Protokoll der Sitzung vom 14.11.2002

(Zustimmung von Herrn Daldrup, CDU)

Der Wirtschaftsminister führt glaubhaft aus, dass sich die Zahl der Anmeldungen bezüglich zukünftiger Investitionen in seinem Haus deutlich erhöht hat. Wir brauchen einen guten Leumund als Land Sachsen-Anhalt, dann werden wir auch wieder ein attraktives Land für Investoren werden.

(Beifall bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Meine Damen und Herren! Wo stehen wir heute finanzpolitisch? - Nicht erst die Flutkatastrophe im August dieses Jahres hat gezeigt, dass dem Land das Wasser bis zum Hals steht. Das ganze Ausmaß ist erst nach dem Schaden offenbar geworden.

Wenn man noch ein wenig bei dem Bild der Flut bleibt, dann kann man durchaus sagen: Der Nachtragshaushalt war bildlich gesprochen die Errichtung von Notdeichen und die gezielte Öffnung von Überflutungspoldern. Damit konnte die Handlungsfähigkeit der Landesregierung bewahrt werden. Das war kein Schluck aus der Pulle. Der Haushaltsplan 2003 ist ein deutlicher Schritt auf dem Weg der DIN-gerechten Deichsanierung, damit uns diese Überflutungen nicht wieder passieren können.

Aber, meine Damen und Herren, wir müssen auch dafür sorgen, dass wir bei all den notwendigen Sparmaßnahmen für die erforderlichen Infrastrukturprojekte und für wichtige kulturelle und soziale Projekte die notwendigen Gelder zur Verfügung stellen. Deshalb, meine Damen und Herren, kann ich dem DGB-Chef Jürgen Weißbach überhaupt nicht folgen, wenn er behauptet, wir unterlägen einer manischen Sparwut. Nein, wir sind weder manisch noch masochistisch noch sadistisch. Eine verantwortliche, nachhaltige Finanzpolitik über eine Legislaturperiode hinaus ist ein unverzichtbarer Bestandteil einer verantwortlichen Politikgestaltung.

Es wäre unverantwortlich, meine Damen und Herren, jetzt auf Kosten unserer Kinder zu leben. Es wäre unverantwortlich, das Land in den künftigen Jahren in die Handlungsunfähigkeit hineinzuführen. Es wäre unverantwortlich, durch instabile Haushalte die Stabilität von Land und Bund und damit auch die Stabilität des Euros zu gefährden.

Lassen Sie mich noch ein weiteres Bild aufgreifen. Wenn eine Wurzelbehandlung notwendig ist, dann nützt es nichts, den Gang zum Zahnarzt hinauszuschieben und es weiter mit Kamillan zu versuchen; dann muss man wirklich ran.

(Herr Gürth, CDU: Richtig!)

Das kann schmerzhaft sein, aber nur danach ist eine Besserung zu erwarten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Die Steuerausfälle, die für Sachsen-Anhalt noch nicht genau bekannt sind, werden uns zu weiteren schmerzlichen Operationen führen. Der Grund für die Steuerausfälle ist zum einen der dramatische Rückgang der Körperschaftsteuer. Kapital- und Aktiengesellschaften haben im vergangenen Jahr keine Körperschaftsteuer gezahlt und erhalten in diesem Jahr sogar Rückerstattungen aus den 90er-Jahren. Das, meine Damen und Herren von der SPD, kann doch wohl in Ihrem Sinne nicht sozial gerecht sein.

Aufgrund einer verfehlten Wirtschaftspolitik ist Deutschland Schlusslicht beim Wirtschaftswachstum in ganz Europa, und im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn haben wir dramatische Umsatzsteuerausfälle zu beklagen. Damit wird deutlich, dass der Versuch des Kanzlers, die dramatischen Einnahmeausfälle allein mit der Situation auf den Weltmärkten zu erklären, scheitern muss.

Warum bekommen denn, frage ich, Industrienationen wie Frankreich oder Großbritannien keinen blauen Brief aus Brüssel? Warum gehen in Frankreich oder Großbritannien die Arbeitslosenzahlen im sechsten Jahr in Folge zurück? Deutschland hat in seiner Geschichte im internationalen Vergleich noch nie so schlecht dagestanden wie heute. Die geplante größte Steuerreform aller Zeiten wurde zum größten Einnahmedesaster aller Zeiten. Das ist die bittere Wahrheit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie, Herr Dr. Püchel, beklagen in der „Volksstimme“ die dramatischen Kürzungen bei den Kommunen.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Ja!)

Es ist wirklich dramatisch. Von den enormen Steuerverlusten der Kommunen im Bereich der Umsatzsteuer infolge einer verfehlten Wirtschaftspolitik im Bund ist jedoch nicht die Rede. Das gehört aber zur ganzen Wahrheit dazu.

Auch hat die SPD in Sachsen-Anhalt zu keinem Zeitpunkt den Versuch unternommen, die eigenen wirtschafts- und finanzpolitischen Defizite aufzuarbeiten. Sie vertrauen darauf, dass im Laufe der Legislaturperiode alles automatisch zu unseren Schulden wird. Aber Ihre verfehlte Finanzpolitik bedarf auch der eigenen Aufarbeitung zu Ihrer eigenen gedanklichen Klarheit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von Herrn Dr. Püchel, SPD)

Wir muten ja den Zuwendungsempfängern nicht aus krankhaftem Sparwillen Einschränkungen zu, sondern wir sind gezwungen, auf die Einnahmeausfälle haushaltsmäßig zu reagieren.

Im Hinblick auf Steuern, Gebühren und Beiträge haften wir natürlich für die verfehlte Wirtschafts- und Finanzpolitik des Bundes. Zudem - das muss man klarstellen - versucht der Bund, seinen Haushalt auf Kosten der Länder und Kommunen zu sanieren. Die Landesregierung wird dieses Verhalten nicht nachahmen und wird den Landeshaushalt nicht auf Kosten der Kommunen sanieren. Das werden wir nicht tun.

Jedoch, meine Damen und Herren, bekommen die Kommunen die Sparzwänge des Landes zu spüren. Darum kommen wir nun einmal nicht herum. Den Kommunen soll deshalb ein höheres Maß an Eigenverantwortung bei der Finanzierung ihrer Aufgaben eingeräumt werden. Daher werden die Zweckzuweisungen ab dem Jahr 2004 in einem höheren Maße als bisher in die Finanzausgleichsmasse einbezogen werden. Die Ausgestaltung dieser Regelung wird im Laufe des Jahres 2003 erfolgen.

Ich kann mir durchaus vorstellen, dass wir zukünftig GA- und EFRE-Mittel in höherem Maße als jetzt - wir haben es bis jetzt ja fast gar nicht gemacht - in den Finanzausgleich mit einbeziehen werden. Ich sehe hier keine rechtlichen Hinderungsgründe.

(Zuruf von Herrn Bullerjahn, SPD)

Meine Damen und Herren! Wir müssten auch noch einmal darüber nachdenken, ob wir darauf bestehen müssen, dass die Überzahlungen an die Kommunen von diesen sehr schnell zurückgezahlt werden. Ich kann mir vorstellen, hier könnte ein Aufschub möglicherweise auch schon etwas Linderung verschaffen.

(Zuruf von Herrn Dr. Püchel, SPD)

- Ja, die Überzahlungen aus dem Finanzausgleich 2002.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Es gibt doch schon einen Erlass aus dem Innenministerium!)

- Ja klar, das kann es doch alles geben.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Also!)

Ich habe doch deutlich gesagt: Wir müssen uns über das Thema der Kommunalfinanzen im Komplex unterhalten. Wir können die Kommunen von den allgemeinen Spar

zwängen nicht ausnehmen. Wir können über Details aber durchaus noch sprechen.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Kennen Sie den Erlass?)

- Nein, ich kenne doch nicht jeden Erlass.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Dann gehen Sie bitte einmal zum Innenminister, der gibt Ihnen den gleich!)

- Ja, gut. Danke für den Hinweis. - Meine Damen und Herren! Wir werden aber auch versuchen, die Einnahmesituation des Landes zu verbessern, und zwar durch die Veräußerung von Landesbesitz. Hier müssen wir das, was notwendig und verantwortbar ist, tatsächlich umsetzen. Wir haben in den Haushaltsplanentwurf hineingeschrieben, welche Veräußerungen wir uns vorstellen können. Das Land muss nicht der größte Großgrundbesitzer sein. Das Land kann sich durchaus auch von einigen Unternehmungen im Land Sachsen-Anhalt trennen.

Zur weiteren Verbessung der Einnahmeseite müssen wir auch die Verwaltungsgebühren auf den Prüfstand stellen. Diese undankbare Aufgabe werden die Ministerien in den kommenden Monaten zu erfüllen haben. Aber schon heute steht fest, dass da und dort eine maßvolle Erhöhung notwendig sein wird.

Die CDU-Fraktion verfolgt das Ziel, die zu erwartenden Mindereinnahmen durch weitere Einsparungen und Umschichtungen im Haushalt aufzufangen. Ich gehe davon aus, dass der Finanzminister rechtzeitig die entsprechende Zuarbeit aus dem Finanzministerium liefern wird, sodass sie in die Beratungen des Landtages einbezogen werden kann.

Die Opposition ist gut beraten, sich mit eigenen Sparvorschlägen zu beteiligen. Die Steuermindereinnahmen in diesem Jahr gehen auf das Konto von Rot-Grün im Bund. Aber auch einer von der PDS tolerierten SPDMinderheitsregierung im Land muss an dieser Stelle Verantwortung zuerkannt werden. Die Opposition soll Wächter über die Landespolitik sein. Sie soll aber nicht Klagelieder auf die Missstände anstimmen, die sie zum Teil selbst zu verantworten hat.

Wie werden wir auf die Einnahmeausfälle reagieren? - Wir werden überall dort sparen, wo dies möglich ist. Deshalb werden wir auch in Leistungsgesetze eingreifen. Haushaltssanierung in Sachsen-Anhalt muss aber auch bedeuten, die Einnahmeseite zu stärken. Deshalb finden wir im Haushaltssanierungsgesetz zum Beispiel auch die Änderung des Lotteriegesetzes, des Spielbankgesetzes und des Lotto-Toto-Gesetzes. So hoffen wir Mehreinnahmen in Höhe von ca. 7 Millionen € zu erzielen.

Ich möchte an dieser Stelle auch auf die im Haushaltssanierungsgesetz vorgesehenen Ausgabenkürzungen durch Änderung des Beamtengesetzes hinweisen. Auch dies ist nach unserer Auffassung notwendig.

Meine Damen und Herren! Der Haushalt 2003 gibt das Startsignal für ein Personalabbaukonzept im öffentlichen Dienst. Der Personalbesatz soll von 26,1 Bediensteten pro 1 000 Einwohner auf den Bundesdurchschnitt von 21,6 gesenkt werden. Im ersten Schritt wird der Stellenhaushalt im Jahr 2003 um gut 4 500 Stellen reduziert.

Meine Damen und Herren! Dies ist eine wichtige Aufgabe. Ich will an dieser Stelle noch einmal betonen, dass

es die SPD bei Regierungsantritt 1994/95 als die erste große Tat erachtet hat, die kw-Vermerke aus dem Haushalt zu nehmen; sie hat die Dämme brechen lassen. Das war ein großer Fehler, den Sie damals gemacht haben. Auch wir wissen natürlich, dass kw-Vermerke nicht sofort Einsparungen beim Personal bedeuten. Aber Sie haben damit die Schleusen geöffnet, die hinterher nur ganz schwer wieder zu schließen gewesen sind.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Ich will an dieser Stelle auch darauf eingehen, dass wir uns dazu durchgerungen haben, mit einer Novelle die Kinderbetreuung im Land Sachsen-Anhalt neu zu regeln. Die Landesregierung wird in der nächsten Landtagssitzung eine entsprechende Novelle einbringen. Ich gehe davon aus, dass wir die Novelle in der Februar-Sitzung des Jahres 2003 in zweiter Lesung beraten können.

Sachsen-Anhalt kann sich de facto nicht höhere Standards leisten als andere ostdeutsche Bundesländer. Dennoch wird die Kinderbetreuung in Sachsen-Anhalt auch in Zukunft zu den besten in ganz Deutschland zählen. Zum Beispiel besuchen nur 4 % der westdeutschen Kinder im Krippenalter eine Tageseinrichtung. In Ostdeutschland sind es im Durchschnitt 14 %. In SachsenAnhalt ist es mit 46 % fast jedes zweite Kind.

(Zurufe von der PDS: Was ist daran denn schlimm?)

- Ich will damit nur sagen, wo wir stehen. Sie können nicht Schwarzmalerei betreiben und ein Horrorszenario im Hinblick auf die zukünftige Kinderbetreuung in Sachsen-Anhalt entwerfen. Ich sage, wo die Ausgangsposition ist und wo ein verantwortbares neues Niveau angesiedelt werden muss.

(Beifall bei der CDU)