Rechtsextreme Kameradschaften sind die zurzeit wohl wichtigsten Zusammenschlüsse von Neonazis in Sachsen-Anhalt, die mittlerweile flächendeckend agieren. Auch wenn Verbote solcher Kameradschaften nur einen kurzfristigen Erfolg bewirken, kann das ein Mittel sein, um gegen die Neonazi-Szene im Land vorzugehen. Unsere Bitte an die Landesregierung ist daher zu prüfen, ob für ein Verbot rechtsextremer Kameradschaften im Land ausreichend Gründe vorliegen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kampf gegen den Rechtsextremismus ist und bleibt eine Querschnittsaufgabe. Ich kann viele Dinge aufgrund der Zeit nur stichpunktartig benennen.
Zum einen: Wir müssen uns über die Ausrichtung des Netzwerkes für Demokratie und Toleranz verständigen. Es geht uns unter anderem um eine Bündelung und Stärkung eines breiten demokratischen zivilgesellschaftlichen Bündnisses, vor allem auf regionaler Ebene, um die Entwicklung eines inhaltlichen und organisatorischen Konzepts für die Arbeit des Netzwerkes, um die Koordinierung der Arbeit durch eine Geschäftsstelle in freier Trägerschaft, um die Bereitstellung von finanziellen Mitteln und um eine Anschlussfinanzierung unter anderem für das Bundesprogramm „Civitas“.
Zum anderen: Wir brauchen ein Landesprogramm gegen Rechts, das sich der Förderung von Demokratie und Toleranz als gesellschaftlicher und politischer Querschnittsaufgabe stellt. Es geht uns unter anderem um mobile Beratungsteams für Kommunen und kommunale Verantwortungsträger, um den Ausbau bestehender Jugendarbeit und professioneller Jugendsozialarbeit, um Opferberatungsangebote, um eine Koordinierung zwischen freien Trägern der Bildungs- und Jugendarbeit sowie Ministerien und der Landeszentrale für politische Bildung und letztlich auch um eine wissenschaftliche Evaluation.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor uns liegt ein Wahlkampf. Ich will an dieser Stelle eine sehr eindringliche Bitte formulieren: Lassen Sie uns in dieser Zeit der zugespitzten politischen Auseinandersetzung alles vermeiden, was auch nur den Anschein erweckt, eine Partei dieses Hauses würde versuchen, eine andere aus dem Spektrum der demokratischen Parteien dieses Landes herauszudeklinieren - nicht nur weil dies keiner der Parteien gerecht würde, sondern auch weil es denen in die Hände spielt, die es gemeinsam auch und gerade in diesem Wahlkampf zu bekämpfen gilt.
Ich bin darum dem Landtagspräsidenten und allen Beteiligten sehr dankbar, dass es gestern den Parteien und Fraktionen sehr schnell gelungen ist, diese Einigkeit erneut zum Ausdruck zu bringen.
Aber ich komme nicht umhin, mit Blick auf die gestrige Debatte zur Gedenkstättenstiftung noch einmal eines sehr deutlich zu sagen: Meine Partei ist sich ihrer Geschichte und ihrer Verantwortung bewusst. Zum Gründungskonsens meiner Partei im Jahr 1989 gehört der unmissverständliche Bruch mit dem Stalinismus und dem Unrecht, das in seinem Namen verübt worden ist. Diese Verantwortung wird uns nicht verlassen, sie ist für uns eine ständige Verpflichtung.
Aber wir werden uns jederzeit wehren, wenn es um eine Gleichsetzung der Jahre zwischen 1933 und 1945 und der Jahre der DDR geht. Wer sich auf einen solchen Pfad der schleichenden Relativierung der singulären Ver
brechen der nationalsozialistischen Diktatur begibt, hat, wissentlich oder unwissentlich, den Kampf gegen rechtes Gedankengut schon fast verloren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bereits seit geraumer Zeit melden sich immer wieder Stimmen zur Wort, die von einem Schlussstrich reden, von Normalität, die in Deutschland Einzug gehalten habe oder halten müsse. Solange bei uns jüdische Synagogen Tag und Nacht von der Polizei bewacht werden müssen, solange Menschen durch unsere Straßen gehetzt werden, solange Kinder wie in Pömmelte Opfer rechter Gewalt werden, so lange gibt es eine solche Normalität nicht.
Heinz Galinski hat einmal gesagt: „Demokratie kann man keiner Gesellschaft aufzwingen. Sie ist auch kein Geschenk, das man ein für alle Mal in Besitz nehmen kann. Sie muss tagtäglich erkämpft und verteidigt werden.“ - Tun wir dies gemeinsam! - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Vorredner haben alle in großer Deutlichkeit und in dieser Frage auch in Einmütigkeit den Überfall auf ein farbiges Kind in Pömmelte verurteilt. Ich glaube, das ist das wichtige und eindeutige Zeichen, das von dieser Aktuellen Debatte am heutigen Freitagmorgen von diesem Landtag ausgehen muss und auch ausgegangen ist,
Aber, meine Damen und Herren, wir versuchen ja auch, ein Stückchen weiter zu fragen. Eine dieser Fragen ist: Was geht in den Tätern vor? Wahrscheinlich können wir alle in diesem Saal uns das schlecht vorstellen.
Ehe ich dazu einige Überlegungen anstellen möchte, möchte ich aber ganz deutlich sagen, dass wir offensichtlich im konsequenten Handeln nach so einer schlimmen Straftat erfolgreich, gut, konsequent und schnell sind; denn Polizei, Staatsanwaltschaft und auch Gerichte haben nach meiner bisherigen Kenntnis keinerlei Fehler in ihrer Handlungskette gemacht, sondern sie haben eindeutig, schnell und konsequent reagiert. Aber das ist eben das Handeln nach so einem Vorfall.
Was können wir präventiv tun? - Die Ursachenforschung ist offensichtlich schwierig und sehr komplex. Ich möchte mich diesbezüglich auch nicht zu weit vorwagen; denn man kommt bei aller Motivforschung zum Schluss immer zu der Aussage: Egal welche Motive, klare oder unklare, so eine Tat hervorgerufen haben, entschuldigen oder rechtfertigen können sie sie nicht. Insofern helfen uns die Motive an dieser Stelle auch nicht so furchtbar viel weiter.
Ich finde aber, es ist gut und richtig, dass wir im Landtag von Sachsen-Anhalt schon im Vorfeld zu einer gemeinsamen Sprache gefunden haben. Das ist unser Antrag in
der Drs. 4/2051, mit dem wir angeregt haben, dieses Netzwerk für Demokratie und Toleranz zu gründen.
Ich habe mir im Vorfeld dieser Aktuellen Debatte die gefundenen Formulierungen noch einmal angeschaut. Natürlich kann man immer sagen, das eine oder andere sei ein bisschen hölzern. Wenn vier Fraktionen daran herumbasteln, ist das Ergebnis, wenn man es unter den Aspekten einer flüssigen Sprache beurteilt, wahrscheinlich nicht der beste Antrag. Aber es ist ein Antrag, der uns bisher durch alle schwierigen Situationen im Lande Sachsen-Anhalt getragen hat. Ich habe die begründete Hoffnung, dass er dies auch weiter tun wird.
Es ist ein Antrag, der bisher 170 Institutionen dazu ermutigt hat, in diesem Netzwerk mitzuwirken, ihm beizutreten. Ich kann mir vorstellen, dass die eine oder andere Institution erneut darüber nachdenkt, ob das nicht für sie eine vernünftige und tragfähige Basis ist.
Gestern haben auf Einladung des Landtagspräsidenten alle vier Fraktionsvorsitzenden darüber nachgedacht, was wir jetzt tun sollten. Ich habe mich im Vorfeld schon eindeutig dahin gehend geäußert, dass ich kein Freund von inflationären und immer wieder neuen Erklärungen bin, die immer wieder versuchen, das neu, sprachlich vielleicht etwas geschickter zu fassen. Aber ich finde, es ist wirklich ein gutes Zeichen in diesem Haus, dass wir alle uns relativ schnell darauf verständigt haben, dass das, was wir seinerzeit im Landtag beschlossen haben, weiter gilt und dass wir das bekräftigen.
Wir sagen uns jetzt gegenseitig und auch gegenüber der Öffentlichkeit: Wir wollen diesen Stil, miteinander umzugehen, auch in den gewiss noch vor uns stehenden Aufgeregtheiten des Wahlkampfes und auch bei einer Pulsfrequenz von 180 und 200 durchhalten. Wir wollen uns gegenseitig versprechen, uns nicht so zu verletzen, dass Extremisten, gleich welcher Couleur, daraus Honig saugen können. Das werden wir nicht machen.
Wenn wir das durchhalten, haben wir auch die Chance, dass Demokratie für die Leute, die nicht tagtäglich professionell Politik machen wie wir auf Zeit Berufenen, davon so angesteckt werden, dass sie sagen: Antidemokraten geben wir keine Chance. Wir hatten sie schon im Landtag und sie haben nur Mist gemacht.
Wir haben im Übrigen im Lande Sachsen-Anhalt Glück gehabt, dass sie nur Mist gemacht haben. In anderen Landtagen haben sie in viel größerem Umfang richtigen politischen Schaden angerichtet. Das haben sie bei uns mangels intellektueller Fähigkeiten nicht getan. Aber es gibt leider auch intelligente Extremisten. Auch darauf müssen wir uns vorbereiten.
Ich denke, je deutlicher wir ein Zeichen setzen, dass demokratische Auseinandersetzung, auch heftige demokratische Auseinandersetzung, in allen Phasen der Auseinandersetzung demokratisch sein kann, darf und muss, desto größer ist die Chance, dass wir diese Leute in diesem Landtag nicht sehen. Das ist ein Hauptziel, dem wir alle uns gemeinsam verpflichtet haben.
Es wird keinen verwundern, dass ich an dieser Stelle auch sage, dass es für die CDU-Fraktion selbstverständlich ist, dass politischer Extremismus jeder Couleur eine
Gefahr für unsere Gesellschaft darstellt. Wenn die eine Fraktion das weniger erwähnt und wir auf diese Gesamtschau Wert legen, hat jede Gruppierung ihre eigenen Hausaufgaben auf diesem Feld zu machen.
Aber ich glaube, das ist vielleicht auch die Stärke unserer „dürren“ Erklärung, die wir damals bewusst sehr schmal gehalten haben, weil wir uns eben nicht gegenseitig unter Überschriften und Deklarationen pressen sollten, die wir nicht tragen wollen. Aber das eigentlich Wesentliche, nämlich gegen den Extremismus zu stehen, das kann man in ein, zwei, drei Sätzen formulieren. Wenn diese Sätze klar und deutlich sind, reicht das aus. Dann muss jeder in seiner Partei, jeder in seiner Gruppierung, jeder in seinem politischen Umfeld, in dem er wirken kann, seine Hausaufgaben machen.
Wir als CDU können manche Leute schlecht erreichen; andere können andere besser erreichen - sie sind trotzdem Demokraten! - und dann müssen diese eben dort wirken. Das geht letztlich auch, meine Damen und Herren.
Aber der Landtag ist nicht der Nabel der Welt und der Landtag macht nicht alles. Das Konkrete geschieht vor Ort. Deshalb ermutigt es mich zu hören, dass sich die Bürger im Ort Pömmelte, der zu einer Bekanntheit gelangt ist, die ihm gar nicht so lieb ist, zusammengesetzt haben, um zu überlegen, was haben wir versäumt, was haben wir falsch gemacht, wo waren wir nicht aufmerksam genug oder wo hat man gesagt: Ich will nicht so genau wissen, was dort abgeht. - Das kann man letztlich nicht dulden. Wenn die Bürger jetzt sagen: Wir wollen das unter uns nicht dulden, dann ist das, so glaube ich, das einzig gute Zeichen und eine gute, echte Bürgerbewegung, die vor Ort entsteht.
Es ist schon vielfach davon gesprochen worden, dass die Schulen - obwohl die Schulen das, was in den Elternhäusern versäumt wurde, nicht ersetzen können - trotzdem versuchen, das ihre zu machen. Sie engagieren sich in der Gewaltprävention. Die Lehrerkollegien beraten sich darüber, wie man an die Schülerinnen und Schüler herankommen kann, die zu entgleiten drohen, noch dazu wenn es Schülerinnen und Schüler sind, die einer besonderen Zuwendung bedürfen, weil sie schwieriger sind als andere Kinder, die vielleicht eher darauf kommen, dass man so etwas nicht machen sollte.
Ich bin auch froh, dass man es in diesem kleinen Ort Pömmelte durch diese gemeinsame Überlegung vielleicht schafft, diese schwierigen Jugendlichen im Dorf weiter einzubeziehen.
Ich habe in einer Zeitung gelesen - ich weiß gar nicht mehr genau, welche es war -, dass der Anglerverein überlegt hat, auf die Leute zuzugehen. Das ist doch etwas Tolles; denn wer angelt, schlägt keine Leute zusammen. Das kann man gar nicht parallel machen. Wenn es gelingt, die Sportvereine zu animieren, diese Leute heranzuziehen, oder wenn es auf andere Art gelingt, sie zu erreichen, dann ist das genau der Weg, den die Zivilgesellschaft verfolgt, dass man dazu ermuntert, alle hineinzunehmen, sodass jeder - meist sind das Leute, die ihren Platz nicht finden -, sei er nun einfacher oder schwieriger, seinen Platz in dieser Gesellschaft finden kann.
Meine Damen und Herren! So gesehen muss ich ganz eindeutig bekennen: Ich wusste nicht genau, wie diese
Aktuelle Debatte abläuft. Aber jetzt am Ende der Aktuellen Debatte - ich bin vielleicht der letzte Redner - bin ich mir ziemlich sicher: Das ist das Zeichen, das unser Land braucht. Wir lassen uns von den Extremisten nicht vorführen. Wir stehen in dieser Frage zusammen. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Scharf. - Damit ist das Thema behandelt und der erste Teil der Aktuellen Debatte abgeschlossen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich könnte mir vorstellen, dass für die Polizistinnen und Polizisten dieses Landes das Wort „Polizeistrukturreform“ mittlerweile zum Unwort des Jahres - oder soll ich besser sagen: der Legislaturperiode - geworden ist.
Nun wirft Herr Kolze der SPD und uns sicherlich auch „Stochern im Nebel“ vor, nämlich wegen der Forderung, die Zahl der Polizeipräsidien auf drei zu reduzieren. Ich sage aber ganz klar: Wenn hier jemand im Nebel stochert, dann ist es die Landesregierung, der zuletzt nichts weiter einfiel, als über weitere Streichungen beim Personal der Polizei zu reden - das ist wahrlich motivierend.