Die Einführung von Steuerungsmethoden, wie Kosten- und Leistungsrechnung, Controlling und Benchmarking, werden bereits seit längerer Zeit in Sachsen-Anhalt praktiziert. Das müsste Vorbildwirkung haben. Hierfür könnten Sie als Minister in der Justizministerkonferenz werben. Zukünftig müssten nach meiner Auffassung die Länder ihre Zusammenarbeit in diesem Bereich verstärken und vor allem in einen intensiveren Erfahrungsaustausch treten.
Sie, Herr Minister, fordern nun die Unterstützung des Parlaments und der parteipolitischen Gremien ein. Dies ist durchaus zu begrüßen, da eine so umfassende Reform nur mit einer breiten Mehrheit verabschiedet werden kann und von ihr getragen werden muss.
Dabei fasse ich Ihre Regierungserklärung auch als Appell an die Koalitionsfraktionen auf. Die SPD-Bundestagsfraktion hat jedenfalls uns als Landtagsfraktion aufgefordert, alles zu tun, um die große Justizreform über alle Parteigrenzen hinweg auf den Weg zu bringen. Trotz dieser Harmonie habe ich ein Haar in der Suppe gefunden.
Es ist bezeichnend für Sie, Herr Minister Becker, dass in Ihren Ausführungen die Akteure in der Justiz keine Rolle spielen. Bei einer so umfassenden Reform müssen wir in den Dialog mit der Justiz treten und mit Richtern, Staatsanwälten, Rechtsanwälten, Notaren, Gerichtsvollziehern, Rechtspflegern und allen anderen in der Justiz Beschäftigten diesen Dialog suchen.
Wir müssen bei der Erarbeitung von konkreten Vorschlägen deren Wissen und Erfahrungen nutzen und uns mit ihnen auseinander setzen. Ich habe leider jegliche Ausführungen von Ihnen vermisst, wie Sie gedenken, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Reformprozess einzubinden. Damit haben Sie meiner Meinung nach auch eine Chance der Wiedergutmachung verpasst.
Damit sind wir bei dem Thema Justizpolitik in SachsenAnhalt angekommen. Eine Regierungserklärung sollte dazu dienen, ein Resümee über die bis jetzt geleistete Arbeit zu ziehen und die Aktivitäten des Justizministers seit Amtsantritt aufzeigen. Sie haben nichts berichtet über die Situation im Strafvollzug, die räumliche Situation der Justiz, die mangelnde sächliche Ausstattung und die personelle Situation an vielen Gerichten. Leider haben wir von all dem nichts gehört. Das war auch nicht zu erwarten, da Ihre Amtszeit bis zum heutigen Tag von Ereignissen um Ihre Person überschattet ist,
Deshalb mussten Sie sich, Herr Minister - so Leid es mir tut - in die Bundespolitik flüchten, ohne darzustellen, wie
Diese Regierungserklärung war heute eine Pflicht und keine Kür. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank Frau Grimm-Benne. - Für die FDP-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Wolpert das Wort. Bitte sehr, Herr Wolpert.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde nicht der Versuchung erliegen, darüber zu diskutieren, wer mit einem Untersuchungsausschuss der Justiz geschadet hat oder wer nicht.
Die verschiedenen Vorschläge, die bislang im Rahmen der so genannten großen Justizreform diskutiert worden sind, sind in der Aussprache zur Regierungserklärung des Ministers bereits eingehend von den Vertretern der anderen Fraktionen beleuchtet worden. Zum Schluss der Debatte möchte ich aus der Sicht der FDP-Fraktion aber noch einmal die wichtigen Punkte aufgreifen.
Es ist unstrittig, dass wir eine funktionierende Justiz brauchen, um Freiheit zu sichern und um Rechtsfrieden sowie Rechtsschutz in der Gesellschaft auch gegenüber dem Staat zu gewährleisten. Die Justiz gehört zu den unverzichtbaren Kernaufgabe des Staates. Die Modernisierung der Justiz ist daher eine wichtige Aufgabe, um die Qualität und die Leistungsfähigkeit des Rechtsstaates zu sichern und zugleich die Gerichte zu entlasten.
Aus diesem Grunde hat die Justizministerkonferenz unter der Überschrift „Eckpunkte für die große Justizreform“ die Entwicklung eines Gesamtkonzeptes beschlossen, um die Leistungsfähigkeit und die Zukunftsfähigkeit der Justiz in Deutschland langfristig zu sichern.
Meine Damen und Herren! Die Initiative der Justizministerkonferenz begrüße ich vom Grundsatz her ausdrücklich. Die FDP wird sinnvolle Reformbestrebungen, die in Zeiten finanzieller Engpässe dazu führen sollen, vorhandene Mittel und Ressourcen sinnvoller und effektiver als bisher einzusetzen, selbstverständlich unterstützen. Wir werden auch dafür werben, dass sich unabhängig von Parteien und Wahlperioden ein breiter Konsens für eine umfassende Justizreform bildet; denn die Bestrebungen dürfen nicht zulasten unseres Rechtsstaates und unserer Bürgerinnen und Bürger kleinkarierten Streitereien der handelnden Personen zum Opfer fallen.
Bevor ich auf die Reformvorschläge im Einzelnen eingehe, lassen Sie mich aber auch einige kritische Anmerkungen machen. Ich warne davor, dass durch die Reformvorhaben und durch die Art und Weise, wie sie zum Teil in die Öffentlichkeit transportiert werden, der Eindruck vermittelt wird, die Justiz in Deutschland würde nicht funktionieren. Es kann dadurch manchmal der Eindruck entstehen, unsere Justiz sei ein „wild gewordener Hühnerhaufen“, wie dies der liberale Minister der Justiz aus Rheinland-Pfalz Herbert Mertin so bildhaft skizzierte. Dem möchte jedenfalls ich ausdrücklich entgegentreten.
Meine Damen und Herren! Unsere Richter, Staatsanwälte, Rechtspfleger, Gerichtsvollzieher, Rechtsanwälte und
alle andere Mitarbeiter der Justiz in Sachsen-Anhalt leisten trotz hoher Belastung solide, ordentliche Arbeit.
Die Justiz unseres Landes muss sich im Vergleich mit anderen Bundesländern vor Niemandem verstecken. Anstatt den Eindruck zu erwecken, das sei nicht so und man müsse alles komplett umkrempeln, sollte man daher lieber den Ansatz diskutieren und transportieren, dass man das gut funktionierende System an den Stellen verbessern und perfektionieren will, an denen wirklich Bedarf an Verbesserungen besteht.
Ich möchte darüber hinaus bei allem Reformeifer zu bedenken geben, dass unsere Gerichte und Staatsanwaltschaften nicht mit den Reformprojekten überfahren werden dürfen. Erst im Herbst des vergangenen Jahres haben Bundesrat und Bundestag das so genannte Justizmodernisierungsgesetz, das zugegebenermaßen nicht allen weit genug ging, beschlossen. Auch die vor einigen Jahren beschlossenen umfassenden Novellierungen der Zivilprozessordnung oder die von Herrn Minister Becker angesprochenen zahlreichen Änderungen der Strafprozessordnung und des Strafgesetzbuches haben die Beamten und Angestellten in der Justiz vor neue Herausforderungen gestellt.
Meine Damen und Herren! Ich möchte damit zum Ausdruck bringen, dass die Justiz neben allen konsequenten Verbesserungen und Weiterentwicklungen auch Kontinuität braucht, um Qualität gewährleisten zu können.
Lassen Sie mich nun auf die Vorschläge der Justizministerkonferenz im Einzelnen eingehen. Die Ansatzpunkte, nämlich Deregulierung, Aufgabenübertragung bzw. -auslagerung, Konzentration und Qualitätssicherung, sind aus der Sicht der FDP-Fraktion zu begrüßen. Sie stellen Kernforderungen liberaler Politik dar, die sich nicht nur auf den Bereich der Justizpolitik erstrecken, sondern auch auf alle anderen Themenfelder der Politik. Zur Unterfütterung und Umsetzung dieser vier Ansatzpunkte hat die Justizministerkonferenz zahlreiche Eckpunkte verabschiedet, die in einigen Teilen noch eingehend geprüft werden müssen, aber in anderen Teilen bereits verabschiedet wurden.
Wir begrüßen den Vorschlag, die teils erheblich differierenden Prozessordnungen der unterschiedlichen Gerichtsbarkeiten zu vereinheitlichen und zu straffen. In diesem Zusammenhang begrüßen wir ebenso den Vorschlag, rechtsübergreifende Verfahrensgrundsätze zu bilden. Wenn dies gelingen sollte - und man sollte dieses Vorhaben umfassend und mutig angehen -, könnten diese tatsächlich dazu geeignet sein, die Justiz effizienter, transparenter und zügiger zu gestalten.
Ein weiterer konstruktiver Vorschlag bezieht sich auf die Zusammenlegung der Gerichtsbarkeiten. Meines Erachtens ist es sinnvoll, eine Öffnungsklausel für die Länder zu schaffen, die dies ermöglichen soll. Ich stimme an dieser Stelle mit dem Minister überein, dass dies insbesondere bezüglich der Sozial- und Verwaltungsgerichtsbarkeit sinnvoll ist, vor allem unter dem Gesichtspunkt des flexibleren Einsatzes der Richter.
Daran anknüpfend sehe ich auch in dem Vorhaben, generell einen flexibleren Einsatz von Richtern durch die Änderung des Grundgesetzes und des Richtergesetzes zu ermöglichen, einen konstruktiven Ansatz; allerdings unter der Voraussetzung, dass die Garantie des gesetzlichen Richters und die verfassungsmäßig geschützte Unabhängigkeit der Richter gewährleistet bleiben.
Als Letztes möchte ich den Beschluss der Justizministerkonferenz bezüglich der Aufgabenverlagerung und der Privatisierung des Gerichtsvollzieherwesens erwähnen. Es entspricht Grundsätzen der liberalen Politik, dass sich der Staat und damit auch die Justiz auf Kernaufgaben beschränken soll. Die FDP-Fraktion unterstützt daher Aufgabenübertragungen so weit wie möglich, beispielsweise auf die Notare, und ebenso die Privatisierung des Gerichtsvollzieherwesens. Mit dem Letztgenannten beschäftigt sich zurzeit auch der Rechtsausschuss auf Antrag der Koalitionsfraktionen.
Meine Damen und Herren! Sie werden in meiner Aufzählung des Positiven sicher einen wesentlichen Punkt, wenn nicht sogar das Kernstück der Reformbestrebungen vermisst haben, die so genannte funktionale Zweigliedrigkeit.
Mit diesem umstrittenen Eckpunkt, der gegen die Stimmen von drei Justizministern - aus Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz - von der Justizministerkonferenz verabschiedet wurde, wurden mehrheitlich für alle Gerichtszweige folgende Festlegungen getroffen: Der Eingangsinstanz soll grundsätzlich nur noch ein Rechtsmittel folgen. Die Einheitlichkeit der Rechtsprechung soll durch ein Vorlageverfahren für Fälle der Divergenz und der grundsätzlichen Bedeutung sichergestellt werden. Die künftig einzige Rechtsmittelinstanz soll nicht mehr, wie das heute bei der im Regelfall gegebenen Berufung der Fall ist, eine Tatsachen- und Rechtsinstanz sein, sondern nur noch eine Instanz der Rechtsfehlerkontrolle. Die Rechtsmittel sollen vereinheitlicht und auf das verfassungsrechtlich notwendige Maß beschränkt werden.
Zur Begründung heißt es dazu im Wesentlichen: Die Gerichtsverfahren dauern zu lange. Die Eingangsinstanz solle als Tatsacheninstanz gestärkt werden. Die funktionale Zweigliedrigkeit fördere die Effizienz, die Beschleunigung und die Transparenz gerichtlicher Verfahren.
Meine Damen und Herren! Ich brauche nicht näher darzulegen, dass mit diesem Teil des Konferenzbeschlusses ein Thema eröffnet wird, das wegen seiner Vielschichtigkeit und Tragweite in der hier zur Verfügung stehenden Zeit nicht einmal annähernd abgehandelt werden kann. Ich möchte dennoch etwas ausführlicher die wichtigsten Gründe dafür anführen, warum ich diesem Vorschlag skeptisch gegenüberstehe.
Bereits die Begründung des Vorschlages fordert Widerspruch heraus: Die allgemeine Situation der Justiz und die Dauer der Gerichtsverfahren sind meines Erachtens nicht so alarmierend, dass ihr unausweichlich mit einer Beschneidung der Rechtsmittel begegnet werden muss.
Bei dem viel zitierten Handwerker scheitert die Schnelligkeit des Prozesses oft daran, dass der notwendige Sachverständige nicht da ist. Es liegt nicht an der Justiz selbst.
Wer wollte denn schon das Beweismittel abschwächen, dass ein Sachverständiger, der - wie der Name sagt - von der Sache etwas versteht, gehört wird?
Meine Damen und Herren! Sieht man von der Überlastung einzelner Gerichtsbarkeiten ab, bezweifle ich, dass die Recht suchenden Bürgerinnen und Bürger es als vorzugswürdig erachteten, zum Zwecke einer generellen
Abkürzung der Verfahren Einschnitte bei den bestehenden Rechtsmittelmöglichkeiten in Kauf zu nehmen.
Wie ich bereits erwähnte, ist es in finanziell angespannten Zeiten notwendig, die vorhandenen Ressourcen bestmöglich zu nutzen und auf den Prüfstand zu stellen. Dazu gehört auch, dass eine Überprüfung der bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten nicht von vornherein ausgeklammert werden darf. Sollten sich hierbei bislang unentdeckte, für einen angemessenen Rechtsschutz entbehrliche Kapazitätsreserven ergeben, müssten diese freigesetzt werden, damit sie an anderer Stelle dem Anliegen der Rechtsuchenden zugute kommen können.
Meine Damen und Herren! Die FDP-Fraktion steht diesem Vorhaben dennoch skeptisch gegenüber. Sicherlich würden durch eine Abschaffung der zweiten Tatsacheninstanz künftig zweitinstanzliche Beweisaufnahmen eingespart. Eine Folgewirkung wird aber meines Erachtens sein, dass die zweite Instanz künftig mehr als bisher mit Streiten über Verfahrensfragen belastet würde. Darüber hinaus - das ist noch viel erheblicher - würde auf die erste Instanz insbesondere in der ordentlichen Gerichtsbarkeit eine deutliche Mehrbelastung zukommen.
Denn was passiert dann? - Ein Anwalt, der einen Mandanten vertritt, wird sich nun überlegen, dass er nur einmal vortragen kann, in der ersten Instanz. Er wird die bisher übliche Klageschrift vielleicht im Umfang von fünf Seiten mit allem Möglichen an Sachverhalt voll stopfen, von dem er glauben kann, dass es für das Gericht eventuell entscheidungserheblich wird. Er bläht die Klage also auf 15 Seiten auf.
Die Folge ist, dass der Richter am Eingangsgericht tatsächlich eine wesentliche Mehrbelastung hat, ohne dass sich die Fallzahl erhöht. Eine Folge dieser Mehrbelastung ist entweder eine Verschiebung der Dauer des Verfahrens, weil man längere Zeit für das Lesen braucht, oder eine Erhöhung der Fehlerquote, weil man oberflächlich liest. In der zweiten Instanz kann eine Tatsache aber nicht mehr vorgetragen werden. Das Ergebnis kann dann sein: Der Bürger hat nicht zwingend eine schnellere Entscheidung, dafür aber leichter eine falsche.
Das ist der Punkt, den man sich wirklich bei solchen Vorhaben überlegen muss. Herr Minister Becker, ich weiß, dass wir zwei dabei Diskussionsbedarf haben. Wir haben aber keine Probleme damit, das irgendwie zu einem guten Ende zu führen.
Ich halte es allerdings aus vorgenannten Erwägungen für notwendig, dass Sie Ihren Vorschlag in diese Richtung noch einmal mit allen Beteiligten durchdiskutieren; denn die Argumentation, die Sie bezüglich des Strafverfahrens haben, dass Sie befürchten, in der ersten Instanz werde schon alles Mögliche getan, um die Revision zu ermöglichen, werden Sie in der ordentlichen Gerichtsbarkeit dann auch haben. Das ist ein Verfahren, das Sie letztendlich nicht wollen können.