Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nur kurz einige Anmerkungen, auch dazu, wie wir uns bei der Abstimmung verhalten werden.
Der erste Punkt, Herr Stahlknecht, was die Vergangenheit betrifft: Sie waren in den vergangenen Legislaturperioden nicht Mitglied dieses Parlamentes. Ich will Ihnen ganz deutlich sagen: Weil die Mitglieder der Vorgängerpartei der PDS - ich sage es einmal ganz profan - damals die Klappe gehalten haben, sagen wir: Wir lernen aus unseren Fehlern und halten bei diesem Punkt nicht mehr die Klappe.
Der zweite Punkt. Herr Dr. Püchel hat das schon etwas zurechtgerückt. Ich weise ganz entschieden zurück, dass dieser Antrag unzulässig ist. Das ist schon allein dadurch deutlich geworden, dass Sie eine politische
Der dritte Punkt. Ich will das noch einmal wiederholen, was Frau Pieper hier gesagt hat. Das will ich von der FDP nicht einfach nur so hinnehmen. Frau Pieper hat gesagt: Wir verurteilen das Vorgehen der Amerikaner. - Es ist das erste Mal, dass ich von der FDP eine solch deutliche Aussage höre, dass sie nämlich die Anmaßung der USA, sich neben das Völkerrecht zu stellen und das Gewaltmonopol der UN infrage zu stellen, verurteilt.
Das ist zu begrüßen. Ich will noch einmal protokollarisch festhalten, dass das in dieser deutlichen Art und Weise von der FDP-Fraktion gekommen ist.
Der vierte Punkt betrifft unser Abstimmungsverhalten. Unsere Fraktion wird unserem Antrag natürlich die Zustimmung geben. Bei der Abstimmung über den SPDAntrag werden wir uns - aufgrund der Begründung, die Herr Dr. Fikentscher gegeben hat - der Stimme enthalten. - Vielen Dank.
Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein. Zunächst wird über den Antrag der PDS-Fraktion in Drs. 4/193 abgestimmt. Wer diesem Antrag die Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Gegen die Stimmen der PDSFraktion ist der Antrag mit den Stimmen der übrigen Fraktionen abgelehnt worden.
Wir stimmen somit über den Alternativantrag der SPDFraktion ab. Wer dem Antrag in Drs. 4/258 die Zustimmung gibt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Bei Zustimmung durch die SPD-Fraktion und Enthaltung der PDSFraktion ist der Antrag mit den Stimmen der FDP- und der CDU-Fraktion abgelehnt worden. Damit ist der Tagesordnungspunkt 12 beendet.
Die Einsetzung der Hartz-Kommission und ihre peu à peu durchsickernden Ergebnisse haben Bewegung in die
Diskussion über den Arbeitsmarkt und über das Problem der Massenarbeitslosigkeit gebracht. Zumindest entstand der Eindruck von mutigen und radikalen Reformern und dass nun endlich etwas passiert auf dem Arbeitsmarkt - das war jedenfalls zu lesen. Allerdings hat es auch die Flut nicht geschafft, Befürchtungen und Warnungen wegzuspülen. Die Pferdefüße werden langsam sichtbar.
Die alte Bundesregierung hat angekündigt, im Falle einer Wiederwahl das Hartz-Konzept schnell und vor allem ohne Abstriche umzusetzen. Wir sind also gut beraten, uns im Landtag intensiv mit den Schritten der Durchsetzung des Hartz-Konzeptes zu beschäftigen, die Auswirkungen des Konzepts auf Sachsen-Anhalt zu diskutieren und - wo immer möglich - uns mit unseren Ansprüchen an die Bundesregierung zu wenden. Das wird eine Aufgabe für die nächsten Wochen und Monate sein.
Heute geht es um viel weniger, nämlich zuerst einmal darum, festzuhalten, dass die Vorschläge von Hartz bei aller sonstigen Zustimmung oder Ablehnung eines auf jeden Fall nicht leisten: die reale Situation in Ostdeutschland aufzunehmen und zu berücksichtigen. Das will ich an einem Beispiel deutlich machen.
Die Hartz-Vorschläge haben einen gemeinsamen Hauptinhalt. Es geht um die schnellere, effektivere, unbürokratischere, passgenauere Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt. - Nicht dass dagegen grundsätzlich etwas einzuwenden wäre, aber trotzdem liegt an dieser Stelle der Hase im Pfeffer.
Einer viel zu hohen Zahl von Arbeitslosen steht eine viel zu geringe Zahl von offenen Stellen gegenüber. Selbst wenn man die von der Wirtschaft stets behaupteten 1,5 Millionen offenen Stellen zugrunde legt, kann man damit nur einen Teil, nämlich nur 38 % der von Erwerbslosigkeit Betroffenen in Arbeit bringen, und das auch nur dann, wenn man die offiziell gemeldeten und in der Statistik vorkommenden Arbeitslosen zugrunde legt. Das Defizit an Arbeitsplätzen ist aber weitaus größer; es wird auf sechs bis acht Millionen beziffert. Dadurch wird die mit so viel Vehemenz immer wieder kolportierte Zahl von 1,5 Millionen Arbeitsmöglichkeiten doch sehr relativiert.
Schauen wir uns die realen Zahlen an - also die gemeldeten offenen Stellen, die den Arbeitslosen tatsächlich zur Verfügung gestellt werden; denn nicht gemeldete Stellen stehen Arbeitslosen nicht wirklich zur Verfügung -, ergibt sich ein weitaus schwierigeres Bild: Bundesweit können offiziell durchschnittlich 500 000 Stellen angeboten werden. Das sind Stellen für ca. 12,5 % der gegenwärtig Arbeitslosen. Allerdings hätten in den alten Bundesländern immerhin 14,4 % eine Chance, während in den neuen Bundesländern lediglich 5,7 % der arbeitslosen Menschen eine Stelle zur Verfügung gestellt werden könnte. In Sachsen-Anhalt sind es sogar nur 5 %, nämlich 13 000 offene Stellen für 260 000 Arbeitslose.
Noch so schnelle, noch so effektive, noch so passgenaue Vermittlungsbemühungen dürften also in 95 % aller Fälle an der Tatsache scheitern, dass der erste Arbeitsmarkt im Osten nicht aufnahmefähig ist. Natürlich könnte man diesem Umstand dadurch begegnen, dass man den ersten Arbeitsmarkt in die Lage versetzt, die fehlenden Stellen anzubieten. Natürlich müssen Anstrengungen unternommen werden, genau das zu erreichen. - Könnte man das Problem auf diese Weise
aber wirklich in absehbarer Zeit lösen oder wenigstens signifikant beeinflussen? - Wir als PDS zweifeln daran.
Damit Wirtschaftswachstum tatsächlich zu einem Mehr an Beschäftigung führt, muss dieses Wirtschaftswachstum die Steigerung der Arbeitsproduktivität überflügeln. Aber wann hätte es das in den letzten Jahren je gegeben, zumal in den neuen Bundesländern? Die rasante Entwicklung der Arbeitsproduktivität setzt pausenlos Arbeitskräfte frei, ohne dass neue Arbeitsplätze im gleichen Tempo entstehen. Die Arbeitslosigkeit ist schon lange kein konjunkturelles Problem mehr. Sie ist ein strukturelles Problem. Das trifft auf die neuen Bundesländer noch in weitaus größerem Maße als auf die alten Bundesländer zu. Genau daran setzt der vorliegende Antrag an.
Alle Beteiligten sind sich darüber einig, dass Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik, dass öffentlich geförderte Beschäftigung in den neuen Bundesländern unbedingt notwendig ist und wohl auch noch lange gebraucht werden wird. Deshalb muss sich das Land Sachsen-Anhalt auch auf der Bundesebene dafür stark machen, dass die erweiterten Aufgaben der Bundesanstalt für Arbeit mit einem entsprechenden Bundeszuschuss unterstützt werden, damit auch mehr Planungssicherheit im Land bei den Trägern von Maßnahmen erreicht wird. Außerdem muss der Landtag von Sachsen-Anhalt die eigene Landesregierung in die Pflicht nehmen, die notwendigen Kofinanzierungsmittel im Landeshaushalt zur Verfügung zu stellen.
Um den Arbeitslosen selbst in seiner Stellung gegenüber dem Arbeitsamt zu stärken, wollen wir die Landesregierung auffordern, auch dazu auf Bundesebene wirksam zu werden und dafür zu sorgen, dass ein individueller Rechtsanspruch des einzelnen Arbeitslosen auf eine Maßnahme der Arbeitsförderung im Arbeitsförderungsgesetz verankert wird.
Zum Änderungsantrag der SPD-Fraktion. Wir haben im Grunde kein Problem mit dem Antrag, zumindest nicht mit den Punkten, die auf dem Papier stehen. Insbesondere auf die Fragen würden wir natürlich auch gern Antworten bekommen.
Problematisch ist nur, dass der Antrag als Alternativantrag gestellt wird. Wir bedauern das deshalb, weil das eigentliche Anliegen des Antrags nur noch im letzten Satz der Begründung vorkommt, nämlich die Tatsache, dass öffentlich geförderte Beschäftigung noch über einen längeren Zeitraum auf hohem Niveau fortgeführt werden muss und dass dafür die entsprechenden Mittel zur Verfügung stehen müssen.
Danke, Frau Rogée, für die Einbringung. - Bevor wir in die Debatte eintreten, hat die Landesregierung um das Wort gebeten. Es spricht der Minister für Wirtschaft und Arbeit Herr Dr. Rehberger. Bitte.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte es kurz machen, nachdem wir im Zu
sammenhang mit der Jugendarbeitslosigkeit und der Lehrstellenproblematik heute Vormittag die prinzipiellen Dinge bereits angesprochen haben.
Erstens. Frau Rogée, ich bin Ihrer Meinung, dass wir mutige Radikalreformen brauchen. Aber im Hinblick auf ihr Aussehen gibt es fast keine Brücke zwischen uns.
Ich habe heute darauf aufmerksam gemacht, dass wir dann, wenn wir nicht den Mut und die Kraft haben, dafür zu sorgen, dass es sich in diesem Land Bundesrepublik Deutschland und in Sachsen-Anhalt wieder lohnt, stärker als bisher als Unternehmer tätig zu sein, die Probleme nie lösen werden. Das ist der erste Punkt.
Der zweite Punkt. Diesbezüglich teile ich Ihren Ansatz: Die Hartz-Kommission hat vielleicht ganz vernünftige Vorschläge in Bezug auf die Frage gemacht, wie man schneller Arbeitsplätze, die nicht besetzt sind, besetzen kann, also wie man die Effizienz der Arbeitsämter verbessern kann.
Aber, meine Damen und Herren, für Ostdeutschland, für Sachsen-Anhalt ist damit wenig anzufangen. Unser Problem ist der Mangel an Arbeitsplätzen, nicht das fehlende Tempo bei der Vermittlung.
Der dritte Punkt. Ich finde das, was Sie beantragen, Frau Rogée, doch ein bisschen putzig. Sie fordern die Landesregierung auf, das, was die PDS mit einer eigenen Fraktion im Bundestag nicht mehr einbringen kann, nun ihrerseits einzubringen. Ich meine, dafür müssen Sie sich vielleicht nach Mecklenburg-Vorpommern begeben. Dort gibt es eine Landesregierung, die Ihnen so nahe steht, dass diese möglicherweise solche Anträge stellen kann.
Aber gehen Sie bitte davon aus, dass die Landesregierung von Sachsen-Anhalt nicht bereit ist, im Bundesrat Anträge einzubringen, die in die völlig falsche Richtung führen und die auch keine Lösung des Problems enthalten,
sondern Scheinlösungen enthalten. Es ist nicht damit getan, dass man Gesetze verändert oder einen individuellen Rechtsanspruch von Arbeitslosen begründet. Entscheidend ist, dass wir die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so gestalten, dass wieder mehr Arbeitsplätze entstehen.