Protokoll der Sitzung vom 14.11.2002

Bis zum April dieses Jahres hat die SPD unser Land regiert. Über zwei Legislaturperioden hat sie, von der PDS toleriert, Sachsen-Anhalt in die finanzpolitische Schieflage geführt, in der unser Land jetzt steckt. Die Versuche der SPD-Regierung, die Ausgaben zurückzuführen, vor allem die Konsumausgaben, - solche Versuche hat es gegeben - blieben halbherzig. Diese halbherzigen Versuche wurden dann noch von der PDS regelmäßig ausgehebelt.

Der hinterlassene Schuldenberg pro Einwohner, der größte aller mittel- und ostdeutschen Länder, ist das traurige Ergebnis. Der Nachtragshaushalt 2002, den wir im Sommer dieses Jahres vorgelegt haben, deckte diese Schieflage auf und sorgte endlich für Bilanzklarheit und Haushaltswahrheit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sage es ganz deutlich: Dass wir heute bei einer Nettokreditaufnahme von 750 Millionen € und einer Kreditfinanzierungsquote von 7,3 % von einem drastischen Sparkurs sprechen müssen, verdanken wir doch letztlich nur der Tatsache, dass unsere sozialdemokratischen Vorgänger im Verein mit der PDS die Defizite aus dem Ruder laufen ließen - bei korrekter Buchführung zuletzt bis auf 1,5 Milliarden €, 15 % des Haushaltsvolumens.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Dass selbst unser finanzpolitischer Kraftakt, den wir mit diesem Haushalt vollziehen, heute gerade einmal ausreicht, um eine erste Etappe auf dem Weg zu einem ausgeglichenen Haushalt zu bewältigen, verdanken wir der Misswirtschaft unserer Vorgänger. Und unsere Vorgänger regierten zu einer Zeit - das muss auch deutlich gesagt werden -, als die Rahmenbedingungen auf der Einnahmenseite noch deutlich günstiger waren als die Rahmenbedingungen, die wir jetzt vorfinden und mit denen wir jetzt zu leben haben.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Genau an dieser Stelle, auf der Einnahmenseite, liegt die zweite Verantwortung der Sozialdemokratie für die Finanzprobleme in unserem Land.

(Zuruf von Herrn Tögel, SPD)

Seit dem Jahr 1998 wird Deutschland von Rot-Grün regiert. In dieser Zeit sind die Steuereinnahmen in Bund und Ländern - das hat selbstverständlich etwas mit der Einbringung dieses Haushalts zu tun; das ist doch ein Teil der Schwierigkeiten, die wir bei der Konsolidierung dieses Haushaltes zu berücksichtigen haben - regelmäßig weit hinter den Prognosen zurückgeblieben.

(Zuruf von Herrn Dr. Polte, SPD)

Dies lag zum einen an einer fehlgeleiteten Steuerpolitik zum Beispiel bei der Körperschaftsteuer. Die rot-grüne Reform gab große Unternehmen in den westdeutschen Ballungsräumen die Chance, fast gar keine Steuern mehr zu bezahlen, und dies traf über den Steuerverbund und über den Finanzausgleich alle Bundesländer mit voller Wucht, auch die strukturschwachen und vor allem auch die mittel- und ostdeutschen Länder, obwohl in den Ländern kaum solche Großunternehmen vorhanden sind, die die Körperschaftsteuer nicht mehr zahlen; das hat alle getroffen.

Schlimmer noch ist die Bilanz der wirtschaftlichen Stagnation, die wir der rot-grünen Bundesregierung zu verdanken haben. Der Reformstau in Deutschland ist sprichwörtlich geworden. Das Ausland schaut nur noch mitleidig auf die größte nationale Volkswirtschaft Europas, deren Wachstumsrate im Jahr 2001 gerade einmal 0,6 % betrug und im laufenden Jahr 2002 wohl nur bei 0,2 % liegen wird.

Dies ist Stagnation, meine Damen und Herren. Es ist kein wirtschaftliches Wachstum, wie wir es in fast allen anderen europäischen Ländern finden. Die Prognosen für die kommenden Jahre sind miserabel. Deutschland gilt längst als das Japan Europas. Und das ist das Ergebnis von vier Jahren rot-grüner Politik in Berlin.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat gerade ein Gutachten vorgelegt, nach dem im kommenden Jahr nunmehr mit einem Wachstum von 1 % zu rechnen ist. Man kann das kaum mehr eine konjunkturelle Erholung nennen. Es ist eine Fortsetzung der Stagnation. Insofern müssen wir in der Zukunft mit dem Schlimmsten rechnen.

Wie sich die wirtschaftliche Stagnation auf die Steuereinnahmen auswirkt, haben wir gestern schmerzlich erleben müssen. Die neueste Steuerschätzung rechnet für 2003 bundesweit mit Steuermindereinnahmen von rund 16 Milliarden €. Was dies für unseren Haushalt bedeutet, wird sich bei der Regionalisierung der Schätzung in den nächsten Tagen herausstellen.

Selbstverständlich werden wir diese erwarteten Mindereinnahmen im parlamentarischen Verfahren berücksichtigen. Wie das im Einzelnen geschehen wird, wird zu gegebener Zeit im Einvernehmen mit jenen Fraktionen geklärt, die diese Regierung tragen. Aber ich sage schon heute: Wir werden an dieser Stelle natürlich den Haushalt anpacken müssen. Diese Steuerausfälle, mit denen in dieser Größenordnung nicht gerechnet werden konnte, müssen wir im Haushalt mit berücksichtigen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist eine Binsenweisheit, dass Steuereinnahmen nur dort sprudeln, wo es kräftiges wirtschaftliches Wachstum gibt. Das gibt es nur dort, wo eine Regierung entschlossen an Reformen geht, die den Standort Deutschland wieder attraktiv machen. Davon ist bei der Bundesregierung leider nichts, aber auch gar nichts zu erkennen.

Das Urteil der Fachwelt ist in dieser Hinsicht ganz eindeutig. Der Höhepunkt ist das bereits erwähnte Gutachten des Sachverständigenrats, das in einem 20-PunkteProgramm für mehr Beschäftigung und Wachstum einzelne Punkte anmahnt, Reformpunkte, die von der Bundesregierung bisher in keiner Weise umgesetzt worden sind. Stattdessen hören wir Palaver um die Konzepte der Hartz-Kommission. Sie greifen, wie die Sachverständigen zu Recht sagen, viel zu kurz. In dieser Hinsicht ist also keine Besserung in Sicht. Damit werden wir leben müssen.

Noch schlimmer fällt das Urteil über den mangelnden Sparwillen der rot-grünen Regierung aus. Während wir in Sachsen-Anhalt und andere Landesregierungen ebenso konsequent auf die Konsolidierung setzen, wird in Berlin über Sinn und Unsinn von Stabilitätszielen diskutiert.

Meine Damen und Herren! Auch das gehört zu den Rahmenbedingungen, mit denen wir uns bei der Aufstellung dieses Haushalts abfinden müssen. Dass die rot-grüne Bundesregierung das Bekenntnis zum Stabilitätsziel, das sie jahrelang wie eine Monstranz vor sich hergetragen hat, plötzlich aufgibt und damit natürlich nach außen dem Rest der Welt signalisiert, dass finanzpolitische Solidität in diesem Land überhaupt keine Priorität mehr hat, ist nicht nur politisch bedauerlich, sondern auch ökonomisch äußerst schädlich.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Denn um ein solches Land machen Investoren einen Bogen. In einem solchen Land kann man nicht damit rechnen, dass die Beschäftigung und das wirtschaftliche Wachstum so zunehmen, dass die entsprechenden Steuereinnahmen erzielt werden.

Die Steuererhöhungen, die von der Bundesregierung bisher angekündigt oder ins Gespräch gebracht worden sind, sind völlig inakzeptabel. Mit diesem Programm werden wir keinen Schritt weiterkommen.

Ich weise auch darauf hin, dass der Bundeshaushalt weit weniger unbeweglich ist, weil die Verwaltungs- und Personalausgaben im Bundeshaushalt einen erheblich geringeren Anteil als in den Länderhaushalten ausmachen. Das, was wir an Konsolidierung vorlegen, wird also unter erheblich schwierigeren Voraussetzungen vorgenommen, als es beim Bund geschieht.

Ich mache auch darauf aufmerksam, dass der Bund in den letzten Jahren zusätzliche Einnahmemöglichkeiten hatte, die den Ländern und somit auch Sachsen-Anhalt verwehrt blieben. Ich erwähne die UMTS-Lizenzen. Die Erlöse aus dem Verkauf der UMTS-Lizenzen führten bei uns zu Körperschaftsteuerausfällen, weil sich die Bilanzen der Unternehmen verschlechterten. Die Länder, also auch Sachsen-Anhalt, mussten die Last aus diesem Verkauf mittragen, aber die Erlöse flossen ausschließlich dem Bund zu.

Insoweit ist zwischen Bund und Ländern inzwischen eine Schieflage erreicht, die dringend der politischen Korrek

tur bedarf. Dafür werden wir uns auf der Bundesebene einsetzen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vor diesem Hintergrund - einem Hintergrund, den andere zu verantworten haben, nämlich in unserem Land die SPD und die PDS und im Bund die SPD und die Grünen - müssen wir, die Landesregierung SachsenAnhalts, unsere Finanzpolitik betreiben. Wir stellen uns dieser Verantwortung - wir sind im April mit diesem Auftrag von den Bürgern Sachsen-Anhalts gewählt worden -, auch wenn die Entscheidungen, die wir treffen müssen - das wissen wir -, im Einzelnen unpopulär sind. Aber wir erlauben uns doch, darauf hinzuweisen, dass andere es waren und andere es sind, die unser Land und sein Umfeld wirtschaftlich und finanziell in diese prekäre Lage gebracht haben.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Herr Gürth, CDU: Sehr richtig!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Entwurf des Haushaltsplans 2003 wird die Nettokreditaufnahme von mehr als 1,5 Milliarden € im Nachtragshaushalt 2002 auf 750 Millionen € zurückgeführt. Die Einsparungen, die dazu nötig waren, beruhen im Wesentlichen auf drei Säulen: der Umsetzung des Personalabbaukonzepts der Regierung, dem Absenken konsumtiver Ausgaben und der Veräußerung von nicht benötigtem Landesvermögen.

Damit nehmen wir grundlegende strukturelle Weichenstellungen vor, die auch ordnungspolitisch geboten sind. Wir wollen, dass sich der Staat auf seine Kernaufgaben beschränkt. Wir wollen, dass diese Kernaufgaben von einem handlungsfähigen Staat effizient und ohne Verschwendung erledigt werden. Und wir wollen, dass der Staat nicht über seine Verhältnisse lebt und nicht auf Kosten unserer Kinder wirtschaftet.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir haben in diesem Haushalt alle Anstrengungen unternommen, um nicht bei den Investitionen zu sparen und die Investitionsquote möglichst hoch zu halten. Im Haushaltsplanentwurf 2003 sind Investitionsausgaben von 2,1 Milliarden € vorgesehen. Dies entspricht einer Investitionsquote von 20,3 %. Die eigenfinanzierten Investitionen belaufen sich auf 1,1 Milliarden €. Die Nettokreditaufnahme liegt also um mehr als 300 Millionen € unter der Verfassungsgrenze, die durch die eigenfinanzierten Investitionen markiert wird.

Eine hohe Investitionsquote ist für die Landesregierung von großer Bedeutung. Es muss aber auch klar gesagt werden, dass nicht alle notwendigen Einschnitte im konsumtiven Bereich zeitnah und kurzfristig erfolgen können; das wäre völlig illusorisch. Wir sind in diesem Bereich an die Grenze dessen gegangen, was rechtlich und politisch noch zu vertreten ist. Eine massive Überhöhung der konsumtiven Ausgaben, wie wir sie vorfanden, ist aber nicht binnen Jahresfrist zu korrigieren; das ist völlig klar. Die Grundlage für ein Umsteuern wird jedoch mit diesem Haushalt gelegt.

Lassen Sie mich, was den Personalabbau betrifft, einiges zusammenfassend ausführen.

Das Ministerium der Finanzen des Landes Sachsen-Anhalt - das wissen Sie - hat im Sommer dieses Jahres ein Gutachten bei dem Wirtschaftswissenschaftler Professor Helmut Seitz von der Universität Frankfurt/Oder in Auftrag gegeben. In diesem Gutachten werden die Erbringung und die Kosten öffentlicher Leistungen in Sachsen

Anhalt mit der Erbringung und den Kosten öffentlicher Leistungen in anderen Bundesländern verglichen. Die Ergebnisse, zu denen Professor Seitz anhand amtlicher Zahlen gelangte, sind Ihnen bekannt.

In dem Gutachten wird eine übermäßig hohe Personalausstattung des Landes und auch der Kommunen in diesem Land - das Bild bei den Kommunen im Einzelnen ist natürlich differenziert - festgestellt. Ebenso wird festgestellt, dass die Ausgaben im konsumtiven Bereich stark überhöht sind.

Diese Feststellungen geben eine Orientierung dafür, in welchen Bereichen Sachsen-Anhalt über seinen finanziellen Möglichkeiten lebt. In diesen Bereichen setzt unser Umsteuern an. Das ärmste Land in Deutschland - das sind leider wir; wir haben das niedrigste Pro-KopfEinkommen - kann sich nicht die höchsten sozialen Standards leisten. Und es kann sich schon gar nicht das meiste Personal je Einwohner aller Flächenländer leisten. Das geht nicht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zustim- mung von der Regierungsbank)

Mit dem Haushaltsjahr 2003 beginnen wir, unser Stellen- und Personalabbaukonzept konsequent umzusetzen. Der jetzige Personalbesatz von 26,1 Bediensteten pro 1 000 Einwohner wird langfristig auf das bundesdeutsche Niveau von 21,6 Bediensteten pro 1 000 Einwohner gesenkt. Dies entspricht einem Stellenbestand von etwa 55 000.

In einem ersten Schritt vermindern wir die Zahl der Stellen im Haushaltsplanentwurf 2003 von zurzeit 68 368 auf 63 828. Eine weitere Verringerung auf 59 042 haben wir durch zusätzliche Personalabbauschritte im Haushaltsplanentwurf dargestellt.

Die Stellen, die wir abbauen werden, haben wir erstmalig in einer gesonderten Titelgruppe zusammengefasst. Damit haben wir die abzubauenden Stellen aufgeschlüsselt und die Grundlagen für einen effizienten Vollzug des Personalabbaus gelegt.

Die Personalausgaben, die in der Hauptgruppe 4 veranschlagt sind, werden um einen Betrag in Höhe von 118 Millionen € gesenkt.

(Herr Gallert, PDS, schüttelt den Kopf)

- Herr Gallert, Sie brauchen nicht den Kopf zu schütteln. Warten Sie auf meinen nächsten Satz, dann können Sie sich das Schütteln des Kopfes ersparen.

Meine Damen und Herren! Dabei ist selbstverständlich zu berücksichtigen, dass die Personalausgaben der beiden Universitäten nicht mehr der Hauptgruppe 4 zugeordnet werden. Ich weise darauf hin, dass es sich dabei keineswegs um einen Buchungstrick handelt, sondern um die schlichte Tatsache, dass wir den Universitäten durch das Instrument der Globalhaushalte ein flexibles Handeln ermöglichen, das dem modernen Wettbewerbsumfeld im Hochschulbereich angemessen ist. Das heißt allerdings nicht, dass die Universitäten vom Druck auf die Personalkosten ausgenommen sind. Es heißt nur, dass sie möglichst in eigener Regie und möglichst nach eigenen Prioritäten den generellen Spardruck umsetzen können.

Meine Damen und Herren! Es ist absolut gerechtfertigt, das zu machen. Das ist ein Weg, zu dem wir uns bekennen. Dass er haushaltstechnisch die Konsequenz hat, dass wir in der Hauptgruppe 4 die entsprechenden Aus