober 2004 heißt es, dass die Landkreise „in engem zeitlichem Zusammenhang zur gebietlichen Neuordnung eine umfassende Funktionalreform“ erwarten. Wie könnte eine umfassende Funktionalreform beschaffen sein?

Lassen Sie mich nochmals den Beschluss der Landkreisversammlung zitieren:

„Staatliche Sonderbehörden sind grundsätzlich in die Kreisstufe einzugliedern.“

Wer dieses Anliegen ernst nimmt, der denkt beispielsweise an die Landwirtschaftsverwaltung, an die Flurneuordnung und an die Politik für den ländlichen Raum.

(Zuruf von Minister Herrn Jeziorsky)

- Ich denke, das gehört ins Landratsamt als Bündelungsbehörde.

Ein anderes Beispiel ist die Schulaufsicht, auch wenn sie jetzt in das Landesverwaltungsamt als Verwaltungskombinat integriert ist. Es gibt dort keine nennenswerten Bündelungseffekte, sondern diese treten ein, wenn wir die inneren und äußeren Schulangelegenheiten, die staatliche Schulaufsicht und die kommunale Schulverwaltung im Landratsamt zusammenführen. Wir haben diese Diskussion schon in der vergangenen Legislaturperiode geführt. Damals haben die Fachbeamten gesagt, dass für eine wirtschaftliche Erledigung solcher Aufgaben wie Landwirtschaft und Schulaufsicht landesweit vier oder fünf Behörden erforderlich seien.

(Herr Bischoff, SPD: Das passt ja!)

- Das passt zu dem Fünf-Kreise-Modell, Herr Bischoff,

(Zustimmung bei der SPD)