Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 72. Sitzung des Landtags von Sachsen-Anhalt der vierten Wahlperiode. Ich freue mich, dass trotz des Glatteises offensichtlich doch die meisten hierher gefunden haben. Ich begrüße Sie alle herzlich.
Meine Damen und Herren! Unser Kollege, der Abgeordnete Peter Oleikiewitz, feiert heute seinen 60. Geburtstag.
Im Namen des Hohen Hauses und auch ganz persönlich gratuliere ich Ihnen herzlich. Ich wünsche Ihnen Glück und Gesundheit und alles, was der Mensch sich sonst noch wünscht. Herzlichen Glückwunsch!
Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest. Zur Abwesenheit von Mitgliedern der Landesregierung am heutigen Tag ist schon gestern einiges gesagt worden. Herr Minister Kley wird heute nicht anwesend sein.
Wir setzen nun die 37. Sitzungsperiode fort und beginnen vereinbarungsgemäß mit dem Tagesordnungspunkt 2 - Aktuelle Debatte. Anschließend folgen, wie gestern bereits angekündigt worden ist, die Tagesordnungspunkte 15 und 17, und danach verfahren wir entsprechend der in der Tagesordnung vorgesehenen weiteren Reihenfolge.
Es sind, wie Sie wissen, Redezeiten von jeweils zehn Minuten je Fraktion vorgesehen. - Ich rufe für die SPDFraktion den Fraktionsvorsitzenden Herrn Bullerjahn auf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich gleich zu Anfang sagen: Wir als Antragsteller glauben, dass unser Antrag auf diese Aktuelle Debatte im Sinne aller Fraktionen ist. Insofern war es verzichtbar, im Vorfeld längere Abstimmungsprozesse herbeizuführen. Ich will es gleich zu Beginn sagen: Mir geht es heute um das gemeinsame Zeichen, nicht um die Ausschöpfung der Redezeit und auch nicht darum, die Thematik noch einmal von Grund auf zu erläutern. Es geht mir um das gemeinsame Zeichen all derer, die hier im Landtag sit
Die Vorkommnisse in Pömmelte und anderswo im Land sind Anlass dafür, die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus erneut gemeinsam zu thematisieren. Gewiss, allein durch Reden und mit der Befassung im Landtag werden wir junge Menschen nicht zur Umkehr bewegen. Dazu müssen wir mehr tun, viel mehr.
Falsch wäre es aber auf jeden Fall, darüber gar nicht zu reden, zu schweigen; denn wir dürfen uns nicht dem Vorwurf der Gewöhnung aussetzen. Ich glaube, dass das, was wir machen oder wie wir reagieren, schon von außen beobachtet wird. Wenn wir es einmal unterlassen würden, darauf zu reagieren, würden andere dies als ein Zeichen werten.
Das Thema gehört auch deswegen in den Landtag, weil es ein zentrales Problem in Sachsen-Anhalt und in ganz Deutschland ist. Wir sollten das nicht verschweigen, uns aber auch nicht zu sehr Asche aufs Haupt streuen. Das ist ein Problem, das Deutschland schon lange hat, was es jetzt hat und mit dem es sich leider wahrscheinlich auch immer wird herumschlagen müssen. Deswegen ist die Auseinandersetzung so notwendig.
Die grausamen Handlungen an einem minderjährigen Kind in Pömmelte sind Ausdruck einer Menschen verachtenden Gesinnung und einer labilen inneren Haltung. Aber egal aus welcher Gesinnung heraus auch immer: Wer Menschen misshandelt und demütigt, muss mit aller Härte vom Rechtsstaat bestraft werden.
(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU, bei der Linkspartei.PDS, bei der FDP und von der Regierungsbank)
Die Misshandlung eines Zwölfjährigen macht uns zu Recht zornig und wütend, weil die gewalttätigen Aggressionen ein wehrloses Kind getroffen haben. Welche Langzeitschäden das Kind davontragen wird, kann man nur erahnen. Aber daraus ziehe ich immer wieder vor allem den Schluss: Es wird höchste Zeit - diesen Vorwurf müssen wir uns selbst machen -, dass wir uns mehr und mehr um die Opfer kümmern, statt immer nur über die Täter zu reden, dass wir die Schicksale der Opfer ernst nehmen und sie, falls nötig, auch noch länger begleiten.
Auslöser für diese brutale Gewaltorgie war offensichtlich die Hautfarbe des Jungen und die Tatsache, dass er deutscher Staatsbürger ist. Nach der Devise: Es ist keiner von uns; deshalb haben wir das Recht, ihn fertig zu machen; deshalb muss er leiden und sich unterwerfen.
Eine solche Haltung kann nicht toleriert werden und darf nicht toleriert werden. Sie beginnt dort, wo sich Menschen abfällig über ausländische Mitbürger äußern, wo Vorurteile gegenüber Schwachen und Fremden genährt werden, und auch dort, wo wir manchmal einfach wegschauen, wie es auch in Pömmelte leider geschehen ist. Wir wissen, dass dies allzu oft das Alltagshandeln vieler ist. Auch das sollten wir den Leuten sagen: Zivilcourage ist nicht nur etwas für wenige, sondern es geht alle in Deutschland an. Es wäre gut, wenn das immer mehr begreifen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir brauchen gerade im Umgang mit dem Rechtsextremismus mehr Zivilcourage.
Ich sprach es gerade an. Das ist nicht immer einfach, aber es gibt Beispiele von mutigen Menschen, die nicht wegsehen. Das verdient Respekt und Anerkennung, auch öffentlich, auch hier im Landtag und auch heute.
(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU, bei der Linkspartei.PDS, bei der FDP und von der Regierungsbank)
Zu begrüßen sind die deutlichen Worte von allen demokratischen Parteien, von der Landesregierung und von vielen Verbänden, die sich klar gegen Fremdenfeindlichkeit äußern und diesen Vorfall aufs Schärfste verurteilen. Dies ist das Mindeste, was auch von uns im Parlament erwartet wird. Wichtiger ist aber, dass die Ursachen solcher Handlungsweisen erkannt, immer wieder benannt und entsprechende Gegenstrategien entwickelt werden.
Die vielfältigen Initiativen im Land, wie der Verein „Miteinander“ oder das Netzwerk für Demokratie und Toleranz sind wichtige Bausteine einer wirksamen Gegenstrategie. Ich muss aber ehrlich sagen, beim Netzwerk für Demokratie und Toleranz dauert mir die Umsetzung zu lange. Bisher ist nicht erkennbar, wie das Netzwerk in der Praxis agieren soll. Ein abgestimmtes Vorgehen ist noch nicht zu erkennen. Nach einem solchen Vorfall wie in Pömmelte ist die sofortige Einberufung des Bündnisses notwendig.
Lassen Sie mich skizzieren, in welche Richtung die Bündnispartner gehen sollten: Gefordert sind Maßnahmen gerade auch der Wirtschaft, die für ihre Betriebe und Unternehmen unmissverständlich erklären, dass Weltoffenheit eine Grundvoraussetzung für unternehmerisches Handeln ist und Arbeitsplätze insbesondere durch ausländische Investoren geschaffen werden.
Gefordert sind Sportvereine und der Landessportbund mit seinen Verbänden, die unmissverständlich erklären, dass der Sport vom internationalen Wettkampf lebt und dass deshalb in seinen Reihen ausländerfeindliche Parolen keinen Platz haben.
Gefordert sind Kultur- und Musikvereine und die Theater in unserem Land, die unmissverständlich erklären, dass der kulturelle Austausch zwischen den Völkern seit jeher zur Vielfalt des künstlerischen Schaffens gehört und Weltoffenheit ein wichtiges Markenzeichen unseres Kulturlebens ist.
Gefordert sind die Kirchen und Wohlfahrtseinrichtungen, die unmissverständlich erklären, dass die Würde jedes Menschen unantastbar ist, gerade in Bezug auf die Schwachen und Behinderten oder Ausländer und Asylbewerber.
Gefordert sind auch die Hochschulen und Bildungseinrichtungen, die unmissverständlich erklären, dass Forschung nur im internationalen Austausch erfolgreich ist und nationalistische Tendenzen konsequent abgelehnt werden.
Gefordert sind Verwaltung, Polizei und Staatsanwaltschaft, die unmissverständlich erklären, dass Gewalt gegenüber Menschen konsequent geahndet wird und aus
Gefordert sind schließlich auch wir, die Politik, die klare Positionen beziehen muss und gerade jungen Menschen deutlich machen sollte, welchen Wert unsere freiheitliche Demokratie hat.
Meine Damen und Herren! Wir Demokraten müssen all unsere Möglichkeiten nutzen, um für Weltoffenheit und Toleranz zu werben und uns mit aller Kraft gegen Fremdenfeindlichkeit und nationalistisches Gedankengut einzusetzen. Alle Formen des extremistischen Handelns und alle Formen der Gewalt, insbesondere gegen Schwache, Behinderte und ausländische Mitbürger bekämpfen wir auf das Schärfste.
Ich weiß, dass dies nicht nur für die SPD gilt, sondern für alle demokratischen Parteien, und das ist gut so.
Aber ich betone noch einmal, dass die größte Gefahr für die Demokratie und für die Gesellschaft gegenwärtig vom Rechtsextremismus ausgeht.
Die Gleichsetzung von linker und rechter Gewalt und der fragwürdige Vergleich von rechtsextremen und angeblich linksextremen Parteien bringen uns nicht weiter.