Protokoll der Sitzung vom 11.10.2002

Ich habe auch gesehen, wie Sie frohlockt haben, als der Präsident des Rechnungshofes Herr Schröder ein Gutachten abgegeben hat, das genau in Ihre Argumentationslinie passte. Darüber waren Sie doch sehr froh und haben es herangezogen.

(Zuruf von der CDU: Das stimmt gar nicht!)

Aber jetzt, wo es Punkte gibt, die Sie anscheinend irgendwie aufregen, soll das alles nicht sinnvoll und nicht notwendig sein und schon gar nicht in die Landschaft passen.

Wenn man wie Sie, Herr Tullner, den Verfasser so verunglimpft, dann frage ich mich wirklich, was für ein Verständnis Sie von solchen Dingen haben. Sie können sich mit mir auseinander setzen und Sie können auch im Wahlkampf Menschen wie mich runtermachen, aber was Sie nicht machen können, ist, unabhängige Gremien des Landtages so zu diskreditieren, auch persönlich.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Wir werden damit leben müssen, dass Sie das ablehnen. Ich kann Ihnen jetzt schon garantieren, wir werden nicht lockerlassen. Wir werden zu diesem Thema eine Große Anfrage stellen, und zwar wenn der Nachtragshaushalt abgeschlossen ist. Ich kann Ihnen heute schon sagen: Wir werden Ihnen Monat für Monat beim Vollzug des nächsten Haushaltes auf den Spuren sein. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD - Herr Schröder, CDU: War das jetzt eine bessere Rede?)

Besten Dank, Abgeordneter Herr Bullerjahn. - Meine Damen und Herren! Wir treten nun in das Abstimmungsverfahren zu der Drs. 4/238 neu ein. Über diesen Antrag ist direkt abzustimmen.

Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Gegenstimmen? - Das ist die Mehrheit. Enthaltungen? - Bei keiner Enthaltung und einer Mehrheit von Gegenstimmen ist der Antrag in der Drs. 4/238 abgelehnt worden. Damit ist der Tagesordnungspunkt 21 beendet, meine Damen und Herren.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 22:

Beratung

a) Ausgestaltung der Initiative Mitteldeutschland - Ladenschluss

Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 4/239

b) Zum Ladenschlussgesetz

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 4/242

Einbringerin zu dem Antrag der SPD-Fraktion ist die Abgeordnete Frau Budde. Ich erteile Ihnen, Frau Budde, das Wort. Bitte sehr.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man kann sich dem Thema von drei Seiten nähern. Wir könnten an dieser Stelle die Debatte über die Folgen der Flut von gestern fortsetzen. Dabei geht es dann darum, die Betroffenen zu unterstützen, ihnen über zeitlich erweiterte Einkaufsmöglichkeiten eine zusätzliche Möglichkeit zu geben, den Wiederaufbau oder die Reparatur ihres Eigentums zu bewältigen.

Nun gebe ich der Gewerkschaft ver.di einerseits zwar Recht, wenn sie betont, dass die akute Katastrophensituation vorbei ist; aber ich werde mich auf der anderen Seite auch sehr zurückhalten, daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, dass die katastrophalen Zustände für alle Betroffenen vorbei sind.

Zum Zweiten können wir uns in eine grundsätzliche Debatte über den Ladenschluss begeben. Es gibt ja schon Interessenvertreter und Lobbyisten, die voreilig den Schluss ziehen, dass die erweiterten Öffnungszeiten jetzt zeigten, dass dies immer notwendig wäre. Dem möchte ich auch von hier aus eine ganz entschiedene Absage erteilen.

Zum Dritten. Die betroffenen Regionen der Länder haben ein Anrecht auf gleiches Recht, auf gleiche Rege

lungen und auf Rechtsstaatlichkeit. Dies genau ist der springende Punkt.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, den Geräuschpegel etwas zu senken. - Bitte sehr, Frau Budde.

Große Taten zu verkünden und die Schatten, die diese vorauswerfen, anzukündigen, ist eines, dem Ganzen Leben einzuhauchen ist dann ein anderes, sei es möglicherweise auch nur bei Kleinigkeiten - so klein sind sie gar nicht; denn es ist immer ein heißes Eisen, über Ladenöffnungszeiten zu reden - wie gleiche Öffnungszeiten in einer Region, die Länder übergreifend mit den Folgen einer derartigen Flut zu kämpfen hat.

Ich rede, Herr Minister, meine Damen und Herren, von der so genannten Initiative Mitteldeutschland. Ich muss dazu sagen: Ich finde die Initiative vom Kern her gut und richtig, aber jetzt muss schließlich auch noch Fleisch an das Skelett; denn bisher ist es nur ein Skelett. Gleich zu Beginn steht in Ihrer Agenda, meine Damen und Herren von der Regierung und von der Regierungskoalition, unter der Überschrift „Gemeinsame Herausforderungen, gemeinsame Stärken“:

„Um die drei Länder im internationalen Standortwettbewerb voranzubringen, wollen wir daher ihre Stärken und Potenziale gemeinsam nutzen und weiterentwickeln. Deshalb haben die Ministerpräsidenten von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen am 5. Juni 2002 beschlossen, die Möglichkeiten der Länder übergreifenden Zusammenarbeit auszubauen. Das gewinnt aktuell durch die Hochwasserkatastrophe noch mehr an Bedeutung.“

Nun habe ich zwar schon in der vergangenen Woche einen Radiospot gehört, in dem dem Herrn Ministerpräsidenten gedankt wird mit den Worten „Danke, Herr Ministerpräsident!“. Das war bei der Sonderöffnung von Mega-Möbel diesen Sonntag von 12 bis 17 Uhr in Dessau, Altenköthener Straße auf Radio SAW. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass es unser Ministerpräsident war, weil es bisher nicht einmal Länder übergreifend einheitliche Regelungen gibt. Dafür wäre dann, glaube ich, auch nicht der Ministerpräsident, sondern der Wirtschaftsminister zuständig.

Ein abgestimmtes Vorgehen, wie ich es in einer solchen Region für notwendig halten würde, ist auch derzeit noch nicht ersichtlich. Stattdessen schreiben Sie: Gemeinsam vorwärts - acht Länder übergreifende Bausteine; aber bei der ersten kleinen Aufgabe, nämlich die Ladenöffnungszeiten für einen gewissen Zeitraum abzustimmen in einer Region, gibt es schon das erste Versagen.

Wenn es ihnen ernst ist mit den großen Taten, dann sollten Sie diese kleinen Aufgaben, Herr Minister, nicht vor der Tür stehen lassen und sie nicht ignorieren. Stattdessen gab es einen netten Brief an die Kreise und kreisfreien Städte, dass man Verständnis dafür hätte, wenn man regional bedingt veränderte Öffnungszeiten erlauben würde; ansonsten ziehen wir uns aber aus der Verantwortung.

Sie haben gleich nach der Flut schnell das Heft des Handelns in die Hand genommen und haben gesagt, bis zum 30. September 2002 darf geöffnet werden, danach nicht mehr. Im Grunde unterstütze ich sogar Ihre Auffassung. Nun gibt es in den einzelnen Ländern aber eine andere Situation, die nicht einfach ignoriert werden kann.

Da die kreisfreien Städte und die Landkreise nie in der Lage sein werden, Länder übergreifende Absprachen erst einmal mit Sachsen und möglicherweise sogar mit Thüringen zu treffen - ganz akut ist es im Bereich Halle/ Leipzig -, denke ich schon, dass Sie in der Pflicht sind, dies nicht auf die kreisfreien Städte und auf die Landkreise zu delegieren und nicht diesen die Entscheidung zu überlassen, was Gesetz und Recht ist; das ist ja so. Vielmehr sollten Sie die andere Möglichkeit nehmen, es wieder an sich zu ziehen, Herr Minister, und als einen kleinen, einen ersten Baustein der Initiative Mitteldeutschland gemeinsam mit den anderen Ländern der Region auszuverhandeln, wie dies aussehen soll - zeitlich begrenzt, verlässlich und mit den Gewerkschaften abgestimmt.

Das können die kommunalen Ebenen gar nicht leisten, und Sie sehen es auch. Es gibt erste gerichtliche Auseinandersetzungen, es gibt ein erstes Urteil und wir werden sehen, wie das OVG darüber richten wird. Denn Sie wissen, im Jahr 1999 gab es auch schon einmal eine erste Entscheidung, die vom OVG wieder aufgehoben worden ist. Also werden wir sehen, wie es dem Landkreis Merseburg-Querfurt dann ergehen wird, wenn das Ganze - davon gehe ich fest aus - von der Gewerkschaft ver.di vor das OVG gebracht wird.

Was mich stört, ist, dass Sie zunächst gar keinen Handlungsbedarf gesehen haben, als wir Sie aufgefordert haben, doch Länder übergreifende Gespräche aufzunehmen. Da steht am 17. September in der Zeitung, Sie sähen keinen Bedarf für Gespräche. Ich kann Ihnen das Zitat, wenn Sie es möchten, gern auch noch vorlesen. Am gleichen Tag geben Sie aber eine Pressemitteilung heraus und sagen, Sie sähen durchaus Bedarf für Gespräche und Sie würden Gespräche aufnehmen. Nur hat sich seitdem noch nichts verändert, sondern die Regionen - die Kreise und kreisfreien Städte - sind sich selber überlassen.

Das Ladenschlussgesetz ist ein wirklich heißes Eisen. Ich werde auch nicht in die Debatte eintreten, wie es vielleicht einmal aussehen könnte, sollte, würde oder sonst irgendetwas.

(Minister Herr Dr. Rehberger: Mehr Mut, Frau Bud- de!)

Das ist überhaupt nicht mein Ansinnen heute. Mein Ansinnen ist es vielmehr, für eine begrenzte Zeit als erste, vielleicht kleine Bewährungsprobe für die Initiative Mitteldeutschland einen verlässlichen Rahmen über die Grenzen hinweg zu schaffen. Ich denke schon, dass Sie dem gerecht werden sollten, denn es gibt noch mehrere Themen. Nach diesem Antrag werden wir noch ein Thema diskutieren, das auch wieder zu dem Thema Initiative Mitteldeutschland passt.

Sie sollten bei diesen kleinen Dingen nicht sagen: Das interessiert mich nicht; wir machen bloß große Überschriften und wegweisende Richtungen. - Das, was die Menschen brauchen, ist vielmehr eine anfassbare Initiative Mitteldeutschland, und dazu gehört so etwas wie

eine Verlässlichkeit der Absprachen zwischen den Ländern. Dazu gehören auch solche kleinen Dinge wie gemeinsame Vereinbarungen zu zeitlich begrenzten Ladenöffnungszeiten in Sondersituationen.

(Beifall bei der SPD)

Besten Dank, Frau Abgeordnete Budde. Ich wüsste gern, was mit dem Antrag geschehen soll. Überweisung?

(Frau Budde, SPD: Abstimmen! Es steht doch drunter „im Landtag Bericht zu erstatten“! An- sonsten ist es eine Aufforderung!)

- Abstimmung, gut. - Zur Einbringung des Antrags unter Tagesordnungspunkt 22 b erteile ich nun der Abgeordneten Frau Rogée von der PDS-Fraktion das Wort. Bitte sehr.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, Frau Budde hat insofern Recht: Eigentlich ist es wirklich eine Flutfolge, worüber wir hier reden. Wir haben in diesem Hohen Haus schon öfter über den Ladenschluss geredet, Herr Scharf, und haben aufgrund des guten Willens eine neue Debatte dazu.

Wir haben gestern viel über die Jahrhundertflut geredet und haben darüber gesprochen, dass die Menschen über Gebühr gearbeitet haben, was richtig ist, und auch über Gebühr Schaden genommen haben. Was lag da näher, als Voraussetzungen zu schaffen, um die Versorgung mit Lebensmitteln, Baumaterialien und neuen Einrichtungsgegenständen zu ermöglichen? So war wohl die Initiative des Wirtschaftsministers zu verstehen, die Öffnung der Geschäfte rund um die Uhr zu genehmigen. Selbst die Gewerkschaften hatten vorerst dafür Verständnis. Wir haben auch darüber gesprochen.

Mitte September, so konnten wir gestern vernehmen, wurde in dem am meisten betroffenen und letzten Hochwassergebiet, in der Region um Bitterfeld, der Katastrophenstatus aufgehoben. Auf meine Nachfrage im Wirtschaftsausschuss am 30. August an Herrn Dr. Rehberger, wie es mit der Öffnung des Ladenschlussgesetzes weitergehen soll, erhielt ich die Antwort: Am 30. September ist definitiv Schluss.

(Minister Herr Dr. Rehberger: Richtig!)

Ja, diese Ausnahmeregelung ist ausgelaufen. In einer Presseerklärung vom 27. September 2002 wird Herr Dr. Rehberger wie folgt zitiert - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident -:

„Die Landesregierung hält Wort. Wie mit den Verbänden und Gewerkschaften besprochen, wird es keine Ausdehnung der Ausnahmeregelungen über den 30. September hinaus geben. Eine landesweite flächendeckende Erlaubnis zur Offenhaltung der Läden ist nicht mehr gerechtfertigt.“

Daraus entnehme ich: keine Notwendigkeit mehr für § 23.

(Herr Gürth, CDU: Landesweit!)

- Aber es ist erst mal eine Bestätigung.