Protokoll der Sitzung vom 28.01.2005

Ich meine, dass aufgrund der gesetzlichen Neugestaltung der Grundsicherung für Arbeitssuchende sicherlich Maßnahmen anzupassen sind. Ich bin aber absolut nicht der Ansicht, dass es einer kompletten Neustrukturierung der Arbeitsmarktpolitik bedarf.

Aufgrund der Reduzierung der Mittel für Qualifizierung und Weiterbildung durch die Bundesagentur, sprich durch die Bundesregierung, und das enorm große Vermittlungsproblem insbesondere in den neuen Bundesländern hat sich die Prognose bestätigt, dass die Hartz

Reform insbesondere für den ostdeutschen Arbeitsmarkt kein Allheilmittel ist. Dennoch - wir haben es eben gehört; ich muss das nicht wiederholen - ist die Landesregierung einzelnen Instrumente gegenüber sehr aufgeschlossen.

Es gibt eine enge Zusammenarbeit über die Verwaltungsausschüsse der Landesarbeitsagentur im Rahmen von Koordinierungsgesprächen, erweitert durch Vertreter der Gewerkschaften, der Arbeitgeber- und der kommunalen Spitzenverbände. Eine Rahmenvereinbarung über die Ausrichtung der gemeinsam finanzierten Arbeitsmarktpolitik zwischen der Regionaldirektion und dem Wirtschaftsministerium wurde bereits genannt. Sie ist in Vorbereitung oder sogar schon fast fertig.

(Minister Herr Dr. Rehberger: Sie wird vollzogen!)

- Sie wird vollzogen.

Alle bereits bestehenden Förderprogramme zur beruflichen Integration sind auch offen für die von uns genannten problembehafteten Zielgruppen: Langzeitarbeitslose, Jugendliche unter 25 Jahren, ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Programme wurden auch genannt: „GAIL plus“, Einstellungshilfen, Lohnkostenzuschüsse und Aktiv zur Rente.

Darüber hinaus sind natürlich Maßnahmen der öffentlich geförderten Beschäftigung notwendig, aber immer mit dem Ziel des Übergangs in den ersten Arbeitsmarkt. Hierfür steht ein neues Programm für ALG-II-Empfängerinnen und -Empfänger kurz vor der praktischen Umsetzung. Es berücksichtigt den mit der Europäischen Kommission vereinbarten Rahmen für die Ausrichtung der Arbeitsmarktpolitik. Insbesondere geht es hierbei um die Verhinderung von Arbeitslosigkeit bzw. um die Verhinderung einer dauerhaften Ausgrenzung.

Abschließend meine ich, dass Transparenz und Bündelung des Instrumentariums sowie eine individuelle Beratung und Betreuung der Betroffenen von großer Bedeutung sind. Nicht immer ist ein hoher Mitteleinsatz für die Eingliederungschancen entscheidend. Oft sind es auch die Marktnähe, die Effizienz und die flexible Handhabung der Arbeitsmarktinstrumente sowie eine enge Kooperation aller beteiligten Akteure. Dies wird - wie vom Minister bereits gesagt wurde - durch die Landesregierung bereits bestmöglich im Rahmen ihrer Kompetenzen geleistet. Wir sehen daher diesen Antrag als nicht erforderlich an und lehnen ihn ab.

Ich möchte noch sagen, dass das Selbstbefassungsrecht es uns im Wirtschaftsausschuss ermöglicht, alle Themen bezüglich der Wirtschaftspolitik dieses Landes aufzurufen. Wir sollten das ganz einfach beibehalten. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke, Frau Fischer. - Für die PDS-Fraktion wird Frau Dirlich sprechen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja, wir haben im Ausschuss diskutiert, wir diskutieren im Ausschuss und wir werden im Ausschuss diskutieren.

(Heiterkeit bei der PDS)

Allerdings haben wir dies nichtöffentlich getan, tun dies nichtöffentlich und werden dies nichtöffentlich tun. Ich wiederhole mich gern und sage: Wir sind eine politische Partei - so wie die SPD - und wollen natürlich auch, dass eine öffentliche Diskussion stattfindet.

(Beifall bei der PDS)

Wir glauben, dass das Landtagsplenum dazu durchaus geeignet ist. Wir werden Sie deshalb auch in Zukunft mit Anträgen zum Thema Hartz IV und Arbeitsmarkt nicht verschonen.

Die PDS-Fraktion hält eine Diskussion über die Neuausrichtung - oder wie auch immer man es nennen will - der Arbeitsmarktpolitik für durchaus geboten. Wir stimmen in dieser Frage der Begründung der SPD durchaus zu.

Ich gebe zu, dass das Bedürfnis der PDS und auch der SPD, über die Arbeitsmarktpolitik zu diskutieren, möglicherweise einem Informationsdefizit entspringt. Wenn ich mir aber den Haushaltsplan für das Jahr 2005 und auch den für das Jahr 2006 anschaue, dann finde ich dort unter den Maßnahmen des operationellen Programms: Qualifizierung und Integration von Langzeitarbeitslosen, insbesondere von Sozialhilfeempfängern. Die wird es im Jahr 2006 aber nicht mehr geben, auch nicht an anderen Stellen im Programm. Für mich stand insofern völlig außer Frage, dass eine Neuausrichtung auf die neue Gesetzgebung hin sehr wohl notwendig ist.

Es ist notwendig, die Arbeitsmarktpolitik auf die neue Gesetzeslage einzustellen. Das ist vor allem auch vor dem Hintergrund der Vorgänge um das Programm Aktiv zur Rente notwendig, das, wenn wir es richtig verstanden haben, unter dem Vorwand der Überführung in das neue Recht im Grunde abgeschafft werden soll; denn das, was die Landesregierung im Wirtschaftsausschuss als Ersatz für dieses Programm angeboten hat, nämlich Maßnahmen mit einer Dauer von einem Jahr auf der Basis von 1 €, die ein halbes Jahr lang aus Mitteln der Kommunen für die Eingliederung von ALG-II-Empfängern und ein weiteres halbes Jahr lang aus dem Landeshaushalt finanziert werden sollen, kann aus meiner Sicht kein Ersatz für das Programm Aktiv zur Rente sein. Die Leute sollen damit aktiv bis zur Rente kommen.

(Zustimmung von Frau Fischer, Leuna, SPD)

Nach dem SGB III ist immerhin noch eine Förderung über einen Zeitraum von drei Jahren möglich. Man muss sich anschauen, auf welcher gesetzlichen Grundlage das möglich ist. Man muss sich anschauen, wie die Landesregierung diesem Anspruch, Menschen tatsächlich zu helfen, aktiv bis zur Rente zu kommen, gerecht werden will.

(Zustimmung bei der PDS, von Frau Schmidt, SPD, und von Frau Fischer, Leuna, SPD)

An ein paar Punkten will ich deutlich machen, dass wir dem SPD-Antrag in der vorliegenden Fassung nicht sofort zustimmen können. Wir sind nicht sicher, ob die Arbeitsmarktpolitik das ausbügeln sollte, was andernorts bereits geleistet und angeboten wird. Das betrifft die Punkte 1 und 2, in denen es um die Schulabschlüsse und die Berufsausbildung geht. Dafür gibt es andere Möglichkeiten.

Zu Punkt 3, berufliche Qualifizierung mit verwertbaren Abschlüssen, die sich an den Anforderungen des ersten Arbeitsmarktes orientiert: Ich bin der Meinung und habe das so mitbekommen, dass dieser Anspruch bereits in

den letzten Jahren an die Bildungsträger gestellt worden ist; denn sie mussten eine Vermittlungsquote von 70 % oder 80 % ausweisen und mussten sich insofern mit ihren Qualifizierungsangeboten natürlich immer am ersten Arbeitsmarkt orientieren.

In Punkt 4 ist die Rede davon, dass sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten im ersten Arbeitsmarkt mit einer Beschäftigungsdauer von mindestens einem Jahr stattfinden sollen. Daran hat die PDS natürlich ein hohes und vitales Interesse. Ich möchte aber gern wissen, wie das im Land umgesetzt werden soll. Denn, meine Damen und Herren von der SPD, das Gesetz sieht nämlich ausdrücklich vor, diese so genannten Drehtüreffekte auszumerzen. Das heißt, wenn man das tatsächlich will - das haben wir in den Diskussionen in Berlin erlebt -, dann muss man das für einen Zeitraum von weniger als einem Jahr machen, damit die Leute in der Zeit, in der sie beschäftigt sind, eben keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I erhalten.

Damit müssen wir im Ausschuss eben auch umgehen. Das aber sind Vorgaben des Gesetzes, an denen die Landesregierung, so fürchte ich, nicht wirklich vorbeikommt.

(Beifall bei der PDS)

Wenn die SPD-Bundesregierung an dieser Stelle ganz streng die Tätigkeiten auf dem ersten Arbeitsmarkt und in einem gemeinnützigen oder zusätzlichen öffentlichen Beschäftigungssektor so strikt nebeneinander stellt, dann ist das für uns, das muss ich sagen, eine sehr unklare Aussage. Denn insbesondere im gemeinnützigen Sektor gäbe es eine Reihe von Möglichkeiten für Arbeiten auf dem ersten Arbeitsmarkt, wenn es uns denn gelänge, sie auf vernünftiger Basis, dauerhaft und bezüglich des Entgeltes auf einer die Existenz einigermaßen sichernden Höhe zur Verfügung zu stellen. Auch darüber sollten wir im Übrigen diskutieren.

Zu dem Programm „Aktiv zur Rente“ habe ich schon etwas gesagt.

Sie haben jetzt auch keine Chance mehr, noch viel zu sagen. Ihre Redezeit ist abgelaufen.

(Herr Gürth, CDU: Schade!)

Was für ein Jammer.

Dazu fehlt die Zeit.

Ich möchte nur noch kurz auf Frau Fischer reagieren. Ich weiß nicht, warum Sie, Frau Fischer, beklagen, dass in der Arbeitsmarktpolitik ausschließlich alte Instrumente zur Verfügung stehen. Das steht leider so im Gesetz. Wir haben das auch nicht so gewollt. Das SGB II beruft sich mit seinen Regelungen aber ausdrücklich auf das SGB III und das sind eben die alten Instrumente, die wir schon kennen. Auch wir hätten gern neue gehabt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Danke, Frau Dirlich. - Für die FDP-Fraktion wird die Abgeordnete Frau Röder sprechen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit diesem Antrag zeigt die SPD-Fraktion, dass sie sich dazu entschlossen hat, ein zentral vom Land durchgesteuertes Programm zur aktiven Arbeitsmarktpolitik zu fordern. Dieser Forderung schließt sich die FDP-Fraktion aus drei Gründen nicht an.

Zum Ersten widerspricht das einer Grundidee des SGB II, zum zweiten ist das Land im Rahmen seiner Möglichkeiten auf diesem Gebiet schon aktiv und zum Dritten: Selbst wenn das Land hier aktiv lenkend eingreifen wollte, ginge das nicht; denn die rechtlichen Möglichkeiten dafür sind zu stark begrenzt.

Zum Ersten. Die mit dem SGB II verbundene Idee war unter anderem, die aktive Arbeitsmarktpolitik auch in eine regionale, in eine lokale Verantwortung zu geben. Aus diesem Grunde hat man Optionskommunen zugelassen. Aus diesem Grunde hat man in die Arbeitsgemeinschaften auch die Landkreise und die kreisfreien Städte einbezogen. Es war die Idee, regional verwurzelte, lokal verwurzelte Entscheidungsträger einzubeziehen und zu dezentralen und flexiblen Lösungen zu kommen.

Diese Grundidee halte ich für sehr richtig und für unterstützenswert. Ich halte sie auch für wesentlich Erfolg versprechender als das bisherige, von Nürnberg zentral durchgesteuerte Modell. Die Erfolglosigkeit dieses Modells ist hinreichend bewiesen worden. Aus diesem Grund unterstützen wir diese Grundidee und sind gegen ein vom Land lenkend eingreifendes Programm.

Zum Zweiten. Das Land hat, wie Sie schon gehört haben, ein eigenes Programm entwickelt, das im Februar vorgelegt wird. Aber das kann und soll auch nur ein Angebot sein. Dieses Programm werden wir alle sehen. Es wurde auch schon den Optionskommunen und den Arbeitsgemeinschaften mitgeteilt. Ihnen wurde die komplette ESF-Palette vorgestellt. Ihnen wurde erklärt, in welcher Art und Weise welche Maßnahmen ergriffen werden können. Ich gehe davon aus, dass die Landkreise von diesem Angebot Gebrauch machen werden. Das Land, insbesondere das Wirtschaftsministerium, steht ihnen hierbei mit Rat und Tat zur Seite. Es besteht ein lebhafter Dialog. Nochmals: Das ist nur ein Angebot. Die Entscheidungen müssen am Ende vor Ort fallen.

Zum Dritten. Die rechtlichen Möglichkeiten des Landes, hier lenkend einzugreifen, bestehen einfach nicht. Selbst wenn wir vom Land aus etwas tun wollten und den Arbeitsgemeinschaften oder den Optionskommunen sagen wollten, sie sollen bestimmte Dinge tun, könnten wir das niemals durchsetzen. Das sieht man am besten an einem Beispiel, das Sie vielleicht gestern im Pressespiegel zur Kenntnis genommen haben. Es war ein Artikel aus der „Volksstimme Burg“ mit der Überschrift: „28 Frauen droht ab Februar wieder die Arbeitslosigkeit“. Dabei geht es um das Programm „Aktiv zur Rente“.

Das Land hat sich zu diesem Programm „Aktiv zur Rente“ bekannt. Wir haben in den Haushaltsplan 2004 und auch in den Doppelhaushaltsplan 2005/2006 die Mittel eingestellt, um dieses Programm bis zum Ende durchzufinanzieren. Wenn die Arbeitsverwaltung oder der Entscheidungsträger vor Ort aber die Entscheidung trifft,

diese Programme nicht zu Ende zu führen und diese Bescheide zu widerrufen, dann hat das Land schlicht keine Möglichkeit, dagegen vorzugehen. Das ist bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik in der Zuständigkeit der Arbeitsgemeinschaften und der Optionskommunen eben in weiten Teilen der Fall.

Zum Abschluss muss ich noch sagen: Im Wirtschaftsausschuss wird in jeder Sitzung eine ausführliche Information zum SGB II gegeben.

(Herr Gürth, CDU: Eine sehr ausführliche!)

- Ja, äußerst ausführlich. Da haben Sie Recht, Herr Gürth. - Es werden Fragen aus allen Bereichen, die das SGB II berühren, gestellt. Diese werden auch immer umfassend und ausreichend beantwortet.

Ich bin gespannt auf das, was uns Staatssekretär Herr Haseloff in Zukunft von seinen Besuchen erzählen wird, die er demnächst, wie er es im Wirtschaftsausschuss angekündigt hat, den Optionskommunen abstatten wird. Ich nehme an, er wird auch die Arbeitsgemeinschaften besuchen. Dann werden wir sicherlich konkrete Informationen bekommen. Darauf bin ich schon sehr neugierig und gespannt. Das werden wir im Wirtschaftsausschuss aktiv begleiten. Trotzdem, den Antrag auf ein zentral durchgesteuertes System lehnen wir ab. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)