Protokoll der Sitzung vom 27.05.2005

Nun stimmen wir über den Alternativantrag der PDSFraktion in der Drs. 4/2186 ab. Wer stimmt zu? - Die Oppositionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Die Koalitionsfraktionen. Damit ist auch der Alternativantrag abgelehnt worden. Der Tagesordnungspunkt 18 ist somit abgeschlossen.

Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 19 auf:

Beratung

Nachtragshaushalt für das Haushaltsjahr 2005

Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 4/2176

Alternativantrag der Fraktion der PDS - Drs. 4/2192

Ich bitte Frau Krimhild Fischer, den Antrag der Fraktion der SPD einzubringen. Bitte schön.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Ich habe bereits in der 58. Sitzung des Landtages am 15. April dieses Jahres in der ersten Beratung über den Antrag der Landesregierung bezüglich der Beteiligung des Landes an den Kapitalmaßnahmen bei der NordLB sowie in der 75. Sitzung des Finanzausschusses am 21. April 2005 auf die Notwendigkeit der Aufstellung eines Nachtragshaushalts für das Haushaltsjahr 2005 hingewiesen und diese gefordert.

Heute liegt Ihnen in der Drs. 4/2176 der Antrag unserer Fraktion vor, in dem die Landesregierung aufgefordert wird, dem Parlament vor der Sommerpause den Entwurf eines Nachtragshaushalts für 2005 vorzulegen.

Ich werde Ihnen die Gründe dafür nennen, die Haushaltsrisiken, deren Dimension die Forderung nach der Aufstellung eines Nachtragshaushalts untermauert. Das sind erstens die Ergebnisse der Steuerschätzung vom 12. Mai dieses Jahres, zweitens Haushaltsreste, deren Deckungsmittel nicht in den Haushaltsplan eingestellt sind, drittens Sonderzahlungen für Angestellte und Arbeiter, viertens die Privatisierung der Spielbanken und fünftens - das sagte ich eben schon - die Kapitalaufstockung bei der NordLB.

Die Summe allein dieser fünf Risiken beläuft sich auf ca. 350 Millionen €. Hinzu kommen weitere, nicht gedeckte, aber notwendige Ausgaben und Risiken, sodass am Ende das Haushaltsrisiko auf mehr als 400 Millionen € zu beziffern ist.

Zu Punkt 1. Es sind Mittel in Höhe von 79 Millionen €, die dem Landeshaushalt aufgrund von Steuermindereinnahmen fehlen. Wir haben zur Kenntnis genommen, wie die Landesregierung dies ausgleichen will. Ministerpräsident Professor Böhmer will bei Lohnkosten und Bezügen sparen. Dies war der Presse am 14. Mai 2005 zu entnehmen. Dies soll zum Beispiel durch das Hinauszögern der Besetzung frei gewordener Stellen geschehen. Aber ich frage mich, wie viel das bringen kann und in welcher Größenordnung dabei gespart werden soll.

Zwei Punkte lassen mich außerdem an der Umsetzung dieses Vorhabens zweifeln: erstens besteht nach wie vor das Risiko der Sonderzahlungen für Angestellte in Höhe von rund 40 Millionen € und zweitens verkündete Innenminister Herr Jeziorsky vorgestern im Rahmen des Festaktes anlässlich der Beförderung von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten in der Polizeidirektion Halberstadt Folgendes - ich darf mit Ihrer Genehmigung zitieren -:

„Trotz der äußerst angespannten Haushaltslage werden in diesem Jahr Beförderungen von rund 700 Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten ermöglicht.“

(Herr Kolze, CDU: Das ist doch prima! - Frau Weiß, CDU: Das ist gut! - Herr Tullner, CDU: Das haben wir doch gewollt!)

Ich bin dafür, dass Beförderungen erfolgen. Das ist überhaupt keine Frage. Aber wie passt das mit der Äußerung von Herrn Ministerpräsidenten Professor Böhmer zusammen?

(Herr Kosmehl, FDP: Ach!)

Er sieht die aufgrund der Steuermindereinnahmen notwendigen Einsparungen im Bereich der Personalkosten, während der Innenminister Beförderungen ankündigt, und Beförderungen kosten in der Regel Geld.

(Herr Kosmehl, FDP: Also wollen Sie keine Be- förderungen?)

- Wir wollen schon die Beförderungen, aber es muss zusammenpassen, Herr Kosmehl.

(Herr Kosmehl, FDP: Aha!)

Ich kann nicht auf der einen Seite sagen, ich will bei den Personalkosten sparen, und auf der anderen Seite sagt zwei Tage später der Innenminister: Das machen wir nicht; wir werden befördern.

(Herr Gürth, CDU: Wie bitte? - Frau Weiß, CDU: Das stimmt doch gar nicht!)

Ganz offensichtlich treffen Ministerpräsident und Kabinettsmitglieder nach wie vor einsame Entscheidungen und sprechen sich im Kabinett nicht ab.

(Herr Tullner, CDU: Das steht im Haushalt! Das haben wir alle verabschiedet! - Zuruf von Herrn Scharf, CDU - Unruhe)

Herr Finanzminister Paqué blieb in seinen Äußerungen etwas unverbindlicher. Ich darf - mit Ihrer Erlaubnis - aus einem Artikel der „Volksstimme“ vom 18. Mai 2005 zitieren:

„Wir werden hart arbeiten müssen, um die Mindereinnahmen im Haushalt ausgleichen zu können.“

(Herr Scharf, CDU: Das stimmt ja auch!)

- Ja. Aber wie er das machen will, hat er uns nicht verraten.

(Herr Scharf, CDU: Im Vollzug! - Herr Gürth, CDU: Im Haushaltsvollzug!)

Das ist sein Geheimnis geblieben; das werden wir mit einem Nachtragshaushalt, denke ich, sicherlich noch sehen.

(Unruhe)

Über eine weitere Verschuldung sollten die 79 Millionen € jedenfalls nicht kompensiert werden.

Ich komme zum zweiten Punkt, zu dem Risiko Haushaltsreste. Die Ausschussvorsitzende Frau Dr. Weiher stellte in der Sitzung des Finanzausschusses am 22. November 2004 im Rahmen der Beratung über den Doppelhaushalt 2005/2006 die Frage nach der Entwicklung und nach der Deckung von Ausgaberesten. Das Finanzministerium bemerkte daraufhin, dass es sich um ein zu vernachlässigendes Haushaltsrisiko handeln würde, wenn sich die Entwicklung des Jahres 2004 etwa wiederholen würde. Im Jahr 2004 lag die Summe der Ausgabereste bei 70 Millionen €.

Auch Herr Seibicke, der Präsident des Landesrechnungshofes, empfahl, entsprechende Deckungsmittel in den Haushalt einzustellen. Herr Paqué hat sich dafür nicht erwärmen können, da die 70 Millionen € - so sagte er, ich zitiere -

„... ein begrenztes Haushaltsrisiko darstellten. Außerdem habe man sich vor dem Hintergrund der extrem schwierigen Finanzsituation dafür entschieden, keinen Ansatz zur Deckung in den Haushalt einzustellen.“

Was soll ich davon halten? Die Finanzlage ist schwierig, da vertusche ich lieber,

(Herr Tullner, CDU: Ach!)

da decke ich nicht alle Risiken auf. Ich halte also nichts vom Grundsatz der Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit.

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Die Ausgabereste in Höhe von 70 Millionen € bleiben ein Haushaltsrisiko.

Zu dem dritten Risiko, den Sonderzahlungen für Angestellte und Arbeiter. Die vorgesehenen Einsparungen in Höhe von 40 Millionen € sind fraglich, weil nämlich unterstellt wird, dass durch Kürzungen bei den Zuwendungen für Angestellte und Arbeiter Einsparungen erreicht werden können. Diese Leistungen werden aber nach dem Tarifvertrag geregelt und können nicht einseitig von der Landesregierung aufgekündigt werden. Das heißt für mich, die Leistungen müssen gezahlt werden, wenn nicht eine Änderung des Tarifvertrags eintritt. Es ist also mehr als fraglich, ob die 40 Millionen € überhaupt eingespart werden können. Aus meiner Sicht besteht jedenfalls auch in diesem Punkt ein Haushaltsrisiko.

Der vierte Punkt, das vierte Risiko: die Privatisierung der Spielbanken. Sie erinnern sich an die Haushaltsberatungen zu diesem Punkt. Es geht um Einnahmen in Höhe von 18 Millionen €, die die Landesregierung durch den Verkauf der Spielbanken erwirtschaften will. Wir haben im Finanzausschuss auf Nachfragen hin erfahren, dass die Landesregierung dafür ein Gutachten erstellen lässt, das nochmals rund 1 Million € kosten soll. Die Veräuße

rung der Spielbanken ist sehr ungewiss. Der Betrag in Höhe von 19 Millionen € wird dem Landeshaushalt fehlen. Dies ist also ein weiteres Risiko, in Höhe von 19 Millionen €.

Ich komme zu dem fünften Risiko: Kapitalaufstockung bei der NordLB. Ich kann es an der Stelle etwas kürzer machen; denn das Problem wird uns am kommenden Mittwoch im Innenausschuss und am Donnerstag auch im Finanzausschuss beschäftigen. Mit dem Wegfall der Anstaltslast und der Gewährträgerhaftung zum 19. Juli 2005 haben die Landesbanken nichts mehr von dem guten Rating ihrer Trägerländer. Auch die NordLB unterliegt dann den marktüblichen Bedingungen. Das heißt, die Ausrichtung des Geschäfts, die Eigenkapitalausstattung und der Verbund mit den Sparkassen sind wesentlich. Dies ist Grundlage für das Rating. Wir haben hierüber auch im Plenum im April debattiert.

Die Landesregierung wird an der Kapitalaufstockung festhalten und die dafür notwendigen 150 Millionen € durch eine weitere Verschuldung finanzieren. Das hat sie jedenfalls mit der Vorlage ihres Antrages in der Drs. 4/2106 bestätigt.

Selbst wenn sich die Landesregierung noch entschließen würde, die notwendigen Mittel für die Kapitalerhöhung aus dem laufenden Haushalt zu erwirtschaften, sage ich: Bei einer solchen Größenordnung, meine Damen und Herren, muss einfach ein Nachtragshaushalt her.

Wenn dies, wie beabsichtigt, über neue Schulden geschehen soll, dann werde ich nicht müde, dem Hohen Haus immer wieder klar Folgendes zu sagen: Im Jahr 2005 haben wir bereits eine Neuverschuldung in Höhe von 954 Millionen €. Kommen weitere 150 Millionen € dazu, sind wir bei einer Neuverschuldung in Höhe von 1,1 Milliarden € - und das bei einem Gesamthaushalt von knapp 10 Milliarden €.

Lassen Sie mich die bisher aufgeführten Risiken festhalten:

- Steuermindereinnahmen: 79 Millionen €,

- nicht gedeckte Haushaltsreste: 70 Millionen €,