Protokoll der Sitzung vom 16.02.2006

(Zurufe von der SPD)

- Kollege Dr. Rehberger wird es wahrscheinlich ganz konkret machen können; vielleicht macht er das auch morgen früh - betteln und sagen, sie wollten die Höchstförderung für ihren Problemfall, für ihren Betrieb, den sie vor Ort haben,

(Zuruf von Frau Budde, SPD)

und Sie kommen dann und sagen, dass Sie das ganze Land in Cluster aufteilen und vom grünen Tisch aus bestimmen wollen, welche Cluster die Höchstförderung bekommen und welche Cluster diese nicht mehr bekommen, dann werden Sie - ich hoffe, Sie kommen nie in diese Verlegenheit - diese ganz konkreten wirtschaftspolitischen Entscheidungen vor Ort nicht durchhalten. Die Wirtschaft ist bunter, als Sie sich das auf Ihrem Reißbrett ausmalen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir sagen auch nein zu Frau Professor Dienel, die sich von dem Primärziel, Wachstum und Arbeitsplatzaufbau zu fördern, anscheinend schon verabschiedet hat. Das sind alte westliche Ideologien, dass es nur darauf ankommt, Arbeit geschickt zu verteilen, dann reicht es für alle.

(Zustimmung von Herrn Kosmehl, FDP)

Nein, die Diskussion läuft in Deutschland anders herum. Man muss ganz deutlich sagen: Es ist noch nie ein Land dadurch reicher geworden, dass es weniger gearbeitet hat. Wir werden uns damit abfinden müssen, wieder mehr zu arbeiten.

(Zuruf von Frau Dr. Klein, Linkspartei.PDS)

Freilich haben wir als Politiker die Aufgabe, jedem Arbeit in Würde und in ausreichendem Maße, sodass er seine Familie ernähren kann, bis zum Ausscheiden aus dem aktiven Erwerbstätigenalter zu gewährleisten.

Ich gehe auch davon aus, dass wir nicht darum herumkommen, bei steigender Lebenserwartung den Bürgerinnen und Bürgern zu sagen: Ihr habt euch perspektivisch darauf einzurichten, dass die meisten Menschen - in einem längeren Zeitraum, nicht heute und morgen - erst mit 67 Jahren in Rente gehen können. Das heißt, wir werden auch weiterhin individuelle Lösungen finden müssen, dass Menschen vorzeitig in Rente gehen können. Es ist jetzt auch schon möglich und notwendig,

wenn jemand aus Invaliditätsgründen eher aus dem Erwerbsleben ausscheiden muss. Das gesetzliche Renteneintrittsalter von 65 Jahren ist auch jetzt nicht das faktische Renteneintrittsalter. Aber wir müssen einfach aus demografischen Gründen die Erwerbsarbeit in der Bevölkerung insgesamt mehr ausschöpfen, als wir es im Moment machen.

(Zustimmung von Herrn Tullner, CDU)

Wer den Menschen sagt, es sei nicht nötig, diesen Weg zu gehen, der streut den Menschen Sand in die Augen, meine Damen und Herren.

(Herr Bullerjahn, SPD: Sie streuen jetzt aber mächtig!)

Nun kommen wir zu der strikten Haushaltskonsolidierung. Wir freuen uns alle und Herr Professor Böhmer freut sich immer besonders, wenn Herr Bullerjahn von strikter Haushaltskonsolidierung spricht, weil wir wissen, dass Sie uns dann im Parlament helfen werden. Aber Sie müssen auch Ihre eigenen Reihen ein Stückchen ordnen. Das fordern wir einfach von Ihnen.

Wenn zum Beispiel Frau Dr. Kuppe, die das KiFöG auf SPD-Seite führend mit erarbeitet hat, fordert, man müsse zum Beispiel Artikel 25 der Landesverfassung so ändern, dass die Kinder einen Anspruch auf Bildung schon in den ersten Lebensjahren und nicht erst ab der Schule hätten, dann muss man auch wissen, dass solch ein verfassungsmäßiger Anspruch auch finanzielle Verpflichtungen zur Folge hat. Wenn man das einmal durchrechnet und in den Haushaltsplan des Landes SachsenAnhalt hineinschaut, dann weiß man sofort - nicht spitz gerechnet, aber von der Hausnummer her -: Sie sprechen da über 60 Millionen €.

Das heißt, wenn Sie neue Rechtsverpflichtungen, vielleicht sogar noch per Verfassung, im Land SachsenAnhalt beschließen wollen, müssen Sie die Finanzierungsfrage lösen. Ich bitte ganz einfach, dass sich Frau Dr. Kuppe und Herr Bullerjahn zukünftig ein bisschen mehr miteinander absprechen, damit die Glaubwürdigkeit der SPD in der Öffentlichkeit nicht leidet.

(Zustimmung bei der CDU - Frau Dr. Kuppe, SPD: Da machen Sie sich bitte keine Sorgen!)

Meine Damen und Herren! Es ist nicht - -

(Herr Bullerjahn, SPD: Ganz schön scharf, Herr Scharf!)

- Meine Eltern haben mir den Namen gegeben.

(Frau Dr. Kuppe, SPD: Wollen Sie das KiFöG wieder abschaffen, Herr Scharf?)

- Nein. Aber Sie müssen wissen - -

(Zurufe)

- Nein, wir sind auch stolz darauf, dass wir mit dem Rechtsanspruch von null bis 14 Jahren in ganz Deutschland einen vorbildlichen ersten Platz einnehmen, und den verteidigen wir auch.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Diesen Platz verteidigen wir auch bundesweit, wenn es darum geht, ob wir die SoBEZ vernünftig und entsprechend der Gesetzeslage verwenden.

(Frau Dr. Kuppe, SPD: Jetzt muss der Bildungs- auftrag noch umsetzbar gemacht werden!)

- Ja, und daran arbeiten wir. Wir sind ja gemeinsam diejenigen gewesen, die den Bildungsauftrag in das Kinderförderungsgesetz geschrieben haben, aber nicht so, dass dem Land Sachsen-Anhalt gleich droht, neue Verpflichtungen in Höhe von 60 Millionen € auferlegt zu bekommen.

(Frau Dr. Kuppe, SPD: Haben Sie da ein Pro- blem?)

- Ich habe ein Finanzproblem, wenn wir Sie an dieser Stelle nicht zügeln, meine Damen und Herren. Ich denke, das werden wir auch machen.

Weil wir über Föderalismus und über Berlin sprechen, will ich an dieser Stelle auch sagen, dass es bei all diesen Auseinandersetzungen natürlich ist, dass es in etlichen programmatischen Bereichen Übereinstimmungen zwischen SPD und CDU gibt. Es ist für mich sogar völlig natürlich, dass es auch in Sachsen-Anhalt große Übereinstimmungen zwischen diesen beiden Volksparteien gibt. Wenn es darum geht, zentrale Probleme für alle Menschen in Deutschland verantwortlich zu regeln, an den Stellen zusammenzustehen, an denen zusammengestanden werden muss und die Vernunft zueinander findet, dann stehen wir zu diesen Absprachen, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU)

Deshalb ist es für mich nachvollziehbar, dass der Kollege Bullerjahn mit der chaotisch-bunten Truppe PDS und WASG - - Ich habe Herrn Gallert schon mehrfach prophezeit, dass er noch Spaß haben wird mit den Vögeln, die Sie sich da eingefangen haben.

(Heiterkeit bei der CDU)

Die Linkspartei hat erhebliche Schwierigkeiten mit dieser Truppe, mit ihren Selbstfindungsprozessen, die sich in der Faschingszeit gut zum Kommentieren eignen, die aber wirklich keine Voraussetzung sind, um Verantwortung für dieses Land übernehmen zu können, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU)

Das muss man ganz deutlich sagen.

(Herr Dr. Köck, Linkspartei.PDS: Was würden Sie heute sagen, wenn sie nicht dazugekommen wä- ren? - Zuruf von Frau Dr. Klein, Linkspartei.PDS)

- Dieses Themenfeld wäre mir entgangen. Aber es war in der Vergangenheit so, dass die PDS noch genügend Felder der Kritik für mich geboten hat. Ich hätte noch etwas anderes gefunden, da können Sie ganz sicher sein, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU - Zuruf von der Links- partei.PDS)

Ich will aber auch der SPD ganz deutlich sagen, wie groß unsere Skepsis ist, Felder der Gemeinsamkeit entwickeln zu können. Die Charakterisierung über die Politikfähigkeit der PDS war schon ganz richtig. Aber wir haben leider erlebt, dass sich die SPD manchmal auch dusselig oder duselig geredet hat

(Lachen bei der Linkspartei.PDS)

und dass sie schon schlimmen Versuchungen erlegen ist. Dass ein Land vielleicht wieder eine oder mehrere Legislaturperioden darunter zu leiden hat, dass man sich an einem Wahlabend dahin gehend besoffen geredet

hat, dass man es in einer abenteuerlichen Konstellation schaffen könnte,

(Herr Bullerjahn, SPD: Ein bisschen weniger scharf, Herr Scharf!)

davor sollten wir uns, so denke ich, alle gegenseitig behüten. - Ich wollte Sie nur warnen, dass Sie nüchtern bleiben.

(Heiterkeit bei der CDU - Herr Bullerjahn, SPD: Was ist denn das für ein Niveau? Ist der betrun- ken? - Zuruf von Herrn Gallert, Linkspartei.PDS)

Kommen wir wieder zur Verfassungsreform. Die große Verfassungsreform, die in Deutschland jetzt möglich ist, ist in meinen Augen ein wirklich verantwortbarer Kompromiss. Deshalb werbe ich sehr dafür, dass der Kompromiss, der jetzt in Berlin gefunden worden ist, nicht in den Landtagen zerredet wird. Wir werden mit ziemlicher Sicherheit nur diesen Kompromiss bekommen, der jetzt ausgehandelt worden ist, oder wir werden für viele Jahre keinen neuen Verfassungskompromiss in Deutschland finden.

Deshalb, so denke ich, darf man jetzt nicht unverantwortlich darüber sprechen, dass man den Verfassungskompromiss wieder aufdröseln könnte und das eine oder andere Feld wieder herauslösen könnte, ohne den Kompromiss insgesamt zu gefährden. Ein Nichtzustandekommen des Verfassungskompromisses, so befürchte ich, würde in ganz Deutschland bewusst oder unbewusst antidemokratischen Kräften ein neues Politikfeld eröffnen, und das sollte kein Demokrat in Sachsen-Anhalt und in ganz Deutschland wollen.