Protokoll der Sitzung vom 08.09.2005

(Herr Gürth, CDU: Das ist pures Wahlkampfthea- ter!)

- Das ist kein Wahlkampftheater, Herr Gürth. Das ist viel ernster, als Sie es sehen.

(Herr Kosmehl, FDP: Das müssen Sie erst einmal beweisen!)

Wir stehen mit dieser Ansicht nicht allein. Auch die PDSFraktion hat in gleicher Hinsicht einen Antrag gestellt. Sie haben ihn in der Drs. 4/2369 vor sich.

In der „Volksstimme“ vom 26. August 2005 war unter der Überschrift „Helle Empörung bei allen Parteien im Land

tag“ zu lesen - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis die finanzpolitischen Sprecher der Koalitionsfraktionen Marco Tullner und Lydia Hüskens -:

„Das ist ein starkes Stück. Wie ernst nimmt uns die Landesregierung eigentlich?“

- und -

„Ich bin aus allen Wolken gefallen.“

(Zuruf von Herrn Dr. Köck, Linkspartei.PDS)

Woher diese Empörung? Was war geschehen? - Lassen Sie mich einen Moment ausholen.

Zu Beginn dieser Legislaturperiode gab es zwölf Katasterämter in Dessau, Haldensleben, Halle, Hettstedt, Köthen, Magdeburg, Salzwedel, Stendal, Wernigerode, Wittenberg und Zeitz. Im April 2003 beschloss das Kabinett, dass es künftig statt der zwölf Katasterämter und der Landesvermessungsbehörde e i n e Behörde mit Sitz in Magdeburg und drei Standorten an den Landgerichtsstandorten Halle, Dessau und Stendal geben soll. Die anderen acht Ämter sollten vorübergehend als Nebenstellen existieren.

Im Mai 2003 führte der Innenminister Herr Jeziorsky aus, dass die zwölf Katasterämter und das Landesamt für Vermessung und Geoinformation zu einem Landesamt zusammengeführt werden, das später in einen Landesbetrieb überführt werden solle. Am 25. Juni 2003 beschloss das Landeskabinett die Bildung des Landesamtes für Vermessung und Geoinformation mit Sitz in Magdeburg und drei weiteren Standorten.

Seit Januar 2004 existiert das neue Landesamt für Vermessung und Geoinformation Sachsen-Anhalt. Im September 2004 fand die Festveranstaltung zur Gründung des Landesamtes für Vermessung und Geoinformation Sachsen-Anhalt statt und viele Kolleginnen und Kollegen waren bei der offiziellen Einführung dabei.

Ich darf Ihnen sagen, grundsätzlich sind Konzentrationen, die Einsparungen ergeben, zu begrüßen. Aber im Fall der Kataster- und Vermessungsverwaltung ist zu bedenken, dass dies eine hochmoderne Verwaltung in Sachsen-Anhalt ist, die in den letzten Jahren bereits konzentriert und modernisiert wurde. Es ist daher zu hinterfragen, ob die angegebenen Einspareffekte tatsächlich eintreten können und auf welcher Grundlage diese berechnet werden.

Wohl auch vor diesem Hintergrund sollte das Innenministerium dem Kabinett bis Ende des zweiten Quartals 2004 über die Einsparpotenziale berichten, damit diese im Haushaltsplan 2005/2006 Berücksichtigung finden konnten. Dieser Termin wurde seitens des Innenministeriums nicht eingehalten, was zur Folge hatte, dass in den Doppelhaushalt 2005/2006 ein entsprechender Betrag nicht eingestellt werden konnte.

Erst am 15. Februar 2005 kam es zu der besagten Berichterstattung im Kabinett. Am 1. März befasste sich das Kabinett erneut mit dem Unterbringungskonzept. Übrigens war das City-Carré zu diesem Zeitpunkt bereits im Gespräch.

Bis zum Herbst 2006 sollte die Unterbringung in Magdeburg erfolgt sein. Aus dem Bereich Harz/Börde sollte ein Teil der Beschäftigten im Jahr 2006 nach Magdeburg kommen, der Rest im Jahr 2008. Nun aber soll die Unterbringung am Standort Magdeburg bereits zum 1. Oktober 2005 erfolgen.

Schon am 1. April 2005 schrieb mein Fraktionskollege Rainer Metke einen Brief an den Präsidenten des Landesrechnungshofes Herrn Seibicke, in dem er auf die Anmietung der Räumlichkeiten im City-Carré hinwies und den Landesrechnungshof um die Prüfung des Vorgangs bat. Das heißt - das will ich betonen -, das CityCarré war bereits seit dem Frühjahr 2005 in vieler Munde.

Mit Schreiben vom 27. Juni 2005 beantragte das Innenministerium beim Finanzministerium die Bewilligung einer überplanmäßigen Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 16,272 Millionen € für die Anmietung von Räumlichkeiten im City-Carré für die Unterbringung des Landesamtes für Vermessung und Geoinformation, kassenwirksam für den Zeitraum von 15 Jahren. Diesem Antrag ist am 1. Juli 2005 durch den Finanzminister Herrn Paqué zugestimmt worden.

Für alle, die es vielleicht noch nicht wissen: Mit Schreiben vom 30. Juni 2005 erhielt der Landesrechnungshof von Sachsen-Anhalt vom Finanzminister die Unterlagen zu dem besagten Vorgang und hat sie kurzfristig bewertet. Der Landesrechnungshof empfiehlt im Ergebnis seiner Prüfung, den Vorgang der Anmietung bis zur Behandlung im Finanzausschuss und auch so lange nicht weiter zu verfolgen, bis die erforderlichen Wirtschaftlichkeitsberechnungen erstellt sind. Er schlägt weiterhin vor, die Angelegenheit mit der Entscheidung über den nächsten Haushalt zu behandeln.

Entgegen den doch erheblichen Bedenken des Landesrechnungshofes und ohne jede Beteiligung des Parlaments haben Herr Jeziorsky als Innenminister und Herr Paqué als Finanzminister großzügig entschieden - zunächst die Bewilligung der außerplanmäßigen Verpflichtungsermächtigung am 1. Juli 2005 durch den Herrn Finanzminister und dann die Unterzeichnung des Mietvertrages im August durch den Herrn Innenminister. Damit haben beide nach unserer Auffassung geltendes Haushaltsrecht gröblichst missachtet.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der Links- partei.PDS)

Und das ist nicht zum ersten Mal passiert. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an das Justizzentrum Magdeburg. Hiermit sind wir auch noch nicht am Ende. - Nichts gelernt oder ignorant?

Schauen wir uns doch einmal die Aufgabenverteilung zwischen Landesregierung und Parlament an. Da gibt es ganz klare Kompetenzzuweisungen, ganz klar abgesteckte Grenzen. Das Parlament als Legislative ist für die Gesetzgebung und damit auch für die Verabschiedung des Landeshaushaltes verantwortlich. Es hat das alleinige Budgetrecht.

Die Landesregierung mit ihren Ministerien als Exekutive verantwortet die Umsetzung der durch den Landtag verabschiedeten Gesetze. Das bedeutet im Klartext: Was nicht im Haushaltsplan veranschlagt ist, aber trotzdem dringend notwendig ist, also eine über- oder außerplanmäßige Ausgabe oder Verpflichtungsermächtigung darstellt, bedarf gemäß § 37 Abs. 4 der Landeshaushaltsordnung der Bewilligung des Finanzministeriums bei unverzüglicher Mitteilung sowie nachträglicher Billigung des Landtages.

In der Definition einer überplanmäßigen Ausgabe oder Verpflichtungsermächtigung wird klar beschrieben, dass die Voraussetzungen für eine überplanmäßige Verpflich

tungsermächtigung dann gegeben sind, wenn die Maßnahme erstens unvorhergesehen und zweitens unabweisbar ist.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Wir reden hier über einen Betrag in Höhe von insgesamt 16,272 Millionen €. Der Finanzminister Herr Paqué führt in seiner Stellungnahme vom 5. September 2005 aus, dass der Tatbestand der Unvorhersehbarkeit eindeutig erfüllt sei,

(Herr Kühn, SPD, lacht)

da das Kabinett erst am 1. März 2005 das Unterbringungskonzept beschlossen habe und danach über den endgültigen Sitz des Amtes entschieden worden sei.

Ja, meine Damen und Herren, im Jahr 2003 hat die Landesregierung beschlossen, das Landesamt für Vermessung und Geoinformation mit Sitz in Magdeburg zu bilden.

(Zuruf von Herrn Bischoff, SPD)

Mehr als zwei Jahre sind bis zum Abschluss des Mietvertrages vergangen. Da kann meiner Meinung nach von Unvorhersehbarkeit nun wirklich keine Rede sein.

(Beifall bei der SPD und bei der Linkspartei.PDS - Zuruf von Herrn Kühn, SPD)

Außerdem frage ich: Woher die Eile eigentlich?

(Herr Kühn, SPD: Ohne Ende!)

Erstens. Herr Paqué hätte doch seine Kabinettsmitglieder eigentlich schon zu den Beratungen über den Haushalt 2005/2006 auf die Bestimmungen der Landeshaushaltsordnung hinweisen und Verpflichtungsermächtigungen einstellen können.

Zweitens. Weil dies aber nicht geschehen ist,

(Herr Kühn, SPD: Wem gehört denn das City- Carré? Das müssen wir herauskriegen!)

hätte er spätestens im Juni 2005 bei der Beantragung der außerplanmäßigen Verpflichtungsermächtigung durch den Innenminister im Kabinett darauf dringen können, ja müssen, die Unterzeichnung des Vertrages hinauszuschieben, um den Finanzausschuss in seiner Sitzung am 14. Juli 2005 - da haben wir nämlich noch einmal beraten - darüber zu informieren.

(Beifall bei der SPD und bei der Linkspartei.PDS)

Drittens war ursprünglich davon ausgegangen worden, die Zusammenlegung der Dienststellen im Herbst 2006 vorzunehmen. - So weit und zunächst zur Unvorhersehbarkeit, Herr Kosmehl.

(Zuruf von Herrn Kosmehl, FDP)

Wie sieht es mit der Unabweisbarkeit der Maßnahme aus? - Vielleicht verstehen Sie als Jurist nicht, was hier finanzpolitisch passiert ist.

(Beifall bei der SPD und bei der Linkspartei.PDS - Zuruf von Herrn Kosmehl, FDP)

Hierzu sagen die Bestimmungen der Landeshaushaltsordnung: Unabweisbar ist eine Maßnahme nur - -

Frau Fischer, möchten Sie eine Frage von Frau Dr. Hüskens beantworten?

Das mache ich gern am Ende, Frau Dr. Hüskens. - Unabweisbar ist eine Maßnahme nur, wenn sie sachlich unbedingt notwendig ist und wenn eine parlamentarische Bewilligung durch einen Nachtragshaushalt nicht eingeholt werden kann.

Unbedingt notwendig: Ich weiß nicht, woher der dringende Handlungsbedarf kommen sollte, zumal bei doch so gravierenden Maßnahmen Untersuchungen über die Wirtschaftlichkeit der geplanten Vorstellungen angestellt werden müssen und Vergleiche herangezogen werden sollten. Mir ist nicht bekannt, dass solche Untersuchungen stattgefunden haben.

Herr Paqué stellt in seiner Stellungnahme vom 5. Juli 2005 hierzu fest - ich darf zitieren -: