Im Übrigen sollten wir auch künftig die Kooperation in Bezug auf die Lehre und die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses mit in den Blick nehmen. In diesem Bereich ist in den vergangenen Jahren gerade in der mitteldeutschen Wissenschaftsregion einiges geschehen. Der im Jahr 1998 gegründete Universitätsverbund Jena/Leipzig/Halle hat sich zu einem Antriebsmotor entwickelt zum Beispiel bei der Abstimmung von Studienangeboten, Prüfungsordnungen, Abschlüssen und Credit Points oder bei der Akkreditierung der neuen Bachelor- und Masterstudiengänge.
Im Ausschuss wurde hervorgehoben, dass Abstimmungen zwischen den drei für Wissenschaft zuständigen Ministerien in verschiedenen Bereichen natürlich sinnvoll seien. Das betrifft unter anderem die Neuberechnung der Studienplatzkapazitäten, die aufgrund der Umstellung auf gestufte Studiengänge erforderlich ist. Auch in den Bereichen Studienanfängerzahlen und Beeinflussung des Wanderungsverhaltens können Länder übergreifende Abstimmungen zweckmäßig sein. Außerdem sollen sich die Ministerien künftig auch in ihrem Vorgehen auf europäischer Ebene abstimmen, zum Beispiel bei der Erarbeitung der Projekte für das siebte EU-Forschungsrahmenprogramm.
Im eigentlichen Wissenschafts- und Forschungssystem hingegen ist die Bedeutung von Regionen möglicherweise eher zweitrangig. Forschung und ihre Vergleichsmaßstäbe sind sowieso international ausgelegt, und sie müssen es auch sein. Kooperationen sind für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler selbstverständlich. Bei der Auswahl von Partnern kommt es vor allem auf die Person, ihre Reputation, ihre Ressourcen, auf die Ausstattung, auf ihre wissenschaftlichen Fähigkeiten und den speziellen Tätigkeitsbereich des Kooperationspartners an, aber in unserer modernen mobilen Gesellschaft nicht so sehr auf seinen oder ihren Arbeitsort.
Wie ich hier bereits vor einem Jahr deutlich machte, hat sich nun allerdings genau aus dieser Dynamik heraus und unter günstigen Entwicklungsvoraussetzungen ein mitteldeutsches Forschungsdreieck entwickelt, in dem Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen eng zusammenarbeiten. Beschränkt man seine Sicht auf die Wissenschaft in Mitteldeutschland nicht auf den Süden des Landes Sachsen-Anhalt, sondern bezieht man die erfolgreiche Entwicklung am Wissenschaftsstandort Magdeburg mit ein - das ist meiner Meinung nach in vielfacher Hinsicht geboten -, ergibt sich eine beeindruckende Anzahl von mehr als 220 Kooperationsprojekten.
Unter ihnen stechen natürlich die Sonderforschungsbereiche, Forschergruppen und Graduiertenkollegs der DFG hervor, die sich immer wieder Begutachtungen stellen müssen, um eine Verlängerung ihrer Förderung zu erreichen. Die derzeit arbeitenden Exzellenznetzwerke der Grundlagenforschung im Forschungsdreieck basieren vor allem auf Sonderforschungsbereichen. Ich kann und muss sie hier nicht erneut alle nennen.
Sie betreffen die Struktur und die Dynamik nanoskopischer Inhomogenitäten, in den Orientwissenschaften die Wechselwirkungen zwischen nomadischen und sesshaften Lebensformen der Zivilisationen in der alten Welt - ich sage das deswegen, weil ich es für wichtig halte,
dass auch geistes- und kulturwissenschaftliche Themen solche Netzwerke der Exzellenz bilden - sowie in den Biowissenschaften zum einen die molekularen Mechanismen der Informationsverarbeitung in Pflanzen und zum anderen die Proteinzustände mit zellbiologischer und medizinischer Relevanz.
Erwähnenswert ist auch die Initiative „Forschung für die Zukunft“, die gemeinsame Messeinitiative im Hochschulbereich der drei Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Seit 1. Januar 2001 beteiligen sich Aussteller aus den drei Bundesländern, also Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen sowie Partner aus kleinen und mittleren Unternehmen und vor allem Existenzgründer, an bisher mehr als 50 nationalen und internationalen Messen wie Cebit, Hannover-Messe, Biotechnica, Materialica, Medica, Learntec und vielen anderen. Sie tun das offensichtlich sehr erfolgreich.
Am Rande: Ich erinnere mich, als ich das erste Mal eine solche Messe besucht habe, habe ich den Kollegen aus den drei Ländern vorgeschlagen, die teure Messeausstattung nicht jedes Mal neu zu mieten, sondern ihr Geld zusammenzulegen, eine zu kaufen und mit dieser dann gemeinsam auf Wanderschaft zu gehen. Das haben sie gemacht und sie zeigen dann immer ganz stolz, dass sie mit so einer Synergie, wenn sie vor allem dynamisch und flexibel einsetzbar ist, ihre Arbeit wunderbar gemeinsam machen können.
Anlässlich der Hannover-Messe 2005 konstatierte Frank Walther, der Vertreter der Deutschen Messe AG, wörtlich: „Das ist eines der Projekte aus der Initiative Mitteldeutschland, die wirklich leben.“
Die mitteldeutsche Gemeinschaftsinitiative strahlt auch auf andere Bundesländer aus. Das Land Brandenburg besitzt mit je einem Vertreter der Universität Potsdam und der BTU Cottbus seit dem Jahr 2004 einen Beobachterstatus im Länder übergreifenden Arbeitskreis. Der Bericht zeigt also, dass die Initiative Mitteldeutschland in diesem Bereich nicht nur mit Leben erfüllt ist, sondern geradezu eine Vorbildfunktion hat.
Ich bitte Sie, der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft zuzustimmen. Ich bin selbstverständlich gern bereit, dem Ausschuss regelmäßig über die Fortschritte und die Entwicklung in diesem Sektor zu berichten. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister Olbertz. - Die Debatte wird mit dem Beitrag der Fraktion der Linkspartei.PDS eröffnet. Es spricht Herr Höhn.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mir beide Anträge noch einmal angeschaut und will gern auf zwei Sätze eingehen, die sich in der Begründung zu den Anträgen finden, und zwar in beiden gleich lautend. Satz 1:
Nun, zu den Voraussetzungen komme ich gleich noch. Ich will allerdings an eines anschließen, worauf auch im Zuge der Berichterstattung von Herrn Schellenberger schon hingewiesen worden ist, nämlich an die Begründung für den Vorschlag, diese Anträge für erledigt zu erklären.
Es geht um die Frage eines Konzepts der Landesregierung zur Etablierung einer Länder übergreifenden mitteldeutschen Wissenschaftsregion. Es ist auch für uns kein zielführender Ansatz, von staatlicher Seite zu versuchen, ein solches Konzept zu etablieren. Deswegen haben wir uns im Ausschuss der Stimme enthalten und werden das auch heute tun. Unsere Aufgabe muss es sein, die Einrichtungen in die Lage zu versetzen, aus sich heraus die nötige Kraft und Energie zu entwickeln, um dies tun zu können.
Jetzt eine Bemerkung zu den Voraussetzungen. In Anbetracht der Zeit würde ich gern drei vorbringen. Vorweg aber noch Folgendes: Die eigentliche Frage ist - deswegen sind wir mit dem Antrag, so wie er formuliert worden war, auch etwas unzufrieden, wenngleich das Thema sicherlich wert ist, diskutiert zu werden -, wie es uns gelingt, einen besseren Transfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu initiieren, und wie es um die Stellung der Wissenschaftseinrichtungen als Wirtschaftsfaktoren steht.
Erste Bemerkung zu den Standortfaktoren: Ich glaube, es wäre schon sehr viel gewonnen, wenn wir bei allen, auch bei der Koalition, die Einsicht wecken könnten, dass Wissenschaftseinrichtungen für die Städte und Regionen, in denen sie sich befinden, in hohem Maß einen Wirtschaftsfaktor darstellen und in die Wirtschaft ausstrahlen. Das ist bei der Koalition so noch nicht angekommen, zumindest nicht bei allen.
(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Doch! - Minister Herr Dr. Daehre: Weil Sie nicht zuhören, wenn wir etwas sagen! - Herr Gürth, CDU: Das ist wirk- lich Unsinn! - Weitere Zurufe von Frau Bull, Links- partei.PDS, und von Minister Herrn Dr. Daehre)
- Herr Olbertz, ich hatte ja fast mit einer solchen Reaktion gerechnet. Deshalb glauben Sie doch nicht, dass ich unvorbereitet bin.
(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Es ist schon ver- dächtig, wie oft wir heute miteinander diskutieren!)
Lassen Sie mich einmal aus dem Protokoll der Landtagssitzung am 3. März 2005 zitieren. Dort habe ich ausgeführt:
„Eine Hochschule mit ihren Studierenden und Lehrenden ist ein enormer Gewinn für eine Stadt und für eine ganze Region. Magdeburg, Halle, Wernigerode, Merseburg usw., all diese Standorte profitieren von ihren Studentinnen und Studenten - sozial, kulturell und auch wirtschaftlich.“
Vielleicht erklären Sie es dann noch einmal Ihrer Fraktion. Wenn wir in diesem Punkt Einigkeit haben, dann ist das gut und stellt einen Schritt nach vorn dar.
(Herr Tullner, CDU: Unverschämtheit! - Frau Dr. Hüs- kens, FDP, lacht - Zuruf von Herrn Dr. Thiel, Links- partei.PDS)
Ich will in diesem Zusammenhang noch einmal auf eine Debatte hinweisen, die mir auch in strategischer Hinsicht
für dieses Land sehr wichtig ist, nämlich die Frage, wie wir perspektivisch mit der demografischen Entwicklung umgehen, mit den abnehmenden Absolventinnen-, Schülerinnen- und Studentinnenzahlen, die wir hier im Land haben.
Ich glaube, dass es von strategischer Bedeutung ist, diesen demografischen Rückgang nicht zu nutzen, um auch das Potenzial im Land herunterzufahren. Ich glaube, die strategisch richtige Entscheidung ist es, die Luft, die wir dadurch bekommen, zu nutzen, um Studentinnen und Studenten und auch Lehrende und Forschende von außerhalb nach Sachsen-Anhalt zu holen. Das ist die richtige Entscheidung.
Eine zweite Bemerkung zu den verlässlichen Rahmenbedingungen für die Hochschul- und Wissenschaftslandschaft. Die jetzige Landesregierung und auch das Landesparlament als Haushaltsgesetzgeber haben die Mittel für die Hochschulen in dieser Legislaturperiode deutlich gekürzt. Dies geschah mit der Begründung, dass wir in Zeiten knapper Kassen auch an dieser Frage nicht vorbeikommen. Wenn die Kassen knapp sind - darauf haben wir immer hingewiesen und ich tue es heute noch einmal -, dann ist es umso wichtiger, dass wir Prioritäten setzen. Angesichts dessen, was ich in der Bemerkung zuvor gesagt habe, liegt die Priorität genau in diesem Bereich. Deswegen waren die Mittelkürzungen eine strategisch falsche Entscheidung für das Land. Wir werden alles tun, um das nach der Landtagswahl zu korrigieren.
Angesichts der Redezeit noch eine letzte Bemerkung zum Gründungsgeschehen. Der Minister hat einiges angesprochen, wobei wir auch keinen Dissens haben, was an Förderungen in diesem Bereich passiert. Wir haben auch im Ausschuss darüber diskutiert. Der Minister hat ausführlich berichtet.
Ich will dennoch darauf hinweisen, dass wir nach meinem Eindruck in diesem Bereich ein Stück weit mehr Transparenz und auch ein Stück mehr Straffung der Förderelemente haben müssen, die wir in diesem Bereich denjenigen zur Verfügung stellen wollen, die es brauchen. Wir müssen auch daran denken, dass sich die Unterstützung von Existenzgründungen nicht nur auf die Gründung eines Unternehmens beziehen kann; wir müssen vielmehr einen längeren Pfad von der Forschungsförderung bis hin zur Markteinführung von Produkten aufbauen. Das ist eine Linie, die wir in der Politik durchgängig machen müssen, und dabei brauchen wir ein bisschen Straffung.
Herr Präsident, ich habe darauf hingewiesen, dass wir uns der Stimme enthalten. Das Thema ist lohnenswert, aber der Antrag war es nicht.
Vielen Dank. - Meine Damen und Herren! Zunächst können wir Damen und Herren der Europäischen Wirtschafts- und Sprachakademie Magdeburg auf der Südtribüne begrüßen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wissenschaft kann sich nur entwickeln, wenn sie nicht am Gängelband der Bürokratie gehalten wird. Ebenso wenig wie man Forschungsergebnisse staatlich verordnen kann, kann man Wissenschaftler mit einem Landtagsbeschluss zu einer Zusammenarbeit tragen.
Die SPD-Fraktion hatte den Antrag gestellt, nach dem die Landesregierungen Mitteldeutschlands gemeinsam ein Konzept zur Etablierung einer Länder übergreifenden mitteldeutschen Wissenschaftsregion Halle/Leipzig/Jena erarbeiten sollten. Erklärtes Ziel der Antragsteller war es, die Kooperation in der Forschung konzeptionell zu steuern.
Mit einem Alternativantrag haben die Koalitionsfraktionen die andere Sicht sowohl auf die Problematik als auch auf die Situation der wissenschaftlichen Einrichtungen im mitteldeutschen Raum kenntlich gemacht. Über den Alternativantrag wurde deshalb die Landesregierung aufgefordert, über den Stand der Kooperation zu berichten. Die Landesregierung hat dieses im Ausschuss für Bildung und Wissenschaft und im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit getan. Die anschließende Diskussion im Ausschuss für Bildung und Wissenschaft zeigte schnell die sehr unterschiedlichen Positionen der Koalition und der SPD, die ich hier einmal kurz zusammenfassen möchte.
Wissenschaft und Forschung basieren auf Selbststeuerung. Das ermöglicht es den Institutionen, gezielt Kooperationen zu suchen und einzugehen. Die Wissenschafts- und Forschungsverbünde, die als Leuchttürme im mitteldeutschen Raum hervorragen, belegen dies eindrucksvoll. Die Etablierung von staatlich gelenkten Wissenschafts- und Forschungsnetzwerken ist nicht zielführend - dies hat die Vergangenheit gezeigt - und wird nicht von Erfolg gekrönt werden. In der Konsequenz der Forderung der SPD wäre eine staatliche Koordinierungseinrichtung zu schaffen, also der Versuch zu lenken und zu steuern.