Protokoll der Sitzung vom 08.09.2005

Aber die Landwirtschaft in Sachsen-Anhalt hat deswegen eine Zukunft, weil ab 2006 in Sachsen-Anhalt wieder ein sozialdemokratischer Landwirtschaftsminister

(Lachen bei der CDU und bei der FDP)

die Geschicke des Landes führen wird. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD - Herr Gürth, CDU: Herr Olei- kiewitz, ich sehe schwarz!)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Oleikiewitz. Ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihr Bemühen um Anschaulichkeit, vor allen Dingen dafür, dass Sie dieses Bemühen nicht so weit getrieben und ein echtes Schwein mitgebracht haben.

(Heiterkeit - Zustimmung bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne Schülerinnen und Schüler der Francke-Sekundarschule Magdeburg.

(Beifall im ganze Hause)

Herr Abgeordneter Daldrup, jetzt sind Sie mit dem Beitrag der CDU-Fraktion an der Reihe. Bitte sehr.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Beiträge der Opposition waren folgendermaßen gekennzeichnet: Der eine war rückwärts gewandt, nicht der Zukunft zugewandt. Das war auch nicht anders zu erwarten. Der andere hörte sich zumindest stellenweise so an, als ob er aus Timbuktu und nicht aus Sachsen-Anhalt wäre.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Vor 50 Jahren ist das Landwirtschaftsgesetz in Deutschland verkündet worden. Es stellt sozusagen die Grundlage für die Landwirtschaftspolitik und für das Verhältnis zwischen Landwirtschaft und den übrigen Wirtschaftszweigen dar. Grundsätzlich hat sich dieses Gesetz bewährt - darauf wollte ich einmal hinweisen -, aber es bedarf einer Weiterentwicklung.

Seit seiner Verkündung am 5. September 1955 müssen wir jedoch feststellen, dass sich die politischen Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft und die Agrarpolitik grundsätzlich verändert haben. Insbesondere die Zuständigkeitsverlagerung in vielen Bereichen der Landwirtschaft an die EU hat dazu geführt, dass viele direkte Gestaltungsmöglichkeiten der nationalen Agrarpolitik, die es früher einmal gab, weggefallen sind. Preis-, Markt- und Handelspolitik werden inzwischen fast vollständig durch EU-Vorgaben vorgegeben, ebenso wie die Struktur-, Verbraucher-, Tierschutz- und Umweltpolitik.

Die heutige Debatte, meine Damen und Herren, findet in bewegten Zeiten statt. Der Bundestag hat sich aufgelöst, wir befinden uns im Wahlkampf. Wir haben das heute schon feststellen können. Europa steckt indessen in einer tiefen Krise, die auch die Agrarpolitik berührt, ja sogar gefährdet.

Die EU-Kommission macht insbesondere bei der WTO ständig neue Vorschläge, die bei der Landwirtschaft zum Teil zu existenzbedrohenden Fragen führen. Als Beispiel sei die Zuckermarktordnung genannt, deren Ausmaß und deren Folgen für die deutsche Landwirtschaft - hier meine ich insbesondere Sachsen-Anhalt - noch nicht absehbar ist.

Daher wird es immer wichtiger, die Interessen der heimischen Landwirtschaft nachhaltig zu vertreten. Von der Politik sind Signale des Aufbruchs und der Orientierung gefordert. Das erwarten unsere landwirtschaftlichen Unternehmen und Unternehmer.

Lassen Sie mich an dieser Stelle ein Zitat wiedergeben: Die Stimmung ist in allen Wirtschaftsbereichen ein ganz wesentlicher Faktor für die Perspektive der Unternehmen. Aufbruch und Aufschwung bedürfen einer positiven Grundstimmung und Erwartungshaltung.

Diese Worte stammen - man mag es kaum glauben - weder von Ludwig Erhard noch von Paul Kirchhof noch von Angela Merkel - nein, es ist ein Zitat von Frau Künast, welche sich mit einem Neujahrsbrief an die deutschen Bauernfamilien gewandt hatte. Dennoch muss die Frage gestellt werden, was diese Bundesregierung tat

sächlich getan hat, um in der deutschen Landwirtschaft für Aufbruch und für Aufschwung zu sorgen.

Wie groß der Dampf im Kessel tatsächlich ist, verdeutlicht die angespannte wirtschaftliche Situation vieler Bauernfamilien. Zahlreiche Aktionen der Milch- und Zuckerrübenbauern haben in den letzten Wochen und Monaten verdeutlicht, dass ihnen das Wasser bis zum Hals steht; sie fühlen sich von der Bundesregierung verraten und betrogen.

Anstatt die nationalen Interessen in Brüssel zu vertreten, hat die Bundesregierung alles dafür getan, die Situation für die heimischen Landwirte zu verschärfen. Dass innerhalb der Berufsgruppe der Landwirte die Skepsis gegenüber einem vereinten und erweiterten Europa ständig wächst, möchte ich an dieser Stelle nur am Rande erwähnen und mit Bedauern feststellen. Deshalb ist es wichtiger denn je, wieder Vertrauen zu gewinnen.

Die erfolgreiche Landwirtschaft in Sachsen-Anhalt hat eine lange Tradition. Das wissen wir und das haben wir heute auch schon mehrfach gehört. Bedingt ist dies sicherlich durch die klimatischen Verhältnisse, die zukunftsorientierten Anbauverfahren und die hervorragende Bodenausstattung. Die Lössböden der Börde und des Harzvorlandes gehören zu den fruchtbarsten Ackerflächen Deutschlands. Die Altmark gehört als typischer Grünlandstandort zu den guten Tierzuchtstandorten Deutschlands und hat sich als solcher auch bewährt. Im Süden des Landes wird Wein angebaut. In ganz Sachsen-Anhalt bestehen Zentren für die Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte. Auch das macht deutlich, dass Sachsen-Anhalt ein Land mit einer unglaublichen Vielfalt ist, von Norden nach Süden, von Westen nach Osten.

Aber Sachsen-Anhalt war von jeher nicht nur eine landwirtschaftlich geprägte Region, es war vielmehr die Hochburg der Landwirtschaft. Während der Nachkriegszeit und bedingt durch die Bodenreform hat dieser Prozess an Dynamik verloren. Die politische Wende war auch eine Wende für den Agrarbereich unseres Landes. Gezielte Flurneuordnungsverfahren, die Möglichkeit der Wieder- und Neueinrichtung und nicht zuletzt die von den ersten Landesregierungen betriebene Umstrukturierung ermöglichte an dieser Stelle eine positive Entwicklung. Ausgewogene Betriebsstrukturen und Größenvorteile machen dies deutlich. Das Ziel muss es sein, der Landwirtschaft unseres Landes wieder den Stellenwert und die Marktposition einzuräumen, die sie schon vor 1945 innehatten.

Derzeit gibt es in Sachsen-Anhalt rund 5 000 Betriebe mit 27 000 Arbeitskräften. In anderen Bundesländern ist das fast eine Kreisgröße. Daran erkennt man ebenfalls die Strukturvorteile in diesem Land. In der Ernährungswirtschaft handelt es sich um etwa 194 Betriebe mit rund 21 000 Beschäftigten. Die Ernährungsbranche kann eine stetige Umsatzsteigerung verzeichnen und ist damit umsatzstärkster Wirtschaftsbereich in diesem Land.

Der Anteil des Sektors Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei an der Bruttowertschöpfung liegt bei 2,5 %. Bedingt durch die nachgelagerten Bereiche ist dieser Sektor allerdings deutlich stärker zu bewerten. Landwirtschaft und Ernährungswirtschaft bilden damit einen äußerst wichtigen und starken Wirtschaftszweig unseres Landes. Dieses gilt es zu pflegen und voranzubringen und nicht auf dem Status quo zu verharren.

Leider hat es uns sowohl die rot-grüne Bundesregierung mit ihrer verfehlten Europapolitik als auch die acht Jahre

währende rot-rot-grüne Landesregierung nicht gerade leicht gemacht, die Interessen der Landwirtschafts- und Ernährungsindustrie entsprechend zu vertreten. An dieser Stelle sei mir der Einwurf erlaubt, dass man stellenweise den Eindruck gewinnen konnte, dass sich die Bundesministerin mehr für die Einführung von Homoehen als für die Bauern in unserem Land eingesetzt hat.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Herr Bullerjahn, SPD: Wie weit geht es denn noch? - Weitere Zurufe von der SPD und von der Links- partei.PDS)

Während Frankreich ständig in Brüssel interveniert, schickt uns Frau Künast die Ackerspürhunde auf den Hals. Imponierend ist, dass in Frankreich eine nationale Politik gegen Bauern nicht möglich ist. Diese Geisteshaltung sucht man bei der jetzigen Bundesregierung leider vergeblich. Dies wird sich - das verspreche ich Ihnen - mit einem Regierungswechsel auf Bundesebene sicherlich ändern.

(Zustimmung bei der CDU)

Die Belange unserer heimischen Landwirtschaft dürfen nicht länger unter den europäischen und entwicklungspolitischen Interessen der rot-grünen Bundesregierung leiden. Ich betone, dass wir offen für ein geeintes Europa sind. Wir wollen den europäischen Reformgedanken voranbringen. Wir müssen uns allerdings - das sage ich mit aller Schärfe - für den Erhalt der Arbeitsplätze in unserem Land einsetzen.

Sachsen-Anhalt hat im Bereich der Landwirtschaft und der Ernährungsindustrie in diesem Punkt eine Vorreiterrolle. Diese wollen wir beibehalten. Wir wollen nicht nur früher aufstehen, wir wollen auch besser und schneller als andere sein. Dies ist eine Grundvoraussetzung für die Ansiedlung weiterer Betriebe und Organisationen.

Frau Minister Wernicke hat bereits den DBV-Präsidenten Sonnleitner zitiert, der auf eine Bauernbefreiung hofft. Dem kann man sich eigentlich nur anschließen. Denn Bauernbefreiung heißt in diesem Fall, verstärkt unabhängig werden von ideologisierten Vorstellungen und unabhängig werden von Vorstellungen, die mit der globalisierten Welt und mit den tatsächlichen Dingen, die wir in Deutschland haben, nichts mehr zu tun haben. Das ist eine wirkliche Befreiung.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Herr Dr. Polte, SPD: Von der Bauernbefreiung wurde auch gesprochen, als die LPGs gegründet wur- den! Es werden Assoziationen geweckt, die wirk- lich nicht hierher passen!)

- Das sehe ich ein bisschen anders. Herr Sonnleitner hat lediglich das ausgesprochen, was den allermeisten Berufskollegen und Bauernfamilien am Herzen liegt: Sie haben die Sprüche der rot-grünen Bundesministerin satt.

Die deutschen Bauern sollen, was die Anzahl der Regelungen betrifft, Vorreiter in Europa sein. Sie sollen immer etwas mehr an Auflagen haben als andere und darüber soll sich eine Qualität erschließen. Das ist in einem geeinten Markt gar nicht möglich. Andere Staaten ziehen inzwischen an uns vorbei und lächeln über nationale Alleingänge der Deutschen. Ich erwarte von einer neuen Bundesregierung das Ende nationaler Alleingänge und die 1:1-Umsetzung europäischer Richtlinien.

Wenn in diesem Zusammenhang die Schweinehaltungsverordnung angesprochen wird, dann muss ich sagen:

Es ist so, dass sich das auf eine Spanne bezieht und dass der wesentliche Teil, warum das so diskutiert worden ist, aus Nordrhein-Westfalen kam, wo eine grüne Ministerin den so genannten „Kuschelerlass“ gemacht hat, in dem genau beschrieben ist, wie lange sich der Bauer mit seinem Schwein beschäftigen muss.

Wenn wir das so machen und wenn wir überall noch eins draufsetzen, dann dürfen wir uns nicht darüber wundern, dass nach den Eiern auch die Schweine nach Polen und nach Osteuropa abwandern und damit die Wirtschaft und die Veredlungspolitik in Deutschland am Ende ist.

(Zustimmung bei der FDP)

Lassen Sie mich noch einige Anmerkungen zur Agrarpolitik der rot-grünen Bundesregierung machen, da Sachsen-Anhalt als traditioneller Wirtschaftsstandort und Landwirtschaftsstandort wie kaum ein anderer unter dieser ideologisierten Künast-Politik zu leiden hat. Die Spannbreite reicht diesbezüglich von der Bio- und Gentechnologie bis zur Zuckermarktordnung, überall Verhinderung und Unterlassung. Die deutschen Bauern sind Frau Künast seinerzeit beim Tierschutz und bei der Käfighaltung entgegengekommen. Ohne Rücksicht auf die Arbeitsplätze wurde eine Harmonisierung auf der EUEbene abgelehnt.

Die Folge der Alleingänge ist, dass die Frühstückseier nicht mehr von einem deutschen Produzenten, sondern aus Tschechien und der Ukraine nach Deutschland kommen. Dort werden Tiere zum Teil ohne jede Kontrolle unter erbärmlichen Umständen gehalten. Wer sich das einmal ansieht und wer einmal dorthin reist, kann sich davon ein Bild machen und er wird zurückkommen und sagen: Das, was wir und die Landwirtschaft in diesem Bereich vorgeschlagen haben, ist Gold wert gegen das, was dort passiert. Da schaut niemand hin.

Niemand wurde durch die rot-grüne Bundesregierung unverhältnismäßiger mit Ökosteuer belastet als die Landwirtschaft. In dem Augenblick, in dem andere Staaten die Bauern beim Agrardiesel entlasteten, belastet die noch amtierende Bundesregierung sie mit 287 Millionen €. Die Zuschüsse für die landwirtschaftliche Sozialversicherung wurden von 340 Millionen € auf 150 Millionen € gekürzt. Beides sind unerträgliche Schläge auf Kosten von Investitionen und Einkommen. Das darf man nicht vergessen; denn Investitionen sind genau das, was wir brauchen. Die Stärkung des Eigenkapitals ist ein wichtiger Punkt in diesem Fragenkomplex.

In diesem Zusammenhang frage ich mich: Wo waren Sie, meine Damen und Herren von der Opposition in diesem Hause, als Herr Trittin seine Ackerspione auf die Menschheit losließ und mit einem völlig blödsinnigen Hochwasserschutzgesetz, das auch für Sachsen-Anhalt gilt, den Ackerbau auf 900 000 ha wertvoller Ackerfläche bundesweit verhinderte?

(Beifall bei der CDU)

Wo waren Sie, als es um die Rettung der Arbeitsplätze der einheimischen Zuckerrübenbauern ging? Wo waren Sie, als linke Umweltchaoten wertvolle Versuchsfelder zerstörten? Da haben wir von der Opposition nichts gehört!

(Beifall bei der CDU)

Wo war Ihr Einsatz, als die Spargelbauern in der Altmark und die Obstbauern am Süßen See keine Saisonarbeits

kräfte bekamen, weil für ausländische Arbeitskräfte plötzlich und unerwartet Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden mussten?

(Zuruf von der SPD)

Ich sage Ihnen, wo Sie waren: Sie waren abgeduckt - Steigbügelhalter einer ideologisierten, widersinnigen rot-grünen Landwirtschaftspolitik!