Das Sozialministerium hat gekontert. Es gab ja dann einen Schriftverkehr, wie das so üblich ist, wenn der Landesrechnungshof etwas moniert. Das Ministerium hat deutlich gemacht, erstens war der Zeitdruck da - zu dem sage ich gleich noch etwas -, zweitens gebe es zu wenig Anbieter. Eine Markterkundung hätte das vorher ergeben.
Da wurde, wie ich es gesagt habe, ein Referent mit der Abwicklung dieser Softwarebeschaffung beauftragt. Danach lässt sich in den Unterlagen nicht mehr erkennen, ob sich die Hausspitze überhaupt noch mit diesen Dingen beschäftigt hat. Es gibt jedenfalls weder einen grünen noch einen roten Vermerk. Man hatte den Eindruck, das wird sozusagen auf Referentenebene weiter behandelt.
Es gab also keine Befassung in der Staatssekretärsrunde, obwohl es auch damals schon üblich war, dass das schon bei Beträgen ab 5 000 €, wenn es um Vergaben und Beraterverträge geht, in die Staatssekretärsrunde gehört. Bei EDV-Beschaffungen gilt das für einen Betrag ab 25 000 €. Die Prüfung des Landesrechnungshofes - darauf beharrt er bis heute - hat zum Ergebnis gehabt, es hätte zwingend ausgeschrieben werden müssen.
Die Position des Sozialministeriums war aber weiterhin - das hat uns im Ausschuss irritiert -: Das mag schon sein, aber es war damals aus den Gründen, die ich eben genannt habe, rechtens, dass wir das so gemacht haben. In Zukunft werde man das aber anders machen. Dann würde man die Dokumentation schon einführen und würde auch organisatorisch dafür Sorge tragen, dass das zumindest nicht alles aus einer Hand erfolgt.
Ich glaube, Herr Ministerpräsident - ich kenne Sie auch aus dem Ausschuss -, wenn Sie im Ausschuss dabei
gesessen hätten, dann hätten Sie mit dem Kopf geschüttelt und Sie hätten kräftig auf den Tisch gehauen. Das hätten Sie nicht durchgehen lassen, und zwar auch deswegen nicht, weil in diesem Wortwechsel deutlich gemacht worden ist: Na ja, für die Zukunft werden wir das ausmerzen.
Es gab dann nämlich am 25. August ein Gespräch in der Staatskanzlei, bei dem Sie, Herr Ministerpräsident, wahrscheinlich deutlich gemacht haben, dass es auch aufgrund der Erfahrungen der letzten Monate so nicht geht. Das Sozialministerium muss dann klein beigegeben und gesagt haben, dass man sich in Zukunft danach richten wolle.
Im Ausschuss wurde jedoch gleichzeitig erklärt, dass das, was in der Vergangenheit passiert sei, trotzdem richtig gewesen sei - als ob sich Rechtspositionen dadurch ändern würden, dass man erklärt, in der Vergangenheit wäre es richtig gewesen, in der Zukunft machen wir es anders.
Wir hätten gern deutlich gehört, dass auch das Vorgehen in der Vergangenheit nicht rechtens gewesen sei. Man hätte ausschreiben müssen, weil der Zeitdruck, der übrigens uns als Parlament in die Schuhe geschoben worden ist, im Zusammenhang mit dem Entwurf zur Reform der Landesverwaltung von der Landesregierung selbst hineingebracht worden ist. Sie erinnern sich sicherlich noch, dass wir gesagt haben: Nehmt euch doch Zeit. Ihr habt ein ganzes Jahr lang Zeit, die Sozialagentur zu gründen. Dann wären diese Probleme gar nicht aufgetreten. Jetzt aber wird gesagt, man habe so handeln müssen, weil man vom Parlament unter Druck gesetzt worden sei.
Nun könnte man am Ende sagen: Dumm gelaufen, das war vielleicht nicht ganz richtig - das hätten wir gern vom Sozialminister gehört -, aber Schaden ist nicht entstanden. - Das stimmt. Wir werden uns demnächst noch damit beschäftigen und von der Sozialagentur hören, wie sie mit der Software umgeht.
Aber es geht hierbei um eine grundsätzliche Haltung, wie man damit umgeht und wie die Vergabepraxis in diesem Land aussieht. Dass wir jetzt eine Missbilligung aussprechen, liegt nur daran, dass wir nicht noch einen Untersuchungsausschuss haben wollen. Darüber haben wir lange diskutiert. Wir hatten dazu auch Auseinandersetzungen im Ausschuss, wobei wir, weil die Aussagen aus dem Sozialministerium uns in keiner Weise befriedigt haben, gesagt haben: Wenn es nicht einen Schritt weitergeht, müsste man eigentlich, um es auf den Punkt zu bringen, einen Untersuchungsausschuss einsetzen. Aber Sie wissen, dass sich so etwas ewig in die Länge zieht, und ob am Ende wirklich etwas Positives für das Land dabei herauskommt, ist eine andere Frage. Also haben wir gesagt, dass eine Missbilligung das geeignete Mittel ist.
Ich sage auch noch einmal, warum. In den Akten war kein Vermerk, dass sich die Hausspitze überhaupt darum gekümmert hat - und das bei einem so sensiblen Thema wie der Sozialagentur. Ihre Entstehung war mehrfach Thema im Landtag und es war politisch eine ganz diffizile Angelegenheit. Angesichts einer so diffizilen Angelegenheit ist es völlig unverständlich, warum sich die Hausspitze überhaupt nicht darum gekümmert hat, dass es keinen Vermerk gibt, sondern dass offensichtlich ein Referent das macht, was er für richtig hält.
Man hat den Eindruck - das sage ich vielleicht etwas überspitzt -, das Sozialministerium läuft auch ohne Minister und Staatssekretärin ganz gut, die Verwaltungsebene und die Referenten können das allein.
Keine Führung, keine Verantwortung. Deshalb, Herr Minister, missbilligen wir Ihre Amtsführung, die darauf schließen lässt, dass Sie es an der nötigen Umsicht fehlen lassen und Ihrer Verantwortung nicht gerecht werden.
Vielen Dank, Herr Bischoff. - Meine Damen und Herren! Bevor wir in die Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion einsteigen, hat für die Landesregierung der Herr Ministerpräsident um das Wort gebeten. Bitte sehr, Herr Ministerpräsident.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um dies gleich zu sagen: Jawohl, es hat Probleme gegeben, die wir ändern mussten und in der Zwischenzeit auch geändert haben.
Wenn ich mir das Gutachten des Landesrechnungshofes anschaue, konstatiere ich, dass er seine Schlussfolgerung mit einer Feststellung beginnt, der ich nicht widerspreche: „Nach unserer Auffassung lassen sich fast alle festgestellten Verstöße und Mängel bei der Umsetzung des geprüften Vorhabens letztlich auf ein unzureichendes Projektmanagement zurückführen.“
Ich gebe zu, dass ich an diesem unzureichenden Projektmanagement, das unter Zeitdruck zustande gekommen ist, selbst mit beteiligt war. Wir hatten nämlich im letzten Jahr, als wir dies diskutiert haben, ein offenes Problem, das darin bestand, dass wir nicht wussten, wie es im Vermittlungsausschuss mit dem Optionsgesetz zur Umsetzung von Hartz IV weitergeht.
Zeitgleich haben wir im Bereich der Sozialverwaltung eine Umstrukturierung vorgesehen. Dabei schwankten die Diskussionen zunächst hin und her zwischen völliger Kommunalisierung, wie sie zum Beispiel Baden-Württemberg in der gleichen Zeit etwa gemacht hat und für die viel gesprochen hätte, und einer stärkeren Zentralisierung auf Landesebene, weil auf kommunaler Ebene zum Teil mit nicht nachvollziehbaren Entscheidungen darüber entschieden wird, wie viel das Land als überörtlicher Träger leisten muss, sodass wir diese Entscheidungen bündeln und in einer Hand haben wollten.
Wir wussten zunächst nicht, wie es mit der Arbeitsverwaltung weitergehen wird: Werden das die Landkreise völlig übernehmen, was diskutiert wurde; werden sie es überhaupt nicht übernehmen und wird das bei der Bundesagentur bleiben, was seitens der Bundesregierung gewollt wurde, und wie wird das aussehen?
In diesem ganzen Gefechtsfeld gab es Landkreise, die gesagt haben: Wir bringen euch zum 1. Juli alle Akten; macht ihr das mal; wir schalten uns dafür in die Arbeitsvermittlung ein und übernehmen diese. Andere haben gesagt: Um Gottes willen, wir haben das bisher gemacht; nun müsst ihr erst einmal beweisen, dass wir es schlecht gemacht haben, wenn ihr das jetzt machen wollt.
Es gab eine monatelange Diskussion, wobei wir über die endgültige Konzeption erst entschieden haben, als wir wussten, wie es mit Hartz IV und mit der Arbeitsverwaltung weitergeht. Dadurch ist ein Zeitdruck entstanden, den das Ministerium selbst nicht zu verantworten hat. Als wir wussten, wie wir die Sache konstruieren wollen, wie diese Einheit funktionieren soll, was von den Kommunen in dieser Sozialagentur abgearbeitet wird, was wo entschieden wird, wollten wir das unter einem gewissen Zeitdruck so organisieren, dass es bis zum 1. Juli dieses Jahres einigermaßen arbeitsfähig war.
Unter diesen Bedingungen ist dann auch entschieden worden, welche Ausschreibungsmechanismen genutzt werden müssen, um zum Beispiel die gesamte Software für die Informationssysteme kompatibel zu machen. Da ein modularer Aufbau unter Nutzung der in den einzelnen Kreisen schon vorhandenen Anlagen beabsichtigt war, um eine bessere Zusammenarbeit zu ermöglichen, ist entschieden worden, dass die Vergabe nach § 3a Nr. 2 zulässig ist. Da es für diese spezielle Aufgabe, die erst relativ spät formuliert worden ist, offensichtlich nur einen Anbieter gab, wurde also entschieden, von einer öffentlichen Vergabebekanntmachung und Vergabeentscheidung, so wie Sie sie gefordert haben, abzusehen.
Das hat der Landesrechnungshof moniert und das haben wir selbstverständlich intern ausgewertet. Die Mitarbeiter haben mir versichert, dass dies in der gesamten Landesregierung seit Mitte der 90er-Jahre, also seitdem es solche Ausschreibungen gibt, ein übliches Verfahren gewesen, also nicht zum ersten Mal so praktiziert worden sei.
Ich habe mir überlegt, ob ich mir ein paar Entscheidungsvorgänge aus den 90er-Jahren heraussuchen soll, also aus der Zeit, als noch eine andere Ministerin die Verantwortung trug, um dann „Ätsch!“ zu sagen usw. Das war mir dann aber etwas zu billig. Ich denke, das sollten wir auch nicht machen.
Wir haben festgestellt, dass sich auf der Verwaltungs- und auf der Arbeitsebene auf der Grundlage der geltenden Vorschriften eine Interpretation besonderer Entscheidungssituationen eingebürgert hatte, die vom Landesrechnungshof, ohne dass er diese Hintergründe kennen konnte, dann aus seiner Sicht zu Recht kritisiert worden ist. Wir haben gesagt, dass das natürlich nicht so bleiben kann und dass wir in dieser Hinsicht durchaus Änderungsbedarf haben.
Ich will nur eines feststellen - deshalb war es mir wichtig, dies auch selbst hier zu sagen -: Bei allen Überprüfungen - das haben auch Sie gesagt, weil Sie keine entgegengesetzten Anhaltspunkte gefunden haben - gab es keinen Hinweis auf fahrlässiges oder direkt vorschriftswidriges Handeln. Es gab vielmehr eine interpretationsfähige Vorschrift, die seit einigen Jahren in allen Bereichen und in allen Ministerien als übliches Verwaltungshandeln benutzt wurde. Wir haben selbstverständlich versucht, die Vorschrift so einzuengen, dass solche Entscheidungsspielräume nicht mehr bestehen. Das haben wir bereits getan.
Wir haben daraus Schlussfolgerungen gezogen. Dieser Vorgang ist intern ausgewertet worden. Wir haben unter Federführung des Justizministeriums für alle Ministerien ein Seminar zum Vergaberecht durchgeführt. Dieses Seminar wurde vom Vizepräsidenten des Oberlandesgerichtes Naumburg geleitet. Anwesend und aktiv betei
ligt waren auch Richter auf dem Gebiet des Vergaberechtes und Mitarbeiter des Landesrechnungshofes. Es ging uns darum, die Entscheidungsspielräume, die letztlich einer bestimmten Ermessensentscheidung unterlagen, zukünftig in gleicher Weise auszufüllen, um uns so etwas bei nachträglicher Beurteilung nicht mehr vorwerfen zu müssen.
Wir sind zurzeit unter Federführung des Wirtschaftsministeriums dabei, den Vergabeleitfaden zu überarbeiten und die Ermessensspielräume so einzuengen, dass solche - sagen wir - Entscheidungen, die man hinterher anders interpretieren und auslegen kann, nicht mehr auftreten. Auch dies geschieht in Zusammenarbeit mit dem Landesrechnungshof, weil ich denke, dass unsere Beamten, wenn sie bereit sind, Entscheidungen zu übernehmen, dann kritisiert werden müssen, wenn sie falsche Entscheidungen treffen, insbesondere wenn dies fahrlässig oder gar absichtlich geschieht.
Herr Ministerpräsident, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Dr. Weiher zu beantworten?
Ich bin aber bereit, jede Entscheidung unter Ausnutzung eines möglichen Ermessensspielraums so lange zu decken, bis wir dies gemeinsam geändert haben. So viel Vertrauen haben unsere Mitarbeiter verdient.
Deswegen sage ich hier ganz deutlich: Wir haben die Kritikpunkte des Landesrechnungshofes ernst genommen. Dort, wo Änderungsbedarf bestand, ist dies veranlasst worden. Aber mehr ist aus unserer Sicht nicht notwendig.
Herr Bischoff war freundlich genug, die Sache so einzuleiten, wie ich sie verstehen kann. Eine Opposition muss so etwas tun. Das haben wir auch getan, Herr Bischoff, das weiß ich doch genau. Aber ich will eines ganz deutlich sagen: Wir sollten die Sache jetzt nicht so überstrapazieren, dass Beamte nicht mehr bereit sind, selbst eine Entscheidung zu treffen.
Damit würden wir das gesamte Verwaltungshandeln unnötig erschweren. So viel Vertrauen muss überall dort bleiben, wo man sich in einer Zusammenarbeit auf andere verlassen möchte. Dieser Spielraum war vielleicht etwas zu groß. Er ist neu definiert worden; aber das sollte es dann auch sein. - Vielen Dank.
Herr Ministerpräsident, ich bin etwas irritiert wegen des Spielraums, den Sie anführen. Soweit mir bekannt ist, gibt es die - ich nenne sie einmal so - Antikorruptionsrichtlinie der Landesregierung schon seit einigen Jahren. In dieser werden ganz klare Feststellungen zum VierAugen-Prinzip getroffen.
An dieser Stelle würde ich schon fragen, wer die zwei anderen Augen waren, wer an der Stelle bei der Vergabe mitgewirkt und gegengezeichnet hat. Bei dem VierAugen-Prinzip ist es so, dass die Hausspitze oder ein von ihr eingesetzter Mitarbeiter aus dem Bereich Haushalt solche Dinge gegenzeichnen muss. Dafür gibt es, zumindest nach meinem Ermessen, keinen Spielraum.
Ja, Frau Dr. Weiher. Diese Entscheidung, auf die Sie abheben, ist immer dann richtig, wenn tatsächlich entschieden werden muss. Wenn der Eindruck bestand - diesen kann ich hier nicht mehr kontrollieren -, dass tatsächlich nur ein einziger Anbieter infrage kam, weil man bestehende Software weiternutzen wollte und nicht alles in allen Kommunen ändern wollte, und wenn dieser Eindruck richtig ist, dann gibt es keinen Entscheidungsspielraum mehr. Aber auch dies ist ein Tatbestand, den wir zukünftig anders regeln werden.