Die private und unternehmerische Spendenbereitschaft war und ist überwältigend. Jetzt sind wir uns offensichtlich einig darin, dass den Betroffenen und den Überschwemmungsregionen verlässliche Hilfe zugesichert werden muss. Trotz unterschiedlicher Meinungen hin
Der Versuch, die Schäden zu reparieren, wird immense Summen verschlingen. Das Verteilen der Gelder wird den Staat, die Kommunen, die Hilfswerke sowie die Bürgerinnen und Bürger an den Rand der Überforderung bringen. Das war nicht nur zu vermuten, das stellt man auch tagtäglich fest. Schon jetzt wissen wir also, dass die Grenze überschritten worden ist.
Dennoch dürfen neben den Hilfeleistungen die politischen Konsequenzen nicht vernachlässigt oder gar nur oberflächliche Korrekturen herbeigeführt werden. Die Auswirkungen der Flutkatastrophe sind eben auch Folgen einer bornierten Umweltpolitik.
Welche politischen Blüten diese Erkenntnisse gerade in Wahlkampfzeiten treiben konnten, haben die Debatten im Bundestag und die Auseinandersetzungen zwischen der CDU, der SPD und den Bündnisgrünen gezeigt. Der Kanzlerkandidat erklärte damals die Umweltpolitik kurzerhand im Nachgang zur Chefsache. Die SPD und die Bündnisgrünen im Gleichklang mit manchem klugen Kritiker rieben Stoiber und den anderen unter die Nase, dass halt doch die rot-grüne Koalition die richtige Umweltpolitik für sich gepachtet habe.
Ach ja, ist es wirklich so?, möchte man angesichts folgender Tatsache fragen: Minister Bodewig hatte ursprünglich nämlich ganz andere Ziele verfolgt: Flüsse sollten grenzenlos den Schiffen angepasst, vertieft und beschleunigt werden. Das konnte bislang verhindert werden.
Im Umfeld der Wahlen hat es auch noch andere höchst fragwürdige Entscheidungen gegeben. Das Bundeskabinett beschloss beispielsweise auf der einen Seite ein Programm zur Reduzierung des Flächenverbrauchs. Auf der anderen Seite, aber fast zeitgleich, bekannte man sich zu einem der ehrgeizigsten Autobahnbau- und -ausbauprogramme. Da liegt doch der Widerspruch auf der Hand.
Für dynamische Politik werden heutzutage auch Entscheidungen für den Bau von Transrapid-Strecken gehalten. Da steht dann wirklich Dampf und ein politischer Wille dahinter, der oft genug beim Umweltschutz fehlt. Da mahlen dann doch wohl eher die Mühlen der Bürokratie alles zu Brei.
Die Union ihrerseits kam etwas praktischer daher. Sie wollte am liebsten die Dämme immer höher ziehen, um vor Überschwemmungen zu schützen. Das klingt ein wenig überspitzt, ich weiß. Aber wir kennen mittlerweile zahlreiche Beispiele, die zeigen, dass bei einer rechtzeitigen Behebung von Mängeln das Schlimmste hätte wirkungsvoller verhindert bzw. gemindert werden können.
Der Bericht der Internationalen Kommission zum Schutz der Elbe über den Zustand der Deiche Sachsen-Anhalts hat das besonders verdeutlicht. Die Bürgermeisterin von Dömnitz ist nach dieser Erfahrung zu dem Schluss gekommen, dass eine Deicherhöhung allein am Ende zu regelmäßigen Überflutungsszenarien führen wird. Und noch höher aufgestautes Wasser - das liegt auf der Hand - hat dann natürlich auch eine noch zerstörerischere Kraft.
Von Magdeburg aus gesehen ist man flussabwärts letztlich weitestgehend glimpflich davongekommen. Dafür haben vor allem schlimme Dammbrüche stromaufwärts
gesorgt. Mit Blick auf diese Dammbrüche sagen viele in der betroffenen Region auch heute noch, dass die fast zeitgleichen Brüche, jeweils kurz nachdem die Hilfskräfte diese verlassen hätten, aus ihrer Sicht eben kein Zufall gewesen seien.
Diese Dammbrüche und die großen Flutpolder an der unteren Havelniederung haben letztlich zu einer Absenkung des Hochwasserpegels um etwa einen Meter geführt. Das war beispielsweise der Abstand, der zwischen dem Scheitelpunkt des Hochwassers und der Dömnitzer Dammkrone noch an Reserve verblieben war. Den Ort haben die Fluten also nicht erreicht. An insgesamt 41 Stellen brachen in Sachsen-Anhalt die Dämme.
Die ganz praktischen Erfahrungen mit dem Hochwasser zeigen uns, was künftig getan werden muss, um solchen Fluten wirkungsvoller begegnen zu können. Die Flüsse, sagen die Ökologen, die Landwirte und die Wasserwirtschaftler, brauchen wieder mehr Platz. Selbst am Unterlauf der Elbe, wo sie schon recht breit fließt, beträgt der Abstand zwischen den Deichkronen bisweilen eben nur 400 m. Hinter den Deichen liegen nicht nur jahrhundertealte Orte. Auch frisch in die Flussaue gesetzte Wohn- und Gewerbegebiete sind zu finden.
Bei unseren Gesprächen in überfluteten Orten haben wir immer wieder hören müssen, dass die Bürgerinnen und Bürger zum Zeitpunkt des Hausbaues keine genaue Kenntnis darüber hatten, dass sich ihr Haus im überflutungsgefährdeten Gebiet befindet. Diese Flächen sind zum Teil noch nicht einmal verbindlich in den Plänen als solches ausgewiesen worden. Das erschwert natürlich Schadenersatzansprüche erst recht.
Die Idee, bestehende Orte aus eindeutig gefährdeten Gebieten umzusiedeln, ist natürlich äußerst unpopulär. Die Bewohnerinnen und Bewohner wollen schnellstmöglichst einen normgerechten Ausbau bzw. die Wiederherstellung der Deiche erreichen. Selbst Herr Trittin verweist auf Realismus im Denken und erteilt diesen Überlegungen eine Absage. Er wie andere Umweltminister plädieren nunmehr lediglich dafür, dass in Überschwemmungsgebieten keine neuen Bau- und Gewerbegebiete ausgewiesen werden.
Dem Wiederaufbau von in solchen Gebieten zerstörten Häusern an anderer Stelle steht Realismus noch in anderer, nämlich in vertraglicher Weise, im Wege. Versicherungsverträge schreiben einen Wiederaufbau am alten Ort vor.
Für die Versicherer werden Schadensereignisse durch Überschwemmungen und Stürme immer brisanter. Im Jahr 2001 stellten sie zwei Drittel aller Versicherungsereignisse und 91 % aller Naturkatastrophen dar. Das heißt also am Ende: Die Einführung einer Elementarschutzversicherung auch für andere Unwetterschäden sollte unbedingt auf den Weg gebracht werden.
Viele Bürgermeisterinnen und Bürger betroffener Orte haben uns aber auch ganz deutlich gesagt, dass sie davon ausgehen, dass es viele, auch sinnbildlich gesprochen, ganz aus ihren Heimatorten gen Westen spülen wird. Das Letzte, das sie gewissermaßen in ihrer Heimat hielt, war eben jenes Haus oder jenes Grundstück. Dieser Grund ist weg, und nun gehen sie, um endlich mit Beschäftigung an einem anderen Ort eine neue Existenz aufzubauen.
Nach Berechnungen des Naturschutzbundes benötigt die Elbe zum Hochwasserschutz etwa fünf bis acht Flutungsgebiete. In einem Modellprojekt sollten diese an
der Elbe vorhandenen Flächen auch aktiviert werden, ohne dass umgesiedelt werden muss. Diese Überschwemmungsgebiete wurden der Elbe zu 80 % allerdings auch erst im letzten Jahrhundert genommen. Die Wasserwirtschaftler haben immer wieder verloren.
Landwirtschaftliche Flächen - kleiner Teilerfolg - durften dann eigentlich nur als Grünland genutzt werden. Jetzt aber hat sich vielfach gezeigt, dass stattdessen Maisanbau betrieben wurde, weil Kühe von Gras allein zwar satt werden, aber niemals so viel Milch wie angestrebt geben können.
Zu den Auen passt der Ökolandbau. Dabei sind natürlich Nutzerkonflikte absehbar. Kein Ackerbau, sondern eine extensive Grünlandnutzung ist die vernünftige Konsequenz. Landwirte brauchen also akzeptable Angebote, aber auch Entschädigungen, weil die Nutzung der Auen als Grünland eben auch ihrer Verbuschung vorbeugen könnte. Seltene Arten blieben ebenso erhalten.
Es muss jetzt aber auch geklärt werden, wer für die zusätzlichen Kosten bei der Wiederherrichtung verschlammter und von Müll übersäter Felder aufkommt. Einfach lospflügen geht eben nicht. Diese Felder bzw. die auf ihnen stehen gebliebenen Ernten sind hart wie Stein und bedürfen mehrerer zusätzlicher Bearbeitungsgänge.
Natürlich machen die Verluste von Produktionsgenossenschaften und Landwirten aufgrund von starken Schädigungen von landwirtschaftlichen Flächen bis hin zu Totalausfällen der Ernte nach dem Hochwasser den größeren Teil aus.
Bei der Bewertung der Ursachen gibt es allerdings auch eine Allianz zwischen Umweltschützern und Landwirten. „Die Hochwasserkatastrophe unterstreicht deutlich, dass dem Zubetonieren und der Versiegelung des Bodens endlich Einhalt geboten werden muss.“ - Diese Ansicht hat immerhin Bauernpräsident Gerd Sonnleitner vertreten.
Die Ursachen der Hochwasserereignisse müssten angegangen werden. Die Umweltpolitik sei nicht wirksam, wenn untätig zugelassen werde, dass der Landverbrauch für Siedlungs- und Straßenzwecke ungehindert weiterlaufe und täglich 130 ha wertvolle Acker- und Grünlandflächen zubetoniert würden, auf denen sonst Regenwasser versickern würde.
Bayern beispielsweise liegt mit einem täglichen Landverbrauch von 28,6 ha an der europäischen Spitze. Niedersachsen versiegelt täglich 16 ha. Zu Recht hat also Herr Sonnleitner die Bundesregierung aufgefordert, endlich eine Trendwende beim Verbrauch von landwirtschaftlichen Nutzflächen für Siedlungs- und Verkehrsflächen einzuleiten.
Ein ökologischer Hochwasserschutz setzt auf speicherfähige Böden und Überflutungsflächen. Neben einer Entsiegelung des Bodens und einer Rückverlegung von Dämmen und Deichen muss eben auch eine umweltfreundliche Landwirtschaft ermöglicht werden.
Meine Damen und Herren! Jetzt wird eben auch deutlich, dass der Protest gegen die Verhinderung von Renaturierung, gegen die Wasser- und Schifffahrtsdirektionen, die sich nicht an Absprachen gehalten haben, gegen Kommunalpolitiker, die Häfen haben bauen lassen, ohne dass es eine rentable Schifffahrt gibt, seine praxisrelevante Seite hat. In der Elbe-Erklärung aus dem
Jahr 1996 war Übereinstimmung darin erzielt worden, dass auf den weiteren Ausbau der Elbe verzichtet werden kann, wenn der Elbeseitenkanal ertüchtigt ist.
Stattdessen verfolgen Politiker wie der Bauminister Sachsen-Anhalts, Herr Daehre, völlig unbelehrbar auch weiterhin das Ziel des Elbe-Ausbaues. Sie scheinen felsenfest davon überzeugt zu sein und teilen das auch wenige Tage nach der Flutkatastrophe der verwunderten, zumindest aber doch zweifelnden Öffentlichkeit mit. Es ging eben nicht um Reparatur, Herr Scharf, es ging um Ausbau.
Die CDU in Sachsen, namentlich Herr Flath, und in Niedersachsen, dort wiederum Herr Wulff, sind zur gleichen Zeit zu anderen Schlussfolgerungen gekommen. Ich darf Herrn Wulff aus Niedersachsen zitieren:
„Wenn wir die Verhältnisse ändern wollen, dann sollten wir uns tatsächlich heute vornehmen, die damalige Vereinbarung mit der Strategie zum Hochwasserschutz an der Elbe im Einzelnen umzusetzen.“
Nunmehr - heute Morgen kam es in den Nachrichten - wurde in den rot-grünen Koalitionsverhandlungen auch ein Ende des Ausbaus verkündet.
Die PDS unterstützt darüber hinaus die Forderung der Umweltverbände, dass die 100 Millionen € für den ElbeAusbau in den Hochwasserschutz gehören. Die unlängst abgehaltene Flusskonferenz hat wichtige und zu unterstützende Schlussfolgerungen gezogen, von denen man nur hoffen kann, dass sie auch wirklich zur Umsetzung kommen.
Das sind Aufschub und Überprüfung des Flussausbaues - dazu gibt es ja jetzt einen neuen Stand -, Sicherung eines integrierten Gesamtkonzepts Elbe, Deichrückbau und mehr Polder sowie Überschwemmungsgebiete, Umwandlung von Ackerflächen bei entsprechender Entschädigung durch EU-Programme, keine weitere Landschaftsversiegelung, eine koordinierte Raumplanung, Finanzierungshilfen zur Beseitigung der Flutfolgen für alle betroffenen Seiten und Zusammenarbeit über die Grenzen von EU, Bund, Ländern und Kreisen.
In den Tagen der Flut haben sich aber auch Egoismen gezeigt. Das berichtete uns unter anderem der Landrat des Landkreises Stendal, einer Region, die für rund 500 km Deichfläche Sorge zu tragen hat. Die Koordination mit Brandenburg sei recht schwierig gewesen.
Letztlich wirkte der Landrat auf uns in dieser Frage relativ allein gelassen. Er regte an, dass es mit den jeweils beteiligten Landesregierungen gemeinsame Kabinettssitzungen geben sollte, um künftig die Koordination zu verbessern. Darüber hinaus sind Finanzierungsfragen zu klären, die zu einer gerechteren Lastenteilung für Sachsen-Anhalt führen; denn immerhin kommen Maßnahmen des Hochwasserschutzes hier den nachfolgenden Ländern zugute.
Nicht zuletzt wurde die Notwendigkeit beschrieben, Bürgermeister und Bürgermeisterinnen und Verantwortliche der Verwaltungsgemeinschaften bei Entscheidungen hinzuzuziehen. Ihre Ortskenntnisse waren unschätzbar wertvoll. Prinzipiell sei deren umfassendere Einbeziehung in Bildungs- und Schulungsmaßnahmen des Katastrophenschutzes erforderlich.
Ebenso sei auszuwerten, welche Kriterien für Entscheidungen über die Ansiedlung von Einsatzleitungen gelten sollten. Beim Einsatz der Feuerwehren zeigte sich nämlich beispielsweise, dass die bundesgesetzliche Regelung lediglich von örtlich abgegrenzten Schadensereignissen ausgeht, nicht aber von Sonderfällen wie einer Flutkatastrophe in diesem Ausmaß.
Die Zahl der Flussbereichsleiter sollte keinesfalls reduziert werden, wie das ursprünglich vorgesehen war.
Überall wurde uns geschildert, von welch entscheidender Bedeutung darüber hinaus die gesamten Fragen der Information gewesen sind. Betroffene waren oftmals deshalb zutiefst verunsichert, weil eben jene Informationen fehlten. So ergaben sich emotional aufgeladene Situationen, die dann natürlich Entscheidungsfindung und Entscheidungsumsetzung erheblich erschwerten.
Hilfsorganisationen beklagen ihrerseits, dass das Landeskatastrophenschutzgesetz keine Finanzierungsregelungen für Aufwendungen zur Katastrophenprophylaxe beinhaltet. Dazu gehören Investitionen, Betriebs- und Versicherungskosten sowie Ausgaben für Reparatur und Wartung. Kosten für Übungen bleiben ebenfalls unersetzt. Ausrüstungsstandards sind nicht einheitlich und Aufgaben des Katastrophenschutzes sollten präziser und verbindlicher ausgestaltet werden.
In den Tagen der Flut standen nacheinander, so wie sich der Scheitelpunkt der Welle den Flusslauf entlang bewegte, die betroffenen Länder im Mittelpunkt von Berichterstattungen. Es war, wie mancher so schön sagte, die Stunde der Exekutive. Wenn sie es denn nur wirklich gewesen wäre! Vielfach haben sich erhebliche Differenzen zwischen den lokalen Verantwortlichen, den Regierungspräsidien und dem Innenministerium ergeben. Da ist das Fehlen eines zentralen Krisenstabes beim Innenministerium ohnehin nur die Spitze des Eisberges gewesen.
Noch deutlicher waren die Unterschiede allerdings in der Wahrnehmung der Problemschärfe. Ministerpräsident Böhmer wusste mitzuteilen - Herr Scharf hat das heute wiederholt, was mich sehr wundert -, dass es Hochwasser entlang der Elbe immer gegeben habe und dass man es schon immer mit voll gelaufenen Kellern zu tun gehabt habe. Menschen hätten über die Jahrhunderte immer mit bewundernswerter Energie die Folgen bekämpft und sich neue Existenzen aufgebaut.
Abgesehen davon, dass diese Äußerung von erstaunlicher Unsensibilität gegenüber dem Schicksal der Betroffenen zeugt, stimmt der Grundtenor dieser Äußerung schon deshalb nicht - da stimmt auch Ihre Ausführung nicht ganz, Herr Scharf -, weil die Situationen eben kaum vergleichbar sind und weil ein Hochwasser dieses Ausmaßes beispielsweise Wittenberg das letzte Mal im Jahre 1432 überzogen hat.
Wir haben von vielen Menschen der betroffenen Gebiete gesagt bekommen, dass sie diese Äußerung als ignorant und empörend empfunden haben. Wessen gesamtes Zuhause in den Fluten versinkt oder tagelang im Wasser steht, der hat überhaupt kein Verständnis dafür. Ministerpräsident Böhmer wollte „das Kind schon schaukeln“, wie sein Wahlplakat zeigte; stattdessen haben uns