Protokoll der Sitzung vom 16.02.2006

Mit dieser Grundhaltung gehen die CDU und alle die, die von ihr in Verantwortung gestellt worden sind, in alle Verhandlungen hinein, die sie mit den anderen Ländern oder mit dem Bund führen.

Noch etwas zur Identitätsfindung der Länder: Johannes Rau, unser früherer Bundespräsident, erinnerte in seiner Rede auf dem Konvent der Landesparlamente zur Föderalismusreform am 31. März 2003 in Lübeck daran, dass die Länder vor dem Bund da waren und dass sich die Legitimation des Bundes in einem Bundesstaat von den Ländern ableitet und nicht umgekehrt.

(Herr Bullerjahn, SPD: Deswegen kam er aus Nordrhein-Westfalen!)

- Ja, ich wollte uns nur dadurch bestärken, dass wir den Altbundespräsidenten an unserer Seite haben, wenn wir sagen, die Länder sind das Wichtigste in einem föderalen Bundesstaat. Der Bund kann seine Identität nur von starken Ländern ableiten.

(Frau Dr. Kuppe, SPD: Von starken Ländern!)

- Ja, von starken und selbstbewussten Ländern. - Man muss sagen, das ist in einem Gebiet, wo die Leute 60 Jahre lang einen zentralistischen Zentralstaat gewohnt gewesen sind, ein wichtiger Satz, den man immer wieder sagen muss, weil es eine weit verbreitete Skepsis über die Wichtigkeit der Länder gibt. Wir als Politiker haben die Aufgabe zu zeigen, dass die Länder, dass der Föderalismus in Deutschland eine ungeahnte Chance für Deutschland darstellt, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU)

Es ist ein unbestreitbarer Vorteil des Föderalismus, dass Fehlentscheidungen der Politik nicht gleich Fehlentscheidungen im ganzen Land sind. Gerade dieses kurze Aufflackern der bildungspolitischen Debatte, das wir vorhin erlebt haben, ist doch ein exemplarisches Beispiel dafür.

Ich bin heilfroh, dass Herr Gallert allein schon wegen des föderalen Bundesstaates nie in der Lage sein wird, seine bildungspolitischen Vorstellungen in ganz Deutschland zentralistisch umzusetzen; denn davor gibt es zum Glück viele Sperren, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU)

Der Föderalismus in Deutschland ist kein Übel. Er ist zwar - das muss man zugeben - ein unfreiwilliges Ergebnis des Zweiten Weltkrieges und des Zusammenbruchs der deutschen Staatsordnung - in dessen Folge ist er entstanden -, aber er unterliegt nun aus gutem Grunde der Ewigkeitsgarantie des Grundgesetzes.

Meine Damen und Herren! Gleichwohl müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass sich die Verhältnisse in Deutschland und Europa seit dem Jahr 1990 dramatisch verändert haben. Entwicklungen, die zu der Zeit der Verabschiedung des Grundgesetzes bzw. maßgeblicher Verfassungsänderungen undenkbar erschienen, sind heute allgegenwärtig. Die europäische Integration, globaler Wettbewerb, aber auch Terrorismus anstelle der Konfrontation zweier Militärblöcke sind neue Gegebenheiten, auf die wir uns einzustellen haben. Wir haben neue Antworten auf diese globale Welt zu finden.

Meine Damen und Herren! Der großen Koalition in Berlin ist es mit der vorgelegten Koalitionsvereinbarung gelungen, Antworten auf diese drängenden staatsrechtlichen Fragen zu finden. Ich danke in diesem Zusammenhang unserem Ministerpräsidenten Professor Böhmer, der an einigen Details dieser Vereinbarung mitgewirkt hat und heute deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass Sachsen-Anhalt vollumfänglich hinter der Koalition in Berlin steht, was die Föderalismusreform betrifft.

(Zustimmung bei der CDU)

Deshalb, meine Damen und Herren, spielt man nicht mit der Existenz von Ländern. Deshalb stellt man sie nicht leichtfertig zur Disposition. Denn wer für die Menschen eines Bundeslandes, wer für die Menschen unseres Bundeslandes gute Verhandlungsergebnisse erzielen will, der muss dieses Land lieben, der darf es nicht preisgeben und der kann nur unter diesen Voraussetzungen Verhandlungen mit Partnern in anderen Ländern und mit dem Bund auf gleicher Augenhöhe führen.

Diese Grundhaltung haben die Vertreter des Landes Sachsen-Anhalt in den letzten Jahren immer gezeigt und sie werden sie auch in den nächsten Jahren, so wünsche ich es mir, an den Tag legen.

Die Reform unseres Bundesstaates wurde zugleich auf der Ebene der Landtage und der Ebene der Landesregierungen angegangen. Besonders erwähnt sei in diesem Zusammenhang der Konvent der Landtage mit seiner Lübecker Erklärung.

Das Verhältnis der Landesregierungen zu den Parlamenten ihrer Länder war in diesem Zusammenhang nicht immer ganz einfach. Auch unser Parlament hat sich mit dieser Frage schon mehrfach beschäftigt. Das Verhältnis der Länder zum Bund und der Länder untereinander ist eben nicht nur ein rein exekutives, sondern auch ein legislatives. In der gemeinsamen Föderalismuskommission von Bund und Ländern hat unser Landtagspräsident Professor Spotka mit verhandelt und so unsere Parlamentsinteressen eingebracht.

Nun, meine Damen und Herren, ist ein fast fertiges Verhandlungsergebnis vor den Bundestagswahlen im Jahr 2005 dann doch nicht mehr verabschiedet worden. Die Reform war fast gescheitert. Aber die erfolgreichen Verhandlungen zur Koalition zwischen CDU, CSU und SPD konnten auch für diese Frage unter Hinzuziehung von Forderungen der FDP zu einem Verhandlungsergebnis führen, das ich heute in einigen Punkten näher bewerten will.

Es ist für die Beurteilung der Frage, die sich für mich aus dem Titel der Regierungserklärung „Die Stellung Sachsen-Anhalts in der Gemeinschaft deutscher Länder“ ergibt, maßgeblich, einen politischen Konsens zu finden, der die Gretchenfrage vernünftig beantwortet, wie wir es

mit der zukünftigen Existenzberechtigung unseres Bundeslandes tatsächlich halten.

Für unsere Fraktion kann ich mit großer Entschiedenheit sagen: Für uns steht das Land Sachsen-Anhalt nicht zur Disposition. Dies unterscheidet uns sehr wohl von der SPD und den von ihr selbst dazu ernannten Zukunftspapieren, die offen die Existenzberechtigung des Landes verneinen oder zumindest infrage stellen.

Meine Damen und Herren! Entscheidende Faktoren in der politischen Wahrnehmung und Beurteilung von Politik in der Öffentlichkeit sind Verlässlichkeit, Planbarkeit und Ehrlichkeit. Dies gilt in besonderem Maße für politische Partner in einer Koalition.

Wir haben im Sinne der eben genannten Prämissen mit der FDP vier Jahre lang sehr erfolgreich zusammengearbeitet. Dafür sei an dieser Stelle mein ausdrücklicher Dank an unseren Koalitionspartner gerichtet. Wir möchten diese Koalition nach dem 26. März 2006 fortsetzen, wenn wir auch alle wissen, wir müssen noch ein bisschen daran arbeiten.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Aber gerade weil wir so gut zusammengearbeitet haben, erlaube ich mir, darauf hinzuweisen, dass wir hinsichtlich der Problematik der Veranschlagung der möglichen Steuermehreinnahmen für Sachsen-Anhalt, in puncto avisierter Mehrwertsteuererhöhung durchaus noch ein bisschen miteinander arbeiten müssen.

(Heiterkeit bei der FDP)

Es wird für die zukünftige Stellung unseres Landes maßgeblich darauf ankommen, dass die Ansprüche des Bürgers an einen modernen Staat auch finanzierbar sind. Gerade die CDU steht für einen solidarischen Staat, der einerseits unternehmerische Freiheiten und wirtschaftliches Handeln fördert und andererseits in Kernaufgaben wie Bildung und soziale und individuelle Sicherheit solidarisch und stark genug aufgestellt ist und dieses auch alles finanzieren kann. Deshalb sind nach unserer festen Auffassung die prognostizierten Mehreinnahmen in Höhe von 200 Millionen €, die in der mittelfristigen Finanzplanung eingeplant sind, unverzichtbar.

Ich habe zwölf Jahre lang im Finanzausschuss gesessen und habe natürlich auch in dieser Legislaturperiode die Beratungen des Finanzausschusses intensiv begleitet und verfolgt. Ich muss Ihnen ganz einfach sagen, das Kunststück, den nächsten Haushaltsplan 2007 und die folgenden Haushaltspläne aufzustellen, wird uns alle noch erhebliche Mühen abverlangen. Da kann man nicht auf 200 Millionen € verzichten und sagen, das wird sich schon im Rahmen der Haushaltsberatungen von selbst regeln.

(Zustimmung von Herrn Tullner, CDU)

Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal klarstellen: Haushaltsrechtlich, sowohl nach dem Grundgesetz als auch nach dem Haushaltsgrundsätzegesetz des Bundes und der Haushaltsordnung des Landes, ist es eine eigenständige Entscheidung des Landes, was in die mittelfristige Finanzplanung eingestellt wird. Wir haben zum Beispiel recherchiert, dass das Land NordrheinWestfalen die Mehrwertsteuererhöhung, die die Koalition in Berlin beschlossen hat, nicht in die mittelfristige Finanzplanung eingestellt hat.

(Zuruf von Frau Dr. Hüskens, FDP)

Bund und Länder sind finanzwirtschaftlich eigenständig. Es gibt kein Weisungsrecht des Bundes den Ländern gegenüber und umgekehrt.

(Zuruf von Frau Dr. Hüskens, FDP)

Jeder verantwortet seine eigene Finanzwirtschaft.

(Zuruf von Frau Dr. Hüskens, FDP)

Deshalb, denke ich, müssen wir bei dieser Frage eng beieinander bleiben, aber uns gleichzeitig auch sagen: Wir können diese Fragen selbständig festlegen und wir haben sie für Sachsen-Anhalt festgelegt. Ich denke, wir müssen dabei bleiben. Ich gehe davon aus, dass der Kompromiss der Koalitionsvereinbarung von CDU, CSU und SPD zukünftig auch vom Land Sachsen-Anhalt erfüllt werden muss, meine Damen und Herren.

Gerade weil ich jetzt darauf eingegangen bin, wie gut wir mit der FDP in den letzten vier Jahren zusammengearbeitet haben, muss ich an dieser Stelle darauf eingehen, dass bewusst oder unbewusst in der Öffentlichkeit eine große Koalition im Land Sachsen-Anhalt mehr oder weniger als gesetzt gilt. Ich weiß zwar nicht, von wem - von mir nicht -, aber die veröffentlichte Meinung ist in einigen Teilen so zu lesen.

Ich messe auch die SPD an den Prämissen der Verlässlichkeit, Planbarkeit und Ehrlichkeit. An der Erfüllbarkeit dieser Voraussetzungen muss die SPD wahrscheinlich noch gewaltig arbeiten. Ich kann es gut nachvollziehen, wenn der ehemalige Tolerierungspartner PDS irritiert fragt, wofür die SPD und der Spitzenkandidat Herr Bullerjahn denn nun eigentlich wirklich stehen.

(Herr Gallert, Linkspartei.PDS: Die Frage war in Ordnung, Herr Scharf!)

Bei dieser Frage kann ich Herrn Gallert durchaus verstehen.

(Beifall bei der CDU - Frau Dr. Kuppe, SPD: Das ist eine Seltenheit!)

Ich will einmal kurz sagen - -

(Zurufe von der SPD)

- Ja, wir sind im Parlament zum Glück über die Koalitionen hinweg gesprächsfähig. Aber ich will dem Parlament auch noch einmal kurz in Erinnerung rufen, was bei den Konzepten der SPD für das Land Sachsen-Anhalt auf dem Spiel steht. Nehmen wir nur einmal das Stichwort Großkreise oder den Bestand der Kreisgebietsreform auf.

(Zuruf von Frau Bull, Linkspartei.PDS)

Mit unserer Kommunalreform haben wir zusammengeführt, was andere mit ihren Konzepten zum Gegensatz erklären: erstens leistungsfähige Verwaltungsstrukturen verbunden mit zusätzlichen Kompetenzen für die Ebene unterhalb der Landkreise bei gleichzeitiger Wahrung der gemeindlichen Eigenständigkeit - das war eine Herkulesaufgabe, meine Damen und Herren - und zweitens die Kreisgebietsreform selbst, die mehr Bürgernähe und mehr Effizienz miteinander verbindet. Die Bürger in Sachsen-Anhalt wollen nicht, dass diese Reformen erneut infrage gestellt werden. Dazu gehört auch Berechenbarkeit und Verlässlichkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das gilt zum Glück auch für die Mehrzahl der Verantwortlichen vor Ort in den Kreistagen und in den Landratsämtern, ganz egal, welcher Farbe sie angehören, meine Damen und Herren.

Der Deutsche Landkreistag kontrastiert in einer Erklärung aus dem Jahr 2005 die Kreisgebietsreformen in Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen-Anhalt und spricht sich klar für die sachsen-anhaltinische Lösung aus, die für das Ehrenamt immer noch überschaubare Strukturen gewährleistet, meine Damen und Herren.

Oder kommen wir zur schon angesprochenen Reform des Schulsystems. Die sachsen-anhaltische Bildungspolitik hat sich seit dem Jahr 2002 vom Problemfall zum Erfolgsfaktor entwickelt. Das ist doch eine enorme Entwicklung, die wir in diesem Land vollziehen konnten.