Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir treten nun in die Beratung des Tagesordnungspunktes 17 ein:
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie schon den Plenarsaal verlassen, dann bitte ich Sie, dies doch wenigstens ruhig, ohne Lärm zu verursachen, zu tun.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist ein wenig schwierig, nach diesem Tagesordnungspunkt zum nächsten überzugehen, aber ich werde es versuchen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sachsen-Anhalt hat viele Chancen. Sachsen-Anhalt hat viele Potenziale. Die größten Chancen und Potenziale dieses Landes sind die Menschen, die hier leben, lernen und arbeiten, die von außerhalb hierher zu uns kommen, die jeden Tag hier geboren werden, die sich ehrenamtlich, kulturell oder sozial engagieren. Sie sind die entscheidende Ressource für eine zukunftsfähige Entwicklung Sachsen-Anhalts. Genau diese Ressource vernachlässigt diese Landesregierung seit ihrem Amtsantritt bei beinahe jeder politischen Entscheidung, die sie in den letzten drei Jahren getroffen hat.
(Herr Kurze, CDU: Sie sind doch auf das Angebot eingegangen! - Frau Feußner, CDU: Das stimmt nicht! Wir haben es doch erst einmal gemacht! Sie sind gar nicht in der Lage gewesen, das zu machen! - Unruhe)
Meine Damen und Herren, Sie können sich dann in der Debatte äußern. Ich bitte Sie, Herrn Höhn das Wort zu lassen.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Sie haben in den Schulen das Rad der Entwicklung zurückgedreht und sortieren die Schülerinnen und Schüler nach ihrem angeblichen Leistungsvermögen, im Ergebnis nach ihrem sozialen Status, anstatt auf Integration zu setzen. Sie haben die Schulsozialarbeit zurückgefahren und lassen damit sehr viel mehr Kinder in ihrer Entwicklung auf der Strecke zurück. Sie haben andere Beratungsangebote reduziert und damit gesellschaftlich notwendige Arbeit beschnitten. Sie haben massive Eingriffe in die Kulturlandschaft dieses Landes vorgenommen und damit der so wichtigen kulturellen Bildung Schaden zugefügt. Sie haben unverantwortlich in die strukturellen und materiellen Bedingungen der Hochschulen dieses Landes eingegriffen und nachhaltige Verluste in der Hochschullandschaft Sachsen-Anhalts zu verantworten.
- Dem kann man wirklich nicht zuhören, Herr Olbertz. Das ist eine traurige Liste. Darin stimme ich Ihnen zu.
Einen Punkt muss ich anfügen, um zum konkreten Anliegen des Gesetzentwurfes zu kommen. Sie haben den Bund mit anderen Landesregierungen beim Bundesverfassungsgericht verklagt, um ihm das Recht absprechen zu lassen, Studiengebühren bundesweit zu untersagen.
(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Wieso denn Recht absprechen? Um die Verfassung einzuhal- ten! - Unruhe)
Sie haben diese Klage nicht durchgezogen, um höchstselbst in eigener Kompetenz Studiengebühren auszuschließen, sondern deshalb, um sie einführen zu können. Wenn Ihnen dieses Verbot nicht auch in der Sache zuwidergelaufen wäre, dann hätten Sie nicht dagegen geklagt. Aber Sie werden mit der Einführung von Studiengebühren genau die Chancen und Potenziale weiter beschädigen, von denen ich am Anfang gesprochen habe.
Sie werden noch mehr jungen Menschen den Zugang zur Hochschulbildung versperren und damit noch mehr als ohnehin schon geschehen die Entwicklungspotenziale dieses Landes beschneiden. Sie werden noch mehr junge Menschen aus dem Land vertreiben und noch weniger junge Menschen von außerhalb animieren, hierher zu uns zu kommen, um hier zu studieren.
Es geht doch nicht nur um möglicherweise 500 €, die Studierende in Zukunft möglicherweise pro Semester bezahlen sollen - das wäre schon schlimm genug -, es geht doch auch um die Frage: Stellt sich dieses Land den gesellschaftlichen Veränderungen und Herausforderungen? Oder nicht?
Die Bildung in all ihren Bereichen - damit auch die Hochschulbildung - ist die entscheidende Herausforderung dieser Zeit. Der Grad an Bildung, den eine Gesellschaft insgesamt sich zu leisten bereit ist, wird darüber entscheiden, welche Möglichkeiten ihr offen stehen oder auch nicht.
Wir haben in der Bundesrepublik eine Studierquote, die im Vergleich zu anderen Ländern mehr als mager ist. Sie liegt bei etwas mehr als 30 %. Unsere Nachbarn haben zum Teil eine Quote von mehr als 50 % vorzuweisen. Die Tatsache, dass wir jeden Tag über ständig steigende Arbeitslosenzahlen und ein ausbleibendes Wirtschaftswachstum ernüchtert sind, dass wir über die Ergebnisse des gerade wieder vorgelegten Armutsberichts erschrocken sind, muss uns doch endlich einmal bewusst werden lassen, vor welchen Herausforderungen wir stehen.
Die Zukunft dieser Gesellschaft liegt eben nicht im Niedriglohnbereich und in der unentwegten Ausweitung von Stellen für gering Qualifizierte. Die Zukunft dieses Landes wird sich daran entscheiden, ob es uns gelingt, möglichst allen Menschen im Interesse jedes Einzelnen und der Gesellschaft insgesamt den Zugang zu Bildung und Wissenschaft zu ermöglichen.
Hohe Bildung verbessert die individuelle Lebensperspektive der Menschen. Die Gesellschaft wiederum profitiert in hohem Maße auch wirtschaftlich von hoher und höchster Bildung breiter Schichten der Bevölkerung.
Vor welcher Situation stehen wir? - Wir werden in absehbarer Zeit damit konfrontiert werden, dass einige Länder Studiengebühren in unterschiedlicher Höhe einführen und andere aus guten Gründen darauf verzichten. Sollte Sachsen-Anhalt zu denen gehören, die Studiengebühren einführen, ist mit einem Aderlass an Studierenden in Richtung der gebührenfreien Länder zu rechnen. Dies ist nicht nur die Befürchtung der PDS. Sie wird von den Betroffenen geteilt, wie ich erst gestern wieder bei einem Gespräch mit einem Rektor einer hiesigen Hochschule erfahren konnte.
Dies ist nicht nur ein Risiko für die betroffenen Hochschulen selbst. Es ist auch ein Risiko für die umliegenden Regionen. Eine Hochschule mit ihren Studierenden und Lehrenden ist eine enormer Gewinn für eine Stadt und für eine ganze Region. Magdeburg, Halle, Wernigerode, Merseburg usw., all diese Standorte profitieren von
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich auf einzelne Aspekte der Diskussion über die Studiengebühren etwas näher eingehen. Als Erstes wäre die Frage der sozialen Gerechtigkeit zu nennen. Wir haben schon jetzt eine extreme soziale Schieflage beim Zugang zur Hochschulbildung zu beklagen, was zuallererst am überholten gegliederten Schulsystem liegt.
Von 100 Kindern aus einem sozial schwächeren Umfeld schaffen im Durchschnitt in der Bundesrepublik 33 Kinder den Zugang zum Gymnasium und nur noch acht den Sprung in die Hochschulbildung. Von 100 Kindern aus einem sozial besser gestellten Umfeld gelangen im Durchschnitt 84 zum Abitur und 72 zum Hochschulstudium. Das sind traurige Zahlen für ein entwickeltes Industrieland.
Die Einführung von Studiengebühren würde diesen Trichter für sozial Schwächere noch weiter einengen. Wir müssen aber endlich mehr von diesen Kindern den Zugang zur Hochschule ermöglichen. Es ist doch in hohem Maße ein zynisches Argument, aufgrund der geringen Zahl sozial schwächerer Studenten in der Einführung von Gebühren kein Problem zu sehen nach dem Motto: Die meisten können sich das ja dann doch leisten.
(Beifall bei der PDS - Minister Herr Prof. Dr. Ol- bertz: Wer hat denn das gesagt? Wer hat das gesagt?)
Zweitens. Der Student als Kunde - das ist auch ein sehr beliebtes Argument. Da wird behauptet, die Bezahlung von Gebühren würde den Studenten mehr als bisher in die Lage versetzen, ein besseres Bildungsangebot einfordern zu können.
Zunächst sei dazu gesagt: Die Studierenden wollen Mitglieder einer Hochschule sein und eben keine Kunden. Das haben die Vertreterinnen der Studierendenschaften in dieser Woche noch einmal deutlich zum Ausdruck gebracht.
Bleiben wir bei möglichen Kunden. Mir stellt sich die Frage, was das im Endeffekt bedeuten soll. Kann der Student wie jeder Kunde bei einem üblichen Kaufgeschäft sein Geld zurückverlangen, wenn die gewünschte Leistung nicht erbracht wurde? - Wohl kaum.