Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vor einem Jahr wurde die Föderalismusreform mit viel Wehgeschrei zu Grabe getragen. Die, um es bildlich zu sagen, wie ein Tiger gestartete Bundesstaatskommission endete mit ihren Vorstellungen letztlich als Bettvorleger.
Die Ursachen für das Scheitern sind vielfältig. Ich möchte nur eine nennen. Es war vorrangig eine Sache der Landesregierungen und der Bundesregierung. Trotz der Einbeziehung einiger Parlamentarier blieben die Parlamente, insbesondere die Landesparlamente, an sich außen vor. Insofern konnte wahrscheinlich kein großer Wurf gelingen. Nun haben wir eine Große Koalition von CDU/CSU und SPD und alle drei sind sehr schnell bereit, den Gordischen Knoten im föderalen Beziehungsstreit zu durchschlagen.
Man könnte sagen: So weit, so gut. Aber was nun im Koalitionsvertrag zum Thema Föderalismus vorgelegt worden ist, ist alter Wein in neuen Schläuchen. Die Ergebnisse der Arbeit der Bundesstaatskommission wurden zusammengefasst, und siehe da, der Streitpunkt Bildung, der im vergangenen Jahr letztlich der Anlass für das Scheitern, nicht aber das eigentliche Problem war - das waren die Finanzen, die ausgeklammert wurden -, war weg. Heimlich, still und friedlich haben die Koalitionäre entschieden, dass der gesamte Bildungsbereich Sache der Länder ist. Der Bund sieht für sich nur noch gewisse Kompetenzen bei der Hochschulzulassung und bei den Hochschulabschlüssen. Aber auch an dieser
Stelle können die Länder, sofern es wie beabsichtigt kommt, eine abweichende Gesetzgebung erlassen. Das ist mehr als ein fauler Kompromiss.
Um die hohe Zahl der zustimmungspflichtigen Gesetze im Bundesrat zu reduzieren, legt man den Ländern die Verantwortung für den gesamten Bildungsbereich auf den Gabentisch. - Darauf komme ich noch einmal zurück.
Seit Jahren wird über eine Reform des bundesdeutschen Föderalismus debattiert, um endlich den angeblich so großen Reformstau auflösen zu können. Abgesehen davon, dass von Reformstau kaum die Rede sein kann - wir haben eine Gesundheitsreform, Arbeitsmarktreformen, Steuerreformen, Rentenreform und fast alle Parteien machen mit -,
wird das, was uns vorgelegt wurde, die wirklichen Probleme wie Massenarbeitslosigkeit, fehlende Binnenmarktnachfrage und auch Bildungsnotstand nicht lösen.
Nun ist genau das eingetreten, was auch wir als Landtag immer wieder beklagt haben. War die Zusammensetzung der Bundesstaatskommission gerade aus der Sicht der ostdeutschen Länder sehr fragwürdig, bleiben nun die Länder generell außen vor. Im Koalitionsvertrag heißt es - ich zitiere -:
„Aus der Mitte des Deutschen Bundestages werden mit den Ländern abgestimmte Entwürfe für ein Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes und für ein Artikelgesetz, das die Änderungen bzw. den Erlass der dazu gehörenden Gesetze umfasst, eingebracht und zügig verabschiedet.“
Wie zu hören war, soll das schon im Januar geschehen. Das heißt, im Januar kommt ein Gesetzentwurf mit weitreichenden Änderungen des Grundgesetzes in den Bundestag. Die Länder werden dann erst über den Bundesrat einbezogen und die Landesparlamente haben so gut wie keine Chance sich einzubringen. Wir haben also kaum noch Chancen, Veränderungen zu bewirken, wenn wir uns jetzt nicht sehr schnell bewegen; denn bei uns ist ja nun einmal im März Wahlkampf angesagt.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben bereits im vergangenen Jahr immer wieder gefordert, sich die Vorschläge der Bundesstaatskommission gründlich anzuschauen. Sie haben zum Teil sehr nachhaltigen Einfluss nicht nur auf die Beziehungen zwischen Bund und Ländern, sondern auch auf die Beziehungen zwischen den Ländern.
Einige Länder stellen das mittelbare Staatsziel gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet zur Disposition. Obwohl die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit sehr unterschiedlich ist, soll künftig noch mehr Konkurrenz zwischen den Ländern herrschen. Der Finanzausgleich wie auch die Gemeinschaftsaufgaben werden infrage gestellt. Dabei geht es jetzt nicht nur um einen Konflikt zwischen den alten und den neuen Bundesländern, sondern auch um einen solchen zwischen den nördlichen und den südlichen; denn auch zwischen ihnen verläuft eine gewisse Trennlinie.
Der Föderalismus in der Bundesrepublik hat sich aus gutem Grund in Strukturen entwickelt, die auf Kooperation und Verflechtung der politischen Entscheidungsebenen beruhen. Diese in Richtung Wettbewerbsföderalismus aufzulösen und dann zu hoffen, alles werde besser, wird
nichts bringen, im Gegenteil; denn wie heißt es in einem alten Sprichwort? - Eine Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied.
Nehmen Sie die Morgengabe des Bundes an die Länder, Bildung, Wissenschaft und Forschung. Es ist geradezu paradox, Wissenschaft und Forschung zu parzellieren. Die Entwicklung von Wissenschaft und Forschung hat sich schon immer in einem internationalen Wettbewerb vollzogen. Wettbewerb ist diesem System immanent, aber es ist vom Charakter her ein anderer Wettbewerb als der, der jetzt gewollt ist. In der Bundesrepublik gibt es nun den politischen Willen, gerade auf diesem Gebiet in die Kleinstaaterei zurückzufallen. Im Rahmen der EU wird seit mindestens vier, fünf Jahren ganz konkret davon gesprochen, die Europäische Union als einen wissensbasierten Wirtschaftsraum zu entwickeln.
Das setzt das Denken nicht nur über die Grenzen von Mitgliedstaaten, sondern auch über die Grenzen kleinkarierten Denkens in diesen selbst voraus.
Im Zuge der Neuaufteilung der Macht zwischen Bund und Ländern wird eine zukunftsfähige Bildungs- und Wissenschaftspolitik zwischen den Steinen dieses Machtspiels zerrieben. So wie es jetzt in der Koalitionsvereinbarung vorgeschlagen wurde, hat man sich auf eine Prioritätensetzung geeinigt, die mit den eigentlichen Erfordernissen von Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologieentwicklung nur wenig zu tun hat.
Wir brauchen nicht über auf europäischer Ebene vergleichbare Hochschulabschlüsse zu diskutieren, wenn wir es hier nach Möglichkeit jedem Ländle selbst überlassen, gerade auf diesem Gebiet seine Autonomie auszutoben. Hier geht es nicht nur um Macht; gerade hier geht es eben auch um Geld. Statt sich über die Möglichkeit der Bündelung der knappen Ressourcen und deren effektivsten Einsatz für das Gesamtsystem zu verständigen, werden Ideen entwickelt, die eine Zerstückelung des Gesamtpotenzials zur Folge haben werden.
Mit dem Anspruch der Länder, zusätzliche Kompetenzen in der Bildungspolitik, wie Hochschulbau, Wissenschaftsförderung, Berufsbildung und Bildungsplanung, auf sich zu ziehen, drohen der Wissenschaft neu errichtete Provinzgrenzen statt der nötigen Mobilität.
Wenn der Bund künftig Forschungsprojekte fördern will, braucht er die Zustimmung von mindestens 13 Ländern; ansonsten verstieße er gegen die jetzt geplante Neufassung des Artikels 104b, wo ausdrücklich festgehalten ist, dass der Bund den Ländern für die Investitionen, die Gegenstände der ausschließlichen Gesetzgebung der Länder betreffen, keine Finanzhilfen geben darf. Für große Forschungsprojekte aber reichen einzelne Landesbudgets nicht aus. Bis sich die Länder dann geeinigt haben, ob ein Forschungsprojekt möglicherweise von überregionalem Interesse ist und der Bund es fördern darf, haben Wissenschaftler in anderen Ländern das Problem schon gelöst.
Auch der geplante Wegfall der Gemeinschaftsaufgabe Ausbau und Neubau von Hochschulen einschließlich der Hochschulkliniken ist hinsichtlich der finanziellen Folgen für das Land, aber auch und vor allem hinsichtlich der Folgen für die Wissenschaftsentwicklung in SachsenAnhalt zu betrachten. Aus der Sicht der Linkspartei.PDS muss die GA Hochschulbau nach Artikel 91a des Grundgesetzes erhalten bleiben. Ohne die finanzielle Hilfe des
Bundes werden wirtschaftsschwache Länder wie Sachsen-Anhalt nicht in der Lage sein, den notwendigen Ausbau der Hochschul- und Forschungseinrichtungen fortzusetzen.
Im Jahr 1969 wurde die GA Hochschulbau aufgenommen, eben deshalb, weil abzusehen war, dass die Länder damit überfordert sind. Machen wir uns doch bitte nichts vor: Forschung wird nicht billiger werden und unter den Bedingungen einer Wissensgesellschaft gilt dieses Argument noch mehr. Eine wissensbasierte Gesellschaft muss mehr Studentinnen und Studenten als bisher auch in der Bundesrepublik ausbilden. Außerdem spricht allein die reine Größe und die überregionale Bedeutung von Wissenschaft und Forschung für eine enge Zusammenarbeit von Bund und Ländern. Die Hochschulen in unserem Land sind zurzeit noch ein Faustpfand für eine mögliche selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung. Setzen wir diese bitte nicht aufs Spiel.
Die nun gewollte Kleinstaaterei führt eher zur Marginalisierung und Provinzialisierung der deutschen Hochschul- und Forschungspolitik. Der eingeforderte föderale Wettbewerb zwischen den Ländern um die besten Hochschulen wird künftig nur noch über das Geld entschieden werden. Nur die Länder, die Professorinnen und Professoren sowie wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bezahlen können, werden internationale Spitzenleistungen hervorbringen. Die Lehre wird dabei weiter zu einer marginalen Randposition verkommen. Gerade im Bereich Bildung, Wissenschaft, Forschung und Entwicklung sollte es beim Europa der 25 bleiben und nicht ein Europa der 24 plus 16 entstehen.
Eine europäische Stadt der Wissenschaft wird es, werden die Vorstellungen der Koalitionäre wahr, in Sachsen-Anhalt dann auf jeden Fall nicht geben.
Ähnlichen Sprengstoff bieten aus der Sicht der Linkspartei.PDS die geplanten Veränderungen bei der Zuständigkeit im Beamtenrecht. Nun haben wir Linke ein durchaus kritisches Verhältnis zum deutschen Beamtentum, aber solange es keine grundlegende Dienstrechtsreform gibt, ist der Vorschlag, Besoldung, Laufbahn und Versorgung in die Verantwortung der Länder zu geben, die nächste Laufstrecke für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Wettbewerbsföderalismus. Dies fördert die Abwanderung junger Menschen und gefährdet eine ernsthafte Novellierung des Beamtenrechts.
Die Linkspartei.PDS ist gegen eine Zersplitterung der Besoldungsstruktur und der Versorgungsleistungen. Zumindest ist hier immer auf den verfassungsrechtlichen Aspekt verwiesen worden, dass es nur einen Spielraum von weniger als 10 % geben dürfe, weil die Länder ansonsten vor Gericht scheitern könnten. Die Herauslösung von Besoldung und Versorgung aus der konkurrierenden Gesetzgebung steht auf jeden Fall in keinem Verhältnis zu den darin verbliebenen Statusrechten und Aufgaben. Anstatt den Ländern jetzt die finanzielle Seite überzuhelfen, sollte man endlich über eine ernsthafte Reformierung des Dienstrechtes reden.
Obwohl ebenfalls im vergangenen Jahr durch die Bundesstaatskommission verhandelt, wurde die Einführung eines nationalen Stabilitätspaktes längst nicht so emotional diskutiert wie die Bildung. Der Entwurf für einen
neuen Absatz 5 des Artikels 109 des Grundgesetzes beinhaltet aber gerade für die Länder jede Menge Sprengstoff, weil überhaupt noch nicht absehbar ist, welche finanziellen Belastungen auf sie zukommen.
Eine Beteiligung an der Erfüllung möglicher Sanktionsmaßnahmen der Europäischen Gemeinschaft macht eine Haushaltskonsolidierung eigentlich unmöglich oder aber macht die Länder überflüssig, weil sie überhaupt keine Möglichkeit mehr haben, sich in ihrer Autonomie darzustellen und entsprechend der politischen Zielstellung im Interesse der Bürgerinnen und Bürger zu agieren.
Die Schulden der Länder liegen nicht unbedingt in einer schlechten Haushaltspolitik begründet, wie es den neuen Bundesländern immer wieder vorgeworfen wird, sondern in dem generellen Versäumnis der Bundespolitik, die Einnahmesituation so zu gestalten, dass Bund, Länder und Kommunen ihre Aufgaben erfüllen können. Wie gesagt, kommt der nationale Stabilitätspakt so wie angekündigt, dann können wir als Land wirklich Insolvenz anmelden und uns ein Land suchen, das uns dann vielleicht nimmt. Aber es wird nur sehr wenige Bundesländer geben, die aus diesem Stabilitätspakt als Sieger hervorgehen.
Eine Reduzierung der Anzahl der Bundesländer, wie Sie, Herr Kollege Bullerjahn, es in dieser Woche gefordert haben, wäre sicherlich ein Weg, um die Zahl der Sieger und Verlierer zu verringern. In diesem Zusammenhang hat mich der kollektive Aufschrei der Kollegen von CDU und FDP etwas verwundert. Der Gedanke der Länderfusion ist ja nicht neu. Seit 1966 gibt es immer wieder Vorstöße verschiedener Parteien oder einzelner Funktionäre.
Im Jahr 2003 hat zum Beispiel Ihr damaliger Vizevorsitzender Walter Döring eine Länderfusion gefordert; Herr Schäuble hat eine Länderfusion gefordert und Vertreter von SPD und Grünen ebenfalls. Es wurde laut über eine Neugestaltung der Länder nachgedacht. In diesen Zusammenhang ordne ich die Initiative Mitteldeutschland ein, die Ministerpräsident Böhmer mit viel Schwung gestartet hat und von der nur noch klägliche Reste geblieben sind.
Die Linkspartei hat übrigens im Juli dieses Jahres auf ihrem Parteitag beschlossen, sich für eine Fusion von Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen stark zu machen.
Dabei geht es uns nicht so sehr darum, aus drei armen Ländern ein reiches Land zu machen, sondern wir sind der Meinung, dass endlich mit der unsinnigen Konkurrenz zwischen den Ländern Schluss gemacht werden muss. Es ist für uns eben kein Wettbewerb, wenn ein Land dem anderen die Investoren durch Fördermittelbescheide klaut.
Wir brauchen ein Miteinander im Umgang mit den knapper werdenden Fördermitteln, die gezielt zum Aufbau einer wissensbasierten Gesellschaft eingesetzt werden.
Der universitäre Verbund Halle/Leipzig/Jena muss Kern der vor kurzem von der Landesregierung recht überschwänglich angekündigten Metropolregion sein, die, wenn ich mich erinnere, von Erfurt über Magdeburg, Halle, Leipzig bis nach Dresden reichen sollte.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, hoffentlich können Sie sich auch noch nach dem 26. März an diese Forderung bezüglich der Länderfusion erinnern. Von den fünf Regionalkreisen ist im Augenblick auch nicht allzu viel übrig geblieben.
- Herr Tullner, wir reden nach dem 26. März darüber. Die Linkspartei sieht durchaus die Notwendigkeit der Reform des Föderalismus, aber wohlgemerkt eines kooperativen Föderalismus.