Protokoll der Sitzung vom 11.10.2002

Es besteht für die FDP auch auf Bundesebene kein Zweifel daran, dass hierfür ein eindeutiges Mandat des Uno-Sicherheitsrates vorliegen muss, meine Damen und Herren. Völkerrechtlich fragwürdige Umdeutungen und Auslegungen früherer Mandate sind aus unserer Sicht nicht zulässig. Das von der Uno-Charta vorgegebene Gewaltmonopol der Vereinten Nationen muss uneingeschränkt erhalten bleiben. Deswegen verurteilen wir auch die Vorgehensweise der Amerikaner.

Aber ich sage es noch einmal: Druck kann man nur gemeinsam seitens der Europäischen Gemeinschaft ausüben und nicht im Alleingang und mit einem Sonderweg. Deswegen halten wir den Kurs der Bundesregierung in dieser Frage für gefährlich.

Lassen Sie mich an dieser Stelle erwähnen - der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Herr Gertz, hat es zum Ausdruck gebracht -: Selbst wenn eine militärische Intervention anstünde - vor der Frage stehen wir im Moment nicht, auch der Bundestag und die Bundesregierung nicht -, wäre die Bundeswehr nicht in der Lage, in irgendeiner Form dort aktiv zu werden wie auf dem Balkan. Es wäre meines Erachtens auch überhaupt nicht wünschenswert.

Man könnte nur davon ausgehen, dass die USA im Falle einer Irak-Intervention Überflugrechte über deutsches Hoheitsgebiet und die Nutzung von US-Stützpunkten in Deutschland beantragen würden. Sowohl bei „Desert Storm“ als auch bei den Interventionen auf dem Balkan hat insbesondere der Stützpunkt Ramstein eine wichtige Rolle als Drehscheibe für logistischen Nachschub und das Krankenhaus Kaiserslautern für die Versorgung verletzter Soldaten gespielt. In jedem Falle muss aber eine Genehmigung der Bundesregierung erteilt werden. Also auch dieser Frage müssen wir uns im Moment nicht stellen.

Deswegen ist es, glaube ich, nicht gerechtfertigt, in irgendeiner Weise über diese Anträge hier im Landtag zu entscheiden. Wir werden beide ablehnen.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Danke, Frau Pieper. Sind Sie bereit, eine Frage von Herrn Gallert zu beantworten?

Dann rufe ich Herrn Stahlknecht für die CDU-Fraktion auf.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um es gleich vorwegzunehmen: Die CDU-Fraktion lehnt die Anträge der PDS- und der SPD-Fraktion als

unzulässig ab. Wir lehnen es ab, dass ein außenpolitisches, bundespolitisches Thema, das hochsensible außenpolitische und diplomatische Beziehungen berührt, in unzulässiger Weise in einem Landesparlament zum Gegenstand politischer Selbstdarstellung gemacht und instrumentalisiert wird und damit verflacht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deutschland steht in einer Reihe und auch in der Mitte von Staaten, mit denen es zum Teil seit langen Jahrzehnten in ungetrübter Freundschaft verbunden ist. Es ist zutiefst erschreckend, dass Teile der SPD und der PDS bereit sind, diese Bündnisfreundschaften und diplomatischen Beziehungen - im Übrigen erstmals seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland - auf dem Altar eines Wahlkampfes und - wie jetzt - der Selbstdarstellung zu opfern.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich will aber für die CDU vier Eckpunkte als Erklärung hier und heute in der gebotenen Sachlichkeit nennen.

Erstens. Wir danken den Vereinigten Staaten von Amerika, dass sie den Europäern beim Wiederaufbau ihrer zerstörten Länder nach dem Zweite Weltkrieg geholfen und sie während des Kalten Krieges vor einer möglichen militärischen Eskalation geschützt haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir als Deutsche - das sollte für das gesamte Haus hier gelten - danken dem amerikanischen Volk insbesondere dafür, dass durch seine Hilfe der Traum der deutschen Wiedervereinigung Realität wurde.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustimmung von der Regierungsbank - Zurufe von der SPD)

- Sie sollten gut zuhören; ich denke, das ist ein wichtiges Thema.

(Herr Gallert, PDS: Ich denke nicht! Es verflacht! - Weitere Zurufe von der PDS)

- Meine Damen und Herren von der PDS-Fraktion, wenn ich Sie so höre, fällt mir von Goethe Torquato Tasso ein: „Durch Heftigkeit ersetzt der Irrende, was ihm an Wahrheit und an Kräften fehlt.“

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zweitens. Wir teilen die Sorge aller Menschen um Krieg und setzen auf Frieden stiftende Politik und haben den festen Willen, an Lösungen für ein friedliches Nebeneinander der Kulturen freudig mitzuarbeiten.

(Zuruf: Freundlich?)

Drittens. Wir fordern die Bundesregierung auf, in vornehmer staatsmännischer Art die außenpolitischen Verhandlungen mit den Staaten der Welt fortzuführen und sich dafür einzusetzen, dass in dem schwelenden IrakKonflikt zunächst alle diplomatischen Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Einen deutschen Einzelweg darf es nicht geben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustim- mung von der Regierungsbank)

Als vierter und letzter Eckpunkt der Erklärung der CDU: Sollten die völkerrechtlichen Voraussetzungen gemäß der UN-Charta zur Selbstverteidigung eines Staates oder einer Gruppe von Staaten und dementsprechende UN-Resolutionen vorliegen, muss sich die Bundesrepublik Deutschland ihrer Bündnisverpflichtungen bewusst sein und darf nicht im Alleingang das System kollektiver Sicherheit verlassen. Deutschland darf nie wieder außenpolitisch isoliert werden und isoliert sein. - Ich bedanke mich bei Ihnen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustim- mung von der Regierungsbank)

Herr Abgeordneter, sind Sie bereit, eine Frage zu beantworten?

Ja, selbstverständlich.

Herr Dr. Püchel, bitte.

Kollege Stahlknecht, Sie haben vor einiger Zeit hier einmal gesagt, dass Sie Volljurist sind, was wir eigentlich wussten, aber Sie hatten es noch einmal betont. Volljuristen haben ja ein sehr geschultes Gedächtnis, gerade was Gesetze, Verfassungen usw. betrifft. So werden Sie auch die Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt kennen, auch den Artikel 41 Abs. 1, in dem steht: „Er“ - also der Landtag - „überwacht die vollziehende Gewalt nach Maßgabe dieser Verfassung und verhandelt öffentliche Angelegenheiten.“

Ist diese Frage eine öffentliche Angelegenheit oder nicht? Denn ich war im Wahlkampf viel unterwegs und wurde täglich wegen dieser Frage angesprochen. Es ist eine Frage, die die Menschen beschäftigt. Ist das eine öffentliche Angelegenheit oder nicht?

(Zuruf von Minister Herrn Dr. Daehre)

Ich würde nicht so sehr auf dieses Moment ihrer Begründung abstellen wollen. Denn wenn Sie - nun lassen Sie mich mal ausführen - hier Anträge unter der Überschrift „Keinen Krieg gegen den Irak“ formulieren, dann fordern Sie damit letztendlich etwas, was wir in diesem Hause nicht bestimmen können, weil es allein eine außenpolitische Angelegenheit ist. Das ist Punkt 1.

(Zuruf von Frau Mittendorf, SPD)

Sie setzen darüber hinaus - nun kommen wir wieder zum inhaltlichen Teil -, wenn Sie das tun, - das sage ich Ihnen in aller Deutlichkeit - mit den Anträgen ein falsches politisches Signal, weil Sie sich nämlich - jetzt kommen wir wieder zur Juristerei - außerhalb von Artikel 51 der UN-Charta bewegen. Man kann das sicherlich öffentlich diskutieren. Wir halten es für schlicht und ergreifend unzulässig und auch verfehlt, in einer Antragsform die Außenpolitik Deutschlands zu bestimmen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Herr Stahlknecht, es gibt noch eine Frage von Frau Dr. Weiher. Sind Sie bereit, darauf zu antworten?

Ich bin gern bereit, die Frage zu beantworten.

Ich wollte keine Frage stellen, ich wolle nur eine Bemerkung machen. Ich habe Ihren Ausführungen sehr aufmerksam gelauscht, und ich muss sagen, dass es neben der Aussage, dass es wichtig ist, dass Deutschland keinen Einzelweg gehen kann, eine noch wichtigere Aussage gibt. Es gibt die Aussage, dass es ganz wichtig ist, keinen Krieg zuzulassen. Dies finde ich sehr viel wichtiger als den Einzelweg von Deutschland.

(Zustimmung bei der PDS)

Ich möchte darauf etwas erwidern. Sie sind als PDS - das können Sie nicht ganz bestreiten - die legitime Rechtsnachfolgepartei der SED. Das muss man in diesem Hause einmal erwähnen.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich kann mich nicht erinnern, dass, als die Sowjetunion in Afghanistan einmarschierte, jemand von Ihnen im Kreml angerufen und gesagt hat: Herr Breschnew, ziehen Sie die Truppen zurück, sie sind illegal dort. Daran kann ich mich nicht erinnern.

(Zuruf von Herrn Dr. Heyer, SPD)

Insofern bin ich schon stark verwundert, dass Sie mit einem Hurra-Pazifismus - ja, Deutschland hat geschichtlich unter einem Hurra-Patriotismus gelitten, jetzt leiden wir unter einem Hurra-Pazifismus - hier Rechte reklamieren unter Außerachtlassung diplomatischer Feinfühligkeiten.

(Beifall bei der CDU)

Danke. - Für die PDS-Fraktion hat noch einmal der Abgeordnete Herr Gärtner das Wort.